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Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage

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Nr. 269

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Segrünäet 1886

Tagesfpiegel

Der belgische Irnanzminisier Francqui ist zurückge- treken.

In IS Bezirken Englands haben sich die Bergarbeiter mit großer Mehrheit für die 'Annahme der Regierungsvor- schlüge ausgesprochen.

Der Generalsekretär des Völkerbunds. Drummond, ist in London eingetroffen, um mit Lhambertain einige heikle Punkte der Tagesordnung für die nächste Tagung des Völkerbundsrats (Investigation, Zurückziehung der franz. Saargarnisonen u. a.) zu besprechen.

Die ungarische Nalionalversamrnlung ist am IE Non. ausgelöst worden. Da die Nationalversammlung das Zwei­kammersystem wieder eingesührt hat, werden beide Häuser des neuen Reichstags auf 25. Januar nach Budapest einberufen.

Mussolini hak die Präsidenten aller italienischen Provin­zen nach Rom berufen, um mit ihnen die innere Lage zu beraten.

Dsr deutsch-schweizerische Handels-

Schivere Schädigung der deutschen Landwirtschaft und Industrie

Der am 14. Juli d. I. in Bern Unterzeichnete deutsch- schweizerische Handelsvertrag, der soeben die Zustimmung der Mehrheit des Reichstags gefunden hat, ist ein Schulbei­spiel für die Art und Weise, wie die neuen Handelsverträge des Reichs Zustandekommen.

Bis zum Jahr 1921 galten für den deutsch-schweizerischen Handelsverkehr die Zollsätze des Handels- und Zollvertrags vom 10. Dezember 1891 und des Zusatzvertrags dazu vom 12. November 1904. Dann verzichteten beide Länder gegen­seitig auf die bisherigen Zollzugeständnissc, um freie Hand für die Anpassung ihrer Tarife an die wirtschaftlichen Ver­hältnisse der Nachkriegszeit zu gewinnen. Die Schweiz ging sogleich ans Werk und nahm in ihrem noch jetzt gültigen GcbrauchStarif vom 8. Juni 1921 eine große Reihe von Z o l l- erhöhungcn vor, wozu noch zahlreiche Einfuhrbeschrän­kungen gegen Deutschland traten, die für a n d e r e Län­der nicht im gleichen Um sang galten. Wenn unsere Ausfuhr nach der Schweiz trotzdem zunächst nicht allzu schwer ge­troffen wurde, so war das lediglick) der zunehmenden deutschen Inflation zuzuschrciben. Als dieser die Elobillsicrvng un­serer Währung folgte, wurden die Verhältnisse für Deutsch­land schlechterdings unerträglich. Zwar gelang es, die Einfuhrverbote im Jahr 1925 im Weg der Vereinbarung aus der Welt zu schaffen, auch wurden die deutschen Zölle auf schweizerische Seide und Schokolade erhöht, doch erfuhr un­sere Stellung gegenüber der Schweiz eine nennenswerte Stärkung erst durch die am 1. Oktober 1925 in Kraft ge­tretene deutsche Zolltarifnovellc, deren Zollsätze zwar fast durchweg viel zu niedrig sind, indessen wenigstens genügten, um die Schweiz dem Abschluß eines neuen Zollvertrags ge­neigt zu machen. Die Schweiz hatte sich unterdessen aber ihrerseits für die zu führenden Verhandlungen bereits eine weit wirksamere Waffe zu schaffen gewußt. Am 9. Januar 1925 wurde den eidgenössischen Räten der Entwurf eines neuen Generalzolltarifs vorgelegt, und da seine parlamentarische Erledigung längere Zeit zu beanspruchen schien, ließ die Schweizer Regierung sogleich einen vorläufi­gen Generalzolltarif ausarbeiten, der lediglich dazu bestimmt war, als Grundlage für Handelsvertragsverhandlungcn zu dienen, und der auch tatsächlich bereits den Verhandlungen mit Deutschland, die am 6. November 1925 zum Abschluß eines vorläufigen Zollabkommens führten, zugrunde gelegt worden ist. Dieser am 5. November 1925 veröffentlichst Schweizer Verhandlungstarif erhöhte abermals etwa ein Fünftel der Zollsätze des Gebrauchstarifs und bildete gegen die deutschen Unterhändler das Druckmittel, um sic den schweizerischen Wünschen gefügig zu machen. Gaben sie nicht nach, so wurde mit der Inkraftsetzung des neuen Tarifs gedroht.

Die S ch u l d dafür, daß unter solchen Umständen das Gesamtergebnis, absolut betrachtet, für die deutschen Inter­essen verheerend sein mußte, trifft in der Tat in erster Linie nicht die Unterhändler, sondern die Regierung und den Reichstag. Wenn man bedenkt, daß die Zollsätze des Schweizer Vcrhandlungstarifs durchschnittlich etwa drei- NA? vermal so hoch sind, wie die unseres augenblick- .chen Zolltarifs, so kann man sich kaum wundern, wenn "'ckk mehr erreicht worden ist. Wie anders hätten wir bei diesen oder anderen Handelsvertragsverhandlungen dagestan­den, wenn man bei Gestaltung unseres vorläufigen Zolltarifs genügend hohe Zollsätze beschlossen hätte. Selbst die An- hanger der Niederlegung internationaler Zollschranken sollten doch allmählich einsehen, daß ein einseitiges deutsches Vorgehen nach dieser Richtung nur zur weiteren Verelendung Volks führen kann, und daß hohe autonome Zollsätze die Waffe zum Schutz der Volkswirtschaft darstellen

Der Hauptleidtragende bei dem neuen Handels­vertrag ist natürlich wieder die deutsche Landwirtschaft, und zwar insbesondere die südwe st deutsche Klein­landwirtschaft. Durch die Herabletzuno des deutschen

Mittwoch, den 17. November 1928

Fernsprecher Nr. 28

1VV. Jahrgang

Sie könne« rechnen!

Das bleibt noch vom brschiagncchmten deutschen Eigentum?

Washington. 16. Nov. Im Bewilligungsausschuß des Abgeordnetenhauses forderte der Unterstaatssekretär im Schatzamt, Winston, der Kongreß solle einen Plan für die Rückgabe des beschlagnahmten deutschen ^-"ist-nns aus­arbeiten. Die Frage könne in folgender gelöst wer­

den: Die zur Regelung der deutschen Ansprüche auf Ent­schädigung für die Schiffe, Funkstationen und Patente er­forderliche Summe von 100 Millionen Dollar wird den In­habern amerikanischer Forderungen ausgehändigt. 30 Mil­lionen wird Deutschland im Jahr 1926 für die Besatzungs­kosten zahlen, 12 Millionen Dollar werden im Verlauf des Jahrs aus Entschädigungsrechnung gezahlt und 26 Millio­nen Dollar sind in den Grundstock des beschlagnahmten Le-- mögens an Zinsen gesammelt worden. Don den amerikani­schen Forderungen, deren Höhe den Gesamtbetrag von 190 Millionen Dollar erreicht, würden also nur noch 22 Millio­nen Dollar übrig bleiben, die im Jahr 1927 auf Entschädi­gungsrechnung gemäß dem Dawesplan gesetzt werden konnten.

Weitere S teuerer Mäßigungen in Amerika

Neuyork. 16. Nov. Schatzsekretär . Mellon erklärte, daß den Steuerzahlern bei der nächstjährigen Einkommensteuer­zahlung mindestens 15 v. H. statt der bisher vorgesehenen 12,5 v. H. des Betrags angerechnet werden sollen, den sie im letzten Jahr gezahlt haben, da der Budgetüberschuß vor­aussichtlich über 300 Millionen Dollar betragen werde.

Ausstand auf Java

Batavia, 16. Nov. Durch kommunistische Aufwiecfler,, darunter viele Chinesen, ist auf der hollöndisclzen Jirsek Java ein Aufstand der Eingeborenen veranlaßt worden, der besonders in den Provinzen West-Bantam und Tangerang gefährliche Ausdehnung annahm. Verschiedene Polizeitrup­pen, ein Bezirksoisizier mit seiner Familie und sonstige Per­sönlichkeiten, darunter einige Europäer, sind niedergemetzelt worden. In Batavia kam es zu Straßenkämpfen, bei denen viele Aufständische getötet oder verwundet wurden. Die Aufständischen haben Eisenbahnlinien zerstört. Ein hollän­disches Schiff, das mit Waffen belgischer Herkunft für die Aufständischen beladen war, wurde beschlagnahmt. Ur­sprünglich schien es sich um eine Feindseligkeit der ansässigen Chinesen gegen die Weißen zu handeln, der Aufruhr wird aber jetzt unter dem SchlagwortAll-Asien gegen die Euro­päer" geschürt. Die holländische Regierung hat scharf? Maß­nahmen zur Wiederherstellung der Ordnung getroffen.

Finanzminister Köhler gegen den Einheitsstaat

Karlsruhe. 16. Nov. Im landständischen Ausschuß e»° klü! re Finanzminister Dr. Köhler die Finanzlage Badens als sehr ernst. Bezüglich des Finanzausgleichs müHe unbedingt Klarheit über die Verteilung der Zuständigkeiten und Aufgabe» des Reichs und der Länder und Gemeinde» geschaffen werden. Ebenso müsse Klarheit bestehen » st a a L s p o l i r i s ch e r Beziehung, ob Einheitsstaat ad« Bundesstaat. S ü d d e u l s ch! a n d werde streng darüber wachen, daß die in der W.smarer Verfassung den Länder« gewährleisteten Rechte auch geachtet werden.

Deutschland und der Investigationsplan

Auf der Tagung des Völkerbunüsrats vom September

1924 wurde der bekannteI n v e st i g a t i o n s p l a n" d. h. die militärische und industrielle Nachforschung oder Ausschnüffelung durch den Völkerbundsrat gegen Deutsch­land, Oesterreich, Ungarn und Bulgarien auf Grund des Artikels 213 des Versailler Vertrags beschlossen für den Fall, daß die seitherige Nachforschung seitens der Militär­überwachungskommission beendet würde. Diese Nach­forschungen sollten von Fall zu Fall stattsinden. Der Jnoestigationsplan" stellt aber ein völliges Nach for­sch ungs syst em dar, das in keiner Weise mit dem Ar­tikel 213 zu vereinbaren ist. Der Plan wurde auf den Tagungen vom Dezember 1924 in Rom und vom März

1925 in Genf auf französisches Betreiben noch verschärft und zu einer dauernden Ueberwachung umgewandelt. Den betreffenden Ländern wurde eröffnet, daß sie durchdie ver­schiedenen Verträge" verpflichtet seien, sich jeder In­vestigation zu unterwerfen. Frankreich verlangte über­dies die Einsetzung fester Ueberwachungskommissionen i« besetzten Gebiet, wogegen jedoch England und Schweden Einspruch erhoben.

Wie die Reichsregierung sich zu diesen Plänen und Be­schlüssen damals gestellt hat, darüber ist nichts bekannt ge­worden, man weiß nur, daß in Locarno, Genf und Thoicy darüber vertraulich gesprochen wurde. Dagegen ist vor dem Eintritt in den Völkerbund von deutscher Seite angedeuret worden, daß die Jnvestigationsangelegenheit für Deutsch­land noch nicht einseitig erledigt sei, sondern daß nach deutscher Ausfassung Artikel 213 nur eineInvestigation" von Fall zu Fall, d. h. wenn ein deutscher Derstoß gegen die Abrüstungsbestimmungen des Versailler Vertrags vorliege, zulässig ist und durchaus keine dauernde Nachforschung, und daß ferner die Investigation sich nicht vertragswidrig auf das entmilitarisierte Rheinland be­

ziehe und dort also auch keine ständigen Nachforzcyungs- kommissionen eingesetzt werden dürfen. Es ist zu bedauer», daß von der Reichsregierung diese Frage, die Deutschland noch sehr viel zu schaffen machen kann, nicht vor dem Ein­tritt in den Völkerbund endgültig geregelt worden M- Jedenfalls muß an einem geeigneten Zeitpunkt eine Aus­sprache erfolgen. Der Völkerbundsrat wird in seiner Tagung im Dezember d. I. die Vorsitzenden der ständige» Jnvesligationsausschüfse für Deutschland ist es der fran­zösische General Desticker, der Vertrauensmann des Marschalls Fach neu zu wählen oder zu bestätigen habe». Kann aber Deutschland für einen französischen General stim­men, ccher ohne Einspruch eine Beratung hierüber i» Völkerbundsrat vor sich gehen lassen? Kann Deutschland durch die Beteiligung an dieser Beratung den Jnvestigations- plan stillschweigend billigen? Es liegt auf der Hand, daß in einem Völkerbundsrat, dem Deutschland angehört, eine der­artige mit dem gesamten Jnoestigationsplan eng verknüpfte Frage wie der Ernennung der Vorsitzenden der Jnvesti- gationsausschüsse, nicht erörtert werden kann, ohne daß gleichzeitig die ganze Frage grundsätzlich zur Sprache kommt und endlich die so lang hinausgeschobene Ause-ch- andersetzung vorgenommen wird.

Es wurde gemeldet, das Gerücht, daß Dr. St re se­in a n n an der Tagung des Vökkerbundsrats im Dezember in Genf nicht teilnehmen wolle, sondern sich durch Staats­rat v. Schubert vertreten lassen wolle, Hot bei der fran­zösischen Regierung Unwillen erregt. Von Berlin wurde dann halbamtlich mitgetcilt, Stresemann werde nach Gens reisen, wenn auch Briand und Chamberlain sich einsiirdon. Nach einer Meldung aus London wird Chamberlam m Gens sein.

Einfuhrzolls auf Tafelobst von 12 auf 7 Mk. für den Doppelzentner tritt die Schweiz in gleiche Linie mit Belgien und Italien. Wenn man bedenkt, daß selbst aus Ungarn und Bulgarien heute schon in steigendem Maß Tafelobst nach Deutschland eingesührt wird, so versteht man, daß der deutsche Obstbau immer weniger lohnend wird, während sich für eine kluge deutsche Wirtschaftspolitik gerade auf die­sem Gebiet sehr erhebliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten würden. Die Kalamität wird dadurch noch viel größer, daß entgegen den bei der Verabschiedung der deutschen Zolltarif­novelle gegebenen Zusagen sowohl in den gegenwärtigen Ver­trag wie in den mit Italien eine Klausel ausgenommen wor­den ist, wonach das sermde Tafelobst, wenn cs .lose geschüttet in Fahrzeugen eingeht', zu dem für Mostobst festgesetzten Zollsatz von 2 Mk. eingeführt werden kann. Da die Eisen­bahnwagen durch senkrechte Wände abgeteilt und reichlich Stroh, Papier und ähnliche Verpackungsmittel verwendet werden dürfen, ist, wie die Erfahrung lehrt, der unversehrte Transport von Tafelobst auf diesem Weg vollständig gesichert.

Auch die Herabsetzung unseres Einfuhrzolls für Schwei­zer Hart- und Kräuterkäse von 22 auf 20 Mk. be­deutet für die deutsche Käseproduktion, insbesondere die des Allgäus, einen harten Schlag. Aehnliches gilt für konden­sierte Milch und Milch in Blöcken, da die deutsche Milch- produklion sowieso kaum noch die Produktionskosten deckt.

Man sollte nun hoffen, daß wenigstens unsere In­

dustrie mir dem neuen Vertrag emiger, .msru.n

sein könnte. Aber auch das ist leider kv allgemein

der Fall. Die S t i ck e r c i i n d u st r i e lvico durch die Herabsetzung des Einfuhrzolls aus baumwollene Stickereien von 1600 auf 550 Mk. auf das schwerste betroffen. Dabei handelt es sich keineswegs nur um die Voigtlä'ndische, son­dern auch um die Barmer Industrie, sowie um die Textil­industrien Südbadcns, Württembergs, Bayerns. Schlesiens, und ferner um die in Berlin und anderen Orten zentralisierte Heimarbeit. In den Zollschutz unserer Textil­industrie wird durch den Verkrag eine schwere Bresche ge­legt, da die Zollsenkungen bis zu 80 Prozent gehen. Auch unsere Uhren- und Schokoladen-Industrie wird durch ZoR- herabsetzungen bis zo 50 Prozent geschädigt.

Handelte e>S sich allein um die Schweiz, so könnte vDA- leicht manches noch allenfalls erträglich scheinen, doch «ntz inan sich immer vergegenwärtigen, daß diese neuen deutsch» Zugeständnisse auf dem Wege der Meistbegünstigung auch allen anderenLändern, mit denen entsprechende Verträge bestehen, zugute kommen, und daß unsere handels­politische Gesamttage dadurch wesentlich verschleiert wird-

MM

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