AUS STADT UND KREIS CALW

Nr. SS

T. April 1951

Zeitaket des JCxaiaaiis

Sirenen nannte man vor Zeiten jene Da­men, die durch betörenden Gesang junge oder auch ältere Männer ins Verderben lock­ten. Heutzutage ist eine Sirene nur noch ein Schallerzeuger; vonbetörend undGesang ist keine Rede mehr. Doch erst mit Grammo­phon und elektrischem Klavier begann das Jahrhundert der mechanischen Musiklärm­entfaltung. Mart erfand das Geratter, Geknat­ter und Gedröhne der Motoren, Hupen und Niethämmer, die Heul-Arien der Fabriksire­nen und das Pfeifkonzert der Lokomotiven. Der Lärm wurde die Begleitmusik der Zivi­lisation. Hämmernd, prasselnd, kreischend, klingelnd, krachend kündet sich des Men­schen Werk an. Ein gradioses, aber aufdring­liches Säkulum!

Ueberall kreischt der Lautsprecher. Sogar die Bundesbahn kann es nicht lassen, jetzt Züge mit Mikrophon und Lautsprecher zu verwenden und damit auch Reisende, die das Fahrgeld bar bezahlen, keine Sabotage trei­ben und nicht einmal auf den Boden spuk- ken, unentwegt mit Unterhaltung zu bereg­nen. Denn nicht mehr der Ton, sondern das Phon macht die Musik. Das Phon aber ist die Einheit der Lautstärke. 72 Phon, so hat man

Hilf durch Deine Spende dem Roten Kreuz bei seiner Hilfstätigkeit!

gemessen, ist die Grenze dessen, was der Mensch vertragen kann. Doch werden die Großstadtstraßen mitunter sogar 82 Phon ge­messen. So gesehen, ist Lärmen eine Art Kör­perverletzung. Was aber unternimmt der Ge­setzgeber hiergegen? Immer noch heulen Fa­briksirenen, obwohl die Stempeluhr den Ar­beitnehmer ruft, immer noch erfreut uns das Radio der Nachbarn zu allen Tages- und Nachtzeiten, immer noch baut man Häuser­wände, dünn wie die Schnitzel zur Marken- zeit.

Wer wundert sich da, wenn die Nervenkli- niken nicht leer werden und die Arbeits­leistung sinkt? Indessen kann man Lärm machende Instrumente auch zertrümmern. Aber wenn Sie es tun, tun Sie es leise, ich bitte Sie. tun Sie es leise.

Um den Schwerbeschädigten-Ausweis

Vom VdK wird uns geschrieben: Obwohl die Deutsche Bundespost und die deutschen Filmtheater nach Verhandlungen mit dem VdK den Schwerbeschädigten eine 50prozen- tige Preisermäßigung ohne jede Entschädi­gung gewähren, haben die Bundesbahn und die Nahverkehrsbetriebe für eine gleiche Re­gelung auf ihrem Gebiet vom Bunde Subven­tionen gef ordert,-die von der Bundesbahn mit 8,8 Mill. und von den Nahverkehrsbetrieben mit 24 Mill. Mark im Jahr beziffert werden. Ler Bundesfinanzminister hat derartige Sub­ventionen jetzt kategorisch abgelehnt.

Der VdK hat nun den Bundestag gebeten, durch ein rasches Eingreifen auf parlamenta­rischer Ebene den Schwerkriegsbeschädigten zum, wenigsten die z. Z. noch gültigen Ver­günstigungen zu erhalten. Vertreter der Bun­desbahn hatten vor dem Kriegsopferausschuß bereits erklärt, daß jede Art von Vergünsti­gungen auch für Kriegsbeschädigte für die Zukunft unmöglich seien. Die Haltung der Bundesbahn und der Nahverkehrsbetriebe in dieser Frage haben bei den schwerbeschädig­ten Kriegsopfern Unruhe und Verbitterung ausgelöst. Der VdK hofft, daß Vernunft und soziales Gefühl den Sieg über rein fiskalisches Denken davontragen werden. Vom Bundestag erwarten'die Kriegsopfer, daß ihnen endlich nach jahrelanger; Verhandlungen zu einem einheitlichen Ausweis und solchen Vergünsti­gungen verholfen wird, wie sie anderen euro­päischen Landein, die der Krieg in gleicher Weise schwer belastet hat, längst eine Selbst­verständlichkeit sind.

Ein März ohne Märzenstaub

Im Spiegel von Calw

Nod) vor Mitte dieses Monats wieder kältere und

Von der Klimastation Herrenalb-Gaistal wird uns folgender zusammenfassender Über­blick über die Wetterbedingungen im vergan­genen Monat zur Verfügung gestellt: Häufige und reichliche Niederschläge und eine etwas zu geringe Temperatur waren die Folge der vielen Störungsfronten, die unser Gebiet durchzogen.

Die Lufttemperatur betrug im Monats­durchschnitt wie im Januar und Februar nahezu 3 Grad und blieb damit rund % bis 1 Grad unter dem langjährigen Mittelwert. Der wärmste Tag war der Karfreitag mit einer Höchsttemperatur von 16 Grad. Oster­montag bescherte uns dafür die kälteste Tem­peratur des Monats mit 5,5 Grad, das war gleichzeitig die niedrigste Temperatur des ersten Vierteljahres. Auch sonst gebärdete sich der Monat noch ziemlich winterlich. Man zählte 4 Eistage (Temperatur ganztägig unter dem Gefrierpunkt), 18 Frosttage (Mindesttem­peratur unter dem Nullpunkt) sowie 8 Win­tertage (Tagesmittel unter 0 Grad).

Der Himmel war zu 8 Zehntel mit Wolken bedeckt; das Ergebnis waren 18 trübe Tage. Die Sonnenscheindauer war trotz dem höhe­ren Stand der Sonne geringer als im Februar; sie betrug rund 70 Stunden. An 12 Tagen ließ sich die Sonne überhaupt nicht sehen.

unbeständigere Witterung?

Die Niederschlagsmenge betrug 145 Liter pro Quadratmeter und fiel an 20 Tagen teil­weise als Regen, Schnee oder Regen und Schnee gemischt. Die stärksten Niederschläge fielen am 15., 20., 25. und 28. d. M. Die höhe­ren Lagen waren fast dauernd, die Tallagen an acht Tagen mit Schnee bedeckt. Am 19. und 25. März wurde je ein schwaches Gewitter beobachtet.

Hinsichtlich der Wetteraussichten für den laufenden Monat gibt die für unser Gebiet zuständige Wetterwarte Freuden­stadt-Kienberg folgende Prognose: Die milde, frühlingshafte Witterung der ersten Apriltage dürfte mit kurzen Unterbrechungen während des ersten Monatsdrittels andauern. Noch vor Monatsmitte muß wieder mit käl­terem und unbeständigerem Wetter gerechnet werden, wobei Kaltluftvorstöße bis in tiefere Lagen herab Schnee- und Graupelschauer und im Anschluß daran Nacht- und Boden­fröste bringen dürften. Die größte Unbestän­digkeit wird dabei zwischen dem 20. und 28. erwartet Insgesamt kann mit etwas unter­normalen Mitteltemperaturen und mit über­normalen Niederschlagsmengen gerechnet werden, was dazu führen dürfte, daß sich in den Gipfellagen des Schwarzwaldes die Schneedecke bis weit in das Frühjahr hinein halten dürfte.

Wir gratulieren!

In der kommenden Woche feiern folgende betagte Calwer Einwohner Geburtstag: Mar­garete Wirth, Lederstraße 23, vollendet am Dienstag ihr 83. Lebensjahr, Christian Reut- ter, außer Etters 7, wird am darauffolgenden Tag 75 Jahre alt und Johannes Hummel, Bi­schofstraße 10, und August Rentschler, Markt­platz 2, feiern am Donnerstag ihr 78. bzw. 75. Wiegenfest. Wir gratulieren und wünschen einen imbeschwerten Lebensabend.

Ständchen für Altersjubilar

Gipsermeister Wilhelm Klein, Ehrenmit­glied der ChorvereinigungLiederkranz Con- cordia Calw, wurde zu seinem 70. Geburts­tag durch den Männerchor des Vereins mit einem Ständchen geehrt.

Kreismeisterschaften im Fechten

Wie uns Fechtwart Georg Kolb mitteilt, ha­ben sich zu den ursprünglich vereinsinternen Fechtmeisterschaften des Turnvereins Calw auch auswärtige Fechter gemeldet, so daß nun die Kämpfe als Kreismeisterschaften ausge­tragen werden.

Schachkampf Calw Herrenberg

Am morgigen Sonntag findet um 9.30 Uhr im Gasthof zumHirsch in Calw das Vor- - undenspiel Calw gegen Herrenberg statt. Es ist dies die erste Begegnung der beiden Schachvereine.

Was muß der Mieter Jetzt bezahlen?

Die Abwälzung der Grundsteuer- und Gebährenmehrbelastung des Hausbesi&ers

Zahlreiche Anfragen zeigen, daß bei vielen Hausbesitzern und Mietern über die Berech­nung des anteiligen Betrags an der Grund­steuererhöhung Zweifel bestehen.

Für die Kreisgemeinden ist die zulässige Abwälzung der Grundsteuererhöhung aus der jeweils verschiedenen Erhöhung der in Be­tracht kommenden Grundsteuerhebesätze B bei den Bürgermeisterämtern zu erfahren. Dies gilt auch hinsichtlich der möglichen Um­legung der öffentlich-rechtlichen Gebühren (Kanalreinigung, Müllabfuhr, Straßenreini­gung) und privaten Benutzungsentgelte. Ent­sprechend dem Vorschlag des Wirtschafts­ministeriums Preisaufsichtsstelle Tübin­gen ist für den Kreis Calw die individuelle Abwälzung der Grundsteuer- und Gebühren­erhöhung angeordnet worden.

Der Hausbesitzer oder sein Beauftragter muß dem Mieter bei der Ausrechnung des Anteils die entsprechenden Zahlen ein­schließlich der Beträge der Eigenmiete mit- teilen, und zwar den Steuermeßbetrag, die Hebesätze und die Höhe der Grundsteuer für 1945 und 1950, die Mieten für die einzelnen Wohnungen und die Gesamtmiete.

An Hand des folgenden Beispiels kann der Anteil an der Miete genau ermittelt bzw. überprüft werden:

Die einzelnen Mieten des Hauses sollen z. B. betragen

im Erdgeschoß 35, DM

im L Stock 50,DM

im Dachgeschoß 25, DM

Monatl. Gesamtmiete somit 110, DM

Wenn nun die Mehrbelastung des Hauses beispielsweise 8, DM monatlich beträgt, so ergibt ihre Aufschlüsselung folgenden monat­lichen Erhöhungsbetrag:

nt y n

im Erdgeschoß ' . - == 2,55 DM

im I. Stock

im Dachgeschoß

110

50 X 8 HO

25 X 8

= 3,64 DM

1,81 DM

HO

ergibt wieder 8, DM Weigert sich der Mieter oder Pächter, die Umlegung der Grundsteuer- und Gebühren­mehrbelastung des Hausbesitzes anzuerken­

nen, so findet § 3a des Mieterschutzgesetzes (MSchG) Anwendung. Stimmt demnach der Mieter oder Pächter der Erhöhung nicht frei­willig zu, so kann der Vermieter oder Ver­pächter nur die Beendigung des Mietverhält-, nisses anstreben, d. h. er kann im Rahmen seines Mietvertrages kündigen oder, wenn es sich um ein Mietverhältnis handelt, das dem Kündigungsschutz unterliegt, auf Aufhebung des Mietverhältnisses. klagen. Allerdings kann der Vermieter die Aufhebung des Mletverhält- nisses nur für den Zeitpunkt verlangen, zu dem er verträglich ohne die Kündigungs- schutzbestimmungen hätte kündigen kön­nen. Räumungsfristen können den Zeitpunkt noch hinausschieben.

Die Anordnung greift also nicht in den Mietvertrag ein und ersetzt nicht eine Verein­barung der Mietparteien, sie gibt nur den Mietpartnem Raum für eine zusätzliche Ver­einbarung . und beseitigt ipspweit das Preis­erhöhungsverbot der Preisstop-Verordnung., Kommt eine solche Vereinbarung zustande, dann kann . der Vermieter oder Verpächter auf Grund dieser Vereinbarung notfalls auf Zahlung des Mehrbetrages klagen; die An­ordnung allein dagegen gibt ihm dieses Recht nicht.

Die Durchführung- der Umlegung ist in die Hand des Vermieters, Verpächters oder Hauptmieters gelegt. Im Streitfall entscheidet die Preisbehörde:

Fremdenstadt Altensteig

Altensteig. Auf einer Besprechung des Fremdenverkehrsvereins gab Stadtamtmann Schleeh interessante Ziffern über den Alten­steiger Fremdenverkehr bekannt. Im Jahr 1949 hatte Altensteig 3449 Kurgäste und 13 323 Uebernachtungen aufzuweisen, während im vergangenen Jahr 4867 Kurgäste und 19 918 Uebernachtungen verzeichnet wurden.

Die Stadt wird in diesem Jahr ihre Frem­denverkehrswerbung verstärkt fortsetzen.* So wurden bis jetzt schön über 1000 Prospekte an verschiedene Reisebüros verschickt. Als neue Interessenten scheinen die Städte Berlin, Hamburg, Lübeck und Bremen für Altensteig Bedeutung zu gewinnen.

Versammlung der Kleintierzüchter

Der Geflügel- und Kaninchenzüchterverein Calw hält am morgigen Sonntag um 14.30 Uhr im Gasthof zumLöwen in Alzenberg eine Mitgliederversammlung ab. Dabei soll u. a. auch darüber beraten werden, ob in Alt­burg eine Jungtierschau abgehalten wird.

Am 11. April Vieh- und Schweinemarkt

Am Mittwoch, 11. April, wird in Calw ein Vieh- und Schweänemarkt abgehalten. Be­züglich der Auftriebsbedingungen verweisen wir auf die Anzeige in der vorliegenden Aus­gabe.

An die Kath. Volksschule versetzt

Mit Wirkung vom 1. April wurde Fachleh­rerin Frl. Lotte Haas von der Evang. Volks­schule Wildberg an die kath. Volksschule Calw versetzt. Frl. Haas leitete 814 Jahre die Hauswirtschaftsschule in Wildberg und Sulz und erfreute sich in beiden Orten allgemeiner Beliebtheit und Achtung.

Das Programm des Volkstheaters

In den 40er Jahren des vorigen Jahrhun­derts waren die Küsteii Floridas ständig be­droht von Seeräubern, die die Lebenslinie der amerikanischen Seefahrt zurh Karibischen Meer bedrohten. Der* FilmPiraten im Kari­bischen Meer erzählt nun von den Taten einer kleinen' Schar beherzter Männer, die der Seeräuberei den Garäus machten. Was sie dabei : erlebten Und was sie an Kämpfen über und unter Wässer aüszufechten hätten, das erzählt dieser farbige Streifen, der heute und mprgen im Volkstheater Calw läuft. Hauptdarsteller: Ray Milland, Paulette God- dard, John Wayne; Regie Cecil DeMille. In der Gegenwart spielt der FilmDer Mor­gen gehört uns, der am Montag und Diens­tag nächster Woche zur Aufführung gelangt. Loretta Young offenbart ihr Können als große Menschendarstellerin in der Rolle der Emily Blair, die am Tage ihrer Verlobung von Taubheit befallen wird. Die einzige Hoffnung der Patientin richtet sich auf ein neues Se­rum, das noch nicht erprobt ist. Nach schwe­rem innerem Kampf wagt der . liebende Arzt das große Spiel um Leben und Tod und gewinnt. In den Hauptrollen Alan Ladd, I-o- retta Young, Susan Haywärd, Barry Sullivan.

i

i

t

ti

Um das Jahr 1700 waren die Zeitläufte miserabel

Das herzoglfdte Gnadenbrünnlein der Pfarrherrn Eine Altburger Chronik

Im württ. Staatsarchiv befindet sich ein Aktenheft, welches den TitelHerzoglicher Gnadentrunk der Pfarrer bei der Auerhahn­jagd trägt. Es enthält eine Menge Schrei­ben an die herzogliche Kanzlei, deren Ab­sender jeweil die Pfarrer von Altburg, Zwe­renberg und Neuweiler sowie die Speziale von Teinach bzw. Calw waren. 28 Briefe stammen aus der Hand des Altburger Pfar­rers Mehl (16851722 in Altburg) und ein Brief von Pfr. Joh. Rud. Reichenbach (1677 bis 1685).

Die Tätigkeit der Pfarrer Reichenbach und Mehl in Altburg fällt mit der Regierungszeit Eberhard Ludwigs (16771733), eines jagd­frohen württembergischen Herzogs, zusam­men. Dieser weilte fast jedes Jahr in einem der Badestädtchen, sei es Hirsau, Liebenzell, Teinach oder Wildbad gewesen. Mag ihm die Zeit der Kur zu lange geworden sein, mag er allzuviel Kraft aus den Jungbrunnen des Schwarzwaldes geschöpft haben wir wis­sen es nicht; jedenfalls hat er immer wieder die Gelegenheit wahrgenommen, in Naislach oder Hofstett auf die Auerhahnfalz zu gehen. Aus der Anzahl der Altburger Briefe, welche die von Hofstett bzw. Neuweiler aus abge- sandten bei weitem übertreffen, kann die Beliebtheit des Naislacher Jagdreviers recht gut abgelesen werden. Mit Beginn der Jagd dürfte sich um die Quartiere der meist zahl­reichen Jagdgesellschaften munteres Leben entwickelt haben; meist dürfte die Jagd sich über mehrere Tage und Wochen hinaus er­streckt haben, so daß sowohl dem Landes­herrn als auch seinem Gefolge Gelegenheit gegeben werden mußte, den Gottesdienst zu besuchen. Naislach gehörte damals als 5. von 12 Filialen in das Kirchspiel Altburg, der dortige Pfarrer hatte deshalb über die Zeit

der Jagd auch die herzogliche Jagdgesell­schaft zu betreuen.

Ob er dabei besondere Gottesdienste ab­hielt oder diese etwa in Altburg stattfanden, ist nicht bekannt. Jedenfalls bildete sich die Sitte heraus, daß der diensttuende Geistliche den nach Beendigung der Jagd übriggeblie­benen Wein als Gnadenwein bekam. Hieraus hat sich dann in der Folge eine stets widerrufliche Gabe von einem Eimer Weins herausgebildet; hierdurch sind wir in den Besitz all dieser Briefe an die herzogliche Kanzlei gekommen. Sie enthalten jeweils die Bitte um den Gnadentrunk des Herzogs, so­fern dieser in Naislach (bzw. Hoffstett oder Teinach) zur Jagd gewesen war.

So sind uns 25 Briefe aus der Zeit von 1698 bis 1719 (aus 3 Jahren liegen je 2 Gesuche vor) erhalten. Pfarrer Mehl hat uns dabei unabsichtlich eine Altburger Chro­nik beschert. Mißwachs oder reiche Ernte, Einquartierung und Durchzug fremder Trup­pen, geringe Besoldung und Kinderreichtum, Einbruch im Pfarrhaus und andere Ereig­nisse werden geschildert, so daß ein recht farbiges, wenn auch nicht farbenfrohes Bild vor unseren Augen abrollt.

Euer herzogl. Durchlaucht meinen mise­rablen Notstand untertänigst zu klagen, be­wegt mich der leidige Einfall, so mich in kurz vergangener Zeit (Februar 1708) betrof­fen. Um den vergangenen Freitag Sankt Jo­hannis haben sich 5 Regimenter 2 m Pferd hart an unserem Flecken gelagert und sind allda 14 Tage liegen geblieben. Mich hat neben allen Inwohnern des gesamten Kirch­spiels auch das leidige Unglück getroffen, daß wir nicht allein 1 Husarenrittmeister selb 5 mit 6 Pferden zur Verpflegung einge­legt worden, sondern es haben auch die Hu­

saren mit Gewalt in die Scheuer gebrochen, das Heu und 2 Fuder Stroh, so ich von mei­ner Besoldung noch übrig gehabt, hinweg­genommen, und da ich zu meiner besseren Unterhaltung einen selbsterkauften Garten und Wiesen besitze, so sind alle hinwegfura- giert Ich habe vorigen Frühling von E. hzgl. DurchL einen halben Eimer Weins aus Gnade erhalten; haben die Soldaten bei nächtlicher Weil mit einem Hebeisen ein ge­doppeltes eisernes Gitter aus dem Kellerloch und der Mauer gezogen und alles was sie darinnen angetroffen an Brot, Schmalz und Wein, hinausgetragen.

Der Klagen in diesem Brief sind noch nicht alle. Etliche Wochen danach sind weitere sechs Regimenter gekommenund es eben mit der Manier getrieben, wo es die anderen gelassen haben. Im August 1702 geht über Altburg ein schreckliches Ungewitter nieder, daßselbiges Altburg vor anderen Orten be­troffen, daß von Frucht, Obst, Kraut und Rüben so viel als nichts übrig blieb. 1709 ist wieder fremdes Volk im Dorf und der Bitt­steller klagt,daß ich also anstatt des Weins vielmahl den Wasserkrug in die Hand zu nehmen genötigt werde. Aus5 unerzoge­nen Kindern sind inzwischen die 3 Söhne des Pfarrers herangewachsen, welche 1704 trotzKriegstreibens sich auf der Wander­schaft befinden und dem Vater deshalb nicht in der Landwirtschaft helfen können. Wieder einmal zerschlagendie großen, mehreren- teils Vierling schweren, auch halbpfündig und pfündigen Schlossen die Altburger Ernte und den Pfarr-Zehnten. Einmal nur heißt es in der Eingabe:

Weilen nun der liebe Gott uns den edlen Frieden wieder beschert und den Weinstock reichlich gesegnet, also gelangt an E. hochf. Durchl. mein unterthänigstes Bitten, sie wolle Ihr Gnadenbrünnlein fließen lassen und mich nunmehro 70jährigen, mit vielen Kindern ge­segneten, darüber durch die leidige Plünde­

rung sehr ruinierten,, armen Diener mit s einem Tröpflein Weins gnädigst erfreuen.

Der Herzog hat denn auch jedes Jahr den , Gnadentrunk, meist aus der Bebenhäuser Kellerei, gereicht und unseren Pfarrern an S; ihrenrauhen und miserabligen Orten in 1 deren Besoldungkein Tröpflein Weins" f

fließen konnte, von Jahr zu Jahr geholfen.

1738 wird jedoch das Gratial zur Entlastung des Kirchenrats abgeschafft. W. Pabst

Wenn der Amtsschimmel wiehert. . .

Vor dem Amtsgericht in Nagold kam dieser Tage ein Fall zur Verhandlung, der zu den­ken gibt:

Ein jeder von uns weiß, daß man zum Bauen nicht nur Geld, sondern auch eine Ge- s nehmigung braucht. Manchmal aber sogar 2 j bis 3 Genehmigungen, und das geht über den j Bürgerverstand. Ein Fuhrunternehmer wollte < außerhalb Etters bauen, da es im Ort keinen Platz gibt. Er schickte seine Skizze an das in diesem Falle zuständige Straßen- und | Wasserbauamt. Vom Innenministerium erhält | er über das Bürgermeisteramt nach kurzer | Zeit die Genehmigung und glaubt nun, anfan­gen zu können, zumal sein Lastkraftwagen seit zwei Jahren unter freiem Himmel steht Auch der Kreisbaumeister hatte auf das Bau­gesuch an das Landratsamt vermerkt, daß die Sache in Ordnung geht, doch eine andere Ab­teilung des Innenministeriums mußte eben­falls noch gehört werden. Der Angeklagte kam erst darauf, als er die Aufforderung zur sofortigen Baueinstellung erhielt. Monate später, im Oktober, als der erste Schnee fieli traf auch diese Genehmigung ein.

Staatsanwalt und Gericht waren der Auf" fassung, daß hier kein schuldhaftes, fahrläs­siges Vergehen vorliege, und so gab es einen Freispruch.

Der Amtsschimmel aber wird sich auch da­durch nicht beirren lassen.