NUMMER 27

SAMSTAG, 17. FEBRUAR 1951

USA-Diplomaten tagen in Istanbul

Die Frage der Verteidigung des Nahen und Mittleren Ostens

v.C. ISTANBUL, im Februar Während im Hafen von Istanbul der große USA-SchlachtkreuzerColumbus mit einer Reihe von Begleitschiffen vor Anker liegt, ta­gen die USA-Diplomaten aus dem Nahen und Mittleren Osten in der Stadt Wenn solche Konferenzen auch nahezu jedes Jahr einmal stattfinden, so wird diesmal dieser Tagung

bald man die Frage des Suez-Kanals und die der Verteidigung der bedeutenden Erdölge­biete zu besprechen hat. Das ist denn auch das Kernproblem, das sich heute stellt.

Niemals kann England zulassen, daß der Suez-Kanal gesperrt wird. Niemals können die USA dulden, daß die Erdölgebiete von Persien, vom Irak, die großen Erdölleitungen

eine besondere Bedeutung beigemessen, denn zum Mittelmeer, in fremde Hände gelangen-

an ihr nimmt u. a. auch der USA-Botschafter in Pakistan und vor allem Admiral Carney, der USA-Flottenchef für das Mittelmeer teil. Und zur selben Zeit befindet sich der USA-Luft- fahrtminister Finletter in Ankara.

Für die Konferenz ist kein festumrissenes Programm bekanntgegeben worden, aber den­noch weiß man, worum es in diesem Falle geht. Die Verteidigung des Nahen und Mitt­leren Ostens steht zur Debatte. Man hat mit

Diese Positionen zu verteidigen und diese Ver­teidigung vorzubereiten ist das Hauptthema der jetzigen Konferenz. Schon hört man. daß auf Cypern eine starke USA-Luftbasis er­richtet werden soll, wodurch der Luftraum des Nahen Ostens völlig kontrolliert wird. Man erfährt, daß eine gründliche Reform der türkischen Luftwaffe bevorsteht und einer­seits die Türkei, andrerseits Pakistan die bei­den Eckpfeiler bilden sollen, auf die das üb­

größter Aufmerksamkeit die Tagung der Ara- rige Gebäude errichtet wird. Die Angleichung bischen Liga in Kairo verfolgt, die vor kurzem der anglo-amerikanischen Ansichten wird in

zu Ende ging. Die arabischen Länder haben-

dort ein Projekt durchbesprochen, das die Schaffung einerArabischen Union" beinhal­tet. Es kam indessen nur zur Unterzeichnung eines gegenseitigen militärischen Hilfelei­stungspaktes, zur Festlegung auf einheitliche Ausbildung der Militärstreitkräfte und zur

Kürze bei der Konferenz auf Malta erfolgen. Die Besprechungen auf Ceylon, wohin McChee, der Unterstaatssekretär beim USA-Außenamt für die Fragen des Vorderen Orient von Istan­bul aus reisen wird, werden die Fortsetzung der hiesigen Konferenz bilden, um auch die Verteidigung der ostasiatischen Gebiete ins Auge zu fassen.

Es ist durchaus kein Zufall, daß die Serie all dieser Besprechungen jetzt in Istanbul begonnen wurde. Die Türkei wird heute als militärische Vormacht im Orient betrachtet. Mit ihrer Heeresmacht von einer Million Mann und mit ihrem Willen, für die Gedan­ken des Westens einzustehen, ist sie jenes Land, von dem auch die Anregung ausging, unter welchem Titel immer, eine Verteidi­gung des Mittelmeeres und des Nahen Ostens einzuleiten. Sie war ynd ist es auch, die zu­sammen mit Griechenland für einen Balkan­block der freien Länder eingetreten ist. Sie verlangt nicht zu Unrecht, in den Rahmen des Atlantikpaktes einbezogen zu werden. Ob dies erfolgt, wird zum großen Teil von der jetzigen Konferenz in der Bosporusstadt ab- hängen.

Nächste Woche Fortsehuiu»

Demonstrationen gegen Pariser Konferenz

PARIS. Die Pariser Plevenplan-Konferenz zur Bildung einer Europaarmee vertagte sich

Vereinbarung, nötigenfalls ein gemeinsames &m Freitag, nach ihrer ersten Arbeitssitzung Oberkommando zu bilden. Die Neutralität bis Mitte nächster Woche, um den beteiligten zwischen Ost und West, die von Syrien vor Regierungen Gelegenheit zum Studium des

der Konferenz vorgeschlagen worden war. ist in ihren Grundzügen abgelehnt worden und man hat sich entschlossen, für die Prinzipien des Islam, also der Grundlagen der arabi­schen Kultur und für die der Freiheit zu kämpfen, sobald eine Bedrohung gegeben wäre.

Damit aber haben die arabischen Länder eine Stellung bezogen, die eindeutig genug ist und mit der Verteidigungsbereitschaft der Araber haben nun hier in Istanbul die USA­

französischen Memorandums zu geben. Die Konferenz selbst arbeitet wie die Schuman- plan-Konferenz mit drei Ausschüssen, einem politischen, einem militärischen und einem wirtschaftlichen. Diese Ausschüsse werden allwöchentlich zu einer Vollsitzung zusam­mentreten

Am Donnerstagabend zogen etwa 2500 kom­munistische Demonstration mit dem Ruf Wir wollen keine Nazis in Paris, zum Pa-

Botschafter zu rechnen. Dazu kommt: die Tür- riser Opemplatz, um gegen die Konferenz zu kei stellt dauernd unter Beweis, daß sie einst- protestieren. E'n starkes Polizeiaufgebot nahm

weilen als einzige Macht im Nahen Osten eine ganz klare Zusammenarbeit mit dem Westen verfolgt, wenn auch Griechenland die­selbe Richtung einschlägt.

Die Diplomaten werden nur am Rande zur Kenntnis nehmen, daß eineArabische Union nicht zustande kommen kann, weil die Dif­ferenzen zwischen den einzelnen arabischen Herrscherhäusern dies nicht zulassen. Diese Differenzen sind aber zweitrangiger Natur, so-

550 Demonstranten fest. Mehrere Polizisten wurden durch Pflastersteine verletzt.

Sdineetälle und Stürme

Lawinengefahr hält an

HAMBURG. Während Westeuropa nach wie vor unter hartem Winterwetter leidet, hatte auch Japan am Donnerstag zum erstenmal seit langer Zeit starke Schneefälle zu ver­zeichnen. Die hohen Schneeverwehungen brachten den Auto- und Schienenverkehr auf den Inseln zu fast völligem Stillstand.

In Westösterreich hält die Lawinengefahr weiterhin an. In Kärnten und Tirol s ; nd noch große Gebiete unpassierbar. Die Gailberg- und Lesachstraße sind noch immer unterbro­chen. Im Pustertal sperren schwere Schnee- und Erdlawinen die Bahnstrecke. Für die Op­fer der Lawinenkatastrophe gingen bisher ne­ben zahlreichen Sachspenden zwei Millionen Schilling ein.

In Dänemark traten am Donnerstag durch heftige Schneefälle und Schneestürme Ver­kehrsschwierigkeiten ein.

Es war nur Scherz

th. Der amerikanische Landeskommissar in Stuttgart, General Gros, liebt zuweilen über­spitzte Formulierungen. Sie werden von der Presse beifallsfreudig registriert, nicht immer aber auch von den Politikern, die auf alles, was aus dem Mund des Generals kommt, mi­mosenhaft reagieren. Als Gros unlängst vor Pressevertretern um seine Meinung über die Gemeinderatswahlen gefragt wurde, gab er seiner Freude darüber Ausdruck, daß so viele Frauen kandidiert hätten und fügte hinzu: Wir haben entdeckt, daß die deutsche Frau dem deutschen Mann normalerweise überle­gen ist. Das sollte wohl mehr als ein Kom­pliment an die deutsche Frau aufgefaßt wer­den. Ein Teil der Männer der Öffentlichkeit reagierte aber sauer. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Möller (von seinen Kollegen scherz­haftder schöne Alex genannt), machte sich zu ihrem Sprecher und stellte im Landtag eine entsprechende Kleine Anfrage.

Die Kleine Anfrage war am Aschermittwoch­morgen formuliert worden. Ministerpräsident Dr. Maier äußerte, er werde sie am besten am 1 April beantworten. Das war wohl auch der Grund, daß es nicht gleich wie man aus Erfahrung hätte annehmen können zu einem Notenwechsel der Villa Reitzen­stein mit der Olgastraße (dem Sitz des Lan­deskommissars) gekommen ist. Aus der pein­lichen Situation half General Gros heraus, indem er eine zweite Presseerklärung zum Thema gab. Sie lautete:Mir ist es vollstän­dig verständlich, daß meine Äußerung einem deutschen Mann unverständlich ist, besonder» wenn er im Landtag sitzt.

Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage im Landtag kam es nicht Während der Sitzung am Mittwoch erhob sich der Abgeordnete Möller und erklärte, er möchte seine Anfrage zurückziehen, und zwar deshalb, weil General Gros die unverständliche Bemerkung in der Faschingszeit gemacht habe. Möller meinte die erste Bemerkung. Die zweite war ihm wohl verständlich. General Gros liebt treffende Formulierungen.

Nachrichten aus aller Welt

Bis Monta? Besudismöolichkeit

Noch keine Entscheidung für Landsberg LANDSBERG. Die Gefängnisleitung des

STUTTGART. Bundesflüchtlingsminister Lu- kaschek will die Landesflüchtlingsverwaltungen anweisen, die aus dem sowjetischen Besatzungs­gebiet ausgewanderten Personen nicht mehr als illegale Grenzgänger, sondern alsZuwande­rer aus der Sowjetzone zu bezeichnen. Voraus­setzung ist jedoch, daß die Zuwanderer ihren Aufenthalt im Bundesgebiet legalisiert haben.

BONN. Das Landgericht Bonn hat in der Frage der Ruhegehaltszahlung an ehemalige Wehr­machtsangehörige erstmals eine Entscheidung gefällt, wonach die Bundesrepublik Deutschland

Landsberger Kriegsverbrechergefängnisses teil- __

te am Donnerstagnachmittag den Frauen der trotz der Sperrvorschrift des Art. 131 des Grund­sieben Todeskandidaten mit, daß sie ihre gesetzes verpflichtet ist, Unterhalt an einen pen-

Männer bis einschließlich Montag besuchen können.

Das amerikanische Außenministerium gab am Donnerstag bekannt, daß die Exekutionen solange hinausgeschoben werden, bis das US- Appellationsgericht über die eingegangenen Gnadengesuche entschieden habe.

*

th. STUTTGART. Zu tumultartigen Szenen kam

sionierten Wehrmachtsangehörigen zu zahlen. Es handelt sich um den Fall eines 82jährigen Admi­rals der alten Wehrmacht, der nach 1945 kein Ruhegehalt mehr erhalten hatte.

DÜSSELDORF. Hubertus Prinz zu Löwenstein, einer der Demonstranten von Helgoland, kün­digte auf einer Versammlung einezweite Ak­tion Helgoland für den Fall an, daß der Appell des Bundestages, die Bombardierungen einzustel­len, keinen Erfolg haben sollte. Der Befehl der britischen Hohen Kommission, der das Betreten

es am Donnerstag im württembergisch-badi- <} er j nge i bei strafe untersagt, stehe im Wider- schen Landtag, als der Abgeordnete der DVP, Spruch zum Völkerrecht.

Dr. Burneleit, erklärte, unter den sieben BREMEN. Der am Mittwoch begonnene Streik zum Tode verurteilten Landsberger Häftlin- von 10 000 Arbeitern der Borgward, Goliath- und gen gebe es einige bei denen eine Urteilsvoll- Lloyd-Motorenfabriken dauert noch an. Die er- streckung einem Justizmord gleichkäme. Bur- ! ten Verhandlungen sind ohne Ergebnis verlau-

niorioi» fen. Die Arbeiter werden ihren Streik um eine neleit wurde bei diesen Ausführungen nieder Lohnerhöhung von 2 o Pfennig pro Stunde bis

geschrien. Als er durch Zurufe aufgefordert au f weiteres fortsetzen. Die Bremer Arbeitgeber

wurde, Namen zu nennen, erwähnte er Schmidt Daraufhin verließen 80 Abgeordnete, darunter auch die der Fraktion Bumeleits de­monstrativ den Saal. Nach dem Auszug der

sind der Meinung, daß Lohnfragen auf der Bun­desebene gelöst werden müssen.

HAMBURG. 200 DM erbettelte sich täglich ein 27jähriger Beinamputierter vor einem Kaufhaus

Abgeordneten war das Parlament, das über Hamburg. Beim Überprüfen seiner Persona-

zwei Anträge zu den Landsberger Tc^esurtei- genommene dl? be! efnlm StrXnbahnu len abstimmen sollte, beschlußunfähig, so daß als vierjähriger Junge ein Bein verloren

der Präsident die Sitzung vorzeitig abbrechen hatte, in Hannover einer 5-Zimmerwohnung und mußte. einen eigenen Kraftwagen besitzt.

BERLIN. In dem Ilmenauer Prozeß gegen neun Angehörige der thüringischen Fieberther- mometerindutsrie beantragte der ostzonale Ge­neralstaatsanwalt Freiheitsstrafen in Höhe von insgesamt 75 Jahren Zuchthaus. Den Angeklag­ten wird Sabotage durch Verschiebung falsch geeichter Fieberthermometer nach dem Westen vorgeworfen.

PARIS. Der 78jährige Eduard Herriot, einer der angesehendsten Politiker Frankreichs, er war dreimal Ministerpräsident und ist gegen­wärtig Präsident der Nationalversammlung ist von seinem Posten als Vorsitzender der französi­schen Radikalsozialisten zurückgetreten, weil sein Vorschlag, alle Mitglieder der Sammlungs­bewegung General de Gaulles aus der Partei auszuschließen, nicht angenommen wurde.

ROM. Die beiden aus der kommunistischen Partei Italiens ausgetretenen Abgeordneten Cucchi und Magnani veröffentlichten am Don­nerstag ein 48 Seiten starkes Manifest, in dem sie die Arbeiter zur Bildung einer neueneini­gen und unabhängigen Arbeiterbewegung auf- fordem. 21 weitere führende Kommunisten haben sich von der italienischen KP inzwischen noch getrennt.

BUDAPEST. Der eingekerkerte Primas von Ungarn Joseph Kardinal Mindszenty, soll sich nach zuverlässigen Berichten in gutem Gesund­heitszustand befinden.

ATHEN. Der griechische Ministerpräsident Ve- nizelos hat am Donnerstagabend vor dem Parla­ment die Vereinigung Cypems mit Griechenland gefordert. Seit 1915 haben sämtliche Regierungen in Athen die Forderung nach einer Union zwi­schen Cypern und Griechenland erhoben.

STOCKHOLM. Der schwedische Außenminister Undän lehnte am Donnerstag die Umwandlung des Europarates in ein militärisches Paktinstru­ment ab. Die Stockholmer Regierung ersucht die beiden Kammern des Reichstages in diesem Sinne zu beschließen.

Pakt mit dem Teufe*

10 Jahre Zuchthaus für Huppenkothen

MÜNCHEN. Insgesamt zehn Jahre Zucht­haus beantragte der Staatsanwalt am Freitag­vormittag im Prozeß gegen den früheren SS- Führer Huppenkothen, der der Beihilfe zum Mord an Admiral Canaris und anderen Mitwirkenden des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 beschuldigt wird.

Staatsanwalt Dr. H ö 1 p e r erklärte, daß in der NS-Zeit die menschliche Würde und Frei­heit mit Füßen getreten wurde. Was die Zeu­gen über die Mißhandlungen durch die Ge­stapo vortrugen, sei geradezu grauenerregend gewesen. Die sogenannten Standgerichte seien keine Gerichtsverhandlungen, sondern vorher festgelegtes Theater gewesen. Huppenkothen habe einenPakt mit dem Teufel geschlos­sen. Er sei mit dem Befehl Hitlers in die La­ger gefahren, die Männer um Canaris auszu­rotten. Sein Betragen vor Gericht grenze an Unverschämtheit und zeige, daß er auch heute noch nicht erkannt habe, welches schwere Un­recht er unterstützte. Dr. Hölper bezeichnete Huppenkothen als eincharakterliches Wrack, das zu einer Maschine wurde.

Nichtigerklärung

Zu einer Meldung vom 5. Februar, wonach der höchste päpstliche Gerichtshof im Jahre 1950 149 Ehescheidungsanträge behandelt hat, teilt un» das Bischöfliche Ordinariat in Rottenburg mit:

Das katholische Kirchenrecht kennt kein« Scheidung einer gültig geschlossenen und vollzogenen Ehe; sie kennt nur und darin be­steht die Tätigkeit der kirchlichen Ehegerichte die Feststellung der Tatsache, daß eine Ehe von Anfang an ungültig gewesen ist, weil sie unter Voraussetzungen geschlossen worden ist, welch« nach katholischem Kirchenrecht das Zustande- kommen einer gültigen Ehe von vornherin un­möglich machen (Zwang, Geisteskrankheit usw.). Die kirchlichen Ehegerichte behandeln also kein* Anträge auf Ehescheidung, sondern lediglich An­träge auf Nichtigerklärung einer Ehe.

[1

Biq loddy:

Der Kaufherr aus OHDIf^lA

Alle Hechte Prometheus-Verlag (iröbeneell bei München

1. Kapitel

Der Kaufherr aus China

Lady Jane war mit diesem Abend in keiner Weise einverstanden und hatte sich deshalb schon frühzeitig und ein wenig schmollend zurückgezogen.

Da stand nun das schöne Haus am Regents- Canal voll mit gepackten Koffern; man war im Begriff gewesen, dem nebligen Londoner Herbst zu entfliehen und einige Wochen in Bordighera zuzubringen, als Sir Tom plötz­lich alle Pläne umgestoßen und sie vom Ver­lauf eben dieses ärgerlichen Abends abhängig gemacht hatte.

Jetzt saß der ehrenwerte Lord Ferrymore in Gesellschaft seines imvermeidlichen Freun­des Captain Grifflns im Rauchzimmer bei den Whiskygläsem, und die beiden stießen blaue Rauchwolken aus, redeten sich die Köpfe heiß und waren wieder wie Jungen, die ein buntes Abenteuer erwarten.. Lady Jane aber hatte genug von den Aufregungen und Ängsten, die unweigerlich im Gefolge solcher Zusammen­künfte daherkommen mußten. Als sie damals vor zwei Jahren anläßlich der Geschichte mit demGespensterschloß ihren heutigen Gat­ten kennengelernt hatte, war er nur ein kleiner, verschrobener Kriminalschriftsteller gewesen, der sich Big Toddy nannte und ins­geheim lyrische Gedichte verfaßte.

Aber nun wo ihm Titel und Vermögen seiner Familie zugefallen waren hätte man bei Gott annehmen dürfen, daß sich die Aben­teurerlust genug getan habe, und ein ach­tungsgebietender Lord Ferrymore aus der

Hülle des phantastischen Big Toddy gekro­chen wäre. Eine Weile war alles gut gegan­gen, das schottische Abenteuer etwa vor ei­nem Jahr, als Big Toddy und Captain Grif­flns denUnsichtbaren gejagt hatten, schien die Lust an Aufregungen bei den Männern für lange gedämpft zu haben. Doch nun ging es wieder an. Gestern war Sir Tom vom Club­haus heimgekehrt und hatte Lady Jane so sanft und freundlich wie nur möglich mitge­teilt, daß die beabsichtigte Reise nach dem Süden für seine Person keineswegs sicher wäre. Jane möge mit dem Kind und der Bonne vorausfahren, der Butler Robertson würde ihr alle Schwierigkeiten der Reise ebenso gut abnehmen können wie er selbst.

Sir Tom witterte nämlich ein Abenteuer.

Heute vormittag hatte er den Captain an­gerufen. der am frühen Abend eingetroffen war und nun bei Tom nein, schon beißig Toddy im kleinen Salon drüben saß und eine Zigarette an der andern entzündete.

Ja, so fing es an.

*

Big Toddy räkelte sich ipit ausgestreckten Beinen im Klubsessel. Er stellte das Whisky­glas zurück und sog tief den Rauch seiner Zigarette ein.

Er mußte eigentlich schon hier sein, meinte er, indem er einem prüfenden Blick auf die alte Pendeluhr warf,es ist sieben vorüber!

Warum sollte er nicht kommen? antwor­tete Captain Grifflns.Nachdem er Dich als völlig Unbekannten so dringlich um eine Un­terredung gebeten hat, sehe ich keinen Grund für ihn, nun die Verabredung nicht einzu­halten.

Tom erhob sich und ging zum Fenster, das nach französischer Art bis zum Boden reichte. Er schob die schweren Vorhänge zur Seite, Nebelschwaden zogen draußen vorbei, die Nacht lag undurchdringlich über der Stadt Wie die verschwommenen Telleraugen u"'<-

lieber Riesentiere glommen die Bogenlampen über der Parkstraße, der Londoner Herbst­nebel lastete als graue Masse auf allem. Die Bäume von Regentspark ragten tot und un­deutlich aus der milchigen Wand. Auf der Straße, die in sanftem Bogen um das See­rondell führte, huschten lautlos die Lichter der Autos hin.

Eine schlechte Nacht, um Besuche zu ma­chen, sprach Tom und begann stärker zu zweifeln, ob der Erwartete die Verabredung einhalten würde.

Aber er kann sich doch nicht lächerlich machen! rief Grifflns, der die Gedanken sei­nes Freundes zu erraten schien.Er hat Dich doch, wie Du sagst, dringlich und beinahe flehentlich um diese Rücksprache gebeten. Da bleibt man doch nicht einfach weg, ohne sich zu entschuldigen. Außerdem besitzt ein Mann wie er sicher Telefon und weiß die Formen der Gesellschaft zu wahren.

Es Ist sieben Uhr fünfzehn, stellte Big Toddy sachlich fest.Um halb sieben wollte John Alvis hier sein.

Ich nehme an, daß Du Dich über ihn un­terrichtet hast, soweit dies in der kurzen Zeit möglich war?

Tom nickte.

Wie schon erzählt, lernte ich John Alvis gestern am Spätnachmittag in unserem Club­haus kennen. Er war von Sir Kennedy ein­geführt worden, was eigentlich für ihn bürgen müßte. Trotzdem holte ich, nachdem er mich in so seltsamer Weise um diese Unterredung gebeten hatte, am anderen Tag bei der Aus­kunftei Arbougson & Son in der City Erkun­digungen ein. Hier habe ich die Notizen. Lies selbst!

James Grifflns nahm das hingereichte Blatt, das den Kopfaufdruck der weltbekannten Auskunftei trug und vom Datum des heutigen Tages war. Halblaut las der Captain die we­nigen Zeilen.

John Alvis, 46 Jahre alt, Großkaufmann im Export-Import-Geschäft, Teilhaber der Firma Alvis und Harper Ltd. Verbindung hauptsächlich mit Südchina, Niederlage in Tschau-fang. Weilte bis vor zwei Wochen im Femen Osten und hat nun wieder die Lei­tung des Londoner Haupthauses übernommen. Abwesenheit von England S'h Jahre, Kapital der Firma wird auf etwa eine Viertelmillion Pfund geschätzt Privatvermögen nicht genau feststellbar, aber sicherlich beträchtlich. Verhältnis zu Teilhaber und Geschäftswelt fr eundlich. Nichts Besonderes bekannt außer dem Umstand, daß John Alvis sich eine Zeit­lang in den Händen chinesischer Aufständi­scher befunden haben soll und schwere kör­perliche Schäden davongetragen hat. Es fehlt ihm der linke Unterarm

John Alvis ist unverheitet und ohne nähere Verwandtschaft.

Was sagst Du dazu? forschte Tom und entzündete eine neue Zigarette.

Der Captain zuckte die Achseln.

Was soll ich sagen? Die Auskunft ist so genau und farblos, wie man sie von diesen großen Instituten erwarten darf. Nach dem, was hier geschrieben steht, kann John Alvis ein Menschenfreund und Wohltäter oder ein Untier sein. Den Leuten, die uns Auskunft gaben, erschien es jedenfalls wichtiger, daß er Tee importiert und eine Menge Pfunde besitzt.

In diesem Augenblick betrat der Butler Ro­bertson den Raum, verneigte sich steif und präsentierte seinem Herrn eine Karte, die auf einem silberenen Tablett lag.Der Herr bittet empfangen zu werden, sagte er,der Herr behauptet verabredet zu sein.

Big Toddy sprang auf.

Zum Teufel! Wie kommt er ins Haus? K» stehe doch die ganze Zeit am Fenster und müßte gesehen haben, werin ein Wagen vor­gefahren wäre.

(Fortsetzung folgt)