HEIMATAUSGABE FÜR
STADT UND LAND
FREITAG, 2. MÄRZ 1951
HRRRPARTEII. IPHE TAGESZEITUNG
7. JAHRGANG / NR. 34
Ehlers: Nichts unversucht lassen- um die Einheit zu erreichen
Regierungserklärung zum Volkskammerappell in der nächsten Woche
BONN. Bundestagspräsident Dr. Ehlers sprach sich am Donnerstag in einem Interview mit der Associated Press für eine „gründliche und objektive Prüfung“ der ostzonalen Vorschläge zur Wiedervereinigung Deutschlands aus Ehlers sagte: „Wir dürfen nichts unversucht lassen, um die Einheit Deutschlands wieder herzustellen. Insbesondere dürfen wir im Westen unsere Landsleute im Osten nicht enttäuschen, für die die Wiedervereinigung vielleicht eine Frage von Leben und Tod ist.“
Zu Berichten der Ostzonenpresse, die behauptet hatte, er befürworte ein Gespräch Adenauer—Grotewohl, erklärte Ehlers alle seien sich darüber klar, daß der Brief Grotewohls und der Appell der Volkskammer Propagandaaktionen seien, deren Ursprung nicht in Ostberlin liege Es erscheine ihm aber gefährlich. bei dieser Frage in eine „Schwarz- Weiß-Malerei“ zu verfallen und zu glauben, daß es nur die eine oder andere Möglichkeit gäbe. „Die gegenwärtigen Fragen der Weltpolitik und der Deutschlandpolitik sind so vielgestaltig, daß wir uns eine wesentlich größere Fähigkeit für die Notwendigkeiten des Tages angewöhnen müssen.“
Er glaube, nicht, daß es unter den gegenwärtigen Umständen zu einem Gespräch mit Grotewohl kommen könnte. Man dürfe aber nicht den Eindrude erwecken, als ob man das Gespräch darum nicht führen wolle, weil man davor Angst hätte.
Die Auswirkungen der Erklärung der Bundesregierung vom 15. Januar zum Grotewohl- Vorschlag hätten im Volke positiver sein können Er. Ehlers, wolle der Entscheidung des Bundestags nicht vorgreifen, doch sollten die Vorschläge , frei von politischem Ressentiments“ geprüft werden Eine solche objektive Prüfung werde allerdings „die unheilbare Differenz zwischen den Worten der Volkskammer
und der politischen Praxis der deutschen demokratischen Politik aufzeigen.“
Am Donnerstagvormittag wurde auf einer Sitzung, an der unter Vorsitz des Bundestagspräsidenten der Bundeskanzler, der Minister für gesamtdeutsche Fragen, der Vorsitzende des außenpolitischen Bundestagsausschusses, der Vorsitzende des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen und alle Bundestagsfraktionsvorsitzenden außer dem Kommunisten, teilnah men, eine Sondersitzung des Bundestags für Freitag kommender Woche beschlossen, auf der Dr. Adenauer eine Regierungserklärung zur Frage der deutschen Einheit abgeben wird. Außerdem soll Dr. Ehlers eine Erklärung des Parlaments zum gleichen Thema verlesen. Im Anschluß daran ist eine dreistündige Aussprache vorgesehen, in deren Verlauf die Fraktionen zu allen Problemen, die mit der deutschen Einheit Zusammenhängen, Stellung nehmen wollen
Der Bundeskanzler wird In seiner Regierungserklärung voraussichtlich vier Forderungen aufstellen, die nach Ansicht der Bundesregierung die Voraussetzung für die deutsche Einheit darstellen:
1. Die Wiederherstellung der rechtsstaatlichen Ordnung und die Garantie der freien Meinungsbildung sowie die Zulassung aller politischen Parteien in ganz Deutschland; 2. Die Freilassung der politischen Gefangenen und die Aufhebung der politischen Konzentrationslager und Zwangsarbeiterstätten in der Sowjetzone; 3 Die Aufhebung des sogenannten Gesetzes zum Schutze des Friedens und aller damit verbundenen Maßnahmen in der Sowjetzone; 4. Die Auflösung des sogenannten Staatssicherheitsdienstes der Sowjetzone und aller damit verbundenen Einrichtungen.
Vertrauensvotum für Kabinett Maier
Ministerpräsident macht Bundeskanzler Vorwürfe
th. STUTTGART Nach dreistündiger temperamentvoller Debatte über eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Dr. Maier zu der zwischen ihm und dem Bundestagsabgeordneten Dr. Gerstenmaier geführten Kontroverse hat der württemberg-badische Landtag mit 53 Stimmen der Regierungspartei gegen 41 Stimmen der Oppositionsparteien der Regierung das Vertrauen ausgesprochen. Die Regierung, von der man bei ihrem. Amtsantritt behauptet hatte, daß sie auf schwachen Füßen stehe hat damit ihre erste Kraftprobe bestanden. D e CDU läßt jetzt von Juristen prüfen, ob eine Ministerklage gegen Dr Maier wegen Mißbrauch seines Amtes als Justizminister Aussicht auf Erfolg hätte.
Der Minister verteidigte s ! ch in seiner Rede tm wesentlichen gegen Vorwürfe, denen er sich mit dem gegen das Evangelische Hilfswerk angestrengten Verfahren ausgesetzt hat Er vertrat den Standpunkt, daß auch ein beabsichtigter guter Zweck Gesetzesverstöße nicht rechtfertigen könne Vor der Währungsreform hätten pflichtbewußte Männer die Staatsautorität über materielle Vorteile stellen müssen, selbst dann wenn diese Vorteile notleidenden deutschen Mitbürgern zugute kämen. Die Kirche stehe außerhalb jeden Streites, aber es sei zu hoffen daß sie die Geschäftsvorgänge des Hilfwerkes mit strengen Maßstäben prüfen werde.
Im zweiten Teil seiner Rede griff Dr Maier den Bundeskanzler an Er warf ihm vor daß se'ne Sicherheitspolitik e ; n Mißerfolg gewesen sei Von den hochfliegenden Plänen des Soät- herbstes sei nur ein 9ehr gefährlicher Plan übrig geblieben über den er nicht sprechen wolle Zeit und Kraft seien vergeudet und dringendste wirtschafts- und sozialpolitische Probleme in unverantwortlicher Weise vernachlässigt worden. Der Bundeskanzler solle
Bomben auf Helgoland
Schleswig-Holstein denkt an Wiederaufbau
BONN. Die Bombardierungen der Insel Helgoland durch die britische Luftwaffe sind wieder aufgenommen worden, teilte ein engli- scher Sprecher am Mittwochmorgen in Bonn * mit. Sie sollen fortgesetzt werden, bis ein anderes geeignetes Uebungsziel für die Luftstreitkräfte an der deutschen Nordwestküste verfügbar ist
Die schleswig-holsteinische Landesregierung will gemeinsam mit der Bundesregierung und anderen Länderregierungen schon jetzt alle notwendigen Vorbereitungen treffen, damit der Wiederaufbau und die Wiederbesiedlung Helgolands nach der endgültigen Freigabe unverzüglich beginnen kann.
sich im Klaren darüber sein, in welchen tiefen Gegensätzen er sich zum Volke befinde.
In der Debatte wurde Dr Maier von der DVP und der SPD kräftig unterstützt, während die CDU und die Deutsche Gemeinschaft außergewöhnheh scharfe Töne anschlugen. Dr. Maier wurde des Amtsmißbrauchs beschuldigt. Durch sein Vorgehen habe das Ansehen des Landes großen Schaden erlitten.
Zuständige Stellen im Bundeskanzleramt haben die Angriffe Dr Maiers gegen den Bundeskanzler als äußerst merkwürdig bezeichnet. Wenn ein deutscher Ministerpräsident vor dem Parlament eines Landes Erklärungen über die auswärtige Politik des Landes abgebe. so sei das nicht mehr allein eine Frage der Landespolitik Das Bundeskabinett und die Regierungsparteien werden sich voraussichtlich mit dem Vorgang noch beschäftigen.
Ausflug ins Blaue: „Wenigstens mal ’n bißchen zurückstoßen - was, Ludwig -?/* Münchner Merkur
Bemerkungen zum Tage
„Pastor Angelicus"
W. N. Das Papsttum ist zweifellos eine der Imposantesten Erscheinungen abendländischer Geschichte. Den gegenwärtigen Pon'.ifex Maximus der katholischen Christenheit, Papst Pius XII., der heute seinen 75. Geburtstag und gleichzeitig den 12. Jahrestag seiner Wahl zum Nachfolger Petri begehen kann, wird man zu den markantesten Trägem der Tiara zahlen müssen. Ais Friedenspapst in friedloser Zeit, als Hirte und Lehrer, als Vater der Armen und Bedrängten und nicht zuletzt als Beter ist sein Wirken für unsere Welt bedeutend geworden.
An seinem 63. Geburtstag wurde der damalige Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli einstimmig zum neuen Bischof von Rom gewählt. Sein Wahlspruch „Friede durch Gerechtigkeit“ Ist kennzeichnend für sein unablässiges Bemühen um die Wahrung des Friedens in der Welt Seine beschwörende Mahnung an die verantwortlichen Staatsmänner kurz vor Ausbruch des letzten Krieges:
„Nichts ist verloren mit dem Frieden, aber alles kann verloren sein mit dem Krieg“, verhallte zwar ungehört. Dennoch erhob der beute 75jährige unermüdlich seine Stimme für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung.
Ais Vater der Armen hat Pius XII. während seines Pontifikats eine großzügige, fast alle Länder der Erde umfassende Liebestätigkeit entfaltet In der Nachkriegszeit machte er sich zum warmherzigen Sprecher der deutschen Not.
In der Verwaltung der Kirche neigt der regierende Papst zu einer weitgehenden Internationalisierung der römischen Kurie, um die
Pleven — Bfdault — Queuille?
Die französische Regierungskrise um Wahlrechtsreform / Bonn bedauert
PARIS. Das Kabinett P1 e v e n ist am Mittwochabend nach ergebnislosen Auseinandersetzungen über die Wahlrechtsreform zurückgetreten. Über diese Reform bestand Uneinigkeit sowohl innerhalb des Kabinetts als auch in der Nationalversammlung.
Staatspräsident Auriol, der noch im Laufe des Mittwochs abgelehnt hatte, das Rüdetrittsgesuch der Regierun- Pleven entgegenzunehmen, erklärte sich schließlich damit einverstanden und nahm sofort Besprechungen mit den politischen Führern über den Nachfolger Pievens auf
Am Dienstagabend hatte das Kabinett mit 243 gegen 216 Stimmen von der Nationalversammlung ein Vertrauensvotum erhalten. Gleichzeitig Ist beschlossen worden, in die Debatte über die Regierungsvorlage zur Wahlreform einzutreten. Die geringfügige Unterstützung, die in der Zahl der für die Regierung abgegebenen Stimmen — weit weniger als die absolute Mehrheit von 311 — zum Ausdruck kommt, mußte Pleven als eine moralische Niederlage werten. Die 150 Abgeordneten der volksrepublikanischen Bewegung (MRP), die der Regierungskoalition angehörte, waren durch Fraktionsbeschiuß aufgefordert worden, sich der Stimme zu enthalten.
Die zweite vorgesehene Abstimmung über den Wahlmodus entfiel durch den Rüdetritt der Regierung, die eine Niederlage befürchtete. In diesem Falle hätte das Parlament aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben werden müssen. Ein Antrag, das Mehrheitswahlverfahren in einem einzigen Wahlgang durchzuführen, wurde von der Nationalversammlung mit 311 gegen 295 Stimmen abgelehnt.
Pleven hatte nach Vorliegen des Abstimmungsergebnisses sofort eine außerordentliche Kabinettsitzung anberaumt und anschließend Staatspräsident Auriol den Rücktritt der Regierung angeboten.
Das Kabinett Pleven, die 15. französische Regierung seit Kriegsende, war 231 Tage im Amt.
Pariser politische Beobachter rechnen damit, daß entweder wiederum Pleven oder Bi- d a u 11 (MPR) oder Queuille (Radikalsozialist) mit der Regierungsbildung beauftragt wird.
Bonner Regierungsstellen sprachen ihr Bedauern über den Rücktritt der französischen Regierung aus. Gerade in Anbetracht der bevorstehenden politischen Entscheidungen, so erklärte ein Sprecher, sei eine stabile französische Regierung notwendig. Man hoffte schon, daß die französische Regierungskrise in Kürze überwunden ein würde und Schuman der neuen Regierung wiederum als Außenminister angehöre.
Sowjetantwort übergeben
Inhalt noch nicht bekannt
MOSKAU. Die Botschafter der drei Westmächte in Moskau begaben sich am Donnerstagnachmittag in das sowjetische Außenministerium, um von dem stellvertretenden Außenminister G r o m y k o die sowjetische Antwort auf den letzten Vorschlag der USA, Großbritanniens und Frankreichs zur Abhaltung einer VierirJichtekonferenz entgegenzunehmen. (Aus dem Inhalt der Note lag bei Kedaktionsschluß noch nichts vor. Die Red.)
umfassende Katholizität der Kirche auch äußerlich zu symbolisieren. Ein Chinese wurde Kardinal, ein Neger Bischof Als Hirte und Lehrer verkündete Pius XII. in einem Augenblick höchster politischer Spannungen eine wohl für die Tagespolitik abwegige, aber kirchlich bedeutsame Erklärung: Das neue Marien-Dogma. Was die Bestrebungen zur Einheit der Christenheit angeht, so hat der Papst sie wiederholt als sein persönliches Anliegen und den Gegenstand seines Gebetes bezeichnet. Der heute 75jährige Oberhirte und Staatsmann, dessen Staat zwar nur ein S nn- bild, dessen Macht ohne Gewalt, dessen Waffen die Gebete der über die ganze Erde verstreuten 300 Millionen Katholiken sind, steht durch seine 12jährige Tätigkeit als Nuntius in München und Berlin und durch seine zahlreichen Ansprachen an den deutschen Katholizismus, dem deutschen Volke auch menschlich besonders nahe. Der Glaube des „Pastor Angelicus“, des nach einer Prophezeiung „engeigleichen Hirten“ auf dem Stuhle Petri, daß nur der Geist das Antlitz der Erde erneuern kann, mag für jeden, gleich wie er zum Christentum und zum Katholizismus auch stehen mag, ein Wegweiser für unsere aus den Fugen geratene Welt sein.
„Selbstreinigung"
-eh Wer die Geschichte des Bolschewismus kennt, weiß, daß sie angefüllt ist mit einer andauernden Kette von Säuberungsaktionen, einem andauernden Kampf gegen Reformisten, Opportunisten und Sektierern. Niemand wird daher über die „Selbstreinigungsaktion“ überrascht sein, die jetzt auch in Westdeutschland zum Rücktritt oder zur Ausbootung einer ganzen Reihe von Landesvorständen, unter anderem auch denen, von Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollem geführt haben. Sie rundet nur das Bild ab, das uns die Vorgänge innerhalb der kommunistischen Parteien fast aller europäischen Länder in den letzten Monaten bieten und an denen zu ersehen ist, daß Moskau große Schwierigkeiten hat, die Regungen selbständigen Handelns und Denkens in den einzelnen Parteien der verschiedenen Länder zu unterdrücken und die Einheit unter dem Gesichtspunkt der bedingungslosen Unterordnung unter die Moskauer Generallinie aufrecht zu erhalten. Darum nämlich geht es im letzten Grunde bei der augenblicklichen „Krise“ des Kommunismus. Man weiß, daß auch in der kommunistischen Partei Westdeutschlands beachtenswerte Strömungen gegen die moskauhörige Parteipolitik vorhanden sind; nicht zuletzt dürfte darauf der Schwund der kommunistischen Stimmen bei den Wahlen zuruckzuführen sein, wie es sich jetzt wieder bei Teil-Gemeindewahten in Nordrhein-Westfalen zeigte, wo die Kommunisten nur 6 Prozent der Stimmen erhielten. Es wäre freilich falsch, wollte man aus den Krisenerscheinungen Innerhalb der kommunistischen Parteien ohne weiteres auf eine Schwächung des internationalen Bolschewismus schließen. Gerade in kritischen Situationen hat es Moskau mit Hilfe von Säuberungsaktionen immer wieder erreicht, daß ihm dann um so ergebenere Kader zur Verfügung standen, die bereit sind, die Befehle Moskaus bedingungslos auszuführen. Das ist auch jetzt das Ziel der „Wachablösung" durch „Selbstreinigung“ d^s in den 57 Thesen zum demnächst in München stattflndenden Parteitag dahin Umrissen wird, es sei Aufgabe der westdeutschen Kommunisten, „Kader zu schaffen unter Heranziehung junger Kräfte, die durch ihre Parteiergebenheit und ihre Fähigkeit, die politische Linie durchzuführen, aufrücken".