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MITTWOCH, 18 . APRIL 1951
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Wieder deutsche Benzinproduktion
Neues Leben in den Fischer-Tropsch-IV erken / Wenn das Kapital vorhanden ist
HrS. Wenn man in Meerbeck bei Moers das Gewirr verrosteter, verbogener Rohrleitungen und die toten Spezialöfen der ehemaligen Chemischen Treibstoffwerke „Rheinpreußen“ Sieht und anschließend mit Direktoren und Mitarbeitern dieses Werkes über die erfolgte Aufhebung des Arbeitsverbotes für die Fi- scher-Tropsch-Anlagen spricht, muß man die Feststellung machen, daß diese Produktionserlaubnis sehr spät, für manche Anlagen vielleicht zu spät erteilt wurde. „Vorläufig können wir unsere Hydrieranlage wohl kaum in Betrieb nehmen“, meinte ein Direktor von „Rheinpreußen“. „Die Anlagen wurden 1944 durch einen Luftangriff produktionsunfähig und sind seitdem, sieben Jahre lang, den Witterungseinflüssen ausgesetzt gewesen. Schon die Wiederinstandsetzung würde rund 15 Millionen DM erfordern. Hinzu kommt aber, daß wir weitere Mittel für die Modernisierung der Anlagen brauchten, um sie überhaupt rentabel arbeiten lassen zu können.“
Berkamen will sofort starten
Anders ist es bei den Essener Steinkohlenwerken in Berkamen bei Essen. Vor anderthalb Jahren noch Mittelpunkt der Demontageabwehrkämpfe — als belgische Truppen mit Panzerunterstützung das Werk besetzten —, sind heute die Fischer-Tropsch-Anlagen dort wieder soweit hergestellt worden, daß sofort nach Bekanntgabe der von deutschen und alliierten Sachverständigen auszuarbeitenden Durchführungsbestimmungen für das Produk- tionspermit die Arbeit aufgenommen werden kann. Ähnlich ist die Situation bei den Krupp- Treibstoffwerken und bei der Ruhrchemie, die Ende 1949 einige Wochen hindurch Kohle hydrierten, bis ein neues Verbot sie wieder stillegte. Ob die ehemaligen Dortmunder Benzinwerke, die heute in der Hauptsache Paraffin herstellen, sowie die Gewerkschaft Viktor in Castrop-Rauxel wieder zur Benzinherstellung übergehen werden, ist ebenfalls von den zur Verfügung stehenden Geldmitteln abhängig. Im Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen ist man sehr skeptisch, ob ein Sofortstart der Kohleverarbeitung nach Fi- scher-Tropsch in allen sechs Werken möglich ist. „Dazu sind viele Millionen erforderlich, die im Augenblick einfach nicht vorhanden sind.“
Benzinherstellung erst an letzter Stelle?
Es ist allerdings eine Frage, ob die künftige weltwirtschaftliche Entwicklung nicht die Bundesregierung einfach zwingen wird, die weitgehende Ausnutzung der Kohlechemie mit allen nur- möglichen Mitteln zu unter
stützen, um einer gefährlichen Lücke in der Versorgung mit Treibstoff und vor allem mit unentbehrlichen Hilfsstoffen für die chemische Industrie vorzubeugen. Durch die Arbeit der Fischer-Tropsch-Anlagen könnten außerdem nach Berechnungen der Deutschen Kohlenbergbauleitung sehr viele Devisen gespart werden, wenn man berücksichtigt, daß vor dem Kriege von 360 000 t aus Kohle gewonnenen „Primärprodukten“ jährlich etwa 30 Prozent für die chemische Weiterverarbeitung auf Waschmittel, Textilhilfsmittel, Imprägniermittel, Fettsäuren und Alkohol verwandt worden waren. Die restlichen 70 Prozent an Primärprodukten wurden zu künstlichem Treibstoff verarbeitet. Das waren allerdings nur zwei Prozent des deutschen Mineralölverbrauchs von 12,8 Million«! Tonnen im Jahr. Künftig wird jedoch nach Ansicht führender Wirtschaftler im Vordergrund der Kohleverarbeitung nach Fischer-Tropsch die
Gewinnung von Primärprodukten für die chemische Industrie stehen.
Die von manchen Seiten befürchtete Unrentabilität der Fischer - Tropsch - Anlagen wird heute meistens als unzutreffend bezeichnet. „Früher mußten wir hochwertigen Koks oder Braunkohle verwenden“, erklären einem die Chemiker. „Nach den neuesten Forschungsergebnissen, die in den letzten Jahren in Deutschland erzielt wurden, kann nunmehr jede Art von Brennstoff, auch Kohlenstaub und Torf für die Hydrierung gebraucht werden.“
Einige Fischer-Tropseh-Werke haben in den vergangenen Jahren ersatzweise die Verarbeitung von Erdölrüdeständen zu Weichmachern, Lacklösungsmitteln, Fetten und ähnlichem betrieben Die Verwendung von Kohle, die vor den Toren der Fischer-Tropsch-Werke abgebaut wird, ist jedoch billiger und nicht so stark weltwirtschaftlichen Versorgungskrisen unterworfen. Ob aber in die noch toten Rohrsysteme der Fischer-Tropsch-Anlagen wieder Leben einziehen wird, ist nun nicht mehr eine Frage der alliierten Erlaubnis, sondern der verfügbaren Investitionsmittel.
Der Nebel bleibt
Zum Ende der Arbeit des Spiegel-Ausschusses Von unserem Bonner Mitarbeiter Horst Flügge
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1943^^ Übrige Welt
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Schaubild zu der in der vergangenen Woche er folgten Aufhebung alliierter Produktionskontrollen
BONN. Im Oktober 1950 hatte der Bundestag einmütig einen Untersuchungsausschuß eingesetzt, der feststellen sollte, ob bei der Abstimmung über die westdeutsche Hauptstadt Abgeordnete bestochen «worden sind. Dr. Seelos von der Bayernpartei wurde damals sehr attackiert, als er meinte, die Untersuchung würde ausgehen wie das Hornberger Schießen. Ein CDU-Abgeordneter wollte sein Mandat niederlegen, wenn sich die in der Zeitschrift „Der Spiegel“ publizierten Vorwürfe eines Gedächtnisprotokolls Dr. Baumgartners als richtig erweisen würden; denn, so argumentierte der ehrenwerte Volksvertreter, einem Parlament, in dem es Korruptionsfälle gäbe, wolle er nicht angehören. Die Ehre des Parlaments sei zu verteidigen oder wiederherzustellen, soweit sie verletzt sein sollte; das war eine andere damals viel gehörte Versicherung. Sechs Monate sind vergangen. Der „Spiegel-Ausschuß“ hat seinen Schlußbericht fertiggestellt und wird ihn dem Plenum vorlegen. Dann wird es noch einmal sehr stürmisch zugehen, bevor die ganze Affäre wieder in die Vergessenheit zurückfällt, in die sie bereits in den vergangenen Monaten geraten ist. Was den Ausgang der Untersuchung betrifft, hatte leider Dr. Seelos recht.
Eine gründliche Bereinigung der Affäre ist dem Ausschuß nicht gelungen, vielleicht war sie gar nicht möglich. Die Härte und Klarheit, mit der vor gut zwei Jahren in England eine ähnliches Problem (der Skandal um Beicher) so gelöst worden ist, daß die Lösung das Vertrauen des Volkes in Parlament und Regierung vermehrte, hat die Arbeit des „Spiegel-Ausschusses“ nicht gekennzeichnet. Entsprechend allgemein ist der Inhalt des Schlußberichtes. Keine eindeutigen Beweise für Bestechungen, so läßt er sich zusammenfassen. Belastet als Gemeinschaft geht lediglich die Bayefnpartel aus den Verhören hervor. Wie wenig das ihrer Stellung in Bayern Abbruch tut, haben bereits die letzten dortigen Landtagswahlen gezeigt. Die Vorwürfe gegen Finanzminister Schäffer haben im Verlauf der Untersuchung keine Beweise für ihre Berechtigung gefunden. Das gleiche gilt von Angriffen gegen Vizekanzler Blücher und den Verwalter des Wahlfonds der CDU, Pferdmenges. Bei allen Widersprüchen, von denen einer einen Meineid (Besold oder Donhauser) enthält, hat die Untersuchung relativ eindeutig nur die Hintergründe des Machtkampfes in der Bayernpartei gezeigt. Die eigentliche Fragestellung: sind bei der Abstimmung.über Bonn oder Frankfurt Gelder an Abgeordnete gezahlt worden, bleibt im NebeL Dort wird sie in Gesell
schaft von Problemen der Aufwendungen für Regierungsbauten usw, usw. bald gänzlich verschwunden sein.
Ob dieser Ausgang der Untersuchung ein Dienst an Bonn ist, muß bezweifelt werden. Der Liquidierung der Mißstände und der Mehrung des Vertrauens des Volkes in Bonn wäre mit einer gründlichen Klärung mehr gedient gewesen. Erfolgt ist sie nur in der Feststellung des Ausschusses, daß die 21 593 DM, die der Abgeordnete A u m e r von der Erdölgewerkschaft Elverath erhielt, „offene Bestechungsgelder“ waren. Die Einzelheiten und Hintergründe der anderen Zahlungen des gleichen Geldgebers oder über den Münchener Rechtsanwalt Dr. B e r t h o 1 d oder über den Frankfurter Syndikus Heinrichsbauer sind nach Abschluß der Untersuchungen in mancher Hinsicht offene Fragen geblifeben. Das kann auch von den Wechseln des Abgeordneten Donhauser gesagt werden oder der Rolle, die Dr. Baumgartner von Anfang an in diesen Zusammenhängen gespielt hat. Im Verlauf der Untersuchung dominierte eigentlich bei allen Parteien das Bemühen, die fragwürdigen Vorgänge nicht „aufzubauschen“ und auch die sozialdemokratischen Vertreter im „Spiegel-Ausschuß“ haben die vielen Verdächtigungen, denen die bürgerlichen Parteien aus-
Staiker Tobak ...
BERLIN. „Werter Raucherfreund“, beginnt ein Brief an den Raucher, der den Tabakpäckchen der sowjetzonalen Tabakfabrik Steinmetz und Petsch im Landkreis Eisleben (Sachsen) beigelegt ist und dessen Inhalt da» Mitteldeutsche SED-Organ „Einheit“ veröffentlicht. „Der Tabak ist gesiebt, entstaubt und händverlesen, trotzdem läßt es sich nicht vermeiden, daß sich hin und wieder eia Fitzelchen Stroh oder ähnliche Fremdkörper darin finden“, heißt es in dem Schreiben. „Wer nun sehr penibel ist, muß wissen, daß er sich in solchem Falle das selbst heraustun muß.“ Dafür habe er dann für 75 Pfennig einen verhältnismäßig sehr guten Tabak, meint die Fabrik. „Im allgemeinen wird ein weiteres Herauslesen von Fremdkörpern gar nicht notwendig sein, da sie infolge der langen und innigen Verbindung mit dem Tabak schon mehr oder weniger Tabakcharakter angenommen haben. Mit Rauchergruß ...“
War es Giulianos Vetter?
VITERBO. Gaspare P i s c i o 11 a, ein Vetter des erschossenen sizilianischen Banditenführers Salvatore Giuliano, behauptete am Montag, nicht die Polizei, sondern er habe Giuliano im Juli vergangenen Jahres im Aufträge von Innenminister S c e 1 b a erschossen. Pisciotta machte diese aufsehenerregende Aussage vor einem Gericht in Viterbo, nördlich von Rom. als er sich zusammen mit 30 anderen Sizilianern wegen angeblicher Beteiligung an einer Schießerei zu verantworten hatte.
gesetzt wurden, nicht in den parteipolitischen Kampf gezogen. Mag sich darin auch eine staatsbewußte Fairneß reflektieren, bestimmt wurde diese Haltung der SPD von den gleichen Gefühlen, die in den Reihen der CDU, FDP und DP bestehen und die sich etwa in den Worten zusammenfassen lassen: Je mehr wir aus der Sache machen, um so negativer muß sie sich auf Bonn (als Symbol des werdenden Staates) auswirken.
Das ist eine Haltung, der eine gewisse Richtigkeit nicht abzusprechen ist; doch berechtigt ist sie nur dann, wenn Ehrenordnung de» Parlaments, Parteiengesetz und andere gesetzliche Bestimmungen die Möglichkeit eine» neuen „Spiegel-Ausschusses“ ausschalten. In unserem Volk hat die ganze Untersuchung viel weniger gewirkt, als erwartet werden konnte. Doch darin sollte das Bonner Parlament keinen Beweis für ein „unerschütterliches Vertrauen“ sehen. Die Größe des Abstandes, den das Volk immer noch von Bonn hat, ist der Grund dafür.
Sorgen in Hongkong und Singapur
Vier Fünftel aller Arbeiter-Syndikate chinesisch-kommunistisch
dsi. HONGKONG. Obwohl nach außenhin die europäischen und amerikanischen Geschäftsleute in Hongkong und Singapur in völliger Ruhe ihre großen und nicht immer ganz eindeutigen Geschäfte abwickeln, wächst die Sorge, ob diese wichtigen Stützpunkte des Westens bei einer Zunahme des Drucks im Sinne der sogenannten „Groß-Asien-Bewegung“ im Ernstfall zu halten sein werden.
Man denkt dabei nicht so sehr an militärische Interventionen, die etwa von rotchinesischer oder gar malaiischer Seite erfolgen könnten, als vielmehr an die Möglichkeit innerer Umwälzungen. Aus einer sorgfältigen Untersuchung der Besetzung der führenden Posten in den Arbeiter-Syndikaten in Singapur und Hongkong ergibt sich, daß diese Syndikate bereits zu V J unter rein chinesischkommunistischem Einfluß stehen. Besonders bemerkenswert ist dabei, daß die indischen und malaischen Mitglieder der Syndikate ganz systematisch aus den führenden Positionen ab- gedrängt werden, so daß die Leitung der Syndikate restlos in die Hand der Chinesen zu kommen droht, die unzweideutig unter kom
munistischem Einfluß stehen. Die Kommunisten rücken gerade in Hongkong und Singapur geschickt die „Groß-Asien-Idee“ an die erste Stelle ihrer Propaganda-Aktivität und vermeiden es dabei sorgsam, irgendwie den Eindruck einer Abhängigkeit von Moskau oder auch nur von Peking zu erwecken.
Man befürchtet in Hongkong und Singapur eine Zuspitzung der Haltung der Arbeiter- Syndikate in dem Augenblick, in dem die gegenwärtige Rüstungskonjunktur wieder abklingt und die augenblicklich gezahlten Überpreise für die Mangel-Rohstoffe wieder zu sinken beginnen. In diesem Falle wird eine Zunahme der Arbeitslosigkeit kaum zu vermeiden sein. Die Arbeiter-Syndikate werden dann in die Zwangslage kommen, irgend etwas für ihre Mitglieder tun zu müssen, um sie bei der Stange zu halten oder sie zu verlieren. Es besteht die Gefahr, daß die unter kommunistischem Einfluß stehenden Syndikate dann versuchen werden, durch eine entscheidende politische Aktivität ihre Mitglieder zu fesseln und damit gleichzeitig ihren fremdenfeindlichen Zielen näher zu kommen.
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Stadtgrundriß als Quelle
Aus der Frilhzeit der Grafschaft Württemberg
So gut wie völliges Dunkel liegt bis heute über den geschichtlichen Anfängen der Grafschaft Württemberg. Weder über die genauen verwandtschaftlichen Beziehungen der führenden Glieder des Grafenhauses im 13. Jahrhundert, noch über die Zusammenhänge ihrer Politik geben die spärlichen urkundlichen Quellen genügende Auskunft. Auch andere deutsche Gebiete sind, was die Entstehung der Territorien betrifft, nicht viel besser daran. Doch kommt für Württemberg noch erschwerend hinzu, daß der Kern des späteren Landes durch raschen Zuwachs so wohl arrondiert wurde, daß schon um 1400 die einzelnen Teile bis zur Unkenntlichkeit der historischen Schichtenfolge eins geworden waren und es sogar den Landesherren selbst schwer fiel zu sagen. aus welchen Beständen ihr Territorium sich herausentwickelt hatte. Sicher ist, daß der württembergische Abfall von den Staufen in der Schlacht bei Frankfurt 1246 für den Zusammenbruch der staufischen Macht im Süden zu einem guten Teil verantwortlich war, und daß von da an der Ausbau des eigenen Territoriums gerechnet werden muß.
In einem durch Lichtbilder unterstützten Vortrag vor dem Schwäbischen Heimatbund in Stuttgart machte Staatsarchivrat Dr. Decker- Hauff kürzlich den Versuch, ein zunächst vielleicht abwegig erscheinendes Denkmal als Ge- schichlsquelle auszuwerten und damit in diesen frühen Ausbau etwas mehr Licht zu bringen, nämlich die Grundrisse der ersten württember- gischen Städte.
Als etwas Besonderes, Neues heben sie sich heraus, sobald man ihre Lage im Netz der vorher bestehenden staufischen Städte betrachtet. Waren diese, z. B. Eßlingen, Weil, Markgröningen Heilbronn, Gmünd — Waiblingen gehört nicht dazu — ganz klar von wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus in verkehrsgünstiger Verteilung an den alten wichtigen Straßenzügen angelegt, so entspringen die württembergischen Gründungen — das Recht zur Stadtgründung dürften sich die Grafen nach der Frankfurter Schlacht selbst genommen haben — ganz anderen Überlegungen. Das geht aus ihrer Verteilung wie aus ihrer Anlage hervor. Leonberg. Schorndorf und Marbach scheinen als Eckposten des Kernlands angelegt
worden zu sein. Darin sind sich die 3 Städte ähnlich. daß sie abseits von vorausgehenden älteren liegen, befestigungsfähiges Terrain ausgezeichnet ausnützen und ursprünglich Zweitoranlagen mit wenig hervortretendem Dreiecksmarktplatz sind, vermutlich jeweils am Tor gegen das Landesinnere durch ein herrschaftliches Steinhaus besonders gesichert. Jede der Städte ist so geplant, daß sie gegen eine staufische Stadt gerichtet erscheint und eine wichtige Fernstraße auf ein kleines Stück in sich hereinzieht, so daß diese also durch die Stadt unterbrochen ist. Bei Leonberg (Ursiedlung Tilgshausen), gegründet zwischen 1249 und 1251, ist es die Straße von Markgröningen nach Weil; gegen diese beiden Städte dürfte die Neugründung auch haben schützen wollen. Marbach (Ursiedlung über dem Bach drüben bei der Alexanderkirche) war gegen Heilbronn gerichtet und durchschnitt die Verbindung vom Remstal zum Bottwar- und Neckartal. Schorndorf, die östliche Grenzsicherung gegen Gmünd, überwachte die Remstalstraße. Die sicheren Eckpfeiler eines Zaunes um die frühe Grafschaft scheinen die Städte zu sein, wenn man die Verbindungslinien zieht und als einen vierten festen Punkt ln südlicher Richtung gegen Eßlingen hin die Höhenburg des Geschlechts der Wlrtemberger über Untertürkheim auffaßt. Wie ein schmaler Sperriegel legt sich das Territorium quer über die für die Staufen so entscheidend wichtige Verbindung von der Pfalz zu den Alpenpässen.
So angesehen, ergibt es sich, daß eine weitere frühwürttembergische Stadt, Waiblingen, als Verwaltungsmittelpunkt in bevorzugter Lage des Landes gedacht gewesen sein muß. Von allem Anfang an war ihr Grundriß anders. Drei Tore hatte sie die größte der hier besprochenen Gründungen, einen großen Marktplatz und einen guten Siedlungskern, vielleicht — manches spricht dafür — an der Stelle des Urdorfs, von dem diese Stadt also nicht abgerückt wäre. Alles zusammen mit der unmittelbar neben der Stadt liegenden Kaiserpfalz läßt den Gedanken aufkom- men, daß hier wohl der Hauptsitz der Grafen und Waiblingen die Hauptstadt des Landes hätte sein sollen.
1252 kam als Zuwachs Markgröningen, eine Reichsstadt, an das Territorium. Daß sie nicht ursprünglich ins Gefüge der württembergischen Gründungen gehörte, zeigt z. B. das Verhalten
von Marbach, das keine Verbindung in westlicher Richtung, keinen Neckarübergang vorsah. Das zeigt aber auch der schön ausgewogene Grundriß der Stadt an den Femstraßen von Gmünd und von Ulm her, die sich eben hier zum gemeinsamen Zug nach Speyer vereinigen. Das Vorbild für eine solche Stadtanlage hatte der Mittelrhein den Staufen geboten.
Der Zuwachs störte das räumliche Gleichgewicht der Grafschaft Württemberg. Waiblingen lag nicht mehr im Mittelpunkt. Vielleicht war das der Anlaß dazu, eine neue Hauptstadt zu schaffen. Stuttgart bot sich als geeignet dafür. Vor dem Anfall von Grönlngen an das Junge Territorium kann es nicht gegründet worden sein; es hätte als württembergische Stadt keinen Sinn gehabt. Ja, aus dem Stadtgrundriß läßt es sich sogar beinahe beweisen daß das neu erworbene Markgröningen zum Vorbild gedient hat, Stuttgart also erst nach Sommer 1252 als württembergische Stadt gegründet worden sein kann. Den „württembergischen Städtetyp*, wie ihn Leonberg, Marbach, Schorndorf darstellt, bietet die neue Hauptstadt so wenig wie Waiblingen und Markgröningen.
Auf deutschem Gebiet ist dieser württembergische Grundriß der zweitorigen Städte, der sich so deutlich abhebt von anderen Typen, z. B. von dem Zähringer Grundriß mit 4 Toren, sonst nicht bekannt. Woher stammt er wohl? Und vielleicht wichtiger noch: wer stand hinter den Plänen, hinter dem Gedanken des Aufbaus und folgerichtigen Ausbaus eines kleinen Territoriums, das die Lebensader staufischer Macht durchschnitt? Diese beiden Fragen stellte Dr. Decker-Hauff als vorläufig ungelöst an das Ende seines Vortrags. Dr. H. Dölker
f'f'ir den Bücherfreund
Praktische Wirtschaftspolitik
Walter E u k e n Unser Zeitalter der Mißerfolge. I. C. B. Mohr (Paul Slebeek-Verlag), Tu.: ngen tasi. 72 S. 3.66 DM.
Die herrschenden wirtsohaftspolitischen Ideen sind antiquiert. Es besteht eine Diskrepanz zwischen Realität und wirtschaftspolitiShen Ideologien, stellt Walter Eucken zu Beginn seiner fünf Vorträge — nach dem Tode des Freiburger Nationalökonomen von seiner Frau herausgegeben
— fest und folgert, in einer solchen Situation, müsse man die Ideologien von ehedem beiseite schieben und sich die Erfahrung zunutze machen, d. h. also Ablösung der ideologisch-wirtschafts- politischen Zielsetzung durch eine praktische Wirtschaftspolitik aus der gegebenen Situation, gegründet auf der Empirie.
Roman einer jungen Ehe
Rose Franken. Claudia, Verlag Greif, Wiesbaden 1951. 246 S.
Der Titel „Claudia“ erinnert an Zweigs gleichnamigen psychologisierenden Roman, der seinerzeit einen großen Erfolg hatte. Der nun vorliegende Roman „Claudia“ ist die Geschichte einer jungen Ehe, die sich im Staate Connecticut in Amerika auf einer kleinen Farm abspielt. Sie wird sicher einen großen Freundeskreis gewinnen, wird doch das geschildert, was junge Ehepaare täglich neu erleben.
Kulturelle Nachrichten
Der württembergisch-badische Ministerpräsident Dr. Reinhold Maier hat dem Chefkapellmeister des Süddeutschen Rundfunks. Hans Müller- Kray, aus Anlaß der Einweihung des neuen Sendesaales in der Villa Berg in Stuttgart den Titel eines Generalmusikdirektors verliehen.
Der Physiker und Vorsitzende des Vorstandes des Deutschen Museums in München, Geheimrat Prof. Dr. Jonathan Z e n n e c k . vollendete das 80. Lebensjahr Zenneck, ein würt- tembergischer Pastorensohn, machte sich neben seiner Tätigkeit für das Deutsche Museum vor allem auf dem Gebiete der Physik mit seinem Standardwerk über „Elektromagnetische Schwingungen und drahtlose Telegraphie“ einen Namen.
Der Senior der deutschen Archivare, Geheimer Archivrat Staatsarchivdirektor a. D. Dr. Konrad W u t k e der frühere Leiter des Staatsarchiv» Breslau und einer der besten Kenner der schlesischen Geschichte, ist im Alter von fast 90 Jahren in Uttenhofen gestorben.
Der Rektor der Staatl. Akademie der bildenden Künste, Stuttgart, Bildhauer Prof. Hermann B r a c h e r t, ist für die Studienjahre 1951/52 und 1952/53 v.':edor<'o\vnhlt worden