Landtag in eigener Sache

Vor der Entscheidung über Verlängerung der Legislaturperiode

BEBENHAUSEN. (Eig. Bericht.) Die Ent­scheidung über die Verlängerung der Legis­laturperiode des südwiirttembergischen Land­tages war bei Redaktionsschluß noch nicht ge­fallen, da die Parteien in interfraktionellen Besprechungen nochmals viele Standpunkte klären wollten.

Innenminister Renner, der den Regierungs­entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Ver­fassung vorlegte, begründete den Standpunkt der Regierung zur Verlängerung der Wahl­periode des gegenwärtigen Landtages bis zur zu erwartenden staatlichen Neuordnung des süd­westdeutschen Raumes. Er führte aus, daß der Jetzige Stand der Südweststaatfrage zu der Hoffnung berechtigt, daß noch innerhalb dieses Jahres eine Regelung erfolge. Vom Bun­destag werde wohl noch im Laufe des Som­mers ein Gesetz verabschiedet, das zumindest »ine Volksabstimmung für oder gegen den Süd- Weststaat vorsieht. Es sei das beste, die Dauer des Landtages zu verlängern.

Der Innenminister verwahrte sich gegen den Vorwurf, daß die Abgeordnetenihre Sessel behalten wollten. Er führte aus, die Stimmen, die sich gegen eine Verlängerung der Legis­laturperiode aussprächen, zeugten nicht nur für ein Mißtrauen gegenüber der Regierung, sondern auch gegen die Abgeordneten.Wir sitzen alle in einem Boot, erklärte Renner (Abgeordneter Acker KPD:Frage, ob es nicht untergeht). Er riet den Abgeordneten, sich nichteinschüchtem zu lassen und schlug vor, das Haus möge den von der Regierung unter­breiteten Gesetzesvorschlag zur Änderung der Verfassung, d. h. zur Abhaltung einer Volks­befragung über die Verlängerung des Wahl­zeltraumes des 1. Landtags bis zum 1. April 1952 verabschieden.

Landtagspräsident G e n g 1 e r (CDU) ver­wahrte sich wie der Innenminister in sicht­licher Erregung dagegen, daß den Abgeord­neten unterstellt wurde, sie seien ausegoisti­schen Gründen für die Verlängerung des Landtags. Vielmehr hätten sie sich schon in den letzten Jahren bereit erklärt, ihr Mandat vorzeitig zu opfern.

Zu Beginn der Sitzung teilte Innenminister Renner mit, daß er die große Anfrage an die Staatsregierung wegen einer zweckmäßigen Ausrüstung der Kriminalpolizei mit Feuer-

Ei schlichene Wiedergutmachung

Nun auch in Stuttgart

STUTTGART. Das Amt für Wiedergutma­chung beim württemberg-badischen Justiz­ministerium rechnet damit, daß, ähnlich wie ln Bayern, auch die württemberg-badische Staatskasse durch Leute geschädigt worden ist, die sich mit Hilfe gefälschter Unterlagen üs angeblich Verfolgte Wiedergutmachungs- eträge erschlichen haben. Die endgültige lohe des Schadens kann festgestellt werden, Venn die Unterlagen nachgeprüft worden sind.

Die Landespolizei hat bisher zusammen mit der bayerischen Landespolizei zweitausend Akten nachgeprüft und festgestellt, daß in achthundert Fällen der Verdacht auf Fälschun­gen besteht. Durch die in Stuttgart geführten Ermittlungen konnten in München zwei Fäl­scher polnischer Staatsangehörigkeit festge­nommen werden. Die bisher überprüften Ak­ten sind Unterlagen heimatloser Ausländer aus den bayerischen Lagern Föhrenwald und Feldafing. Diese Ausländer waren am ersten Januar 1947 in württembergischen Lagern und müssen deshalb soweit sie Verfolgte sind vom Land Württemberg-Baden entschädigt werden,

Neuer Weltrekord: 139 m

OBERNDORF. Mlt einer Weite von 139 m stellte der neunzehnjährige Finne Lurio Tauno am Freitag bei der zweiten internationalen Skiflugwoche in Oberstdorf einen neuen inoffi­ziellen Weltrekord auf.

waflen zu einem späteren Zeitpunkt beantwor­ten werde.

Landwirtschaftsminister Dr. Weiß beant­wortete die große Anfrage der CDU wegen der Rentenbankgrundschuldzinsen. Er erklärte, daß Garantien vorhanden seien, daß die durch die Bezahlung der Rentenbankgrundschuldzin­sen aufkommenden Summen nur für den an­gegebenen Zweck verwendet werden. Das jähr­liche Soll-Aufkommen würde rund 900 000 DM betragen. Das Ist-Aufkommen beträgt 1333 551 DM. Davon wurden bisher abge­führt 1 293 556 DM. Es sei der Regierung ge­lungen, erklärte Weiß, daß auch größere Be­träge von der zentralen Dienststelle nach Württemberg - Hohenzollern geflossen seien. Den Betrag könne er aus naheliegenden Gründen nicht bekanntgeben, jedenfalls könne

er versichern, daß bisher mehr zurückgeflos­sen sei, als ursprünglich vom Land aufgebracht worden sei.

Gegen die Stünmen der KPD wurde ein Ge­setz über die vorläufige Regelung des Staats­haushalts für das Rechnungsjahr 1951 (Not­haushaltsgesetz 1951) angenommen. In einer lebhaften Debatte wurde erklärt, daß der Haushalt nicht für einen längeren Zeitpunkt festgesetzt werden sollte als die Legislatur­periode des Landtags dauern würde. Innen­minister Renner war der Meinung, daß dieses Verlängern den Erfordernissen der Finanzge­barung nicht entsprechen würde.

Einstimmig wurde ein Gesetz über Schul­jahranfang und Beginn der Schulpflicht ange­nommen. Der Entwurf eines Gesetzes über die Bildung von Personalvertretungen in der öf­fentlichen Verwaltung wurde an den Sonder­ausschuß nochmals zurückverwiesen. Einstim­mig nahm das Hohe Haus ein Gesetz über die Befreiung von der Grunderwerbssteuer für den sozialen Wohnungsbau an.

Von den USA abhängig

Britisches Verteidigunsprogramm gefährdet

LONDON. Großbritannien sei auf einen Teil der von den USA zur Vorratsbildung zurückge­haltenen Rohstoffe angewiesen, um eine Wirt­schaftskrise im eigenen Land zu verhindern, erklärte der britische Schatzkanzler G a i t s - keil vor 500 britischen Exportproduzenten. Die amerikaniche Vorratspolitik werde in zahlreichen europäischen Staaten als Ursache des akuten Mangels an strategisch wichtigen Materialien, insbesondere an Zink, Kupfer, Schwefel und Kautschuk angesehen. Ohne die erforderlichen Rohstoffe sei das britische Ex­portprogramm die Grundlage der Verteidi­gungsbemühungen zum Scheitern verur­teilt.

Im britischen Oberhaus kam es erneut zu einer erregten Debatte über die Fräse des Oberbefehls für die alliierten Seestreitkräfte im Rahmen des Atlantikpakts, den ein Ame­rikaner übernehmen soll.

Das Unterhaus lehnte mit 295 gegen 34 Stimmen den von einer Labourgruppe einge- brachten Abänderungsantrag zum Wehrpflicht­gesetz ab, der eine einmalige Bestrafung der Wehrdienstverweigerung festsetzen sollte.

London weist Vorwürfe zurück

Aufforderung auf Moskau einzuwirken PRAG. Die britische Regierung wies am Donnerstag in einer Note an die Tschechoslo­wakei nachdrücklich die Prager Beschuldigung zurück, daß die Westmächte Deutschland mit dem Ziel einer Aggression wieder bewaffnen. In einer britischen Note wird die Tschechoslo­wakei gleichzeitig aufgefordert, bei der So­wjetregierung auf eine Änderung der Politik des Ostblocks hinzuwirken, damit eine Ent­spannung der internationalen Lage erreicht werden könne, Großbritannien werde es nie­mals zulassen können, daß Deutschland als Plattform für eine neue Aggression benutzt werde.

Nachrichten aus aller Welt

STUTTGART. Altlandesbischof Wurm sprach sich in einem Brief an Hochkommissar Frangois- Poncet dafür aus, daß die deutschen Kriegsge­fangenen und Untersuchungsgefangenen in Frank­reich möglichst bald freigelassen werden.

WÜRZBURG. Auf einer Protestkundgebung der katholischen Aktion in Würzburg behauptete am Donnerstag der Bundestagsabgeordnete Dr. Nel­len (CDU), der Willl-Forst-FilmDie Sünderin" sei erst durch einen ausgesprochenen Wirt­schaftsbetrug an der Bundesrepublik zustande gekommen. Zur Erlangung der Bürgschaft sei ein von der jetzigen Form des Filmes stark abwei­chendes Drehbuch vorgelegt worden. Die nach­trägliche Änderung des Drehbuches sei ein Be­trug und Skandal.

GIESSEN. Das Gießener Schwurgericht ver­urteilte den 45jährigen ehemaligen SS-Haupt-

den 4300 Betriebsangehörigen auch Bundespräsi­dent Heuß sowie Vertreter der Industrie, Wirt­schaft, Wissenschaft und der Behörden teil.

OSLO. Der außenpolitische und der Militär­ausschuß des norwegischen Parlaments befür­worteten am Donnerstag eine Beteiligung Nor­wegens an einer Europa-Armee. Die Ausschüsse stimmten ferner für eine begrenzte Teilnahme deutscher Einheiten an der Verteidigung Europas.

LUXEMBURG. Von einem Luxemburger Ge­richt wurden sechs ehemalige deutsche Beamte wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt. Sie waren für Repressalien, die während der deut­schen Besetzung in Luxemburg verhängt wor­den waren, verantwortlich gemacht worden. Zwölf weitere Angeklagte wurden zu langjähri­gen Zuchthaus- und Gefängnisstrafen verurteilt. MADRID. Der neue amerikanische Botschafter

Scharführer wegen Ermordung von 87 hauptsäch- \in Madrid, Stanton Grlffls, hat General Franco

lieh weiblichen Insassen des Arbeitserziehungs­lagers Hirzenhain zu lebenslänglichem Zucht­haus.

GÖTTINGEN. Im Flüchtlingslager Friedland bei Göttingen trafen im Februar 3038 Umsiedler aus den polnisch besetzten Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie ein. Außerdem wurden neun­undsechzig Heimkehrer durchgeschleust.

DÜSSELDORF. Rund 4,5 Millionen Menschen (11,8 Prozent der gesamten Bevölkerung) sind nach einer am Donnerstag veröffentlichten Sta­tistik des DGB gegenwärtig in der Bundesrepu­blik und In Westberlin gewerkschaftlich organi­siert. Im letzten Quartal 1950 war ein Zuwachs von über 179 000 Mitgliedec* zu verzeichnen.

HAMBURG. Das Hamburger Landgericht ver­urteilte am Donnerstag deh 52jährigen Arbeiter Hans Adler zu sechs Jahren Gefängnis. Er hatte als Leiter der politischen Schulung Mitgefan­gene ln den sowjetischen Kriegsgefangenen­lagern Brianka und Irmino mißhandelt.

WETZLAR. Der Schöpfer der Leica-Kleinbild­kamera und Seniorchef der Leitzwerke, Dr. h. c. Ernst Leitz, feierte am Donnerstag seinen 80. Ge­burtstag. An der Geburtstagsfeier nahmen außer

am Donnerstag überreicht

sein Beglaubigungsschreiben

NEW YORK. Sechs Deutsche, die am Donners­tag mit dem polnischen DampferBatory von Cuxhaven kommend in New York eingetroffen sind, wurden von den amerikanischen Einwan­derungsbehörden auf Elis Island interniert Vier Betroffene fallen unter das Staatssicherheitsge­setz. Die Namen wurden nicht bekanntgegeben.

CANBERRA. Der australische Ministerpräsi­dent Menzies kündigte am Freitag die Verstär­kung der Streitkräfte bis Ende 1953 von 65 000 auf 183 000 Mann und die Erhöhung der Rü­stungsausgaben für den gleichen Zeitraum von 84 auf 300 Millionen Pfund an. Er begründete dies mit der internationalen Lage, bei der Au­stralien es sich nicht leisten könne, seine Ver­teidigungsvorbereitungen auch nur um einen Tag hinauszuschieben.

MONTEVIDEO. Der neue Präsident der Re­publik Uruguay,* Andres, Martinez, leistete am Donnerstag seinen Amtseid. In seiner Ansprache sagte Martinez, das Land werde auch unter sei­ner Leitung seinen Platz an der Seite der west­lichen Demokratien beibehalten.

Big loddy. B]

Der Kaufherr aus

Alle Hechte Prometheus-Verlag Gräbemcll bei München

Nun zu den verschiedenen Hinweisen von selten evtL Zeugen: Es gibt nur zwei Zeugen ln diesem Falle. Der eine ist John Alvis, der um den Zeitpunkt der Tat bei uns im Zimmer saß und nur indirekte Aussagen machen kann. Der andere ist der Pförtner Deines Hauses; wie Du weißt, hat er behauptet, keinerlei auf­fällige Vorgänge gesehen oder gehört zu haben. Wenn wir ihm glauben, so war es unmöglich, daß der Chinese heraus oder ein Fremder hineingelangen konnte. Er saß wäh­rend der ganzen Zeit gleichsam an den Meer­engen, nämlich unten am Treppenausgang.

Nun, wir sind uns einig gewesen, lieber James, daß der Pförtner zweimal während der fraglichen Zeit seine Loge verlassen hatte, um vor das Hauptportal zu schauen. Und Inspektor Curtis war der festen Überzeugung, daß man den Portier bewußt hinausgelockt hat...

Du meinst das Kratzen und Scharren, das der Mann zu hören glaubte? Kann sein, kann auch nicht sein! Hier sind die Möglichkeiten sehr weitgesteckt; das kann ein streunender Hund ebenso gewesen sein wie ein bestellter Komplice des Mörders.

Nehmen wir ruhig das letztere an, es gibt keine andere Möglichkeit die Tat zu erklä­ren. Big Toddy verfiel in tiefes Nachdenken. Der Captain zündete sich eine Zigarette an, dann blies er blaue Ringe in die Luft.Was denkst Du eben? fragte er nach einiger Zeit den Freund.

Ich finde kein Motiv, Jamest gab Tom zur Antwort.Wenn wir nicht die wahrhaft phan­tastische Geschichte von John Alvis anneh­

men wollen, daß er und seine Freunde von der Rache eines chinesischen Geheimbundes verfolgt werden, gibt es kaum einen vernünfti­gen Grund, einen chinesischen Diener, der in einem fremden Hause auf seinen Herrn wartet, unter derart erschwerenden Umstän­den zu ermorden und die Leiche auf gefahr­vollen Wegen zu verschleppen. Hier stimmt etwas nicht!

Da magst du recht haben, Tom! Ich glaube, wir müssen uns bei der Führung dieses Fal­les vor allem von einer gewissen Voreinge­nommenheit frei machen. Ich bin dafür, nach guter alter Scotland-Yard-Manier nur die wirklich feststehenden Tatsachen anzuneh­men, so schalten wir Irrwege aus.

Gut, fiel Tom ein, dem diese Methode selbst in Stunden der Ratlosigkeit nicht zu­sagte, denn er war ein Dichter und kein nüchterner Wissenschaftler der Kriminalistik. Einverstanden mit Deiner berühmten Logik. Aber dann erlaube mir zuallererst zu bezwei­feln, daß überhaupt ein Verbrechen geschehen ist, woher weißt Du das? Wir haben weder einen Zeugen der Tat, noch einen Ermordeten ich glaube ein paar Blutspritzer und die Erzählungen eines halbverrückten Opium­rauchers haben uns fortgerissen ...

Der Captain sprang auf. Er zerdrückte die halbausgerauchte Zigarette.Bei Gott, Tom! Du hast nicht so Unrecht. Wenn wir es genau betrachten, berechtigt uns nichts, überhaupt an einen Mord zu glauben...Es sei denn, wir hätten die Leiche, warf Tom ein, der über den Erfolg seiner Worte vorsichtig wurde.Inspektor Curtis sagte, es würde noch heute morgen der Kanal umgeleitet und abgefischt werden.

Trotzdem, dachte Griffinä laut,es kann noch Tage dauern, ehe man den Körper fin­det Der Kanal zieht um den gesamten Re­gentspark zur Albert Road und Albany Street, von da ab wird er unterirdisch. Wenn die Leiche in die langsame Grundströmung geriet,

wird man sie nicht vor acht Tagen zu Gesicht bekommen ...Ja, wenn..."

In diesem Moment vernahmen die beiden ein leises Schlurfen hinter sich und fuhren herum. Da stand John Alvis auf seinen Krück­stock gestützt, den Totenschädel mit den flak- kernden Augen nach vorne gereckt und schien eben die letzten Worte des Gesprächs aufge­fangen zu haben.

Guten Morgen, meine Herren, sagte er, wie ich vernahm, sind Sie dabei, zu bezwei­feln, daß der arme Tschai-Fu überhaupt exi­stiert hat? Ihr Butler und der Pförtner haben ihn gesehen. Und was einmal existiert hat, muß doch wohl verschwunden sein? Er ver­suchte zu lachen, aber es war keine richtige Fröhlichkeit. Man merkte ihm die unruhige Nacht voller Furcht an. Tom bat ihn, sich zu setzen, und fragte nach seinem Befinden. Danke, Sir, wie man sich eben nach so auf­regenden Erlebnissen fühlen kann, wie sie mir leider seit meiner Bekanntschaft mit dem grünen Drachen so reichlich beschieden sind.

Alvis beklagte den Tod seines treuen Die­ners, an dessen Ermordung er keinen Augen­blick zweifelte, aufs bewegteste, und die bei­den Freunde saßen ihm ein wenig betreten gegenüber. Um den erschütterten und nervö­sen Mann abzulenken, berichtete der Captain von den Maßnahmen, die getroffen worden waren.

Ich rechne mit Ihrem Einverständnis, Mr. Alvis, sagte er,wir haben noch heute nacht Ihren Partner, Harry Harper, angerufen. Er bestätigte uns allerdings die geheimnisvolle Botschaft auf dem Reispapier mit dem grü­nen Drachen, schlug aber die Sache ziemlich leicht an, wie ich feststellen mußte. Trotzdem vermochten wir ihn zu bewegen, sich bewa­chen zu lassen. Die Vorfälle der heutigen Nacht, die ich ihm mitteilte, haben ihn an­scheinend doch angegriffen. Wir haben den Sergeanten der Kriminalpolizei, Loviser, abge­stellt, und wie ich annehme, befindet sich Mr. Loviser bereits in Piccadilly und bewacht

Bemerkungen zum Tage

Jetjt wird es ernst!

cz. Am 5. November vorigen Jahres startete die Sowjetunion die Note, die nach längerem Frage- und Antwortspiel die Einigung der vier Großmächte über eine Vorkonferenz der Au­ßenministerstellvertreter in Paris zur Festle­gung der Tagesordnung für eine Außenmini­sterkonferenz erbrachten. Nun, da die Sowjets den Vorschlag der Westmächte über Ort und Zeitpunkt der Vorbesprechungen akzeptiert haben, können die Kontrahenten mit dem gegen­seitigen Abtasten beginnen. Noch ist nicht zu übersehen, wie groß die Kompromißfreudig­keit der beiden Lager ist, zu welchen Zuge­ständnissen sie bereit sind. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, ist auch im russischen La­ger eine gewisse Bereitschaft vorhanden.

Im jetzigen Stadium wird man aber selbst einen Frieden, der nur einen Aufschub bedeu­ten würde, begrüßen müssen, in der Hoffnung, es könnten-sich im inneren Bereich beider Blocks Verschiebungen ergeben, die genügend Kräfte binden, um jeden Drang nach außen zu bändigen. Dazu bedarf es vor allem aber des Muts, einige Positionen freiwillig zu räu­men, neuer Grenzziehungen, was den jeweili­gen Einflußbereich betrifft. Wenn sich dann die wohl für lange Zeit noch zweigeteilte Welt jeweils nach innen wendete, sich um die Lö­sung vor allem der sozialen Probleme bemühte, und hier bleibt hüben wie drüben noch genug zu tun für unbegrenzte Zeiten, würden auto­matisch die jetzigen starren Fronten sich auf- lösen. Vier lange Monate vergingen vom ersten Schritt bis zum Beginn der Vorkonferenz, eine lange Zeit, die aber insofern nicht vertan wurde, als eine gewisse Übereinstimmung darüber erzielt wurde, daß mit der Behand­lung eines einzigen Problems den von den Sowjets angeschnittenen Deutschlandfragen eine weltpolitsche Entspannung nicht herbei­geführt werden kann. Nun bleibt auzuwarten, ob diese Einsicht insofern Früchte trägt, als man sich nicht mit billigen Schaukompromis­sen begnügt, sondern echte Abgrenzungen der Einflußbereiche sucht.

Parteiegoismus

HB. Bis Oktober diesen Jahres muß die neue französische Nationalversammlung ge­wählt sein. Seit 10 Monaten bemühen sich die gewiegtesten Wahlarithmetiker der französi­schen Parteien um die Wahlrechtsreform. Jede Partei hat für sich das Verfahren ausgeklü­gelt, das ihr nach rechnerischem Ermessen die meisten Parlamentssitze bietet, und jede ist Jetzt unnachgiebig auf das eigene Produkt versessen. Vergeblich suchte der parteilose Ministerpräsident P1 e v e n zu vermitteln. Er zog aus der rissig gewordenen Koalitions­grundlage trotz formellen Vertrauensvo­tums durch die Nationalversammlung die Konsequenz und trat nach 231tägiger Amts­führung mit seinen Ministerkollegen zurück.

Die Auswirkungen des 1946 eingeführten Verhältniswahlrechtes ließen allenthalben Wünsche nach Reformen des Wahlrechts auf- k'-mmen. Fast schien es so, als könne sich di* Mehrheit (mit Ausnahme der Kommunisten die, was verständlich, für die Beibehaltung des. Proporz plädieren) auf das Mehrheits­wahlrecht einigen. Da tauchte ein neues bis­lang unüberwindliches Hindernis auf: die Volksrepublikaner (MRP) versteiften sich ver­bissen auf einen Wahlgang, während die Radikal90zialisten, nicht minder störrisch, zwei Wahlgänge mit Stichwahl propagierten.

Pleven ist am Wahlegoismus der Parteien eine Krankheit, die nicht allein auf Frankreich "beschränkt ist gescheitert. Wo es um die heißbegehrten Sitze in der neuen Volksver­tretung ging, war selbst unter den Regie­rungsparteien schnell jeder Koalitionsgeist zur Farce geworden. Nacktes Parteiinteresse drückt also der jetzigen französischen Regie­rungskrise einen unheilvollen Stempel auf. Man darf "gespannt sein, wem es gelingen wird, das Regierungsschiff wieder flott zu machen.

Harry Harper. Wie ich aus dem Telefonbuch entnahm, bewohnen Sie mit Ihrem Kompa­gnon dasselbe Haus?

John Alvis nickte.Ich bin unverheiratet, und da mich die Geschäfte oft jahrelang von London femhielten. habe ich mir mit Harry zusammen ein Stockwerk des Geschäftshauses als Stadtquartier eingerichtet. Im übrigen be­sitzen wir ebenfalls gemeinsam ein' Landgut in Norfolk.

Wenn es Ihnen paßt, mein Herr,fuhr nun Tom fort,werde ich Sie nach dem Frühstück, das Sie sicherlich mit uns einnehmen werden, in meinem Wagen nach Hause bringen. Wir wünschen nicht, daß sich ein Zwischenfall er­eignet. Der Kaufherr stimmte zu und man begab sich ins Frühstückszimmer.

*

Man brachte auch wirklich den Gast nach Piccadilly und fand im Hause Nr. 45 einem mehrstöckigen, stattlichen Geschäfts- und Wohnhaus den Sergeanten Loviser vor. Griffns, der den jungen Mann als einen be­sonders zuverlässigen und geistig beweglichen Detektiv kannte, hatte dessen Abstellung ver­anlaßt. Jetzt schärfte er ihm nochmals die Ernsthaftigkeit der Angelegenheit ein urd legte ihm auch Bewachung von John Ah is ans Herz.

Ehe man sich verabschiedete, riet der Ca )- tain den beiden Herren Harper und Alvis - -, nach Möglichkeit das Haus nicht zu verlasse n, bis die dunkle Geschichte nicht geklärt wäie. Diese Unterredung fand sehr flüchtig in einem BUroraum des Hochparterre statt, wo die Firma arbeitete. Harry Harper war ein statt­licher, breitschultriger Mann von etwa 45 Jah­ren, von gesundem und etwas brutalem Aus­sehen. Trotz der nächtlichen Vorfälle schien er nicht allzu ängstlich zu sein, blieb aber bei den Warnungen des Polizeimannes höflich und ernsthaft. John Alvis dagegen war brum­mend und klapprig durch das Büro gehum- pelt und trommelte nun nervös an die Fen­sterscheiben. (Fortsetzung felgt)