NUMMER 1

DIENSTAG, 2. JANUAR 1951

Neuer Leiter des Studios Tübingen Ein Prinz von Liechtenstein in Lindau verhaftet

Lindau. Prinz Hans von Liechten­stein ist in Lindau unter dem Verdacht, 20 000 Schweizer Uhren im Diplomatenauto nach West­deutschland geschmuggelt zu haben, verhaftet worden.

Wie erst am Wochenende bekanntgegeben wurde, hatte die Staatsanwaltschaft Lörrach im Fahndungsblatt der Landeskriminalpolizeiabtei­lung Freiburg i. Br. einen Haftbefehl gegen Prinz Hans von Liechtenstein erlassen. Als der Prinz am 22. Dezember in einem Volkswagen von Oesterreich kommend die Landesgrenze bei Lindau-Ziegelhaus passierte, ließen ihn die Zoll­beamten weiterfahren. Sie verständigten jedoch die Fahndungsstelle im Lindauer Hauptzollamt, die sich ihrerseits mit der Kriminalpolizei in Verbindung setzte.

Ajn Lindauer Hafen wurde das Auto des Prinzen festgehalten, und Hans von Liechten-

Tübingen. Zum neuen Leiter des Südwestfunk- Studios Tübingen ist ab 1. Januar A. G. Rich­ter berufen worden, der bisher in diesem Studio tätig war. , ,

Richter ist Reutlinger und ein alterfahrener Funkhase. 1929 begann beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart seine Laufbahn, die ihn dann als Dramaturg, Programmgestalter, Spiel­leiter und zuletzt Abteilungschef und Oberspiel­leiter an verschiedene Sender führte. 1947 kam Richter als Regisseur und literarischer Mitarbei­ter an den Südwestfunk nach Baden-Baden. Audi am Aufbau des Studios Tübingen war A. G.

Richter stärkstens beteiligt. Er bringt für seine neue Stellung neben den fachlichen Vorausset­zungen eine innige Vertrautheit mit allen Pro­blemen der schwäbischen Landschaft mit.

Der bisherige Sendestellenleiter Dr. Alfred Quellmalz, der aus der musikwissenschaft­lichen Forschung kam, wird sich künftig neuen Aufgaben seines Fachgebiets, insbesondere dem Volkslied und der Volkskunde, widmen und seine Mitarbeit auch weiterhin dem Studio Tübingen zur Verfügung stellen.

Tagung des Lehrervereins Aulendorf. Staatspräsident Dr. Gebhard Mül­ler und Kultminister Dr. Albert Sauer sowie Vertreter der Besatzungsmacht, die Landtags­abgeordneten und zahlreiche Bürgermeister aus Oberschwaben nahmen letzte Woche in Aulen­dorf an der Tagung des im Vorjahr neugegrun- deten Lehrervereins Württemberg-Hohenzollern für Oberschwaben teil.

Als wichtigste Berufssorge der Lehrer nannte der Staatspräsident, der selbst Sohn eines Volks- schullehrers ist, die Wiederherstellung des Ver­trauensverhältnisses zwischen Lehrer und El­tern und den Wiederaufbau eines gut fundierten

Berufsbeamtentums. Kultminister Dr. Sauer un- __

terstrich die Möglichkeiten und Aufgaben des staltet ihren Kongreß im September. Im glei- Lehrers, für den Frieden zwischen den Völkern Monat findet die Tagung des Verbandes

und den Konfessionen zu wirken. Deutscher Städtestatistiker und der deutschen

Eine Reform der Landschulen sowie Lehr- statistischen Gesellschaft statt. Ferner tagen in kräfte, die aus dem Bauerntum kommen, for- Shl ttgart die Gesellschaft Bür Uetallkunde, der derte der Präsident des Landesbauernverbands, Hauptverband des deutschen Malerhandwerks, Bernhard Bauknecht. Der 1. Vorsitzende des dle deutschen Konditoren.' das M-ibeltransport- Lehrervereins, S c h i e c k, Saulgau, bezeichnete gewer be, das Wagner- und. Karosseriehandwerk, als Hauptprobleme der Lehrerschaft die Gehalts- jer F; rma fielen den Flammen zum Opfer. Der

Verdacht auf riesigen Uhrenschmuggel aus der Schweiz / Die Rolle des Diplomatenautos

stein, der sich in Begleitung seiner Gattin be­fand, wurde dem Untersuchungsrichter vorge­führt. Hier bestritt er den ihm zur Last geleg­ten Uhrenschmuggel und schob alle Schuld auf seinen Chauffeur. Der Untersuchungsrichter for­derte eine Kaution von 20 000 DM für die Frei­lassung des Prinzen, der diesen Betrag jedoch nicht zur Verfügung hatte. Der Richter begnügte sich zunächst mit der Beschlagnahme des Kraft­wagens.

Inzwischen hatten die Lindauer Zollbehörden sich mit der Staatsanwaltschaft in Lörrach in Verbindung gesetzt, die auf der Verhaftung des Prinzen bestand. Daraufhin konnte der Prinz auf dem Lindauer Hauptbahnhof wieder fest­genommen werden, da der D-Zug München Zürich, mit dem er nach Vaduz zurückreisen wollte, zufällig Verspätung hatte. Der Festge­nommene wurde darauf in seinem Volkswagen nach Lörrach gebracht.

Aus dem brennenden Haus gerettet

Backnang. Als in Bruch, Kreis Backnang, eine alleinstehende ältere Frau in dem mit Stroh gefüllten Stall die gefrorene Wasserleitung auf­tauen wollte, entstand eine Brand, den sie selbst zu löschen versuchte. Sie erlitt jedoch im Ge­sicht und an den Händen schwere Brandwun­den und konnte sich nur mit Mühe in ihre Wohnung im ersten Stock hinaufschleppen, wo sie bewußtlos zusammenbrach. Von einem Flüchtling, _ der früher bei ihr gewohnt hatte und sich im Haus auskannte, konnte die le­bensgefährlich verletzte Frau aus dem brennen­den Haus gerettet werden.

Südwestdeutsche Chronik

Tagungen in Stuttgart 1951 Stuttgart. Im Jahre 1951 finden in Stuttgart zahlreiche gesamtdeustche Tagungen statt. Die Reihe der Veranstaltungen wird von derDeut­schen Gesellschaft für Weltraumforschung am 29. Januar e jffnet. Im April tagt das Max- Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart. Der Deutsche Lehrertag 1951 folgt in der Zeit vom 14, bis 19. Mai, derDeutsche Apotheker­tag vom 9. bis 13. Juni und derDeutsche Raiff­eisentag vom 3, bis 5. Juli. Die deutsche Ge­sellschaft der Neurologen und Psychiater veran-

frage, die Mitwirkung der Gemeinden bei der Stellenbesetzung, die Schulreform und insbeson­dere die Vermehrung der Lehrerstellen. Der Ne-

ßtor «vKtt gae l t wnbia c he.n -jjfe HrOyooh a ft v- Qh&rr

Studiendirektor i. R. Brechenmacher, Saulgau, dem die Urkunde der Ehrenmitglied­schaft des Lehrervereins überreicht wurde, schil-

Schaden wird auf über 200 000 DM geschätzt.

Selbstmord aus Liebeskummer

Mühlacker. In der Nacht zum Freitag warf sich ein 20jähriger Heimatvertriebener aus a i- sersweiher auf der nach Stuttgart führen­

derte die Entwicklung der württ. Volksschule den Bahnstrecke vor einen Zug. Der junge Mann und der Lehrerbildung. war sofort tot. Er beging die Tat aus Liebes-

Es wurde mit Erfolg gearbeitet

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Fortsetzung voo Seite 1

der Hackfrüchte lagen zum Teil über dem Vorkriegsstand. Die auf lange Sicht besonders wichtige Mechanisierung der Landwirtschaft macht gtue Fortschritte; mi teiner Zugmaschine auf je 79 ha steht das Land an der Spitze im Bundesgebiet.

Da die Sicherung des sozialen Friedens für die kommende Zeit mit an der Spitze aller politischen Bemühungen stehen muß, darf im Hinblick auf unser Land für das vergangene Jahr mit Genugtuung festgestellt werden, daß nach der im Zug der Preisentwicklung erfolg­ten Kündigung aller bisherigen Lohntarifver- iräge die Verhandlungen zwischen den Be­teiligten in Württemberg-Hohenzollern in sachlicher und maßvoller Weise geführt wur­den, so daß die Meinungsverschiedenheiten in Besprechungen mit dem Arbeitsministerium geklärt werden konnten, ohne daß eine offi­zielle Schlichtung notwendig geworden wäre.

Auf kulturellem Gebiet wurde 1950 das ge­samte Unterrichtswesen weithin normalisiert und damit die Zerrüttung des Schulwesens durch das 3. Reich überwunden. In dem Schulreformplan des Landes ist Eltern und Lehrern eine Diskussionsgrundlage in die Hand gegeben worden, so daß alle Interessier­ten an dieser wichtigen gesetzgeberischen Ar­beit auf breitester Grundlage beteiligt wer­den können.

Die in der Verfassung garantierte Selbstver­waltung der hohenzollerisehen Lande ist durch ein Gesetz, das in enger Zusammenarbeit mit der hohenzollerischen Bevölkerung erging, ge­regelt worden. Mit der Neuschaffung des Lan- des-Kommunalverbandes und der Regelung

seiner Zuständigkeiten wurde den hohenzol­lerischen Interessen Rechnung getragen.

Ich habe nur einige Stichworte über die Ar­beit des abgelaufenen Jahres angegeben. In Einzelheiten zu gehen, würde über den Rah­men dieser kleinen Betrachtung zum Jahres­abschluß hinausgehen. Auch hier ist es ja wie eigentlich auf allen Arbeitsgebieten. Der größte Teil der Arbeit, vor allem der langwierigste, tritt nich tnach außen und für viele sichtbar in Erscheinung. Aber ich glaube sagen zu' können, es ist in unserem Land im* Jahre 1950 fleißig, solide und mit Erfolg gearbeitet wor- . den und ich möchte an der Wende zum neuen Jahre allen Dank sagen, die durch ihren Fleiß und ihre Pflichttreue an dem Erreichten mit­geholfen haben.

Das beginnende Jahr wird uns vor große und schwere Aufgaben stellen. Aber es ist kein Grund zu Niedergeschlagenheit und Resigna­tion. Schütteln wir Müdigkeit und Pessimis­mus ab, gehen wir mutig und zugleich reali­stisch voran, dann wird uns der Erfolg nicht versagt bleiben.

Erwarten wir die Besserung unserer Lage nicht von großen Ereignissen von außen, son­dern aus der Gemeinsamkeit unserer Mühe, die uns Schritt für Schritt vorwärts bringen wird. Ein alter chinesischer Sp*uch lautet: Bevor du dich daran machst, die Welt zu verändern, gehe dreimal durch dein Haus. So müssen auch wir durch unser Haus gehen, je­der, und sehen, was wir selbst tun können. Wenn wir uns in dieser Bemühung zusammen­finden, wird uns das Jahr, an dessen Schwelle wir stehen, gewiß ein gutes Stück voranbrin­gen.

kummer, weil ein einige Jahre älteres Mädchen seine Werbung mit der Begründung zurückge­wiesen hatte, er sei zu jung.

Schulferien 1951

Tübingen. Nach einer Bekanntmachung des Kultministeriums sind im Kalenderjahr 1951 die zusammenhängenden Ferien für Orte mit neun- klassigen höheren Schulen wie folgt festgelegt worden (jeweils einschließlich): Weihnachtsferien 2. bis 5. Januar = 4 Tage; Osterferien 21. März bis 3. April - 9 Werktage; Sommerferien 23. Juli bis 3. September 36 Werktage; Herbst­ferien 22. bis 27. Oktober = 6 Werktage; Weih­nachtsferien 21. bis 31. Dezember =* 7 Werk­tage.

Dazu kommen die beweglichen Ferientage, darunter die drei besonderen katholischen Feiertage Josephstag, Allerheiligen und Mariä Empfängnis in vorwiegend katholischen Gegen­den. so daß sich insgesamt im Jahre 1951 70 Werktage als Ferien ergeben.

Das neue Schuljahr 1951/52 beginnt an Volks­schulen, Lehreroberschulen, höheren und berufs­bildenden Schulen einheitlich am 4. September.

Ein tragisches Unglück

Hechingen. Der einzige Sohn der Familie August Schreck in Hechingen, dem die amerika­nische Regierung ein Studium in den USA er­möglicht hatte, ist am 1. Weihnachtsfeiertag in der Nähe von New York beim Eisläufen er­trunken.

Von der Stallwand erschlagen

Sigmaringen. Aus bisher ungeklärter Ursache stürzte in einem landwirtschaftlichen Anwesen

der Gemeinde Gunzenhausen bei Ostrach, Kreis Sigmaringen, die Betonwand eines Stalls ein und begrub eine 38 Jahre alte Frau, die ge­rade die Schweine fütterte. Nachdem die Trüm­mer mit Hebeln beseitigt worden waren, wurde die Verunglückte tot geborgen. Sie hatte einen Bruch der Wirbelsäule und andere schwere Ver­letzungen erlitten.

Eine Million Brandschaden Neckargemünd. Das Großfeuer in einer Leder­fabrik in Neckargemünd konnte erst am Freitag­vormittag nach über 40stündiger Dauer gelöscht werden. Dem Brand ist eine Lagerhalle mit Gerbstoffen zum Opfer gefallen. Der Sachscha­den wird auf eine Million DM geschätzt.

Ein weiterer Großbrand Heidelberg. Am Freitagmorgen brach in einer Holzfabrik in Hirschhorn am Neckar ein Großbrand aus. Die gesamten Furnierbestände der Firma fielen den Flammen zum Opfer. Der Schaden wird auf über 200 000 DM geschätzt.

Wetterumschlag in ganz Europa Baden-Baden. Die Silvesternacht brachte im ganzen Bundesgebiet wie in fast allen Teilen Europas außer dem üblichen Trubel einen plötz­lichen Wetterumschlag: Die Temperaturen stie­gen von10 bis 20 Grad innerhalb weniger Stunden über den Gefrierpunkt. In Baden brach Föhnwetter ein, das die Quecksilbersäulen um 21 Grad auf + 9 Grad hinaufzwang.

In Nordwestdeutschland setzte in den Vormit­tagsstunden des Neujahrstags starker Schneefall ein, der stundenlang andauerte und Land und Städte in eine weiße Decke hüllte. Die Nieder­schläge gingen später strichweise in Regen über. In den frühen Nachmittagsstunden herrschte in ganz Westeuropa Tauwetter.

Wie wird das Wetter?

Aussichten bis Mittwochabend: Bei mäßig star­ken Winden aus Südwest wechselnd, aber vor­wiegend stark bewölkt; zeitweise schauerartige Niederschläge, in Lagen oberhalb 800 m als Schnee, sonst meist als Regen. Temperaturen in tieferen und mittleren Lagen etwas über 0 Grad, stellenweise Glatteisgefahr. In höheren Lagen weiterhin leichter Frost, sonst nur vereinzelt Nachtfrost.

Hitcfr ba& muvbe becidjiet

Als ein Polizist am Neujahrsmittag in der Stuttgarter Innenstadt einen Betrunkenen Jestnehmen wollte, floh der Mann in eine Ruine, in der er sich so gründlich verschanzte, daß die Polizei die Feuerwehr alarmieren mußte. Nur mit Hilfe der Feuerwehrleiter konnte der Be­trunkene den Hütern des Gestzes zugeführt wer­den. Wie sich später herausstellte, wurde der Mann bereits seit einigen Tagen von der Polizei gesucht.

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In den StuttgarterKaufstätten für Alle explodierte am Freitag eine größere Menge Feuerwerkskörper. Eine Verkäuferin erlitt leichte Brandwunden. Der Sachschaden beträgt 9000 DM. Ein Kunde hatte ein Feuerwerksstreichholz aus­probiert und es dann auf die übrigen Feuer­werkskörper fallen lassen.

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Auf ungewöhnliche Weise verunglückte ein Mo­torradfahrer am Stadtrand von Mühlacker. In einer scharfen Kurve wurde er von seinem Motorrad geschleudert und auf einen Baum ge­worfen, wo er besinnungslos hängen blieb, bis

Tage bei Konstanz eine Frau aus dem Bo­densee, die in selbstmörderischer Absicht in» Wasser gesprungen war. Ein heranbrausendes Boot der Wasserschutzpolizei brauchte nicht mihr einzugreifen.

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Aus einer P f o r zh eim e r Wohnung wurde am zweiten Weihnachtsfeiertag Schmuck im Wert von 100 000 DM entwendet.

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Ein Elektroschweißer, der in Heidelberg in der Chirurgischen Klinik wegen Diebstahl­verdachts festgenommen wurde, riß sich von den Polizeibeamten los und lief an das Neckarufer, um von dort aus mit einem Kahn über den Nek- kar zu entkommen. Als er merkte, daß die Poli­zeibeamten die Verfolgung mit einem Boot auf- nahmen, sprang er ins Wasser, aus dem er wie­der herausgezogen werden konnte.

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Großes Glück hatte ein lljähriger Junge, der beim Rodeln in Leimen bei Heidelberg mit seinem Schlitten nicht mehr stoppen konnte und unter einen vorbeifahrenden Lieferwagen ge-

er aufgefunden und mit schweren Verletzungen ri et. Der Schlitten glitt unmittelbar hinter dem in das Krankenhaus gebracht wurde.

Die Stadt Kirchheim/Teck zahlt für jede abgelieferte Wühlmailk 50 Pfg. Die Wühl­mäuse gefährden dort den Obstbau.

Vorderrad unter das Auto und kam zwischen den beiden Hinterrädern wieder zum Vorschein.

Einen Riesenknall gab es am Silvesterabend auf dem Mannheimer Marktplatz, als ein * Verkaufsständchen mit Knallerbsen, Fröschen,

Mit den WortenJetzt ist mir aber kalt, jetzt Schwärmern und Kanonenschlägen in die Luft mach ich, daß ich heimkomme", kletterte dieser flog.

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KAMPF UM DEN

ISIEGER

ROMAN VON W. JÖRG LÜDDECKE Alle Rechte Hessische Verlagsensult G. m. b. H. [15

Herr Pätsch goß sich einen ein und zog vielsagend die Augenbrauen hoch. Es war dies aber nur eine Demonstration, der Kin­der wegen. Er wußte, keinen Heller würde er über diese zehntausend hinaus bekom­men. Man mußte sehen, wie man mit Boll- mann fertig wurde. Inzwischen flog der Blei­stift der Mutter eifrig über das Papier.

Ein paar Kleinigkeiten für den Haushalt, murmelte sie.August braucht außerdem Handschuhe und einen Wollschal. Vater muß in seiner neuen Position andere Garderobe haben..Strich drunter! Es folgte die Ad­dition. Jedermann hielt gespannt den Atem an.

Sieben neun elf fünfzehn. Fünf hin eins im Sinn ...

Dann ein abgrundtiefer Seufzer.

Achtundreißigtausendzweihundert Mark!

Tiefe Grabesstille. Ein Engel mit geschlif­fenem Schwert ging durch den Raum. Wes­sen Ansprüche würde er koupieren?

XV.

Zwischen Fortuna und ihren Kindern pen­delt unablässig ein schlichter Mann hin und her, stets bemüht, pünktlich und zuverlässig zu sein. Ein Mann, der selbst nie Anteil ha­ben darf an den Schätzen aus dem goldenen Füllhorn der Glücksgöttin. Es ist der Geld- briefträger. Tausende schleppt er täglich von Tür zu Tür und sein eigenes Nettogehalt be­trägt nicht einmal dreihundert Mark. Welch ein aufopferungsvoller Beruf! Tantalus im

Alltag. Nur Menschen, die frei von Neid sind, können auf die Dauer diese Tätigkeit aus­üben, ohne gelb und grün zu werden.

Ein solcher Mann drückte auf den Knopf unter dem Emailleschild mit der Aufschrift Asmus Pätsch.

Man öffnete ihm, bat ihn herein und nö­tigte ihn, Platz zu nehmen. Es war ein äl­terer Beamter, der viel erlebt hatte in seiner Laufbahn. Hier aber stand er abermals vor einem Novum. Die Gesichter der Anwesen­den, dieser Leute, die im Fußballtoto die hübsche Summe von 34 754 DM gewonnen hatten, glichen denen einer Trauergemeinde, die einen lieben Verstorbenen zu Grabe trägt.

Die Dame des Hauses wies auf einen fin- sterblickenden Burschen von 13 Jahren und sagte:Das ist er.

Herzlichen Glückwunsch, sagte der Be­amte.Und wer ist der gesetzliche Vormund?

Ein griesgrämiger Herr legte stumm seine Kennkarte auf den Tisch. Die Amtshandlung konnte beginnen. Hurtig und mit geübter Hand zählte der Beamte die gebündelten Scheine auf den Tisch. Es war sonst nicht seine Art, diese Verrichtung zu überstürzen. Aber unter den Leuten hier war es ihm unheim­lich. Er schlug den angebotenen Schnaps und ein mittleres Trinkgeld aus und entfernte sich alsbald.

Die Pätsche, noch etwas mitgenommen von der Diskrepanz, die zwischen der zur Ver­fügung stehenden Summe und den Gesamt­kosten der Wünsche und Erwartungen be­stand, brauchten noch einige Zeit, um ange­sichts des Geldes wieder zu Optimismus und Frohsinn zu kommen. Dann jedoch lösten sich alle Bande frommer Scheu. Nackt und bloß sah man fünf Exemplare Mensch im Tanz um das goldene Kalb, bis schließlich die Mut­ter zur Vorsicht gemahnte. Es begann nun des Festes zweiter Teil, die sogenannte flde- litas.

Der jugendliche Toto-Gewinner selbst rea­gierte auf das Zerlegen der ihm zustehen­den 32 000 DM zunächst etwa so wie ein oberbayerischer Melker auf die dritte polni­sche Teilung. Nämlich gar nicht. Er beteiligte sich am nun hereingebrochenen Volksfest mit normalem Appetit und niemand konnte ihm ansehen, welch furchtbare Dinge er vorhatte. Ja, es fragt sich überhaupt, ob das, was spä­ter geschah, eine Planung war, oder nur eine plötzliche Eingebung. Wie dem auch sei, als das Fest seinen Höhepunkt erreicht hatte, der darin bestand, daß der Vater den unange­meldet erscheinenden Hauswirt eine Flasche Starkbier in den Kragen goß, verstaute Klaus- Dietrich unbemerkt den gesamten Geldsegen in den Taschen und ging. Er ging mit der Miene eines Mannes, der nach unvorhergese­henen Strapazen endlich seinen verdienten Lohn nach Hause trägt.

XVI.

Man bedenke: ein Bürschen von 13 Jahren, alle Taschen voll Geld, mitten in der großen Stadt! Was wird geschehen? Wird er sich auf einem Dampfer nach Amerika einschiffen? Wird er ln den schummrigen Hafenbars bei zweifelhaften Figuren Rat einholen, wie man am besten eine Heuer oder eine Passage be­kommt? Wird er Freunde zu Rate ziehen, hat er vielleicht sogar einen Vertrauten?

Nichts von all dem. Klaus-Dietrich setzte sich in leichten Trab, bog um verschiedene Straßenecken und schliefte wie ein Fuchs in die Höhle ein, nicht ohne sich vergewissert zu haben, daß er unbeobachtet blieb.

Die Höhle war der Keller eines totalaus- gebombten Hauses. Sie hatte einen versteckten Eingang und war mit meterhohem Schutt be­deckt. Hier war das Wigwam der letzten Iro­kesen, hier saßen Felicitas und Kralle, Winnetou, der schwarze Prinz und Klaus- Dietrich beim Kalumet zu Rate. Nur sie

kannten das Versteck. Sie hatten in langer mühseliger Arbeit den Eingang freigeschau­felt, hatten den halbverschütteten Keller­raum mit einem alten Flickenteppich und einer Kiste möbliert und den Eingang gegen jede Sicht abgeschirmt.

Und hier verschwand der Schatz in einem zerbeulten Aluminiumtopf unter dem Flik- kenteppich einen halben Meter unter der Erde.

Als sich der Knabe nach getaner Arbeit und Verwischen aller Spuren aufrichtete, strahlte sein trotziges Gesicht Zufriedenheit und Ge­nugtuung. Das wäre geschafft. Alles weitere war eine Sache des Stehvermögens gegen die Familie Pätsch, diese Leute, die ihn um sein Vermögen bringen wollten. Er würde sich benehmen, wie ein Krieger am Marterpfahl. Standhaft und stumm!

Am nächsten Morgen weckte ein greller Sirenenton die Familie. Eine halbe Miliute lang hing er über der Wohnung wie die Dunstschwaden von Rauch und Alkohol die sich nächtlicherweise zur Decke emporge­rankt hatten. Dann brach er ab, um kurz darauf in einer höheren Tonlage von neuem einzusetzen.

Bis ins Mark erschauernd setzte sich jeder­mann in jedwedem Bett aufrecht und lauschte. Das war nicht der Ton. den ein fabrikmäßig hergestelltes Instrument hervorbringt. Das war ein Mensch! Ein Mensch von Fleisch und Blut, der in höchster Verzweiflung wilde Klage zu den letzten verblassenden Sternen sandte.

Von allen Seiten, aus allen Türen strömten die Pätsche herbei. Zwischen den Rudimenten des Festes hochaufragend fanden sie die Mut­ter, nachtgewandet, von überirdischer Blässe, ein klassisches Plageweib. Barfuß, das Haupt­haar gerauft, die hagere Gestalt in schlichtes Linnen gekleidet, bot sie einen bejammerns­werten Anblick dar. (Fortsetzung folgt)

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