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Donnerstag, den 14. Oktober 1926

Fernsprecher Rr. 29

100. Jahrgang

Lagesspiegel

Der :-euß:sch- 7^?niftr:pr."sidevk Bcm'v die

Frakkionssührsr der Regierungsparteien zu einer Besprechung «der die Aufnahme der Deutschen Volksparkei in die preu- tzifckse Regierungskocslikion auf Donnerstag emgeladen.

Im preußischen Abgeordnetenhaus wurden die Verhand­lungen über den Vergleich mit dem Hohenzollernhaus durch neue Lörmauftritke der Kommunisten vereitelt. DieRote Fahne" fordert zu Massenkundgebungen gegen denZursicn- raub" auf.

Bei den Gemeindewahlen in den von Belgien geraubten Bezirken Lupen, Malmedy und St. Vith wurden in den 30 Gemeinden 22 000 Stimmen für die deutschen Listen und nicht einmal 10LS Stimmen für Belgier oder belgienfreund­liche Deutsche abgegeben. Letztere Stimmen wurden größlen- eils von belgischen Beamten abgegeben.

Die Sturmschäden auf der Rordsee-Jnsel Sylt werden auf eine Million Mark geschäht.

Bei verschiedenen Empfängen in Straßburg erklärte Poincars, die französische Regierung denke nicht daran, die Besatzung im Rheinland und im Saargebiet vor Ablauf der im Vertrag von Versailles gesetzten Frist <15 Jahre) aufzu­heben.

Das französische Parlament soll auf 4. November ein- bervfen werden.

Das südslawische Kabinett Usunowiksch ist zurückgetreken. Die Skuptschina (Landtag) wurde über die Dauer der Re­gierungskrise vertagt. Das Kabinett war ein sogenanntes MrWndigungskabinetk". Die Verständigung mit der kroa­tischen Bauernpartei (Raditsch) hat aber nicht lange gedauert.

Der amerikanische Arbeiterverband sprach sich in einer sehr scharfen Erklärung gegen den russischen Kommunismus aus.

Wie steuert man der Arbeitslosigkeit ?

Es gibt keine politische Versammlung, wo man nicht darüber redet. Kein Wunder, denn so wie sie sich in Deutsch­land ausgewachsen hat, ist sie unser größtes Unglück, und dazu kein vorübergehendes, nein, wir haben es Gott sei es geklagt bereits mit einer Dauerkrisis zu tun.

Wohl hat der Reichskanzler Dr. Marx in seiner letzten Sonntagsrede festgestellt, daß die Zahl der Erwerbslosen seit 8uli d. I. eine Verminderung um eine Viertel Million erfahren hätte. Er hätte auch sagen können, daß die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger von 2 058 85? am 15. Februar 1926 auf 1485 623 am 15. September zurück- aegangen sei. Aber was besagt das, wenn wir die günstige Jahreszeit in Anrechnung bringen? Mit Recht ist von sozial­demokratischer Seite im preußischen Landtag vorige Woche die Zahl von 2 Millionen Arbeitslosen genannt worden, und zwar ohne Einrechnung der Kurzarbeiter.

Das ist einfach eine fürchterliche Zahl, die unsagbares Elend, Hunger, Streit, Verzweiflung, Verbrechen in sich birgt. Und es ist ein billiger Trost, wenn man uns. sagt, auch anderwärts gibts Arbeitslosigkeit. England habe außer den streikenden Bergleuten sogar 1,5 Millionen Er­werbslose, also im Verhältnis zu Deutschland genau so viel. Aber England ist eben doch ein Volk mit größeren Verdienst­möglichkeiten. Man denke nur an seinen ungeheuren Kolo­nialbesitz. Auch hat es nicht jährlich anderthalb Milliarden Tribut ohne jegliche Gegenleistung an das Ausland zu ent­richten.

Wie steuert man nun diesem Unglück? Natürlich zunächst mit Arbeitsbeschaffung, und die Reichsregierung hat ja ein umfangreiches Arbeitsbeschaffungsprogramm, auf das wir wiederholt in diesen Spalten hingewiesen haben und das der Reichskanzler vorgestern aufs neue wieder ent­wickelt hat, aufgestellt. Aber es ist hierüber seit seiner Be­kanntmachung immer stiller und stiller geworden. Im preußischen Landtag wurde wieder daran gerüttelt und nicht mit Unrecht bemerkt, daß es mit der Ausführung des Pro­gramms was man sich übrigens von vornherein denken konnte recht langsam vorangehe.

Mit Recht wird von volkswirtschaftlicher Seite bemerkt, man könne ein Uebel nur beseitigen, wenn man nach dessen tiefsten Ursachen forsche. Mit der Auskunft, die Erwerbs­losigkeit komme von der G e s ch ä f t s k r i s i s her, ist herz­lich wenig gesagt. Denn im Grund genommen ist die eine die unmittelbare Auswirkung der andern.

Auch auf der neuerlichen Wiener Tagung des Ver­eins für Sozialpolitik hat man sich über diese Sache lebhaft eingehend unterhalten. Der frühere Hohenheimer Pro­fessor Aereboe findet die letzten Ursachen der Arbeitslosig­keit in der Ungunst der Landwirtschaft. Diese selber aber sei verursacht durch eine unrichtige Kapital-, Besitz- und Menschenverteilung. Durch Zurückdrängung des Groß­grundbesitzes, durch Beseitigung des Fideikommisses und der fremden Wanderarbeiterschast, durch Neuordnung der Hypo­theken- und Steuergesetzgebung u. a. könne der Arbeits­losigkeit abgeholsen werden. Und mit ihm bestreitet der Beoölkerungspolitiker Professor Mombert das Bestehen einer dauernden Arbeitskrise. Allerdings könne ihr nicht durd» Auswanderung, auch nicht durck Arbeitsbeschaffung

Der einzig greifbare Erfolg"

Puris, 13. Okt. DerJntransigeant", der der französischen Regierung nahe steht, schreibt, Minister Dr. Stresemann und Reichswehrminister Dr. Geßler verdienen alle An­erkennung, daß sie dem Stirnrunzeln Hindenburgs gegenüber bis zuletzt standhaft geblieben feien. Das Ver­schwinden desunheilvollen Mannes Treckt", der gewiß ein glänzender Organisator und wunderbarer Stratege war, betrachte Frankreich mit Befriedigung und beglückwünsche sich, daß man ihn endlich gezwungen habe, das Heer zu verlassen. Ware Seeckt nicht gegangen, so wäre ein allgemeines Vorgehen des Verbands er­folgt. In der Reichswehr müsse nun über­haupt scharf aus gekehrt werden. Der Reichs­kanzler (Dr. Marx) habe kürzlich gesagt, die Politik von Thoiry habe Deutschland schon merkbare Erfolge gebracht. DerJntransiaeant" fügt hinzu:Aber was hat sie Frank­reich gebracht? Der einzige Erfolg, der bis jetzt für Frankreich greifbar ist, ist der RücktrittdesGene- rals vonSeeck t." Diese Auslassungen bestätigen, daß die Entfernung v. Seeckts in Thoiry ausgemacht worden ist.

Die Besatzung im Rheinland Berlin, 13. Okt. Blättermeldungen zufolge soll die Be­satzung im Rheinland vom 15. Juli bis 15. September um 4700 Franzosen vermindert worden sein.

Briand hatte eine Besprechung mit dem Oberbefehlshaber General Guillaumat. Der PariserExelsior" will wissen, der Kriegsminister Pamleve sei bereits im Besitz eines Ent­wurfs, nach dem ein französisches Armeekorps aus dem Rheinland zurückgezogen werden solle. Dann würdennur" nocb vier französiscke Divisionen, dam 8000 Engländer und

MD Belgier im 'Rheinland b l e i b e n. Die Kavallene- divisionen sollen zurückgezogen werden. In der Pfalz soll aber wegen der Vorgänge in Germersheim usw. die Be­satzung voll aufrechterhalten werden.

Uebertreibungen der englischen Presse Berlin. 13. Okt. lieber die Industriellenbesprechung in Ramsry (England) hatten die englischen Blätter Berichte ge­bracht, die das Ergebnis der deutsch-englischen Verhand­lungen als außerordentlich groß erscheinen ließen. Dem­gegenüber wird von beteiligter deutscher Seite erklärt, daß die englischen Berichte stark übertrieben seien. Die Verhandlungen seien nicht nur völlig unverbindlich gewesen, da die Teilnehmer zu keinerlei Abmachungen bevollmächtigt waren, sondern sie hätten auch nur einen ganz allgemeinen Charakter getragen. Die Lage Rußlands sei kaum gestreift worden, da fast keine nähern Kenner Rußlands anwesend gewesen seien. Auch der deutsch-englische Handelsvertrag sei nicht besprochen worden, wenngleich die Schutzzollwälle Europas in allgemeiner Weise erörtert worden seien. Selbst die Frage des Beitritts Englands zum Stahlkartell sei durch­aus offen geblieben. Den Zweck einer aufklärenden gegen­seitigen Fühlungnahme habe die Zusammenkunft je­doch erreicht, und ihre nützlichen Wirkungen würden nicht ausbleiben. Es sei damit ein Plan geglückt, der in vielen vorhergehenden Besprechungen gefördert worden sei, zu dessen Verwirklichung die Engländer aber erst durch die Be­sprechung deutscher und französischer Industrieller in Luxem­burg veranlaßt worden seien, r-ck die nächste Zusammen­kunft auf deutschem Boden dieselben Teilnebmer sehen werde, bleibe abzuwarten. Der Gedanke dex .Vereinigten Staaken von Europa" sei nicht Gegenstand vdn Besprech­ungen gewesen.

Aenderungen im Lager der RechlsverbSnde?

Berlin, 13. Okt. Der demokratische Reichsbienst der deut­schen Presse meldet: Wie wir von besonderer Seite hören, bereiten sich im Lager der Rechtsvevbände Aenderungen vor, die die größte Aufmerksamkeit der Oefsentlichkeit verdienen. Der Stahlhelm und der Wikingbund, deren Be­ziehungen zueinander früher lose und rein persönliche ein­zelner Führer waren, werden in Zukunft in enger Fühlung­nahme miteinander Vorgehen. Es solle eine überparteiliche Zusammenfassung aller rechtsstehenden Kreise gegen die Aus­wüchse des Parlamentarismus vorbereitet werden. Die neue große Organisation solle auf Wikingbund, Stahlhelm, den Vereinigten vaterländischen Verbänden, Kriegervereinen (?) und Jugendbünden beruhen.

Vom Femeausschuß des Reichstags in München München, 13. Okt. Der sogenannte Femeausschuß des Reichstags hält bekanntlich zurzeit in München Sitzungen ab, um verschiedene Mitglieder von Vaterländischen Ver­bänden über angebliche Fememorde zu vernehmen. In der gestrigen Sitzung weigerte sich der als Zeuge vernommene ^auvtmann Böb m, dem Abgeordneten Levi (Soz.) eine

Antwort zu geben, und der Ausschuß verhängte über ch« eine Strafe von 300 Mark. Die Fraktion der Völkisch«« Arbeitsgemeinschaft im Reichstag hat nun, wie der Landes­dienst des Südd. Korr.-Büros meldet, im Reichstag folgen­den Antrag eingebracht: Die gesamten, wohl mehrer» Hunderttausend Mark betragenden Kosten des Femeunker- suchungsausschusses des Reichstags einschließlich der ^ über Hauptmann Böhm verhängten Zeugniszwangstrafe von 300 Al werden in Anbeträ-' t des völligen Zusam­menbruchs der Beweisführung über angeblich« Fememorde und Femeorganisationen dem Abgeordne­ten Dr. Levi und der Sozialdemokratischen Partei gesamtverbindlich als den Veranlassern der Ko­sten auferlegt.

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Besuch de» Reichspräsidenten in Braunschweig Berlin, 13. Okt. Der Reichspräsident begibt sich am IS. Oktober nach Braunschweig zu «nem Besuch der do^igs« Regierung.

aus öffentlichen Mitteln gesteuert werden. Das seien nur vorübergehende Lösungen. Auf die Dauer könne die Auf­saugung der Arbeitslosen nur durch die Wirtschaft selber vor sich gehen: durch die Herausbildung einer ausgedehnten überseeischen Industrie und namentlich durch Beseitigung der tiefen Verschuldung Europas, die ein Haupthindernis für die Kapitalbildung darstelle.

Alles recht und schön. Und doch darf noch eine andere Ursache nicht übersehen werden. Erst muß diese behoben werden. Das ist nämlich der ungeheure Un­kostenapparat des Deutschen Reichs. Dieser ist nachgerade so groß, daß die deutsche Wirtschaft ihm nicht mehr gewachsen ist. Wir geben heute allein an Steuern und Soziallasttzn etwa 12 Milliarden Mark, also 8 Mil­liarden des Vorkriegswerts, aus. Vor dem Krieg gaben wir für die gleichen Zwecke 6 Milliarden aus! Nun wurde unser« Gesamtgütererzeugung vor dem Krieg auf 45 Milliarden Goldmark geschätzt. Somit bedeuten jene 6 Milliarden nur 13 v. H. der Gesamterzeugung. Jetzt erzeugen wir nur 30 Milliarden. Also hat unsere Wirtschaft mit den genannten Steuern und Soziallasten 25 v. H. zu tragen. Dabei sind die erhöhten Ausgaben für Frachten, für die Post, die Auf­wendungen für Dawes, für unsere Kriegsbeschädigten und Kriegerhinterbliebenen gar nicht mitgerechnet. Hier muß unbedingt abgebaut werden. Dann allein kann man die Erwerbslosigkeit zurückdämmen. Vor allem müssen wir die Daweslasten so baldalsmöglich los bekommen. Sie steigern den Unkostenapparat unserer Produktion ins Unermeßliche und Unerträgliche. tt.

»

S Milliarden Lohnaussall

Nach einer Untersuchung imWirtschaftsdienst" betrug im Jahr 1925 die Zahl der männlichen und weiblichen Ar­beitnehmer (Angestellte und Arbeiter) in Deutschland 22,3 Millionen, ihr Gehalts, und Lohneinkommen etwa 40 Mil-

Rarden Mark. Rechnet man rund 1,5 Millionen Arbeitslose und rund 1,2 Millionen Kurzarbeiter und setzt letztere einem Ausfall von 350 000 Vollbeschäftigten gleich, so ergibt sich zusammen ein Ausfall von etwa 12 v. H. tätiger Arbeits­kräfte. Der Lohnausfoll erreicht demnach eine Jahressumm« von annähernd 3 Milliarden Mark. Diese Zahl veranschau­licht den ungeheuren Verlust an Volkseinkommen, der durch die Erwerbslosigkeit verursacht wird, birgt eine Summe von Verelendung und Sorgen in sich, zeigt aber auch, welch dringende soziale und nationale Aufgabe die Beschaffung von Arbeit ist.

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Weiterer Rückgang der Lrwerbslofenzahl

In der Zeit vom 10. September bis 1. Oktober ist dle Zahl der männlichen Hauptunterstützungsempfänger vo»

4 UVV aus r mo vvu zuruagegangen, d»e der wevMW von 289 000 auf 267 000, die Gesamtzahl also um 88 000 ichZ 5,9 Prozent. Die Zahl der Zufchlagsempsänger hat sich vo« 1 481 000 aus 1 410 000 vermindert.

Neuestes vom Lage

Die neu« tschechoslowakische Regierung Prag, 13. Okt. Der Präsident der Republik M as ar yt hat folgende neue Regierung ernannt, in der zum ersten Mat deutsche Parlamentarier als Minister vertreten sind: Svehla, Vorsitzender der Regierung, Dr. Hodza, Minister für Unterricht und Volksaufklärung, Dr. Mayr- Harting, Iustizminister (Deutscher), N a j m a n, Eisen- bahnminister, Dr. Spina, Minister für öffentliche Arbeiten (Deutscher), Dr. Srdinko, Minister für Landwirtschaft» Udrzal, Minister für nationale Verteidigung, Sramek, Minister für soziale Fürsorge, Dr. No sek, Minister für Post- und Telearapbenwesen. Professor Dr. Be ne sch.