HEIMATAUSGABE FÜR
STADT UND LAND
SAMSTAG, 14. APRIL 1951
ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG
7. JAHRGANG / NR. 57
Meiniin gsverschiedenheiten die geklärt werden können
Schumanplankonferenz im Gang / Saarfrage höchstens im Hintergrund
PARIS. Die sechs Außenminister der Schumanplanländer haben am Freitag mit der Beratung der Einzeifragen des Vertrags begonnen. Am Vormittag fand eine einstündige Sitzung statt, bei der die Minister ein französisches Memorandum über den Verhandlungsweg entgegennahmen. Vor der Zusammenkunft hatte Bundeskanzler Adenauer seine dritte Unterredung mit dem französischen Außenminister Robert S c h u m a n. Die Nachmittagssitzung begann mit der Entscheidung über den Sitz der Schumanplanverwaltung. Als zweiter Punkt soll die Verteilung der Stimmen und der Abstimmungsmodus in den Körperschaften der Montanunion behandelt worden sein. Ergebnisse liegen noch nicht vor. Gestern abend umriß der Bundeskanzler in einer Rede vor dem französischen diplomatischen Presseclub noch einmal die Grundsätze, die zur Bildung der Montanunion führten.
Bei der Diskussion über Stimmverteilung und Abstimmungsmodus in den Körperschaften der Schumanplanbehörde spielt das Saarproblem an sich eine Rolle. Von deutscher Seite wird aber offiziell mitgeteilt, es sei nicht beabsichtigt, die Saarfrage in den Vordergrund zu stellen und das gleiche könne man aus der Haltung der französischen Delegation schließen. Frankreich wird sich auf den Standpunkt stellen, daß seine Unterschrift unter wirtschaftliche Verträge automatisch die Saar einbezieht. Nachdem auch Bundeskanzler Dr. Adenauer der Ansicht ist, daß er mit seiner Unterschrift für die Saar mitunterzeichne, ergibt sich daraus für beide Teile die Möglichkeit, das Saarproblem bei den offiziellen Zusammenkünften schweigend zu übergehen. — Im Anschluß an die Vormittagsitzung erklärte ein deutscher Sprecher, es habe sich ergeben, daß über eine Reihe von Fragen Meinungsverschiedenheiten bestehen. Diese seien jedoch nicht so schwerwiegend, daß der
Schumanplan dadurch in Frage gestellt werde. Es bedürfe aber ernsthafter, echter Verhandlungen, um alle Ansichten zu koordinieren. Nach deutscher Ansicht dürfe das Gremium der tatsächlich leitenden Männer der Hohen Behörde nicht zu groß werden. Ein funktionsfähiges kleines Organ sei besser als ein unnötig aufgeblasenes Instrument.
In seiner grundsätzlichen Rede führte Bundeskanzler Dr. Adenauer nochmals aus, daß man, wenn der Schumanplan, der Plevenplan und die Pläne zur Koordinierung der europäischen Agrar- und Transportwirtschaft einmal verwirklicht seien, praktisch ein vereinigtes Westeuropa geschaffen habe.
Peking bestätigt
Intervention in Indocfaina
PEKING. Rundfunk Peking bestätigte am Donnerstag, daß chinesische Truppen in Indo- china eingedrungen sind. Als Begründung wurde angeführt, daß vorher französisch-vietnamesische Einheiten wiederholt die chinesische Grenze überschritten und damit die Sicherheit Chinas gefährdet hätten. Die kommunistische Kampfgruppe habe bereits die Verbindung mit den Vietminh hergestellt. Nach Ansicht politischer Kreise in Paris ist es durchaus möglich, daß der rotchinesische Staatschef Mao Tse-tung nach der Stabilisierung der Lage in China sein Hauptaugenmerk auf Indochina richtet. In diesem Falle sei für die USA der Zeitpunkt gekommen, Peking gegenüber klar zum Ausdruck zu bringen, daß Washington das chinesische Vorgehen als einen Angriff auf einen Verbündeten ansehe. Die Pekinger Meldung könne als Bestätigung des Beginns der seit langem befürchteten direkten Einmischung Chinas in die Auseinandersetzung zwischen Frankreich und der kommunistischen Vietminh-Bewegung aufgefaßt werden.
MacArthur nächste Woche in den USA
Abreise von Tokio am Montag / Erregung ebbt ab TOKIO. Zum erstenmal seit 14 Jahren wird geworden. Von einer offiziellen Anklage ge-
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MacArthur am kommenden Montag seinen Fuß wieder auf das Gebiet der USA setzen. Einer seiner engsten Mitarbeiter erklärte am Freitag in Tokio, der ehemalige UN-Oberbefehlshaber beabsichtige, Japan am Montag mit dem Flugzeug zu verlassen. MacArthur wird, begleitet von seinen engsten Mitarbeitern, seiner Frau und seinem 12jäh- rigen Sohn, voraussichtlich über Hawai nach San Franzisko und von dort aus direkt nach New York fliegen.
In Washington machen die republikanischen Freunde MacArthurs wenig Hehl aus ihrer Absicht, den General bis zu den nächsten Präsidentenwahlen im November 1951 „politisch“ einzusetzen. MacArthur hat jedoch noch nicht zu erkennen gegeben, ob er diesen Plänen zustimmt oder nicht.
Die bekannten Schreibmaschinenwerke „Re- mington Rand“ haben dem General den Posten eines Direktors bei einem Jahresgehalt von 100 000 Dollar angeboten. MacArthur soll das Angebot angenommen haben und wird binnen drei Monaten seine Tätigkeit aufnehmen.
Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, daß sich der Sturm der letzten Tage langsam wieder legt. Die republikanischen Führer sind ln ihrer Haltung wieder sehr viel vorsichtiger
gen Präsident Truman und Außenminister Acheson ist nicht mehr die Rede. Der republikanische Vorschlag, MacArthur auf einer gemeinsamen Sitzung des Kongresses sprechen zu lassen, hat nur noch wenig Aussicht, angenommen zu werden.
Die Erbitterung der Republikaner über die Entlassung MacArthurs kam am Donnerstagabend im Senat in Forderungen nach dem Rücktritt Trumans und seines Außenministers zum Ausdruck.
Der General wird voraussichtlich eingeladen werden, vor dem Kongreß seinen Standpunkt zu der Kontroverse über die amerikanische Ostasienpolitik darzulegen. Maßgebende Regierungskreise sollen mit einer Einladung einverstanden sein.
Der demokratische Senator Magnuson erklärte am Freitag in einem Rundfunkinterview — er befand sich gerade bei MacArthur, als der Abberufungsbefehl aus Washington eintraf —, er habe den Eindruck, daß der General es vorziehen werde, sich in geschlossenen Sitzungen vor Ausschüssen des Kongresses zu äußern, statt öffentlich vor beiden Häusern des Kongresses eine Ansprache zu halten.
Bundeskanzler Adenauer besuchte anläßlich seines Aufenthaltes in Paris das deutsche Konsulat. Links der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Prof. Hallstein, in der Mitte der Bundeskanzler, recht der deutsche Generalkonsul in Paris, Hausenstein.
Über den Selbstmord
Von Emst Müller
Viele Menschen kennen den Film „Heimat“. Wegen verletzter Ehre will in diesem Film ein Oberst von Schwarze sich selbst und seine Tochter erschießen, wegen betrügerischeren Bankerotts richtet ein Hofrat von Keller das Terzerol auf sich selbst und stirbt durch eigene Hand. Es waren Menschen aus der Zeit, da Kaiser Wilhelm II. in Deutsch- Land regierte. Damals blühte der Handel, tiefer Friede herrschte. Auch in die Kirche ging der Oberst. Nehmen wir die Statistik zur Hand, so erkennen wir mit Staunen, daß die Selbstmordziffer damals, als keine Kriege waren und soziale Not nicht kraß hervortrat, weit höher lag als etwa in der Nachkriegszeit zwischen 1920 und 1925 und zwischen 1945 und 1949, wo es den deutschen Menschen sehr schlecht ging, Inflation, Hunger, Wohnungsmangel und sittlicher Zerfall ein allgemeines Chaos hervorriefen.
Nun sind uns die Motive, die Menschen zur Selbsttötung treiben, in den meisten Fällen unbekannt. Die Nacht der Einsamkeit umgibt den Geist, der sich selbst vernichtet.
Indessen abgesehen davon, wir steilen fest, daß in Zeiten des Wohlstands und einer geltenden Moral etwa verletzte Ehre, Spielschulden, erotische Verstrickung usw den Menschen an den Rand der Verzweiflung bringen können, während sozial schlechte Zeiten eher den primitiv-vitalen Lebenstrieb stärken, aber auf der anderen Seite die Moral schwächen, und die Motive unwirksam machen, die Menschen in gesicherten Verhältnissen dazu veranlassen, ihr Leben wegzuwerfen.
Die Anhänger der materialistischen Geschichtsauffassung argumentieren gerne mit der sozialen Verzweiflung, der gesellschaftlichen Ächtung und der verlogenen Moral, wenn sie die Taten der Selbstvernichtung in der bürgerlichen Gesellschaft einer Prüfung unterziehen. Gewiß kommen Fälle vor, in denen der Mörder an seinem Selbst anklagend auf die Umstände, die elenden Verhältnisse und die rücksichtslos-unbarmherzige Gesellschaftsordnung verweist. Aber diese Fälle
Sonne-Programm für Vertriebene
Kosten auf 12,5 Milliarden D-Marb geschätzt
Bundeskanzler A d e n a u er am Konferenztisch bei den Verhandlungen der Außenminister der Schumanplan-Länder in Paris.
BONN. Die Flüchtlingskommissare der Marshallplanverwaltung unter Leitung des Amerikaners Sonne haben der Bundesregierung ein Programm zur Lösung des deutschen Vertrie- benenproblems vorgelegt, das folgende Vorschläge enthält: Neubau von 1,2 Millionen Wohnungen für Vertriebene, Umsiedlung von 700 000 Flüchtlingen; Neuverteilung der Bevölkerung innerhalb aller Bundesländer nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten; Schaffung von Erwerbsmöglichkeiten für etwa 600 000 Vertriebene; Einrichtung zusätzlicher Umschulungswerkstätten; Bau landwirtschaftlicher Siedlungen für rund 35 000 Vollerwerbsstellen und rund 65 000 Nebenerwerbsstellen.
Die Kosten für die vorgeschlagenen Maßnahmen werden auf 12;5 Milliarden DM geschätzt. Sie sollen auf sechs Jahre verteilt und zum größten Teil aus dem für produktive Zwecke zur Verfügung stehenden Anteil der Soforthilfeabgabe — später Lastenausgleich — gedeckt werden Darüber hinaus seien die durch das Vertriebenenprogramm ersparten Unterstützungsleistungen heranzuziehen. Schließlich wird noch eine Anleihe auf dem Kapitalmarkt und der Bank deutscher Länder vorgeschlagen. Ohne Ausländsbeteiligung sei das
Programm jedoch nicht mit der erforderlichen Schnelligkeit und Sicherheit zu verwirklichen.
In dem Bericht heißt es: „Obwohl das Ver- triebenenproblem vor allem ein deutsches Problem ist. kann doch kein verantwortungsbewußter Weltbürger sich der Schlußfolgerung entziehen, daß er seinen Beitrag zu einer befriedigenden Lösung leisten sollte, wenn er dazu aufgerufen wird.“ Deutschland habe sich bisher der Eingliederung der Vertriebenen mit Mut, Geschick und Innerer Anteilnahme angenommen. Seine Zukunft sei unlösbar mit dem Vertriebenenproblem verbunden.
Zusammenslöße in Südpersien
Vier Engländer getötet TEHERAN. Blutige Zusammenstöße mit Streikenden in den südpersischen ölgebieten um Abadan haben am Donnerstag mehrere Todesopfer gefordert, darunter vier Engländer und einige Perser. Das persische Kabinett hat in einer Sondersitzung beschlossen, Panzertruppen in das Unruhegebiet zu entsenden. Angeblich soll die Polizei Herr der Lage sein.
sind nicht charakteristisch und häufig, so als ob sich die Menschen, wenn sie sich zu einer solchen Tat entschließen, ihr Innerstes und Bestes überlegen zeigen wollten. Selbstmorde in sozial verelendeten Schichten stehen am Rande der Statistik, nur da, wo bei gewissen Gruppen ein gleitendes Lebensgefühl, ein Absinken von einer besser gestellten in eine niedrigere Gesellschaftsschicht bemerkbar ist, häufen sich die unglücklichen Fälle
Doch wollen wir uns mit solchen Feststellungen und Spekulationen nicht vor dem Problem selbst drücken. Der Redakteur einer Zeitung könnte mit Leichtigkeit aus den täglich einlaufenden Meldungen über Freitode eine ganze Seite füllen. Die Meldungen kommen in unserem engeren Verbreitungsgebiet aus allen Kreisen, Armen und Reichen Akademikern und Bauern, es sind ebensoviel Frauen wie Männer dabei. Film und Romane beschreiben die absonderlichsten Fälle und die Diskussion darüber hört man in ernsten Zirkeln, im Wirtshaus und in der Kirche.
Wir betonen noch einmal: ein Urteil über den Einzelfall abzugeben, ist sehr viel schwieriger und oft unmöglich, als etwas Grundsätzliches zu sagen. Wir wissen wohl, daß nicht jede Selbsttötung mit Selbstmord gleichzusetzen ist. Wir stoßen dabei auf die Grenzen menschlicher Erkenntnis. Eine Verurteilung aus moralischen Gründen erschiene uns nicht statthaft.
Warum die Vorsicht? Weil der Mensch einen freien Willen hat Jeder von uns hat sein Leben im Unterschied zum Tier in der Freiheit, das heißt es besteht bei uns nicht die tierisch enge Verbindung mit dem Leib sondern die Scheidung des Geistes vom Leib. Die Freiheit schließt, rein vom Menschen aus gesehen, auch die Freiheit zum Tode ein. Darum sagt der römische Philosoph Seneca: patet exitus, wie einer endet, steht offen, und wer es für ehrenvoller hält im Kampf gegen widriges Geschick sein Menschentum mit dem freiwilligen Tod zu besiegeln, den können wir kaum der Feigheit und Schwäche zeihen. Seine Tat ist, vielleicht ein verzweifelter, vielleicht auch ein mutvoller Versuch, die äußerste Selbstrechtfertigung der Freiheit zu wagen, ein rühmloses und verfehltes Leben selbst zu sühnen. Doch damit sind wir auch schon da angelangt, wo der Mut Schwäche, die Freiheit Not und Zwang, der Tod Verzweiflung ist. Will sich der Mensch durch den Tod einen letzten Sinn geben greift er zugleich ins Sinnlose, denn er will sich selbst in demselben Augenblick bejahen, wo ersieh selbst verneint. Die Motive rücken dabei ins Gleichgültige.
„Kein Priester hat ihn begleitet“, so hört die tragische Geschichte des Selbstmörders Werther in Goethes Roman auf. Die christliche Kirche sagt .Nein“ Warum? Weil sie von der Bibel selbst den Auftrag bekommen hat. ein solches Tun zu verwerfen Weder die Moral, noch die Philosophie bestimmen ihre Meinung, sondern Gott selbst Die Kirche drückt mit ihrem „Nein“ aus der Mansch habe sich durch seinen freiwilligen Tod ein Urteil über sich selbst angemaßt, das zu fällen Gott allein befugt ist Das selbstherrliche Handeln des Menschen kommt aus dem Unglauben an Gottes Barmherzigkeit und die Wahrheit seines Gerichtes Auch so hohe Gefühle wie die Liebe oder die Ehre, wenn sie als absolut herrschende Mächte vom Menschen Besitz ergreifen, verwandeln sich in dämonische, geistfeindliche Triebe. Des Menschen Motive stehen unter der Sünde und der Verfehlung und dabei ist es nicht wichtig ob