¥, April 1951
AUS DEM HEIMATGEßlET
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Aus dem Calwer Geridilssaai
Urteilsfindung mit dem Redienstift
Verkehrsunfälle -sind oft nur zu klären, wenn alte verstaubte Schulkenntnisse aus der Erinnerungskiste ausgekramt und verwendet werden. Schon in der Schule hatte man solche Aufgaben gelöst, etwa folgender Art: Ein Mann geht von A-Dorf mit einer Geschwindigkeit von 5 km/h nach dem so und so viele Kilometer entfernten B-Dorf. Eine Stunde nach seinem Weggang folgt ihm ein Radfahrer usw. Wo treffen sie sich? (Praktisch meist in der nächsten Wirtschaft!)
Genau so hatte diesmal das Gericht zu rechnen. In der Badstraße in Calw hatte beim ■ „Saalbau Weiß“ in Richtung zur Stadtmitte auf der linken Seite ein Lkw geparkt. Er war entladen worden und sollte nun auf die rechte Straßenseite hinüber in eine Garage gefahren werden. Der Fahrer sah sich um, bemerkte niemand auf der Straße, stieg ins Führerhaus, nahm seinen rechten Fahrtrichtungsanzeiger heraus und fuhr auf die andere Seite. Währenddessen war aber ein Motorrad aufgetaucht, das sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 30—35 km/h näherte. Auf eine Entfernung von etwa 10—15 m sah der Kradfahrer, daß der Lkw anfuhr und bemerkte zugleich den Fahrtrichtungsanzeiger. Er bremste, fuhr aber trotzdem noch auf den die Straße überquerenden Lkw auf. Das Motorrad wurde kaum beschädigt. Schlimmer sah es bei* dem Kradfahrer selbst aus. Er trug eine Meniskusverletzung davon, mußte sich in ärztliche Behandlung und zuletzt gar ins Krankenhaus begeben.
Das Gericht verurteilte beide Fahrer. Der Lkw-Fahrer hätte sich unmittelbar vor dem
Anfahren noch einmal überzeugen müssen, ob die Straße frei war Noch besser wäre es gewesen, wenn er den Mann, der ihm beinfi Abladen behilflich gewesen war, angewiesen hätte, ihn einzuwinken. Auch der Kradfahrer hatte sich nicht richtig verhalten. Er hätte auf eine Entfernung von 15 m sein Krad zum Stehen bringen müssen. Außerdem hätte er den Fahrtrichtungsanzeiger schon aus viel größerer Entfernung sehen müssen. (Wenn sich der Leser die Mühe machen will, kann er die Bewegungsaufgabe lösen und die Entfernung ausrechnen, wenn man die Geschwindigkeit des Autos mit 5 km/h annimmt!!) Das Gericht verurteilte den Lkw-Fahrer, dessen Schuld für größer erachtet wurde, zu der Geldstrafe von 50 DM, den Kradfahrer zu einer solchen von 15 DM.
Das Wandern i t des Müllers Lust
Ja, das Wandern! Nicht nur Müller wandern gerne, sondern auch solche, die nicht gerne arbeiten wollen. Emma zählte zu dieser Kategorie. Kreuz und quer zog sie durchs Land und bettelte sich durch. Ein ellenlanges Vorstrafenregister wurde schon über sie geführt. Im Jahre 1918 hatte ihre Bekanntschaft mit dem Gericht angefangen. Sie endete erst 1937. 1950 hatte sie die Bekanntschaft wieder aufgefrischt und saß nun erneut auf der Anklagebank. In der Zeit von 1937—1950 habe sie in Arbeit gestanden und sei deshalb nicht straffällig geworden. Das Gericht gab Emma noch einmal eine Chance und steckte sie nicht ins Arbeitshaus, sondern ließ es für diesmal bei einer Haftstrafe von 6 Wochen bewenden.
Begegnung mit der unverfälsditen Natur
Filmvorführungen des Bundes für Vogelschutz — Eine stattliche Zahl neuer Mitglieder
Im vollbesetzten Saal des Georgenäums sprach am Dienstagabend Herr Wolter vom „Bund für Vogelschutz“ über das Thema „Natur um uns“. Er schilderte die Stellung des Menschen zu der ihn umgebenden Natur. Sie Ist es, die uns bei allen kulturellen und wirtschaftlichen Verlusten der vergangenen Jahre in ihrer Schönheit und Reichhaltigkeit erhalten blieb. Aber Gleichgültigkeit und Gewinnsucht sind schon so manchen Pflanzen- und Tierarten zum Verhängnis geworden. Die fortschreitende Vernichtung der Hecken, vor allem des beerentragenden Strauchwerks, bedeutet für die Vogelwelt Verlust an Nistgelegenheit, an Schutz- und Ruhepunkten im freien Gelände, an richtiger Lebensquelle im Winter. In erster Linie ist der Obstbau an der Erhaltung und Vermehrung der schödlingsvertilgenden Vogelwelt interessiert. Der Mensch hat aber durch seine Einwirkung das Gleichgewicht ln der Natur schon gestört und wenige Jahre würden genügen, dem Heer der Schädlinge zum endgültigen Siege zu verhelfen, fehlte die gefiederte Schaar. Und welch ständiger Born von Freude ist uns in ihrem Gesang und munteren Treiben gegeben!
Der Bund für Vogelschutz hat als erster Tiere in freier Natur im Film festgehalten. Wir verdanken ihm daher eine Reihe einzigartiger Natururkunden, die zum Teil schon vor 40 Jahren aufgenommen wurden. In einem interessanten Film konnten Wisente
aus dem Wald von Bialowies, Elche aus Ostpreußen, Biber vom Naturschutzgebiet Steckby a. d. Elbe und die nunmehr im Alpengebiet völlig ausgestorbenen Steinböcke vorgeführt werden. Allgemeine Heiterkeit erweckte ein gezähmtes Wildschwein in B""'rich a. Rhein. In prächtigen Farbfilmen wurde die Vogelwelt vorgeführt: Im Winter ihr munteres Treiben am Futterplatz, im Frühling beim Nestbau. Großes Staunen erregte die Kunstfertigkeit der im Voralpengebiet heimischen Beutelmeise beim Bau ihres Nestes. Das Naturschutzgebiet Staudacher am Federsee entwickelt sich dank seiner dem menschlichen Zugriff entzogenen Unberührtheit immer mehr zu einem Zufluchtsort selten gewordener Vogelarten
Der Erfolg des Abends kam am schönsten darin zum Ausdruck, daß sich eine stattliche Schar neuer Mitglieder dem „Bund für Vogelschutz“ anschtoß. Dieser hat es sich zur uneigennützigen Aufgabe gemacht, die herrliche Schöpfung Gottes als ein uns anvertrautes Gut in aller Ehrfurcht zu schätzen und zu pflegen. Er tut es, getreu dem Vermächtnis seiner im hohen Alter von 90 Jahren verstorbenen Gründerin, Frau Lina Hähnle, Giengen a. Br. Der niedrige Jahresbeitrag von 1 DM ermöglicht es jedem, durch seine Mitgliedschaft mitzuhelfen an der hohen Aufgabe. -le.
„Pforzheimer Wodie in Vorbereitung
Große Ausstellung vom 1. bis 10. Juni soll alle Industrie- und Handelszweige umfassen
Pforzheim. Am Mittwochnachmittag wurde im „Hotel Ruf“ in Pforzheim ein Presseempfang durchgeführt, um der Oeffent- lichkeit Näheres bekanntzugeben über die Ausstellung, die vom 1. bis 10. Juni abgehalten wird. Dr. Ernst Maier von der Ausstellungsleitung, dem „Haus für Wiederaufbau und Wirtschaftswerbung, Mannheim“, erinnerte zunächst daran, daß seit 1939 keine Ausstellung in dem geplanten Ausmaße mehr in Pforzheim durchgeführt wurde. Innerhalb der vergangenen zwölf Jahre aber habe sich im Wirtschaftsleben Pforzheims ein gewaltiger Strukturwandel vollzogen, das Gewerbe sei nicht mehr ausschließlich auf Gold- und Schmuckwaren ausgerichtet, sondern es hätten sich neue Industriezweige angesiedelt. Aus diesem Grunde sei es doppelt notwendig, endlich einmal wieder einen Gesamtüberblick über Industrie, Handel und Handwerk der Stadt zu geben.
In allen Kreisen stoße man auf großes Interesse an der Ausstellung, 50 Prozent der Stände sind schon jetzt vermietet. Dr. Maier schilderte nun die Bestrebungen, das Gelände des alten Stadtgartens für die Ausstellung herzurichten. Die Stadt habe mit Kräften dazu beigetragen, das Gebiet zu enttrümmern. Mit Hochdruck werde daran gearbeitet, die Gartenanlagen bis zum Ausstellungsbeginn wieder erstehen zu lassen. Auf dem Gelände des früheren Saalbaus soll ein großes Zelt erstellt werden, das u. a. die Erzeugnisse des Kunstgewerbes, der Rundfunkindustrie, der Gold- und Schmuckwarenindustrie aufneh- men soll. Als Aussteller kommen in erster Linie Pforzheimer Firmen in Frage, daneben aber auch Firmen aus dem Einzugsgebiet der Stadt sowie Zulieferfirmen der Pforzheimer Industrie.
Handelskammerpräsident Dipl.-Ing. Moser sprach sich anerkennend über das Vorhaben aus und wünschte der Ausstellungsleitung einen vollen Erfolg.
Das Interesse des Einzelhandels an der Veranstaltung brachte Walter Westphal, der geschäftsführende Vorsitzende des Einzelhandelsverbandes, zum Ausdruck. Er kündigte an, daß gleichzeitig mit der „Pforzheimer Woche“ auch ein Schaufensterwettbewerb und ain Höflichkeitswettbewerb gestartet werden sollen, wobei der Kunde selbst entscheiden soll, wem für das bestdekorierte Schaufenster
bzw. für die entgegenkommendste Bedienung der Preis zuzusprechen sei.
In ergiebiger Aussprache ergriffen anschließend noch Vertreter des Rundfunks, des Sports, des Arbeitsamts, der Gartenbauverwaltung, des Frauenbunds, wie auch Landrat Dissinger selbst das Wort und erklärten sich bereit, zu ihrem Teil zum Gelingen der Ausstellung beizutragen. Die Bundespost will im Ausstellungsgelände selbst ein Postamt einrichten und einen Sonderstempel für die Zeit der Ausstellung einführen.
Um die Anziehungskraft der „Pforzheimer Woche“ noch zu erhöhen, sollen in der Zeit vom 1. bis 10. Juni auch möglichst viele Tagungen und Versammlungen in Pforzheim durchgeführt werden. Unter den kulturellen Veranstaltungen kommt einem Konzert des Kammerorchesters unter Leitung seines Dirigenten Tilegant und unter Mitwirkung von Alice Schönfeld als Solistin besondere Bedeutung zu. der Südfunk wird voraussichtlich mit einem Bunten Abend aufwarten, und das Stadttheater Pforzheim sieht die Aufführung eines Kammerspiels vor.
Auch der Sport soll in den Dienst der Sache gestellt werden. So werden während der Zeit der Ausstellung die Schülerleichtathletikmeisterschaften und die Kreisleichtathletikmeisterschaften durchgeführt werden.
Freudenstadt baut neues Kurhaus
In dreieinhalbstündiger Sitzung beriet der Gemeinderat über die für die künftige Entwicklung der Stadt besonders wichtigen Fragen des Neubaus eines Kurhauses und die Neugestaltung des Marktplatzes. Er stimmte fast einstimmig zwei Anträgen von Bürgermeister Saam zu, die den Neubau eines Kurhauses im Laufe der nächsten beiden Jahre und die Neugestaltung des Marktplatzes nach den Plänen von Stadtbaurat Schweizer vorsehen. Die Kosten für den Kurhausneubau, in dem auch ein Kino untergebracht ist, das gleichzeitig als Theater- und Konzertraum dient, betragen 1,5 Millionen DM. Als erste Arbeiten im Zuge der Marktplatzneugestaltung soll im Herbst mit der Durchführung der Durchgangsstraßen begonnen werden. Der Beginn der Arbeiten am Bau des Stadthauses auf dem Marktplatz sowie des Rathauses ist im Frühjahr 1952 geplant.
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