HEIMATAUSGABE FÜR
STADT UND LAND
SAMSTAG, 28. APRIL1951
ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG
7. JAHRGANG / NR. 65
Länderwahlen am Sonntag als politisches Barometer
Rheinland-Pfalz and Schleswig-Holstein / Adenauer sprach in Mainz
Die neuen britischen Minister: Sir Hartley Shawcross (links), der als britischer Haiiptm.k'a- ger am Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß teilnahm, hat an Stelle von Harold Wilson das britische Handelsministerium übernommen. Alfred Robens (rechts) ist an die Stelle des zurückgetretenen britischen Arbeitsministers B e v an getreten.
Der lachende Dritte
Von Hermann Renner
MAINZ. Die Bevölkerung von Rheinland- Pfalz wird morgen die 100 Abgeordneten des neuen Landtages wählen. Von den knapp über drei Millionen Einwohnern sind 2 015 518 wahlberechtigt, das sind 20 Prozent mehr als bei den Wahlen zum ersten Landtag im Mai 1947. Schleswig-Holstein wählt mit 1 665 046 Wahlberechtigten die Kreistage und Gemeinderäte. In beiden Ländern wurde der Wahlkampf mit äußerster Schärfe geführt. Die Regierungsparteien werten ebenso wie die SPD diese Wahlen als eine Art politischen Barometers. Die Abstimmung wird damit in gewissem Sinne darüber entscheiden, ob die bisherige Regierungspolitik ebenso konsequent wie bisher fortgeführt wird oder ob eine Annäherung an den sozialdemokratischen Standpunkt erfolgt.
In Rheinland-Pfalz kandidieren zehn Parteien: CDU, SPD, FDP, KPD, BHE, Deutsche Arbeiterpartei (DAP), Deutsche Gemeinschaft (DG), Deutsche Reichspartei (DRP), die Notgemeinschaft Kriegsbeschädigter und das Zentrum. Einige der kleinen Parteien haben nicht in allen Wahlkreisen Wahlvorschläge eingereicht. Das Land ist in sieben Wahlkreise aufgeteilt, in denen jeweils eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten nach dem Verhältniswahlrecht gewählt wird. Landeslisten gibt es nicht, nur Wahlkreisvorschläge, doch gilt die Fünf-Prozent-Klausel, so daß Parteien, die im ganzen Lande nicht mindestens fünf Prozent der gültigen Stimmen erreichen, keinen Sitz erhalten
Mit 20 Parteien und Parteigruppen, die insgesamt 3286 Kandidaten aufgestellt haben, gehen die Schleswig-Holsteiner, 18 Monate vor dem eigentlichen Termin, in die heißumstrittenen Kreistags- und Landtagswahlen. Die Wahlberechtigten stehen vor einer schwierigen Aufgabe. Die 15 auf Landes- und Kreisebene zugelassenen Parteien sind derart vielseitige und in den einzelnen Gemeinden verschiedene Wahlkoalitionen eingegangen, daß der poli-
TOKIO. Der Schwerpunkt der Kämpfe lag am Freitag wieder im Westabschnitt der Koreafront. Starke kommunistische Einheiten drangen nach verlustreichen Gefechten in die nördlichen Vororte von Uijongbu ein und haben sich der südkoreanischen Hauptstadt Seoul bis auf 18 km genähert. Nach 'Eintreffen neuer rotchinesischer Verstärkungen stehen den Streitkraften der UN an der Westfront jetzt 400 000 Mann gegenüber.
Die kommunistischen Truppenmassen wälzen sich ohne Panzer- und Luftunterstützung und »ohne Rücksicht auf eigene Verluste in breiter Front nach Süden“.
Der Kommandeur der 8. Armee, Generalleutnant van Fleet, erklärte nach einer Frontbesichtigung, er glaube, daß die kommunistischen Truppen am Han-Fluß aufgehalten werden könnten.
Im Mittelabschnitt hat der Druck der kommunistischen Truppen weiter nachgelassen. An der Ostflanke brachen vier Nachtangriffe im konzentrierten Abwehrfeuer der UN-Streit- kräfte zusammen.
Militärische Beobachter in Tokio nehmen an, daß die südkoreanische Hauptstadt nicht ernsthaft verteidigt werden wird. Es ist daher wahrscheinlich, daß Seoul zum 5. Male im Laufe des Koreakrieges den Besitzer wechselt. Seit Beginn der kommunistischen Offensive sind die UN-Truppen bisher nur rund 40 km nach Süden zurückgewichen. Die letzten Stellungen nördlich des 38. Breitengrades sind nunmehr geräumt worden.
Der südkoreanische Staatspräsident Syng-
Lohnerhöhun-en im Bergbau
Ohne Heraufsetzung des Kohlenpreises ESSEN. Die Verhandlungen über die geforderte Lohnerhöhung im Steinkohlenbergbau werden zwischen der deutschen Kohlenbergbauleitung und der Industriegewerkschaft Bergbau voraussichtlich am 4. Mai beginnen Die Industriegewerkschaft Bergbau, die die Tarife Ende März zürn 30. April gekündigt hat, fordert für die Arbeiter und Angestellten des Steinkohlenbergbaus eine Lohn- und Gehaltserhöhung von 14 Prozent. Sie hält damit an dem gewerkschaftlichen Ziel fest, den Reallohn der Bergarbeiter stets an der Spitze der Lohnskala aller Industriezweige zu halten, was auch die Arbeitgeber anerkannten. Beide Partner lehnen aber im Interesse der Gesamt- Wirtschaft und wegen des fragwürdigen Erfolges den Weg über eine erneute Erhöhung des inländischen Kohlenpreises als allzu bequem und gefährlich ab
tisch Unvorbelastete kaum mehr durchsieht.
Bundeskanzler Dr. Adenauer sprach am Donnerstag auf einer CDU-Wahlkundgebung im kurfürstlichen Schloß von Mainz. Er wurde bei seinem Eintreffen von etwa 1500 Demonstranten, vorwiegend Kommunisten, mit einem Pfeifkonzert empfangen. Das Schloß war durch einen Polizeikordon abgesperrt. Am Eingang entstanden Schlägereien. Die Menge beantwortete die Ausführungen Dr. Adenauers, die auf die Straße übertragen wurden, wiederholt mit Zwischenrufen und Pfeifkonzerten. Der Kanzler wiederholte seine kürzlich geäußerte Kritik an dem Verhalten der SPD- Opposition und verurteilte die Auswüchse im niedersächsischen Wahlkampf, wo die Nazis wieder ihre Stimmen erhöben, um gegen die Demokratie vorzugehen.
Deutsches Sdiiff beschlagnahmt
Nationalchinesen halten »Marie Rickmers“
TAIPEH. Das deutsche Schiff »Marie Rickmers“ ist von den chinesischen Nationalisten als „Blockadebrecher“ beschlagnahmt worden. Ein nationalchinesisches Kriegsschiff zwang den Kapitän, den Hafen Keelung an der Nordküste Formosas anzulaufen.
Die „Marie Rickmers“, die als erstes deutsches Schiff nach dem Kriege die Ostasienroute befährt, befand sich mit einer Ladung Rundfunkgeräte und elektrotechnischer Waren sowie Fotoartikeln und ärztlichen Instrumenten auf dem Wege von Hongkong nach Tientsin. In Keelung steht das Schiff mm unter scharfer Bewachung. Es darf weder betreten noch von seiner Besatzung verlassen werden.
Der Kapitän des Schiffes machte die nationalchinesischen Behörden darauf aufmerksam, daß die Ladung von der für den Handel mit der Volksrepublik China zuständigen alliierten Kontrollkommission in Deutschland zur Verschiffung freigegeben worden sei.
man Rhee entließ den südkoreanischen Justizminister und den Innenminister, die für summarische Massenerschießungen von Südkoreanern verantwortlich sind, denen Zusammenarbeit mit den Kommunisten vorgeworfen wurde.
Nach Meldungen aus London wird Großbritannien jetzt einem aktiven Vorgehen gegen das kommunistische China in begrenztem Umfang zustimmen, verlautete aus maßgebenden britischen Regierungskreisen. Die britische Regierung, die sich bisher ablehnend verhielt, sei jetzt überzeugt, daß keine Aussicht mehr auf einen Verhandlungsfrieden bestehe und werde sich deshalb mit einer wenigstens teilweisen Wirtschaftsblockade Rotehinas einverstanden erklären. Über diese und andere Maßnahmen wird der UN-Ausschuß zur Vorbereitung der Sanktionen gegen Peking in den nächsten Tagen beraten.
BONN. Der Bundesrat billigte am Freitag das vom Bundestag verabschiedete Gesetz über die Neugliederung der Länder Württemberg- Baden, Württemberg-Hobenzollern und Südbaden. Ein Antrag Südbadens, das vom Bundestag verabschiedete Gesetz als verfassungs. widrig zu bezeichnen und an den Vermittlungsausschuß zu verweisen, wurde mit 23 gegen 7 Stimmen bei 10 Enthaltungen abgelehnt
Vor der Abstimmung teilte Staatspräsident W o h I e b mit. daß er den Bundesverfassungsgerichtshof anrufen werde, falls das Gesetz Zustimmung finde.
Staatspräsident Dr. Gebhard Müller erklärte. die badischen Argumente gegen den Südweststaat seien nicht stichhaltig: Die Wiederherstellung der alten Länder mag gut sein, aber die Schaffung des Süd weststaates ist besser.“
Der Bundesrat billigte außerdem das Gesetz zum Grundgesetzartikel 131 über die Rechtsstellung und Versorgung ehemaliger Angehöriger des öffentlichen Dienstes und ehemaliger Berufssoldaten.
Kabinettsumbildung beendet
Stokes soll Rohstoffproblem lösen
LONDON. Der britische Premierminister A 111 e e hat den bisherigen Minister für öffentliche Arbeiten, Richard Stokes, zum Nachfolger Bevins als Lordsiegelbewahrer er-
Im demokratischen Staatswesen fällt der parlamentarischen Opposition eine wesentliche Rolle zu. Sie bildet im Spiel der Kräfte das Gegengewicht zur Regierung. Ihr funktioneller Sinn ist der Ausgleich, ihr Mittel die Kritik. Hemmend, ja gefährlich beginnt aber die Opposition zu werden, wenn sie — wie in England — so stark ist, daß sie der Regierung das Regieren beinahe unmöglich macht, oder wenn sie — wie in Frankreich und in manchem Betracht auch in der Bundesrepublik — opponiert, wo sie eigentlich zustimmen, zersetzt, wo sie nur einfach kritisieren müßte. Im Eifer des Gefechts wird zu leicht vergessen, daß die Opposition von heute die Regierung von morgen stellt. In wichtigen Fragen der jüngsten Vergangenheit hat in der Bundesrepublik das augenblickliche Verhältnis von Regierung und Opposition, von Antrieb und Bremse, brauchbare Lösungen gezeitigt In der Frage des Mitbestimmungsrechtes einigten sich CDU und SPD auf einen Kompromiß gegen die FDP und jetzt, in der uns unmittelbar berührenden Südweststaatfrage, stimmten FDP und SPD gegen einen Teil der CDU. Beidesmal fand die Oppositionspartei den für die Mehrheit erforderlichen Bundesgenossen im Lager der Regierungskoalition. Ein durchaus gesundes Ergebnis. Selbst beim heikelsten Problem. dem westdeutschen Verteidigungsbeitrag, gewinnt man bei näherem Zusehen den Eindruck, als ergänzten sich Regierung und Opposition im Herausarbeiten eines überparteilichen Standpunktes.
Halten wir fest: In großen innenpolitischen Entscheidungen, bei denen man mit der Urteilskraft der Bevölkerung in höherem Maße zu rechnen hat, in denen unsachliche Entschlüsse sofortige sichtbare Konsequenzen zeitigen, funktioniert ddr westdeutsche Parla-
nannt und gleichzeitig mit der Rohstoffversorgung der britischen Wirtschaft beauftragt. Neuer Minister für öffentliche Arbeiten wurde der parlamentarische Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, George Brown.
Damit hat Attlee die durch den Tod Bevins und die Rücktritte Bevans und Wilsons notwendig gewordene Kabinettsumbildung abgeschlossen. Die Meisterung der Rohstoffkrise, die zum Rücktritt der beiden Minister geführt hatte, wurde mit Stokes einem Mann übertragen, der durch seine frühere Tätigkeit in der Industrie über eine ausgedehnte Erfahrung in Rohstofffragen verfügt. Es wird angenommen. daß entweder Stokes oder der Anfang der Woche neuernannte Handelsminister Shawcross demnächst nach den USA reist, um Verhandlungen über das Rohstoffproblem zu führen.
Der 54jährige Stokes gehört dem Unterhaus seit 1938 an. 1950 wurde er Minister für öffentliche Arbeiten- Durch mehrfache Besuche in der Bundesrepublik hat er sich eine gründliche Kenntnis der deutschen Nachkriegsprobleme verschafft. Im Unterhaus trat er mehrfach durch Interpellationen zur Frage der Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen hervor. Ebenso setzte er sich für die Einstellung der Entnazifizierung und Demontagen ein. Damit galt er als Gegner der Deutschlandpolitik des verstorbenen Außenministers Be- vin.
mentarismus. Das böse Wort vom „Kanzler der Alliierten“ gebrauchte der Oppositionsführer, als es um die Außenpolitik ging, um das Petersbergabkommen, für das sich der Kanzler einsetzte und das Dr. Schumacher bekämpfte, aus dem aber nachher bedeutende Erleichterungen auf allen Gebieten, der freie Schiffsbau, das Ende zahlreicher Produktionsbeschränkungen, ein deutsches Außenministerium, kurz, viele Schritte auf dem Wege zum politischen, Mündigwerden der Bundesrepublik erwuchsen. Sehr ähnlich scheinen die Dinge beim Schuman-Plan zu liegen. Audi hier wird man das beklemmende Gefühl nicht los, daß die Oppositionsführung nein sagt um des Neinsagens willen. Obwohl die politischen Vorteile, die die Bundesrepublik allein mit Adenauers Besuch in Paris errungen hat und mit dem Anlaufen der Montanunion zwangsläufig noch erringen muß, ganz augenfällig sind. Man braucht deshalb die wirtschaftlichen Nachteile nicht zu übersehen, doch müßte auch Dr. Schumacher wissen, daß, wer das Unmögliche fordert, das Mögliche meistens nicht erreicht — wenigstens nicht in der Politik.
Es geht der Opposition in diesen Dingen offenbar um anderes. Der unglückliche Umstand, daß in Westdeutschland laufend — am Sonntag in Schleswig-Holstsein und in Rheinland-Pfalz — Landeswahlen stattfinden, verführt die Parteien, ihre Reden im Bundestagshaus zum Fenster hinaus zu halten. So gesehen, kommt es dann allerdings darauf an, der Gegenseite kein Verdienst für das Ganze zuzuerkennen und dem amtierenden Kanzler keinen Lorbeer zu geben, der dem kommenden Kanzler fehlen könnte. Was soll die von Dr. Schumacher dauernd erhobene Forderung nach vorzeitigen Neuwahlen im Bunde? Unserer Erinnerung nach war es doch gerade die Sozialdemokratie, die bei der Schaffung der jetzigen Verfassung in banger Erinnerung an das Schicksal des Weimarer Staates mit guten Gründen darauf bestand, daß die Regierung stabil gemacht werde. Der Bundestag kann nur aufgelöst werden auf Initiative des Kanzlers hin. Der Kanzler wiederum kann nur gestürzt werden, wenn ihm die Mehrheit des Bundestages das Mißtrauen ausspricht und gleichzeitig einen neuen Kanzler namhaft macht. Nun, Dr. Schumacher hat keine Mehrheit im Bundestag und auch keine Aussicht auf eine solche.
Wozu diese Betrachtung? Wenn die Opposition Anlaß gibt zum Vorwurf der Negation aus Prinzip, dann beraubt sie sich selbst des Kredites, den nicht nur sie, sondern das Staatswesen, dessen Teil sie ist, so nötig hat Die demokratische Opposition würde dann nur dazu dienen, die Demokraten mit Phrasen zu verwirren, mit pessimistischen Prophezeiungen zu ängstigen und schließlich, was das schlimmste wäre, ihre Anteilnahme abzutöten. Den Vorteil hätten die radikalen Elemente, die von Regierung wie Opposition gleichermaßen bekämpft werden. Bei der vorgestrigen Mainzer Rede des Bundeskanzlers benützten die Zwischenrufer im Saal und die randalierenden Trupps vor dem Gebäude Formulierungen, die von der demokratischen Opposition schon seit langem gangbar gemacht worden waren. Diese Radauhelden, die den Redner in vertrautem Stile niederzubrtillen versuchten, gehörten aber nicht der Oppositionspartei an, sondern sie waren . Kommunisten Angehörige jener Partei, gegen die Regierung und Opposition am selben Tage, im Bestreben ihren Staat zu schützen, im Bundestag auf das schärfste Front gemacht hatten. Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte
In breiter Front nach Süden
Seoul wird zum fünften Male den Besitzer wechseln
Bundesrat einverstanden
Präsident Wohlleb wird Bundesverfassungsgerichtshof anrufen