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MITTWOCH, 18 . APRIL 1951

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Wieder deutsche Benzinproduktion

Neues Leben in den Fischer-Tropsch-IV erken / Wenn das Kapital vorhanden ist

HrS. Wenn man in Meerbeck bei Moers das Gewirr verrosteter, verbogener Rohrleitun­gen und die toten Spezialöfen der ehemaligen Chemischen TreibstoffwerkeRheinpreußen Sieht und anschließend mit Direktoren und Mitarbeitern dieses Werkes über die erfolgte Aufhebung des Arbeitsverbotes für die Fi- scher-Tropsch-Anlagen spricht, muß man die Feststellung machen, daß diese Produktionser­laubnis sehr spät, für manche Anlagen viel­leicht zu spät erteilt wurde.Vorläufig kön­nen wir unsere Hydrieranlage wohl kaum in Betrieb nehmen, meinte ein Direktor von Rheinpreußen.Die Anlagen wurden 1944 durch einen Luftangriff produktionsunfähig und sind seitdem, sieben Jahre lang, den Wit­terungseinflüssen ausgesetzt gewesen. Schon die Wiederinstandsetzung würde rund 15 Mil­lionen DM erfordern. Hinzu kommt aber, daß wir weitere Mittel für die Modernisierung der Anlagen brauchten, um sie überhaupt rentabel arbeiten lassen zu können.

Berkamen will sofort starten

Anders ist es bei den Essener Steinkohlen­werken in Berkamen bei Essen. Vor andert­halb Jahren noch Mittelpunkt der Demontage­abwehrkämpfe als belgische Truppen mit Panzerunterstützung das Werk besetzten, sind heute die Fischer-Tropsch-Anlagen dort wieder soweit hergestellt worden, daß sofort nach Bekanntgabe der von deutschen und al­liierten Sachverständigen auszuarbeitenden Durchführungsbestimmungen für das Produk- tionspermit die Arbeit aufgenommen werden kann. Ähnlich ist die Situation bei den Krupp- Treibstoffwerken und bei der Ruhrchemie, die Ende 1949 einige Wochen hindurch Kohle hydrierten, bis ein neues Verbot sie wieder stillegte. Ob die ehemaligen Dortmunder Ben­zinwerke, die heute in der Hauptsache Paraf­fin herstellen, sowie die Gewerkschaft Viktor in Castrop-Rauxel wieder zur Benzinherstel­lung übergehen werden, ist ebenfalls von den zur Verfügung stehenden Geldmitteln abhän­gig. Im Wirtschaftsministerium von Nord­rhein-Westfalen ist man sehr skeptisch, ob ein Sofortstart der Kohleverarbeitung nach Fi- scher-Tropsch in allen sechs Werken möglich ist.Dazu sind viele Millionen erforderlich, die im Augenblick einfach nicht vorhanden sind.

Benzinherstellung erst an letzter Stelle?

Es ist allerdings eine Frage, ob die künf­tige weltwirtschaftliche Entwicklung nicht die Bundesregierung einfach zwingen wird, die weitgehende Ausnutzung der Kohlechemie mit allen nur- möglichen Mitteln zu unter­

stützen, um einer gefährlichen Lücke in der Versorgung mit Treibstoff und vor allem mit unentbehrlichen Hilfsstoffen für die chemische Industrie vorzubeugen. Durch die Arbeit der Fischer-Tropsch-Anlagen könnten außerdem nach Berechnungen der Deutschen Kohlen­bergbauleitung sehr viele Devisen gespart werden, wenn man berücksichtigt, daß vor dem Kriege von 360 000 t aus Kohle gewon­nenenPrimärprodukten jährlich etwa 30 Prozent für die chemische Weiterverarbeitung auf Waschmittel, Textilhilfsmittel, Imprä­gniermittel, Fettsäuren und Alkohol verwandt worden waren. Die restlichen 70 Prozent an Primärprodukten wurden zu künstlichem Treibstoff verarbeitet. Das waren allerdings nur zwei Prozent des deutschen Mineralöl­verbrauchs von 12,8 Million«! Tonnen im Jahr. Künftig wird jedoch nach Ansicht füh­render Wirtschaftler im Vordergrund der Kohleverarbeitung nach Fischer-Tropsch die

Gewinnung von Primärprodukten für die chemische Industrie stehen.

Die von manchen Seiten befürchtete Un­rentabilität der Fischer - Tropsch - Anlagen wird heute meistens als unzutreffend bezeich­net.Früher mußten wir hochwertigen Koks oder Braunkohle verwenden, erklären einem die Chemiker.Nach den neuesten Forschungs­ergebnissen, die in den letzten Jahren in Deutschland erzielt wurden, kann nunmehr jede Art von Brennstoff, auch Kohlenstaub und Torf für die Hydrierung gebraucht wer­den.

Einige Fischer-Tropseh-Werke haben in den vergangenen Jahren ersatzweise die Verar­beitung von Erdölrüdeständen zu Weich­machern, Lacklösungsmitteln, Fetten und ähn­lichem betrieben Die Verwendung von Kohle, die vor den Toren der Fischer-Tropsch-Werke abgebaut wird, ist jedoch billiger und nicht so stark weltwirtschaftlichen Versorgungs­krisen unterworfen. Ob aber in die noch toten Rohrsysteme der Fischer-Tropsch-Anlagen wieder Leben einziehen wird, ist nun nicht mehr eine Frage der alliierten Erlaubnis, sondern der verfügbaren Investitionsmittel.

Der Nebel bleibt

Zum Ende der Arbeit des Spiegel-Ausschusses Von unserem Bonner Mitarbeiter Horst Flügge

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Schaubild zu der in der vergangenen Woche er folg­ten Aufhebung alliierter Produktionskontrollen

BONN. Im Oktober 1950 hatte der Bundes­tag einmütig einen Untersuchungsausschuß eingesetzt, der feststellen sollte, ob bei der Abstimmung über die westdeutsche Haupt­stadt Abgeordnete bestochen «worden sind. Dr. Seelos von der Bayernpartei wurde da­mals sehr attackiert, als er meinte, die Unter­suchung würde ausgehen wie das Hornberger Schießen. Ein CDU-Abgeordneter wollte sein Mandat niederlegen, wenn sich die in der ZeitschriftDer Spiegel publizierten Vor­würfe eines Gedächtnisprotokolls Dr. Baum­gartners als richtig erweisen würden; denn, so argumentierte der ehrenwerte Volks­vertreter, einem Parlament, in dem es Kor­ruptionsfälle gäbe, wolle er nicht angehören. Die Ehre des Parlaments sei zu verteidigen oder wiederherzustellen, soweit sie verletzt sein sollte; das war eine andere damals viel gehörte Versicherung. Sechs Monate sind ver­gangen. DerSpiegel-Ausschuß hat seinen Schlußbericht fertiggestellt und wird ihn dem Plenum vorlegen. Dann wird es noch einmal sehr stürmisch zugehen, bevor die ganze Affäre wieder in die Vergessenheit zu­rückfällt, in die sie bereits in den vergangenen Monaten geraten ist. Was den Ausgang der Untersuchung betrifft, hatte leider Dr. See­los recht.

Eine gründliche Bereinigung der Affäre ist dem Ausschuß nicht gelungen, vielleicht war sie gar nicht möglich. Die Härte und Klar­heit, mit der vor gut zwei Jahren in England eine ähnliches Problem (der Skandal um Bei­cher) so gelöst worden ist, daß die Lösung das Vertrauen des Volkes in Parlament und Regierung vermehrte, hat die Arbeit des Spiegel-Ausschusses nicht gekennzeichnet. Entsprechend allgemein ist der Inhalt des Schlußberichtes. Keine eindeutigen Beweise für Bestechungen, so läßt er sich zusammen­fassen. Belastet als Gemeinschaft geht ledig­lich die Bayefnpartel aus den Verhören her­vor. Wie wenig das ihrer Stellung in Bayern Abbruch tut, haben bereits die letzten dor­tigen Landtagswahlen gezeigt. Die Vorwürfe gegen Finanzminister Schäffer haben im Verlauf der Untersuchung keine Beweise für ihre Berechtigung gefunden. Das gleiche gilt von Angriffen gegen Vizekanzler Blücher und den Verwalter des Wahlfonds der CDU, Pferdmenges. Bei allen Widersprüchen, von denen einer einen Meineid (Besold oder Donhauser) enthält, hat die Unter­suchung relativ eindeutig nur die Hinter­gründe des Machtkampfes in der Bayernpar­tei gezeigt. Die eigentliche Fragestellung: sind bei der Abstimmung.über Bonn oder Frank­furt Gelder an Abgeordnete gezahlt worden, bleibt im NebeL Dort wird sie in Gesell­

schaft von Problemen der Aufwendungen für Regierungsbauten usw, usw. bald gänzlich verschwunden sein.

Ob dieser Ausgang der Untersuchung ein Dienst an Bonn ist, muß bezweifelt werden. Der Liquidierung der Mißstände und der Meh­rung des Vertrauens des Volkes in Bonn wäre mit einer gründlichen Klärung mehr gedient ge­wesen. Erfolgt ist sie nur in der Feststellung des Ausschusses, daß die 21 593 DM, die der Ab­geordnete A u m e r von der Erdölgewerkschaft Elverath erhielt,offene Bestechungsgelder waren. Die Einzelheiten und Hintergründe der anderen Zahlungen des gleichen Geldgebers oder über den Münchener Rechtsanwalt Dr. B e r t h o 1 d oder über den Frankfurter Syn­dikus Heinrichsbauer sind nach Ab­schluß der Untersuchungen in mancher Hin­sicht offene Fragen geblifeben. Das kann auch von den Wechseln des Abgeordneten Don­hauser gesagt werden oder der Rolle, die Dr. Baumgartner von Anfang an in diesen Zusammenhängen gespielt hat. Im Verlauf der Untersuchung dominierte eigentlich bei allen Parteien das Bemühen, die fragwürdigen Vorgänge nichtaufzubauschen und auch die sozialdemokratischen Vertreter imSpie­gel-Ausschuß haben die vielen Verdächti­gungen, denen die bürgerlichen Parteien aus-

Staiker Tobak ...

BERLIN.Werter Raucherfreund, beginnt ein Brief an den Raucher, der den Tabak­päckchen der sowjetzonalen Tabakfabrik Steinmetz und Petsch im Landkreis Eisleben (Sachsen) beigelegt ist und dessen Inhalt da» Mitteldeutsche SED-OrganEinheit veröf­fentlicht.Der Tabak ist gesiebt, entstaubt und händverlesen, trotzdem läßt es sich nicht vermeiden, daß sich hin und wieder eia Fitzelchen Stroh oder ähnliche Fremdkörper darin finden, heißt es in dem Schreiben. Wer nun sehr penibel ist, muß wissen, daß er sich in solchem Falle das selbst heraus­tun muß. Dafür habe er dann für 75 Pfen­nig einen verhältnismäßig sehr guten Tabak, meint die Fabrik.Im allgemeinen wird ein weiteres Herauslesen von Fremdkörpern gar nicht notwendig sein, da sie infolge der lan­gen und innigen Verbindung mit dem Tabak schon mehr oder weniger Tabakcharakter an­genommen haben. Mit Rauchergruß ...

War es Giulianos Vetter?

VITERBO. Gaspare P i s c i o 11 a, ein Vet­ter des erschossenen sizilianischen Banditen­führers Salvatore Giuliano, behauptete am Montag, nicht die Polizei, sondern er habe Giuliano im Juli vergangenen Jahres im Auf­träge von Innenminister S c e 1 b a erschossen. Pisciotta machte diese aufsehenerregende Aus­sage vor einem Gericht in Viterbo, nördlich von Rom. als er sich zusammen mit 30 ande­ren Sizilianern wegen angeblicher Beteiligung an einer Schießerei zu verantworten hatte.

gesetzt wurden, nicht in den parteipolitischen Kampf gezogen. Mag sich darin auch eine staatsbewußte Fairneß reflektieren, bestimmt wurde diese Haltung der SPD von den glei­chen Gefühlen, die in den Reihen der CDU, FDP und DP bestehen und die sich etwa in den Worten zusammenfassen lassen: Je mehr wir aus der Sache machen, um so negativer muß sie sich auf Bonn (als Symbol des wer­denden Staates) auswirken.

Das ist eine Haltung, der eine gewisse Rich­tigkeit nicht abzusprechen ist; doch berech­tigt ist sie nur dann, wenn Ehrenordnung de» Parlaments, Parteiengesetz und andere gesetz­liche Bestimmungen die Möglichkeit eine» neuenSpiegel-Ausschusses ausschalten. In unserem Volk hat die ganze Untersuchung viel weniger gewirkt, als erwartet werden konnte. Doch darin sollte das Bonner Par­lament keinen Beweis für einunerschütter­liches Vertrauen sehen. Die Größe des Ab­standes, den das Volk immer noch von Bonn hat, ist der Grund dafür.

Sorgen in Hongkong und Singapur

Vier Fünftel aller Arbeiter-Syndikate chinesisch-kommunistisch

dsi. HONGKONG. Obwohl nach außenhin die europäischen und amerikanischen Ge­schäftsleute in Hongkong und Singapur in völ­liger Ruhe ihre großen und nicht immer ganz eindeutigen Geschäfte abwickeln, wächst die Sorge, ob diese wichtigen Stützpunkte des We­stens bei einer Zunahme des Drucks im Sinne der sogenanntenGroß-Asien-Bewegung im Ernstfall zu halten sein werden.

Man denkt dabei nicht so sehr an militäri­sche Interventionen, die etwa von rotchinesi­scher oder gar malaiischer Seite erfolgen könnten, als vielmehr an die Möglichkeit in­nerer Umwälzungen. Aus einer sorgfältigen Untersuchung der Besetzung der führenden Posten in den Arbeiter-Syndikaten in Singa­pur und Hongkong ergibt sich, daß diese Syn­dikate bereits zu V J unter rein chinesisch­kommunistischem Einfluß stehen. Besonders bemerkenswert ist dabei, daß die indischen und malaischen Mitglieder der Syndikate ganz systematisch aus den führenden Positionen ab- gedrängt werden, so daß die Leitung der Syn­dikate restlos in die Hand der Chinesen zu kommen droht, die unzweideutig unter kom­

munistischem Einfluß stehen. Die Kommuni­sten rücken gerade in Hongkong und Singa­pur geschickt dieGroß-Asien-Idee an die erste Stelle ihrer Propaganda-Aktivität und vermeiden es dabei sorgsam, irgendwie den Eindruck einer Abhängigkeit von Moskau oder auch nur von Peking zu erwecken.

Man befürchtet in Hongkong und Singapur eine Zuspitzung der Haltung der Arbeiter- Syndikate in dem Augenblick, in dem die ge­genwärtige Rüstungskonjunktur wieder ab­klingt und die augenblicklich gezahlten Über­preise für die Mangel-Rohstoffe wieder zu sinken beginnen. In diesem Falle wird eine Zunahme der Arbeitslosigkeit kaum zu ver­meiden sein. Die Arbeiter-Syndikate werden dann in die Zwangslage kommen, irgend et­was für ihre Mitglieder tun zu müssen, um sie bei der Stange zu halten oder sie zu ver­lieren. Es besteht die Gefahr, daß die unter kommunistischem Einfluß stehenden Syndi­kate dann versuchen werden, durch eine ent­scheidende politische Aktivität ihre Mitglie­der zu fesseln und damit gleichzeitig ihren fremdenfeindlichen Zielen näher zu kommen.

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Stadtgrundriß als Quelle

Aus der Frilhzeit der Grafschaft Württemberg

So gut wie völliges Dunkel liegt bis heute über den geschichtlichen Anfängen der Grafschaft Württemberg. Weder über die genauen verwandt­schaftlichen Beziehungen der führenden Glieder des Grafenhauses im 13. Jahrhundert, noch über die Zusammenhänge ihrer Politik geben die spärlichen urkundlichen Quellen genügende Aus­kunft. Auch andere deutsche Gebiete sind, was die Entstehung der Territorien betrifft, nicht viel besser daran. Doch kommt für Württemberg noch erschwerend hinzu, daß der Kern des späteren Landes durch raschen Zuwachs so wohl arron­diert wurde, daß schon um 1400 die einzelnen Teile bis zur Unkenntlichkeit der historischen Schichtenfolge eins geworden waren und es so­gar den Landesherren selbst schwer fiel zu sa­gen. aus welchen Beständen ihr Territorium sich herausentwickelt hatte. Sicher ist, daß der württembergische Abfall von den Staufen in der Schlacht bei Frankfurt 1246 für den Zusammen­bruch der staufischen Macht im Süden zu einem guten Teil verantwortlich war, und daß von da an der Ausbau des eigenen Territoriums ge­rechnet werden muß.

In einem durch Lichtbilder unterstützten Vor­trag vor dem Schwäbischen Heimatbund in Stutt­gart machte Staatsarchivrat Dr. Decker- Hauff kürzlich den Versuch, ein zunächst viel­leicht abwegig erscheinendes Denkmal als Ge- schichlsquelle auszuwerten und damit in diesen frühen Ausbau etwas mehr Licht zu bringen, nämlich die Grundrisse der ersten württember- gischen Städte.

Als etwas Besonderes, Neues heben sie sich her­aus, sobald man ihre Lage im Netz der vorher bestehenden staufischen Städte betrachtet. Waren diese, z. B. Eßlingen, Weil, Markgröningen Heil­bronn, Gmünd Waiblingen gehört nicht dazu ganz klar von wirtschaftlichen Gesichtspunk­ten aus in verkehrsgünstiger Verteilung an den alten wichtigen Straßenzügen angelegt, so ent­springen die württembergischen Gründungen das Recht zur Stadtgründung dürften sich die Grafen nach der Frankfurter Schlacht selbst ge­nommen haben ganz anderen Überlegungen. Das geht aus ihrer Verteilung wie aus ihrer An­lage hervor. Leonberg. Schorndorf und Marbach scheinen als Eckposten des Kernlands angelegt

worden zu sein. Darin sind sich die 3 Städte ähn­lich. daß sie abseits von vorausgehenden älteren liegen, befestigungsfähiges Terrain ausgezeichnet ausnützen und ursprünglich Zweitoranlagen mit wenig hervortretendem Dreiecksmarktplatz sind, vermutlich jeweils am Tor gegen das Landes­innere durch ein herrschaftliches Steinhaus be­sonders gesichert. Jede der Städte ist so geplant, daß sie gegen eine staufische Stadt gerichtet er­scheint und eine wichtige Fernstraße auf ein kleines Stück in sich hereinzieht, so daß diese also durch die Stadt unterbrochen ist. Bei Leon­berg (Ursiedlung Tilgshausen), gegründet zwi­schen 1249 und 1251, ist es die Straße von Mark­gröningen nach Weil; gegen diese beiden Städte dürfte die Neugründung auch haben schützen wollen. Marbach (Ursiedlung über dem Bach drü­ben bei der Alexanderkirche) war gegen Heil­bronn gerichtet und durchschnitt die Verbindung vom Remstal zum Bottwar- und Neckartal. Schorndorf, die östliche Grenzsicherung gegen Gmünd, überwachte die Remstalstraße. Die siche­ren Eckpfeiler eines Zaunes um die frühe Graf­schaft scheinen die Städte zu sein, wenn man die Verbindungslinien zieht und als einen vierten festen Punkt ln südlicher Richtung gegen Eß­lingen hin die Höhenburg des Geschlechts der Wlrtemberger über Untertürkheim auffaßt. Wie ein schmaler Sperriegel legt sich das Territorium quer über die für die Staufen so entscheidend wichtige Verbindung von der Pfalz zu den Alpen­pässen.

So angesehen, ergibt es sich, daß eine weitere frühwürttembergische Stadt, Waiblingen, als Ver­waltungsmittelpunkt in bevorzugter Lage des Landes gedacht gewesen sein muß. Von allem An­fang an war ihr Grundriß anders. Drei Tore hatte sie die größte der hier besprochenen Gründungen, einen großen Marktplatz und einen guten Siedlungskern, vielleicht manches spricht dafür an der Stelle des Urdorfs, von dem diese Stadt also nicht abgerückt wäre. Alles zusam­men mit der unmittelbar neben der Stadt lie­genden Kaiserpfalz läßt den Gedanken aufkom- men, daß hier wohl der Hauptsitz der Grafen und Waiblingen die Hauptstadt des Landes hätte sein sollen.

1252 kam als Zuwachs Markgröningen, eine Reichsstadt, an das Territorium. Daß sie nicht ursprünglich ins Gefüge der württembergischen Gründungen gehörte, zeigt z. B. das Verhalten

von Marbach, das keine Verbindung in westlicher Richtung, keinen Neckarübergang vorsah. Das zeigt aber auch der schön ausgewogene Grundriß der Stadt an den Femstraßen von Gmünd und von Ulm her, die sich eben hier zum gemeinsa­men Zug nach Speyer vereinigen. Das Vorbild für eine solche Stadtanlage hatte der Mittelrhein den Staufen geboten.

Der Zuwachs störte das räumliche Gleichge­wicht der Grafschaft Württemberg. Waiblingen lag nicht mehr im Mittelpunkt. Vielleicht war das der Anlaß dazu, eine neue Hauptstadt zu schaffen. Stuttgart bot sich als geeignet dafür. Vor dem Anfall von Grönlngen an das Junge Territorium kann es nicht gegründet worden sein; es hätte als württembergische Stadt keinen Sinn gehabt. Ja, aus dem Stadtgrundriß läßt es sich sogar beinahe beweisen daß das neu er­worbene Markgröningen zum Vorbild gedient hat, Stuttgart also erst nach Sommer 1252 als württembergische Stadt gegründet worden sein kann. Denwürttembergischen Städtetyp*, wie ihn Leonberg, Marbach, Schorndorf darstellt, bie­tet die neue Hauptstadt so wenig wie Waib­lingen und Markgröningen.

Auf deutschem Gebiet ist dieser württember­gische Grundriß der zweitorigen Städte, der sich so deutlich abhebt von anderen Typen, z. B. von dem Zähringer Grundriß mit 4 Toren, sonst nicht bekannt. Woher stammt er wohl? Und viel­leicht wichtiger noch: wer stand hinter den Plänen, hinter dem Gedanken des Aufbaus und folgerichtigen Ausbaus eines kleinen Territo­riums, das die Lebensader staufischer Macht durchschnitt? Diese beiden Fragen stellte Dr. Decker-Hauff als vorläufig ungelöst an das Ende seines Vortrags. Dr. H. Dölker

f'f'ir den Bücherfreund

Praktische Wirtschaftspolitik

Walter E u k e n Unser Zeitalter der Miß­erfolge. I. C. B. Mohr (Paul Slebeek-Verlag), Tu.: ngen tasi. 72 S. 3.66 DM.

Die herrschenden wirtsohaftspolitischen Ideen sind antiquiert. Es besteht eine Diskrepanz zwi­schen Realität und wirtschaftspolitiShen Ideolo­gien, stellt Walter Eucken zu Beginn seiner fünf Vorträge nach dem Tode des Freiburger Na­tionalökonomen von seiner Frau herausgegeben

fest und folgert, in einer solchen Situation, müsse man die Ideologien von ehedem beiseite schieben und sich die Erfahrung zunutze machen, d. h. also Ablösung der ideologisch-wirtschafts- politischen Zielsetzung durch eine praktische Wirtschaftspolitik aus der gegebenen Situation, gegründet auf der Empirie.

Roman einer jungen Ehe

Rose Franken. Claudia, Verlag Greif, Wiesbaden 1951. 246 S.

Der TitelClaudia erinnert an Zweigs gleich­namigen psychologisierenden Roman, der seiner­zeit einen großen Erfolg hatte. Der nun vor­liegende RomanClaudia ist die Geschichte einer jungen Ehe, die sich im Staate Connecticut in Amerika auf einer kleinen Farm abspielt. Sie wird sicher einen großen Freundeskreis gewin­nen, wird doch das geschildert, was junge Ehe­paare täglich neu erleben.

Kulturelle Nachrichten

Der württembergisch-badische Ministerpräsident Dr. Reinhold Maier hat dem Chefkapellmeister des Süddeutschen Rundfunks. Hans Müller- Kray, aus Anlaß der Einweihung des neuen Sendesaales in der Villa Berg in Stuttgart den Titel eines Generalmusikdirektors verliehen.

Der Physiker und Vorsitzende des Vor­standes des Deutschen Museums in München, Geheimrat Prof. Dr. Jonathan Z e n n e c k . voll­endete das 80. Lebensjahr Zenneck, ein würt- tembergischer Pastorensohn, machte sich neben seiner Tätigkeit für das Deutsche Museum vor allem auf dem Gebiete der Physik mit seinem Standardwerk überElektromagnetische Schwin­gungen und drahtlose Telegraphie einen Namen.

Der Senior der deutschen Archivare, Geheimer Archivrat Staatsarchivdirektor a. D. Dr. Konrad W u t k e der frühere Leiter des Staatsarchiv» Breslau und einer der besten Kenner der schlesi­schen Geschichte, ist im Alter von fast 90 Jahren in Uttenhofen gestorben.

Der Rektor der Staatl. Akademie der bilden­den Künste, Stuttgart, Bildhauer Prof. Hermann B r a c h e r t, ist für die Studienjahre 1951/52 und 1952/53 v.':edor<'o\vnhlt worden