HEIMATAUSGABE FÜR
STADT UND LAND
FREITAG, 20. APRIL 1951
ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG
7. JAHRGANG / NR. 60
„Affray“ aiügegeben
Suche wird fortgesetzt
PORTSMOUTH Seit Mittwochabend besteht praktisch keine Hoffnung mehr, daß die 75 Mann starke Besatzung des gesunkenen britischen U-Bootes „Affray“ noch am Leben ist. Am Mittwochabend waren die für 48 Stunden reichenden Sauerstoffvorräte des Bootes aufgebraucht. Trotzdem gehen die Bemühungen der Rettungsflotte ununterbrochen weiter.
51 Such- und Rettungsschiffe schleiften am Donnerstagmorgen mit Netzen und Kette den nur 60 m tiefliegenden Meeresboden an der wahrscheinlichen Unglücksstelle ab. Die schwachen Ultraschallsignale, die noch am Mittwochmorgen zu hören waren, sind inzwischen ausgeblieben. Man steht vor einem Rätsel, da anscheinend kein Besatzungsmitglied einen Rettungsversuch durch die Notausstiege unternommen hat, andererseits aber auch weder eine Markierungsboje noch Ölflecken oder Wrackteile an die Wasseroberfläche gelangt sind.
Einigung über Paziiikpakt
USA, Australien und Neuseeland
LONDON. Die Vereinigten Staaten, Australien und Neuseeland sollen sich über die wichtigsten Punkte eines Pazifikpaktes nach dem Vorbild des Atlantikpaktes geeinigt haben, verlautet aus London. Das Verteidigungsabkommen soll der Abwehr jeder Aggression, ganz gleich, ob sie von kommunistischer Seite kommt oder von einem auf Revanche bedachten Japan unternommen wird, dienen. Die in diesem Pakt enthaltenen Sicherheitsgarantien waren von Australien und Neuseeland als Gegenleistung für ihre Zustimmung zu einer teilweisen Wiederbewaffnung Japans gefordert worden.
Präsident Tr um an gab am Mittwoch ein Verteidigungsprogramm für den Pazifik bekannt, das sich neben dem Pazifikpakt auf eine militärische Hilfe für die Philippinen im Falle eines Angriffes und auf die Stationierung amerikanischer Streitkräfte auf den Riu- Kiu-Inseln gründet.
Westdeutsche Automobilindustrie wieder wettbewerbsfähig
Bundespräsident Heuß eröffnete die erste internationale Nachkriegsausstellung Drahtbericht unseres j k.-R edaktionsmitglleds
FRANKFURT. Nach 12jähriger Unterbrechung wurde gestern in Frankfurt die erste internationale Automobilausstellung der Nachkriegszeit mit einem Festakt in Anwesenheit des Bundespräsidenten Prof. Dr. Theodor Heuß. der Bundesminister Prof. Erhard -und Dr. Seebohm, zahlreicher Länderminister und Vertreter der ausländischen diplomatischen Vertretungen und Konsulate feierlich eröffnet.
Der Bundespräsident, durch seine wissenschaftlichen und publizistischen Arbeiten mit der Geschichte des deutschen Automobilismus seit je eng verbunden, faßte die Summe seiner Erfahrungen am Schluß seiner wie immer liebenswürdigen und humorigen Ansprache in dem ernsten Wort zusammen: „Die Pioniere des Motorenbaus waren alle fortschrittsgläubig. Ihre Taten aber wurden zu Werkzeugen des Krieges. Alle Fortschritte werden jedoch sinnlos, wenn sie nicht unter der Kontrolle einer sittlichen Verantwortung stehen.“ Obwohl mancher in dieser festlichen Stunde diese Bemerkung vielleicht als taktlos empfinden werde, wolle er sie gerade mit Rücksicht auf die Anwesenheit so zahlreicher ausländischer Vertreter nicht zurückhalten.
Der Präsident des Verbandes der Automobil- Industrie, Thönissen, hatte vorher Sinn und Bedeutung dieser ersten Nachkriegsauto- mobil-Ausstellung gewürdigt: Die USA und Europa wünschten die Teilnahme Deutschlands am Weltgeschehen. Der großzügige internationale Rahmen, die Teilnahme der Automobilindustrien vieler Länder, sind denn auch in der Tat die Faktoren, die der Veranstaltung ihr Gewicht und ihr außerordentlich repräsentatives Gepräge geben. Die westdeutsche Automobilindustrie hat nach einer Zerstörung von 80 Prozent ihrer Produktionsanlagen in
der Kriegs- und Nachkriegszeit nunmehr ihren Platz unter den automobilbauenden Ländern der Erde wieder eingenommen: Sie ist wieder mündig und wettbewerbsfähig geworden. Und es ist ein ehrenvoller Platz, den sie einnimmt. Die große Leistung wird schon allein aus der Tatsache offenbar, daß im Jahre 1945 nur 7000 Motorfahrzeuge, 1950 aber über 306 000 Personen- und Lastkraftwagen hergestellt worden sind.
Fünf Jahre beanspruchte diese gewaltige Aufbauleistung. Wer nun die Summe des Erreichten, erstmals konzentriert in einer so großartigen Schau, erlebt, der erkennt, wie weise es war, daß die Automobilindustrie der Bundesrepublik erst jetzt im internationalen Wettbewerb wieder zu stellen sich bereit findet. Nun können sich die deutschen Fahrzeuge vor der Welt wieder sehen lassen.
Auf über 69 000 Quadratmetern in 14 Hallen und auf dem Freigelände zeigen 537 Firmen und Organsitationen, davon 36 aus dem Ausland, vom Luxuswagen bis zur kleinsten Schraube alles das, was zum großen Wirtschaftsbereich der Automobil- und Zubehörindustrie gehört.
Der am Mittwoch verstorbene portugiesische Staatspräsident Marschall Carmona
Europäischer Auftakt
Südbaden droht mit Zentrumsgründung
Beratung des zweiten Südweststaatgesetzes / Wirth und Föhr greifen ein
BONN. Das mit besonderem Interesse erwartete Hauptthema der Mittwochsitzung — die zweite Beratung des zweiten Gesetzes zur Neugliederung des südwestdeutschen Raumes konnte vom Bundestag nicht behandelt werden, da die Sitzung wegen Beschlußunfähigkeit des Hauses vorzeitig abgebrochen wurde. Schon zu Beginn der Sitzung hatte das Haus mit 161:144 Stimmen einen CDU-Antrag abgelehnt, diesen Punkt überhaupt von der -Tagesordnung abzusetzen. Die CDU hatte den Antrag damit begründet, daß es im wahren Interesse der Bevölkerung dieser Länder liege, den Gesetzentwurf sorgfältig zu prüfen, wozu aber Zeit notwendig sei.
In der Diskussion des CDU-Antrags erntete der SPD-Abgeordnete Fritz Erler Beifall bei der Feststellung, daß „die gleiche Debatte, die hier um die Verschiebung geführt wird, Sich schon seit drei Jahren im Südwesten Deutschlands abspielt“. FDP und SPD verlangten sofortige Behandlung des Gesetzentwurfs, da sonst ein verfassungsmäßiger Notstand in diesen Ländern entstehe. Von seiten der CDU wurde wiederum geltend gemacht, daß keine Zeitnot auftrete, da der letzte Termin für die Landtagswahlen der 20. Mai sei.
Marsdiall Carmona +
15tägige Staatstrauer in Portugal
LISSABON. Der portugiesische Staatspräsident Marschall Antonio Oscar de Fragoso Carmona ist am Mittwoch im Alter von 81 Jahren gestorben. Die portugiesische Regierung hat eine 15tägige Staatstrauer angeordnet.
Carmonas Wahl zum Präsidenten hatte sich erst am Dienstag zum 23. Male gejährt. 1925 war er zum provisorischen Präsidenten Portugals berufen, drei Jahre später regulär gewählt und 1935, 1942 und 1949 wieder in seinem Amt bestätigt worden. Die ersten zwei Jahre seines Regimes waren eine reine Militärdiktatur.
1923 berief ihn Präsident Macado als Kriegsminister in die Regierung. 1926 wurde •r bei dem erfolgreich verlaufenen Staatsstreich von General da Costa Außenminister, «türzte noch im selben Jahr da Costa und übernahm das Amt des Ministerpräsidenten und Kriegsministers sowie die vorläufige Prä- •identschaft 1927 erfolgte seine reguläre Wahl *um Präsidenten der Republik. Sein Verdienst Hegt im Neuaufbau Portugals nach langjährigen revolutionären Erschütterungen.
Nach der portugiesischen Verfassung übernimmt Ministerpräsident Salazar bis zu den Wahlen In drei Monaten das Amt des Staatspräsidenten.
Wie aus Bonn verlautet, übten südbadische Abgeordnete der CDU einen starken Druck innerhalb ihrer Partei aus in der Richtung, daß die Bildung von zwei Abstimmungsbezirken — Baden und Württemberg — vorgesehen werde. Hinzu kommt, daß der frühere Reichskanzler Wirth und Prälat Dr. Föhr durchblicken ließen, sie würden in Südbaden eine Zentrumspartei gründen, falls der südbadische Antrag nicht durchgehe. Bundeskanzler Dr. Adenauer soll den Wunsch geäußert haben, das Gesetz mit der gesamten Fraktion und mit den Koalitionsparteien vor seiner Verabschiedung nochmals beraten zu können. Adenauers Ersuchen steht im Zusammenhang mit der Drohung der Neugründung eines heimatgebundenen badischen Zentrums, was eine Spaltung der CDU in Südbaden bedeuten würde.
hr. Wenn wir das sechstägige Hin und Her in Paris, den ganzen Gang der Schuman- planverhandlungen bis zu der Unterzeichnung des Dokumentes am Mittwoch rückschauend betrachten, so finden wir unsere Ansicht in keiner der offiziellen Erklärungen besser bestätigt als in den kleinen Gesten der Pariser Bevölkerung gegenüber dem ersten Mann eines Volkes, mit dem Frankreich vor wenigen Jahren noch im Kriege lag. Der deutsche Bundeskanzler erhielt von der Mutter eines gefallenen Franzosen dessen Kriegsauszeichnung mit dem Bemerken, er dürfe diese Auszeichnung tragen, weil er mitgeholfen habe, einen europäischen Frieden zu begründen. In der Tat, der Augenblick, als Konrad Adenauer im historischen Uhrensaal seine Unterschrift vollzog, bedeutete sehr viel. Europäische Staatsmänner, die guten Willens waren, haben den Mut gefunden, ohne Rücksichten auf Ressentiments und innerpolitische Schwierigkeiten einen entscheidenden Schritt nach vorne zu tun.
An dieser grundsätzlichen Erkenntnis läßt uns auch nicht irre werden, wenn wir bei näherem Zusehen in der heutigen Fassung des Dokumentes eine Reihe retardierender Momente finden, die sich von der ersten großzügigeren Konzeption entfernen. Manches deutet darauf hin, daß man den übernationalen Charakter der Union in Richtung auf eine hergebrachte Internationalität zurückentwickelte. Die Hohe Behörde sollte zuerst ein kleiner Kreis für die technische und wirtschaftliche Durchführung verantwortlicher
Triumphaler Empfang MacArthurs
Der General lehnt politische Betätigung ab / Bradley kritisiert
WASHINGTON. Unter dem Jubel einer auf 50—100000 Personen geschätzten Menge landete General MacArthur am Donnerstagmorgen auf dem Washingtoner Flugplatz und beendete damit den Flug, der ihn nach seiner Amtsenthebung von Tokio über Hawai zum erstenmal seit 14 Jahren wieder in die USA zurückführte. Zu seiner Begrüßung waren u. a. Verteidigungsminister M a r s h a 11, Generalstabschef Bradley, die Stabschefs der drei Zweige der Streitkräfte und als Vertreter von Präsident Truman dessen persönlicher Adjutant, General .V a u g h a n , erschienen. Außerdem hatten sich die führenden Männer des Kongresses und ausländische Diplomaten auf dem Flugplatz eingefunden.
Am Donnerstagnachmittag wurde, verbunden mit einer großen Parade am Washingtondenkmal, der General militärisch geehrt. Anschließend erschien MacArthur vor dem Kongreß, um seine Ansichten über die amerikanische Fem-Ost-Politik darzulegen (bei Redaktionsschluß lag noch kein Bericht über die Rede vor. Die Red.) Noch am Donnerstagabend flog der General nach New York weiter, wo ihn heute ein neuer Empfang erwartet.
Nach seiner Landung in San Franzisko erklärte MacArthur am Mittwoch, er werde sich politisch nicht betätigen: „Ich habe nicht die Absicht, für ein politisches Amt zu kandidieren und ich hoffe, daß mein Name niemals irgendwie im Zusammenhahng mit Politik genannt wird.“ Auch in San Franzisko bereitete eine unübersehbare Menschenmenge MacArthur einen stürmischen Empfang.
Die republikanische Partei hat dem ameri
kanischen Senat eine Resolution eingebracht, in der die Bildung eines aus 24 Mitgliedern des Kongresses bestehenden Ausschusses gefordert wird, der eine eingehende Untersuchung der amerikanischen Fern-Ost-Politik vornehmen soll. Die demokratischen Senatoren haben grundsätzlich zugestimmt.
Außenminister A c h e s o n appellierte am Vorabend der Rede MacArthurs vor dem Kongreß an das amerikanische Volk, die große Debatte über die Fern-Ost-Politik in konstruktiver Weise zu führen. Die USA hätten keinesfalls die Absicht, den Koreakrieg auszuweiten, da hierdurch den UN-Truppen in Korea nicht geholfen, der Weltfrieden aber in schwerste Gefahr gebracht würde. Wenn eine Ausweitung des koreanischen Krieges erfolge, so werde die Verantwortung dafür eindeutig bei dem Kreml und bei Peking liegen.
Der Generalstabschef der amerikanischen Streitkräfte, General Bradley, führte in Chikago aus, die USA würden niemals zum Mittel eines Präventivkrieges greifen. Sie seien vielmehr bestrebt, einen dritten Weltkrieg zu vermeiden und enthielten sich daher aller Maßnahmen, die im Fernen Osten zu einer Ausweitung des Konfliktes führen könnten. Eine Politik der „Beschwichtigung des Kommunismus“ komme jedoch für Amerika gleichfalls nicht in Frage. Die von General MacArthur vertretene Politik „Vergeltung an China“ müsse unweigerlich zu einem dritten Weltkrieg führen. Es liege durchaus Grund für die Annahme vor, daß der Koreakonflikt zu einem „ehrenhaften Abschluß" gebracht werden könne.
Fachleute sein, der ohne Rücksicht auf nationale Belange dem Ganzen hätte ohne Hemmungen zu dienen vermocht. Nun sind es nationale Vertreter, die im Rahmen ihrer von den Parlamenten herrührenden Mandate den Blick vielleicht nicht so sehr nach vorwärts auf das europäische Ziel, wie nach rückwärts auf die Mienen ihrer Auftraggeber richten werden. Immerhin mögen es gerade diese Dinge sein, die die Ratifizierung des Planes gegenüber den nationalistischen Oppositionen in Frankreich und Deutschland erleichtern. Adenauer kann im Bundestag darauf hinwei- sen, daß man die beiden deutschen Vertreter in der Hohen Behörde an einer festen Leine habe, und daß eine Revisionsklausel bereitgestellt sei, die Abänderungen ermögliche.
Die Kritik in den beiden Hauptländern Frankreich und Deutschland bewegt sich — beinahe möchte man sagen: hergebrachterweise — auf dem gleichen Geleise, nur in entgegengesetzter Richtung. Während Schumacher immer wieder erklärt, der Schumanplan sei nichts anderes als die Politik der französischen Republik nach 1918, der Schumanplan wolle das Besatzungsrecht verewigen, mit der Unterzeichnung des Schumanplans habe die Regierung ihre Pflichten der Saar gegenüber verletzt, meinen die Franzosen auf der anderen Seite, Frankreich habe mit dem Schu- mänplan allzu große Konzessionen machen müssen, die deutsche Wirtschaft sei durch ihn vorzeitig befreit worden, der Schumanplan öffne der deutschen Industrie das Tor nach Afrika, kurz, es drohe eine deutsche Wirtschaftshegemonie. Neben diesen Gedankengängen gibt es aber auch noch eine sehr fundierte volkswirtschaftliche Kritik, die sich auf deutscher Seite vor allem mit der Auflösung der Verbundwirtschaft beschäftigt und sich darzutun bemüht, daß mit der Aufhebung des natürlichen deutschen Standortvorteils — auf Grund der Verbindung von Stahl und Eisen mit der Kohle — wirtschaftliche Verzerrungen bewirkt würden, während man der franzöischen Stahlindustrie ihre AL lianz mit den lothringischen Erzen belasse.
Zu klären, wie sich diese in all ihren verästelten Auswirkungen schwer überschaubaren Zusammenhänge volkswirtschaftlich im einzelnen darstellen, wird die Arbeit der Fachleute in den nächsten Wochen und Monaten bilden. Im Zusammenhang damit wird vor allem auch die Frage der durch die alliierten Diktate zerschlagenen und inzwischen vorläufig neugeordneten Stahlkonzerne an der Ruhr nochmals aufgerollt werden müssen. Hier genügt die Feststellung, daß eine große deutsche Vorleistung auf die politische „Chance Europa“ erbracht wurde. Es hieße die Gesamtsituation aber völlig verkennen, wenn wir die Augen vor der Tatsache verschließen wollten, daß wir nach der geschichtlichen Situation für eine deutsch-französische Verständigung Opfer bringen und für die deutsche Gleichberechtigung bezahlen müssen. Es ist doch unbestreitbar, daß durch das Ruhrstatut die deutschen Rechte praktisch aufgehoben waren, während der Schumanplan allenfalls wiederhergestellte deutsche Rechte einschränken wird. Wie hätte die deutsche Bundesrepublik, angesichts einer solchen Alternative, die ihr gereichte Hand zurückstoßen können! Der sozialdemokratische bremische Bürgermeister Kaisen hat recht, wenn er den Schumanplan als Schritt in Richtung auf Europa bezeichnet.