NUMMER 60

FREITAG, 2 0. APRIL 1051

Ein großer Erfolg für Europa

Die Unterzeichnung des Schumanplans / Kundgebungen für Adenauer

PARIS. Auf dem historisdien Mahagoni­tisch, auf dem die wichtigsten Staatsverträge der letzten Jahrzehnte unterzeichnet wurden, sezten die Außenminister der sechs Mitglied­staaten der Montanunion am Mittwochnach­mittag Ihre Unterschriften unter den Vertrags­text des Schumanplanes. An der Spitze der Delegationen betraten der französische Au­ßenminister Robert S e b u m a n und Dr. Adenauer gemeinsam den Uhrensaal.Der Vertrag muß nun, bevor er nach seiner Un­terzeichnung durch die Minister in Kraft tre­ten kann, von den sechs Länderparlamenten ratifiziert werden. Dann folgen noch zwei weitere Phasen, bis der Plan voll arbeitet:

1. dieVorbereitungsperiode von etwa sechs Monaten, bis dergemeinsame Markt ge­schaffen ist; 2. dieÜbergangsperiode, die 5 Jahre dauern soll und während der eine An­zahl Ausnahmebestimmungen für den Handel der sechs Staaten gilt, um dem Arbeits­markt Zeit zur Anpassung zu geben.

Nachdem die Delegationen Platz genommen und der französische Außenminister Schuman die Sitzung für eröffnet erklärt hatte, bat der Protokollehef Bundeskanzler Dr. Adenauer an den Schreibtisch zur ersten Unterschrift. Anschließend Unterzeichneten die Vertreter Belgiens, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs und der Niederlande. Danach verlas Schuman dieEuropäische Erklärung" der Außenmi­nister der Mitgliedstaaten.

Der am Mittwoch erfolgten Unterzeichnung gingen sechs Tage angestrengter Verhand­lungen der Außenminister voran, in denen fol­gende Hauptänderungen des ursprünglichen Vertragsentwurfes, der im März fertiggestellt worden war, vorgenommen wurden:

1. Hohe Behörde: Die Hohe Behörde be­steht aus neun Mitgliedern. Höchstens zwei von ihnen dürfen die gleiche Nationalität be­sitzen. Die Mitglieder dürfen während der Zeit ihrer Amtstätigkeit sowie mindestens drei Jahre nach ihrem Ausscheiden keinerlei Interessen in der Kohlen- und Stahlindustrie haben. Beim erstenmal werden acht Mitglie­der auf gemeinsamen Beschluß der Regie­rungen ernannt. Das neunte Mitglied wird von den anderen als Vorsitzender hinzugewählt. Das Mandat dauert sechs Jahre.

2. Die gemeinsame Versammlung besteht aus Delegierten, die entweder von den na­tionalen Parlamenten ernannt Oder auf Grund des direkten Wahlrechts gewählt werden kön­nen. Die Länder sind wie folgt vertreten: Deutschland 18 Mitglieder, Frankreich 18, Ita­lien 18, Belgien 10, Holland 10 und Luxem­burg 4.

Das Haus muß weg H

Ein eigenartiger Rechtsstreit . .

FREIBURG. Der Streit um das im Natur­schutzgebiet . des Feldbergs errichtete Holz­haus des Frankfurter Fabrikanten Dr. Schü­ler, der sich nunmehr über zwei Jahre hin­zieht, ist vom Verwaltungsgerichtshof in zweiter Instanz entschieden worden. Urteil:Das Haus muß weg. Als Dr. Schüler im Jahr 1947 sein Haus zu errichten begann, konnte er sich auf Zusicherungen des Staatspräsidenten W o h - leb berufen. Da der Staatspräsident zugleich amtierender Kultusminister ist und als solcher in Naturschutzangelegenheiten die Entschei­dung bat, wurde die Zusicherung als gesetz­lich mögliche Ausnahmegenehmigung angese­hen. Als das Haus erstellt war, erhielt Dr. Schüler die Ausnahmegenehmigung sogar schriftlich. Diese Genehmigung wurde ein halbes Jahr später zurückgezogen mit der Begründung, es habe die ebenfalls notwendige baupolizeiliche Genehmigung durch das Land­ratsamt Neustadt gefehlt. Herr Schüler wird nun sein Haus abreißen müssen. Es bleibt ihm nur noch der Weg, den Staatspräsidenten Woh­ieb in einem Zivilverfahren auf Schadener­satz in Anspruch zu nehmen.

3. Der Ministerrat beaufsichtigt die Hohe Behörde. Elin Beschluß des Ministerrates kann entweder mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder (mindestens vier) gefaßt werden, wenn diese Mehrheit die Stimme des Ver­treters eines der Staaten enthält, der minde­stens 20 Prozent des Gesamtwertes der Kohle- und Stahlproduktion der Gemeinschaft liefert, oder mit Stimmengleichheit, wenn zwei der Staaten mit mindestens 20 Prozent Produk­tionsanteil für den Vorschlag stimmen.

4. Nach der Übergangsperiode kann jede Regierung und die Hohe Behörde Abände­rungsvorschläge einbringen. 5. Der Vertrag findet auf das Saarland Anwendung. Es wird ausdrücklich festgestellt, daß damit einer künftigen Regelung des Saarstatuts durch Friedensvertrag nicht vorgegriffen wird. Die­ser Grundsatz wurde auch in einem deutsch­französischen Briefwechsel bestätigt. Die Be­völkerung des Saarlandes wird in der Zahl der Delegierten vertreten sein, die Frankreich für die gemeinsame Versammlung zuge­standen sind. 6. Die Delegationen der Mit­gliedstaaten sollen sich periodisch in den ver­schiedenen Hauptstädten in dem Zeitraum zusammenfinden, der zwischen der Unterzeich­nung und dem Inkrafttreten der Einrichtun­gen der Montanunion liegt.

Präsident Truman bezeichnete am Mittwoch auf einer Pressekonferenz die Unterzeichnung

des Schumanplanes alsgroßen Schritt auf dem Wege zur Solidarität der freien Welt. Auch von der deutschen CDU wird der Schu- manplan auf das lebhafteste begrüßt Beson­ders wird hervorgehoben, daß es dem Bun­deskanzler gelang, den deutschen Standpunkt in der Saarfrage zu wahren. Der SPD-Vorsit- zende Kurt Schumacher erklärte am Mittwoch nochmals, daß der Kampf gegen den Schumanplan von der Sozialdemokratiemit allen Kräften und auf allen Gebieten geführt werde.

Bundeskanzler Dr. Adenauer und andere prominente Mitglieder der deutschen Delega­tion in Paris erfuhren überall, wo sie sich in der Öffentlichkeit zeigten, spontane Kund­gebungen, die vom versöhnlichen Geist der französischen Bevölkerung zeugten. In der Ka­thedrale von' Chartre.- wurde Dr. Adenauer durch einen Kinderchor begrüßt, der deutsche Lieder sang.

Der saarländische Ministerpräsident Johan­nes Hoffmann wurde am Mittwochvormit­tag am Quai dOrsay vom französischen Au­ßenminister Robert Schuman empfangen. Die Besprechung dauerte 20 Minuten und fand un­mittelbar vor der letzten Sitzung der Außen­minister statt. Hoffmann war mit einer saar­ländischen Delegation am Dienstag über­raschend nach Paris gereist, um sich für eine Beteiligung des Saarlandes an der Montan­union einzusetzen, wie aus Pressemeldungen hervorgeht.

Bundeskanzler Dr. Adenauer traf gestern abend wieder auf dem Flughafen Wahn (Eifel) in der Bundesrepublik ein.

Neun selbständige IG-Farben-Werke

Hohe Kommission gibt Aufteilung des IG-Vermögens bekannt

BONN. Die alliierte Hohe Kommission hat am Mittwoch den Hauptplan für die Auftei­lung der IG Farbenindustrie bekanntgegeben. Der Plan,, der vier Fünftel des IG Farben­vermögens in Westdeutschland umfaßt, ver­langt die Errichtung der nachstehenden neun voneinander unabhängigen Unternehmen:

1. Ludwigshafen, Oppau. 2- Farb­werke Hoechst, chemische Fabrik Gries­heim, Naphtol-Chemie Offenbach. (Dieser Kerngesellschaft wird die aus dem Zusammen­schluß der AG für Stickstoffdünger in Knap­sack und der Sauerstoffanlagen in der briti­schen und amerikanischen Zone entstehenden Organisation in einer noch zu entscheiden­den Form zugeteilt. Uber die Zukunft der Behringwerke, die nach früheren Empfehlun­gen in diese Einheit einbezogen werden sol­len, ist noch keine Entscheidung getroffen.) 3. Case 11a Farbwerke, Mainkur. 4. Titan- gesellschaft mbH., Leverkusen. 5. Agfa-Camera-Werke, München, 6. Dormagen. 7. verbleibende Vermögens­werte in Leverkusen, Elberfeld. Ürdin- gen. Tochtergesellschaft, bestehend aus den photographischen Film- und Papierwerken in Leverkusen. 8, Chemische Werke in Hüls 9. Rhe in f e ld e n.

Durch die Aufteilung entstehen drei Haupt­gruppen von Gesellschaften: Ludwigsha­fen-Oppau, die Maingruppe und die L e v e r k u s en g r u p p e, während die übri­gen sechs Gesellschaften kleinere Betriebe sind. Vor dem Kriege gehörten 169 Gesell­schaften im heutigen Gebiet der Bundesrepu­blik und 45 in. der Ostzone der IG Farben­industrie an.

In Ludwigshafen-Oppau werden Düngemit­tel, Kunststoffe, Farbstoffe und zahlreiche Schwerchemikalien hergestellt. Die Maingrup­pe produziert Schwefchemikalien, Düngemit­tel, Lösungsmittel, Kunststoffe, Farbstoffe und Pharmazeutische Artikel. Die Produktion der Leverkusengruppe besteht aus Schwerchemi­kalien, Farbstoffen, pharmazeutischen Arti­keln, Pflanzenschutzmitteln, tierärztlichen Produkten und Kunststoffen. Das Werk Dor­magen stellt synthetische Fasern her, dieAgfa- werke München Photoapparate, die Casella- Farbwerke, Mainkür Farbstoffe, Kunststoffe

Lösungsmittel und Kunststoffe .und die Chlo- berag, Rheinfelden Ätznatron, Chlor und Wasserstoff.

Wie es in der Bekannmachung der alliier­ten Hohen Kommission weiter heißt, soll das Bundeswirtschaftsministerium eine Empfeh­lung für die Verschmelzung der Knapsack­gruppe und die Zukunft der Behringwerke im Komplex der Farbwerke Hoechst unterbrei­ten, damit diese Einheit endgültig errichtet werden kann.

Eine Entscheidung über das Schicksal des restlichen Fünftels der IG Farbenindustrie, der Werke Rottweig und Bobing, ist noch nicht gefallen, die zukünftige Behandlung dieser beiden Anlagen werde zurzeit noch er­wogen. Die alliierte Hohe Kommission teilt in ihrer Bekanntmachung abschließend mit, daß das Programm zur Aufteilung der IG Farbenwerke so bald wie möglich verwirk­licht werden solle. Detaillierte Pläne zur Er­richtung der einzelnen Gesellschaften würden gegenwärtig ausgearbeitet.

Wer will Grenzjäger werden?

Bewerbungen bis 12. Mai

BONN. Die Bundesregierung beginnt jetzt mit der Aufstellung des Bundesgrenzschutzes. Das Bundesinnenministerium fordert Inter­essenten für den Dienst im Bundesgrenzschutz auf, Bewerbungen bis zum 12. Mai unter Bei­lage eines handgeschriebenen Lebenslaufes und eines polizeilichen Führungszeugnisses der zuständigen Annahmestelle einzureichen.

Bewerber müssen mindestens ein Jahr im Bundesgebiet wohnen und polizeitauglich sein. Die einfachen Dienstgrade, Grenzjäger und Grenzoberjäger, müssen ledig sein und den Jahrgängen 1924 bis 1932 angehören. Für die mittleren Dienstgrade, Grenzjäger-Waeht- meister, Oberwachtmeister, Hauptwachtmei­ster, Meister und Obermeister kommen nur Bewerber in Betracht, die das 27. Lebens­jahr vollendet haben. Die Beamten des ein­fachen und mittleren Dienstes sollen sich auf eine Mindestdienstzeit von drei Jahren ver­pflichten. Sie werden zunächst Beamte auf Widerruf. Nach sieben Dienstjahren können sei bei besonderer Bewährung Beamte auf Lebenszeit werden. Sie erhalten freie Beklei­dung und, soweit ledig, freie Unterkunft.

Für die Stellen der Grenzschutzoffiziere kön­nen sich Angehörige der Jahrgänge 01 und jünger bewerben.

Annahmestelle für Württemberg - Baden. Stuttgart, Hauptpost, Postfach: für Baden: Freiburg, Postfach und für Württemberg-Ho- hohenzollern: Freudenstadt. Postfach.

Das neue Potsdam

BERLIN. In Potsdam wurde im Beisein des brandenburgischen Ministerpräsidenten Rudolf J a a n (SED) eine Ausstellung über den Wiederaufbau der Stadt eröffnet. Die Sowjetzonennachrichtenagentur berichtet da­zu, daß Potsdam ein völlig neues Gesicht erhalten solle. Im Stadtkern werde an Stelle des alten Marktes ein zentraler Kundgebungs­platz angelegt werden. Die Hauptverkehrs­straßen sollen um diesen Platz herumgeführt und die noch vorhandenen vielen Tore so umgestaltet werden, daß sie den Verkehr nicht mehr behindern. Auf dem Gelände des ehe­maligen Stadtschlosses solle ein neues Kul­turzentrum mit Museen und Bibliotheken ent­stehen. An der Havel wollen die neuen Her­ren ein repräsentatives Hotel bauen

Eine Bundes-Wohnungstauscbstelle

KÖLN. In Köln hat eine ,Bundes-Woh- nungstauschstelle ihre Arbeit aufgenommen. Sie wurde vom Zentralverband der. Haus­und Grundbesitzer und dem Zentral verband deutscher Mieter eingerichtet. Die Zentrale führt Kartei über die Tauschwünsche, die den 900 Büros der beiden Organisationen in den einzelnen Städten des Bundesgebiets zugehen.

Sensationelle Preisstürze in Amerika

Spekulation oder Erdrutsch? / Auswirkung in Europa nicht vor Juli

dsi. AMSTERDAM. In holländischen Börsen­kreisen beobachtet man mit größter Aufmerk­samkeit und in enger Fühlungnahme mit Lon­doner und Pariser Börsianern,!die Preisent­wicklung in den USA und die krassen Auf- und Abbewegungen an der Wall Street.- Während vor 12 bis 15 Tagen der Unterton aller vertraulichen Börsenberichte aus Ame­rika immer noch dahin ging, daß Kürzungen in der Zuteilung der Rohstoffe, das Verschwin­den gewisser Güter vom Verbrauchermarkt, ein langsames aber regelmäßiges Anziehen der Preise zu den Selbstverständlichkeiten ge­hörten, sind diese Fingerzeige in den letzten fünf Tagen fortgefallen.

Man spricht von einem allgemeinen Preis­sturz, der sich innerhalb von 10 bis 15 Tagen weitgehend auswirken müsse vorerst aber nur in den USA, während in Europa die ent­sprechenden Folgeerscheinungen nicht vor Mo­nat Juli zu erwarten sind.

Tatsächlich sind über Makler, die mit der

und Kunstfasern, die Chemischen Werke HülsWall Street in engster Fühlung sind, seit Frei

tag der vergangenen Woche große Warenbe­stände unter der Hand angeboten worden, um die gestapelten Waren, die man erst zu viel höheren Preisen auf den Markt zu bringen gedachte, abzusetzen, ehe der Preissturz, den man für diese Woche fortlaufend erwartet, eingetreten ist.

Um welche riesigen Warenposten es geht, ergibt sich daraus, daß die durchschnittlichen Grössisten-Warenlager fünfmal soviel gesta­pelte Bestände fassen als vor etwa 14 Mona­ten.

Die vorsichtigen holländischen Spekulanten sind sich jedoch noch nicht darüber einig, ob es sich um eines der größten Spekulationsma­növer der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg handelt, oder ob wirklich schon der für einen etwas späteren Zeitpunkt erwartete Erdrutsch jetzt eingetreten ist.

Bei einer Befestigung dieser Tendenz könnte es zu Zusammenbrüchen an den Börsen kom­men, wie sie seit dem Jahre 1929 nicht mehr erlebt worden sind.

Zum Tode Aueuste Suppers

Die württembergische Erzählerin Auguste Sup­per ist im Alter von 84 Jahren vor kurzem in Ludwigsburg gestorben. De mortuis nil nisi mira- blle. Im Abstand und gemessen an dem, was wir heute an Erzählern in unserem Raume haben, können wir getrost die Supper an die erste Stelle rücken. Sie war Heimatschriftstellerin und -doch mehr, wie im Friesischen ein Frenssen und im Bayerischen ein Ganghofer. Vieles von ihr wird bleiben und einiges sollte sogar in unsere Schul­lesebücher eingehen, falls unsere Magister dafür Gefühl haben. Ich denke an einige humoristisch­realistische Kabinettstücke unter ihren kleineren Sachen, z. B. das reizende GedichtchenDer Fürst und die Fürstin" oder auch die Geschichte des Mannes mit den seltsamen Vornamen und dem banalen Geschlechtsnamen. Wie da Reales und Romantisches, Schrulliges und Schicksalhaf­tes, Charakterliches und Transzendentes inein­ander verwoben sind, wird jeden fesseln, der Sinn für gekonnte Literatur hat, die sich nicht geschwollen und lyrisch verschmalzt gibt, wie es die neueren Schwaben lieben, sondern kernhaft, schlicht, warm und überlegen.

Es war von je etwas Männliches und Herbes in den Erzählungen der Supper. Ihre Art stammt von der großen Isolde, wenn auch ihre Vor­würfe und Motive ganz woanders herkommen: vom Schwarzwald, dem offenen Gäu und den kleinen wtirttembergischen Landstädten. Ihre Er­zählkunst wuchs aus dem heimatlichen Boden und war genährt von der Religiosität des Libe­ralismus, wie er sich etwa in dem Werk eines Christoph Schrempf aufs höchste Intellektuali­sten hatte.

Mit ihrem RomanDie Lehrzeit trat sie in die weitgespannte epische Welt und ließ ihre spinti­sierenden Schwarzwaldgeschichten in der Klein­form hinter sich. Hier breitet sich das Beste in den religiösen Gesprächen der Pfarrfrau Marta Heller aus, die bäuerlichen Menschen dagegen ind von der eigenen religiösen Not erdachte Fi­guren und kaum wirklichkeitsgetreu. Hier wird Gott, der Jenseitige und Barmherzige in der spi­rituellen Art der Pantheisten im Säuseln der Waldestannen, im Strom der Schicksale, im Wer­den und Vergehen der Natur erlebt. Der größte Bucherfolg der Supper warDie Mühle im kal­

ten Grunde (1912). Sie hatte gelernt mit span­nenden Kontrasten zu arbeiten. Wie wandeln da die bibelspruchgepanzerten und die heidnisch wilden Gestalten, die verhärteten und die mit­leidsgelösten Personen eigenkräftig durch ein düsteres Geschehen. Konservative Bauernwelt steht gegen freieres künstlerisches Empfinden. Genau so ist es heute noch bei den wetterfesten Mühlebauern im .Schwarzwald. ImHerrensohn näherte sich die Supper der versöhnenden Hans- Thoma-Religiosität. Natur und Frömmigkeit ver­schmelzen zu einem schönen GanzenDer Gauk­ler (1929) spielt in Calw, dem Ort Ihrer Jugend und der ersten Ehejahre. Es ist ein nicht ganz geglückter historischer Roman aus der Zeit des 30jährigen Krieges. Das Motiv der Vaterlands­liebe drängt sich in der Gestalt des tapferen Doktor Bardili herrisch vor das Problematische. Dann schweifte sie in dem schönen und ausge­glichenen RomanDas Mädchen Peter und der Fremde auf Norddeutschland über. Nöte der wilden Nachkriegszeit sind in eine zarte Liebe gebunden. Schwäbische Tüchtigkeit und nieder­deutsche Fraulichkeit verbinden sich auf dem Goldton des Humors zu einer Gemeinschaft.

Ihr ganzes Werk durchklingt der urchristliche Gedanke der Leidüberwindung. Der Fluch ver­kommener Väter wendet sich tn den Kindern zum Segen aus der Kraft des Glaubens, aus dem Wissen um das Nahesein des erbetenen und er­strittenen Gottes, aus der Erfahrung, daß die Poesie des Gemüts alles äußere Elend strahlend verklärt.

Wahrlich in der schwäbischen Dichtungs­geschichte der neueren Zeit hält Auguste Supper über ihren Tod hinaus ihren guten Platz. Kluge Verleger werden sich ihrer Schätze immer wieder erinnern. Ernst Müller

Die Gründung der Abtei Ochsenhausen

Schon gegen Ende August 1099 hatte Alpirs- bach, das einstige Benediktinerkloster im würt- tembergischen Schwarzwald auf Grund zuver­lässiger Beurkundung seine Anfänge erlebt. Der geschichtliche Gründungstermin bedarf je­doch einer Klärung. Die ehedem hochangesehene Stiftung der oberschwäbischen Grafen von Wol- fahrtssthwende zugunsten des Priorats, das noch lange unter St. Blasien stand, fällt irgendwie um die Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert, ruft

aber chronologisch nach genauer Bestimmung. Vorzeitig wollte eine kleine Festschrift:850 Jahre Ort und Kloster Ochsenhausen, 11001950 auf Grund der sonst wertvollen Schrift des letzten Mönches von Ochsenhausen (P. Georg Geisenhof. gest. 1861), unkritisch den 3. Jänner 1100 als Stif­tungstag angeben, wofür keine Urkunde bürgt Leider ließ sich der neuaufgelegteKirchen­führer: Reichsabtei O. von Dr. Hugo Schnell (München Nr. 304), der ln der ersten Ausgabe mit der nun vollkommenen Bebilderung auch das richtige Datum der ausgestellten Gründungs­urkunde angab, irreführen. Dabei hättenFest­schrift undKunstführer dem kundigen Bei­trag über Ochsenhausen (M. Miller) Im Lex. f. Theol. u. Kirche, Bd. VII die korrekte Angabe ohne alle Schwierigkeiten entnehmen können, nämlich 31. Dezember 1099! Freilich war die Frage lange nicht entschieden, ob nicht der Schlußtag des runden Jahres 1100 vorzuziehen sei. Es hatte schon Fürstabt Martin Gerbert von St. Blasien (t 1793) im 3. Bd. seiner Geschichte des Schwarzwalds als einer Kolonie des Bene­diktinerordens auf den 31. Dezember 1100 datiert, weil ihm eben das Versehen passiert war, die lateinische alte AngabeSecundo Kalendas Janu- arii 1100* statt dem letzten Tag des Jahres 1099 dem Jahresausgang 1100 zuzuweisen. Dieser Irr­tum ging weit über ein Jahrhundert in mannig­fachem Schrifttum weiter. Mit dem Fortschritt der wissenschaftlichen Urkundenlehre, noch Jahre nach Veröffentlichung des Wirt. Urkd.-Buchs, dessen Bd. I (Stuttgart 1849) die klösterlichen Stiftungsbriefe des schwäbischen Frühmittelal­ters enthält, bahnt sich die rechte Erkenntnis an Die monatliche Frist vom Termin der vorgreifen­den Kalenden über die Nonen zu den Iden, wie die lateinische Berechnung vom 14. Dezember über Neujahr (Kal.) bis zum 13. Jänner kalku­lierte. ließ beim Angleichen an die spätere Da­tierung die Tage vom 4. bis 31. Dezember dem Vorjahr und jene von Neujahr Kalenden bis einschließlich der Iden (13. Jan.) dem folgenden Jahr zuweisen. Die lateinische AngabePridie oder Secundo Kal. Jan. 1100 konnte also nur am letzten Tag vor Neujahr 1100, also Silvester 1099 heißen. Darum hat Bd. VII des Wirt. Urkd.- Buchs (1900) den 31. Dezember 1099 als beglaubig­tes Datum für den Stiftungsbrief von Ochsen­hausen angegeben. P. Justinus Uttenweiler OSB.

Philologentagung in Stuttgart

Der Württembergische Verein Höherer Lehrer hielt in Stuttgart eine Tagung ab, auf der den Teilnehmern aus erster Hand Darstellungen der schulpolitischen Lage gegeben wurden Wertvolle Aussprachen über wichtige Schulfragen und Fachreferate wechselten einander ab. Unter an­derem sprach der Vorsitzende des Deutschen Philologischen Verbandes, Dr. Mack, über die Per­sönlichkeit des Lehrers der Höheren Schulen.

Der Stuttgarter Oberbürgermeister, Dr. Klett, ging auf die wesentlichen Aufgaben der Höheren Schulen, die er iD der Vermittlung einer posi­tiven Lebenshaltung sowie in der Erziehung zu Sachlichkeit und Toleranz sah. Er würdigte eben­so wie nach ihm Kultusminister Dr. Schenkel die aufopfernde Arbeit der Lehrer in den Nach­kriegszeiten Im Mittelpunkt des Interesses stand ein Vortrag des Tübinger Professors Fechner überDie Idee des Rechts ln der Bildungsarbeit der Höheren Schulen.

KulturelleNachrichten

EinSüddeutscher Schriftsteller­verband" wurde ln Stuttgart von mehr als 50 in Württemberg-Baden ansässigen Schrift­stellern gegründet. Zum 1. Vorsitzenden wurde Dr. Rudolf Pechei. zum 2. Vorsitzenden Hermann Kasack gewählt.

Dem Stuttgarter Gaierieverein ist es gelungen, im Austausch mit der Alten Pinakothek München eine Anzahl Meisterwerke europäi­scher Malerei, darunter Werke von Brueghel, Rubens, Poussin, Boucher, Goya und Guardi aus dem Besitz der bayerischen Staats­gemäldesammlungen als Leihgaben zu erhalien. Die Ausstellung wird gegenwärtig im Festsaal des Museums der bildenden Künste in Stuttgart veranstaltet und dauert etwa zwei Monate.

Der in Reutlingen und in Trossingen wirkende Komponist Prof. Dr. Hugo He r r m a n n. Leiter der Städtischen Musikschule Troesingen. feierte am 19. April seinen 55. Geburtstag, Hugo Herr­mann ist Verfasser mehrerer Sinfonien, Orchester- und Chorwerke, sowie zahlreicher Original- Kompositionen und Bearbeitungen für das Akkordeon.