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SCHWÄBISCHES TAGBLA FT

27. Juni 1949

politische Konstitution eines Menschen wenig aus, wie die Prozesse in Nürnberg und die Verhandlungen vor den Spruchkammern be­stätigten. Ein Beamter, der zum Auswärtigen Amt Neuraths oder Ribbentrops gehörte, ist für den Auslandsdienst auch dann belastet, wenn er keine NS-Mitgliedskarte hatte. Es sei denn, sein Widerstand gegen das Hitler- Regime ist auch für das Ausland eindeutig bewiesen. Im gegenteiligen Fall würden es die anderen Regierungen mit Recht als eine Zumutung empfinden, mit Männern verkeh­ren zu sollen, die während der Jahre 1933 bis 1945 ein Doppelspiel oder ein eindeutiges Spiel für Hitler getrieben haben. Wir unter­schätzen ja immer noch das Maß der Ab­lehnung, das im Auslande uns gegenüber be­steht Gerade auf Grund dieser Ablehnung, die stärker ist als die Freiheit von Verurteil­ten oder gar Sympathie, ist die Bedeutung der richtigen Auswahl der Beamten für den auswärtigen Dienst gar nicht zu überschätzen. Richtig bedeutet nicht allein die Erfüllung fachlicher Voraussetzungen, was selbstver­ständlich sein sollte, sondern die politische Qualifikation und das Charakteristikum einer Persönlichkeit müssen einwandfrei sein.

Vergessen wir nicht, daß auch deutsche Wirtschaftsvertretungen in Aufgabe, Stel­lung und Wirkung politische Posten sind. Die Auswahl kann nicht vorsichtig genug, aber auch nicht unter Beschränkung auf einen kleinen KreisAuserwählter getroffen wer­den. Schon gar nicht kann der Auswählende ein mehr oder weniger privater Zirkel sein. Auslandsvertretungen sind heute etwas an­deres. als zu Zeiten Cannings oder Bismarcks. Auch das lehrt ein Blick über die Grenzen, wo man in den letzten Jahrzehnten erfolgrei­cher gewesen ist als Deutschland. Es ist zu hoffen, daß die Bundesinstanzen diese Fragen gründlich und aufgeschlossen erörtern wer­den, aber man sollte auf keinen Fall alte Vor­schriften der Wilhelmstraße lediglich mit ei­nem neuen Datum versehen. Da Oeffentlich- keit, Bundesinstanzen, alte und werdende Di­plomaten letztlich das gleiche Ziel haben, ist jedenfalls kein Grund vorhanden, im Vorzim­mer der Diplomatiezu geheim" zu werden.

Keine bösen Absichten gegenüber Deutschland

General Koenig sprach vor dem Internationalen Ingenieurkongreß in Konstanz

KONSTANZ. Im Konzilgebäude fand am Samstagnachmittag die feierliche Schlußsitzung des ersten internationalen Ingenieurkongresses, an dem Vertreter von neun Nationen teilge­nommen hatten, statt. Neben dem Präsidenten des Kongresses, Generalgouverneur P e n e (Ba­den-Baden) waren als Ehrengäste Murray van W a g o n e r, amerikanischer Militärgouverneur von Bayern, Ministerpräsident Lüdemann, Schleswig-Holstein und der badische Staats­präsident Leo W o h 1 e b anwesend.

Generalgouverneur Pene bezeichnete als we­sentliche Ergebnisse des Kongresses, daß man sich einig geworden sei, im Ingenieur künftig nicht nur das technische Können, sondern auch seine Befähigung zur Menschenführung auszu­bilden und es ihm so zu ermöglichen, auch eine politische Rolle zu spielen. Außerdem soll die Fühlungnahme der Ingenieure und der Vertre­ter sämtlicher technischen Berufe auf inter­nationaler Ebene vorangetrieben werden.

Nach der Schlußsitzung gab General Koenig den Teilnehmern ein Bankett. In seiner An­sprache nahm er in offener Weise zum deutsch­französischen Verhältnis Stellung:

Es scheint uns der Augenblick günstig, um

gemeinsam über unsere wichtigsten Probleme nachzudenken. Zweimal während der letzten dreißig Jahre haben wir die besten unserer Kinder und die reichsten unserer Kräfte ver­loren und haben es schließlich dennoch nicht vermocht, einen Streit, der durch die moder­nen Waffen künftighin nicht anders als durch gänzliche Vernichtung unserer Länder ge­schlichtet werden kann, dauernd abzuschließen.

Ich bürge dafür, daß Frankreich keine bösen Absichten Deutschland gegenüber hegt. Wir werden danach streben müssen, uns besser zu kennen, uns öfters zu begegnen, uns dauernd miteinander zu besprechen, uns zu besuchen und uns nicht zu scheuen, die Gründe unserer Meinungsverschiedenheiten wachzurufen, alle Schwierigkeiten zu erwägen, aber immer ihre Lösung als Grundsatz zu betrachten.

In dem Maße, wie sich diese Beziehungen vertrauensvoller und fester gestalten werden, sollen Menschen und Gruppen untereinander durch Freundschaft verbunden werden, damit auch zwischen den Völkern Freundschaft werde. In dieser Hinsicht kann der Kongreß zu einem Datum werden, wenn er den vorgezeichneten Weg bahnen hilft."

Streikrecht der Polizei

Der Polizeibeamte muß dem Staat loyal gegenüberstehen

STUTTGART. Die Delegierten der westdeut­schen Polizeigewerkschaften beschlossen am Samstag auf ihrer Degerlocher Tagung, die Mitglieder zu verpflichten,alle Mittel zur Ab­

ster Ulrich sagte in seinem Referat, die Polizeileitung sei darauf bedacht, daß weder rechts- noch linksradikale Elemente in der Polizei Aufnahme fänden. Der Polizeibeamte

Wendung oder Vereitelung eines Verfassungs- werde nicht nach seiner Parteizugehörigkeit braches anzuwenden. Unter Umständen müsse befragt, doch müsse er unter allen Umständen

in diesem Falle auch von dem Streikrecht Ge­brauch gemacht werden. Eine entsprechende Aenderung in der Satzung der Hauptfachab­teilung Polizei der GewerkschaftOeffent- liche Dienste, Transport und Verkehr solle verhindern, daß die Polizei künftig zu Verfas­sungsbrüchen wie in den Jahren nach 1933 mißbraucht werden könne!

Der württemfoergisch-badische Inrtenmini-

Nachrichten aus aller Welt

NÜRNBERG. Dr. Max Willmy, in dessen Druckerei derStürmer hergestellt worden war, ist als Minderbelasteter eingestuft wor­den. Er muß 30 000 DM Sühne zahlen. FRANKFURT. Die Verwaltung für Wirtschaft

BERLIN. Der britische Feldmarschall Lord Wawell, der Gegner Rommels in Afrika, wird Ende Juni britische Luftbrückeneinrichtungen besichtigen.

BERLIN. In der volkseigenen Wertpapier­

hat für das dritte Quartal 175 000 Tonnen Eier- druckerei Giesecke und Devrient in Leipzig sind

briketts zum freien Verkauf zur Verfügung ge­stellt. Die Freigabe erfolgte wegen gewisser Absatzschwierigkeiten.

BONN. Die 1925 gegründete und 1933 aufge­lösteStudienstiftung des deutschen Volkes, die im Dezember vorigen Jahres wieder ins Le­ben gerufen worden Ist, tagte in Bonn. Die Kult­minister der deutschen Länder oder deren Stellvertreter, Vertreter der Hochschulen und Abgeordnete der Gemeindeverbände nahmen an der Sitzung teil. Es wurde beschlossen, 500 arme aber hochbegabte Studierende zu unterstützen.

DÜSSELDORF. 25 Mitglieder einer der größ­ten Diebesbande Westdeutschlands konnten jetzt verhaftet werden. Die Bande hat unter der Führung des 42jährigen Bergmanns Karl Stiller seit 1948 im Ruhrgebiet ihr Unwesen getrieben. Ihr werden 270 Straftaten zur Last gelegt.

DÜSSELDORF. Der Direktor der Zweizonen- Verwaltung für Wirtschaft, Prof. Dr. Erhard, hat in Düsseldorf eine Zuzugsgenehmigung be­antragt. Es war nicht zu erfahren, aus welchen Gründen Erhard plötzlich nach Düsseldorf übersiedeln will.

BIELEFELD Der ehemalige Schweizer Staats­angehörige und SS-Obersturmbannführer Dr. med. Franz Riedweg ist vom Bielefelder Spruch­gericht wegen Zugehörigkeit zur SS zu 2000 DM Geldstrafe verurteilt worden, die jedoch durch die Internierungshaft als abgegolten gilt. Ried­weg. der bei der Aufstellung und Betreuung derSS-Legionäre aus den germanischen Län­dern tätig war, ist 1947 in der Schweiz in Ab- Abwesenheit zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt worden,

OLDENBURG. Der ehemalige Gauleiter von Weser-Ems, Paul Wegener, ist vom Schwurge­richt wegen Mangel an Beweisen von der An­klage freigesprochen worden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.

die Betriebsleitung und Betriebsgewerkschafts­leitung verhaftet worden. Sie sollen nach einer Meldung desSozialdemokrat gemeinsam mit dem sowjetischen Aufsichtspersonal Wertpapiere für den eigenen Bedarf gedruckt haben.

DUBLIN. Jeder Ire der Deutschland in die­sem Jahre besucht, darf 50 Pfund Sterling mit­nehmen.

PARIS. Auf einer Pressekonferenz erklärte der bekannte Schriftsteller Arthur Koestler, daß aus Osteuropa gegenwärtig mehr Menschen als zu irgendeiner Zeit aus Hitlerdeutschland flie­hen* Im Laufe der letzten zwei Jahre seien rund 250000 Personen geflohen.

BASEL. Der Staatswissenschaftler Prof. Dr. Salin, der 1927 aus Deutschland nach Basel be­rufen worden ist, hat es abgelehnt, Vorlesungen an der Freien Universität Berlin zu halten, wenn dort gleichzeitig der frühere Hauptan­kläger in den Nürnberger Prozessen, Dr. Kemp- ner, lehre.

SALZBURG. In einem nach Deutschland ab­gehenden DP-Transport wurden 33 000 ameri­kanische Zigaretten sichergestellt, die nach Deutschland geschmuggelt werden sollten.

WASHINGTON. Die amerikanische Marine bereitet zurzeit Versuche mit Raketen vor, die eine Geschwindigkeit von mehr als 11 000 Std.- km erreichen, also doppelt so schnell wie die V-2-Geschosse sind.

MEXIKO. Bei einem Wolkenbruch im Staate Hidalgo ertranken 50 Personen, während 200 Verletzungen erlitten.

TOKIO. Die Vereinigten Staaten werden das gesamte Material liefern, das für den Wieder­aufbau der beiden durch amerikanische Atom­bomben zerstörten japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki benötigt wird.

dem demokratischen Staate loyal gegenüber­stehen.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft für öffent­liche Dienste, Transport und Verkehr, Adolf Kummernuß, Hamburg, nahm über Sonn­tag an der Kopenhagener Gewerkschaftsta­gung teil und hatte dort Besprechungen mit englischen Gewerkschaftlern über Fragen der gewerkschaftlichen Organisation, die die bri­tische Zone betreffen. Kummernuß hofft, es werde durch die Vermittlung der Engländer möglich sein, die Genehmigung zu erhalten, daß sich auch die Polizeifachkräfte der briti­schen Zone offiziell gewerkschaftlich organi­sieren dürfen, und daß schließlich die Bildung einer einheitlichen Polizeigewerkschaft für die drei Westzonen möglich sein werde.

Ein Jahr Luftbrücke

BERLIN. Im Rahmen einer besonderen Feier wurde anläßlich des einjährigen Be­stehens der Luftbrüdce der Vorplatz des Flug­hafens Tempelhof durch Oberbürgermeister Reuter inPlatz der Luftbrücke umbe­nannt. Prot Reuter würdigte dabei die Lei­stungen der Piloten, die es. Berlin ermöglicht hätten, seinen Kampf um Freiheit und De­mokratie erfolgreich fortzuführen.

In 234314Flügen wurden 1,943 Mill. Short-Tons (eine Short-Ton = 907 kg) Güter nach Berlin gebracht.

Untersuchung gegen Pünder

FRANKFURT. Der bizonale Wirtschaftsrat hat am Freitag beschlossen, einen Untersu­chungsausschuß einzusetzen, der die Aufgabe hat, die gegen Oberdirektor Dr. Pünder im Zusammenhang mit dem Gutachten des Rech­nungshofes über die Neugliederung der Bun­desbehörden erhobenen Vorwürfe zu unter­suchen. Dr. Pünder wird weiter vorgeworfen, die im bizonalen Haushalt für Bauvorhaben in Frankfurt vorgesehenen Mittel nach Bonn umgeleitet zu haben. Es handelt sich dabei um einen Betrag von 33 Millionen DM. Ober­direktor Dr. Pünder hat der Untersuchung zu­gestimmt und sich bereit erklärt, dem Aus­schuß sämtliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Auch gegen den SPD-Abgeordneten Kriedemann wird eine Untersuchung einge­leitet, um zu prüfen, wie weit die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wegen seiner Mitarbeit bei der Gestapo zutreffen.

Palästinaverhandlungen vertagt

LAUSANNE. Die unter Leitung der Uff- Schlichtungskommission für Palästina stattftn- denden Friedensverhandlungen, die am 27. April begonnen haben, werden am 29. Juni für drei Wochen unterbrochen werden. Es soll damit den arabischen und israelitischen Delegierten, sowie den Mitgliedern der Schlichtungskommission Gelegenheit gegeben werden, mit ihren Regierungen Rücksprache zu nehmen. Es trat ein Stillstand in den Ver­handlungen ein, nachdem die Israeliten vor der Festlegung der endgültigen Grenzen Israeli die Behandlung der Frage der arabischen Flüchtlinge ablehnten, während die Aarabet das Flüchtlingsproblem zuerst gelöst sehen wollten.

Holländer räumen Djokjakarta

BATAVIA. Am Freitag hat die holländi­sche Armee mit dem Abzug ihrer Truppen aus der republikanischen Hauptstadt Djokja­karta begonnen. Der Sultan, der die Verant­wortung für Wahrung von Ruhe und Ord­nung bis zur Rückkehr der republikanischen Regierung übernommen hat, verhängte über die Stadt ein Waffenverbot. Die indonesischen Führer haben sich damit einverstanden er­klärt, am 1. August im Haag mit Vertretern der holländischen Regierung zusammenzu­kommen, um einen dauernden Frieden für Indonesien vorzubereiten.

Wahlvorbereitungen

HANNOVER. Von der SPD werden Wahl­fondsmarken, die den Kopf und die Unter­schrift von Dr. Karl Schumacher tragen, ver­trieben. Die Marken kommen im Werte von 0.50 bis 20 DM zum Verkauf.

Der Vorsitzende der LDP, Prof. Dr, Theodor Heuß, wurde in einem der Stuttgarter Wahl­kreise als Spitzenkandidat für die kommenden Bundestagswahlen aufgestellt. Gleichzeitig wird bekannt,, daß Karl Arnold, Ministerpräsi­dent von Nordrhein-Westfalen, nicht kandi­dieren wird.

DieSammlung zur Tat", die im Land Ea- den im März dieses Jahres lizenziert wurde, wird in Südbaden als fünfte Partei mit eige­nen Kandidaten hervortreten.

Der Rechts- und Verfassungsausschuß des bayerischen Landtages hat am Freitag be­schlossen, Bayern für die kommenden Wahlen in 38 örtliche und außerdem in 9 Flüchtlings­wahlkreise aufzuteilen. Gegen die Bildung be­sonderer Flüchtlingswahlkreise sind sowohl von der SPD als auch von der FDP Bedenken erhoben worden, da durch diese Regelung das Einleben der Neubürger erschwert werde.

Schrittweise Auflösung der DP-Lager

FRANKFURT. Mister Harry G r e e n s t e i n, Berater für jüdische Angelegenheiten beim Oberkommandierenden und beim Hohen Kom­missar der US in Oesterreich, erklärte am Frei­tag im Verlauf von Ausführungen über die augenblickliche Lage der Juden in der Tsche­choslowakei und in Ungarn, daß die Schlie­ßung der jüdischen DP-Lager in der ameri­kanischen Zone Deutschlands nach einem Ge­neralplan erfolge und daß vorgesehen sei, sie­ben jüdische Lager noch im Verlauf dieses Mo­nats zu schließen, so daß nur noch zwölf Lager bestehen bleiben. Wenn die augenblicklich® Auswandererquote beibehalten werden könne, so würden die meisten der Judenlager bis Ende dieses Jahres geschlossen werden können.

Herausgeber: Will Hanns Hebsacker, Dr. Emst Müller und Karl Klm

Mitglieder der Redaktion. Gudrun Boden, Dt. Wil­helm Gail Dr. Otto Haendle, Dr. Helmut KiecM. Joseph Klingelhöfer und Franz Josef Mayer Verlag und Schriftleitung:

Tübingen. Uhlandstraße 2, Fernsprecher 21 41/42/Ö Erscheinungs'age Montag. Mittwoch- Samstag

Monatlicher Bezugspreis einschl. Trägerlohn 2.- CM. durch die Post 2.27 DM Hnzelverkaufspreis 2» n Unverlangte Manuskripte werden nur bet Portobei­lage zurückgegeben

Druck: Tübinger Chronik, Druckerei- und Verlags- genossensdiaft eGmbH.

Kilian hat einen Eintall

Vor» Rudolf Habetin

Zwei Wochen nur war Kilian im vorigen Jahr am Bodensee gewesen, er hatte zufällig alte und neue Bekannte gefunden und sich vorgenommen, in diesem Sommer hier zu malen und unbeschwert in Jugend und Sonne zu schwelgen.

. Und jetzt stapft er durch den Abend, er ist jämmerlich einsam gewesen in diesen fünf Wochen, die er hier verbracht hat. Keinem einzigen Bekannten ist er begegnet, kein ein­ziges Mal ist ihm der Zufall gnädig gewesen, und heute, da er ihm begegnet ist, fühlt er «ich von ihm genarrt und verlassener denn je.

So geht er denn auch am HausSeeblick, wo er dieses Jahr wohnt, vorüber und äugt durch die Verandafenster des kleinen Hotels, dessen Plakate zumRosenfest einladen, hinein in die Fröhlichkeit tanzender Paare, die jauchzend und singend, mit papierenen Mützen und Blumen geschmückt, an den Gar­dinen der beschlagenen Scheiben vorüberglei­ten.

Hat er es nötig, Zaungast fremden Froh­sinns zu sein? Er erinnert sich mißgelaunt des unbekümmerten verliebten Lachens und Scherzens, dessen Zeuge er vorhin schon auf seinem Balkon gewesen ist. Und endlich, seiner Stimmung zum Trotz, geht er hinein, sofort umwirbelt vom rastlosen Rhythmus der Schlagermusik, von Ueberschwäng und wunderlichem Treiben im schleifenden Takt tanzender Paare. Papierschlangen werden ge­worfen. Vorüberlächelnde Mädchen singen ihm im Arm ihrer Tänzer schelmisch zu, als man ihm eine Studentenmütze aus rotem Sei­denpanier schief über den Kopf stülpt. Und da die Musik brach plötzlich ab trotz lauten Klatschens der Paare sieht er sie eben, die Blonde vom Strandbad, die ihm heute vor­mittag so rasch entschwunden war, neben einem Papiermützenjüngling dort an den Tisch hüpfen, wo zwei Gäste, ein älteres Ehe­paar, mit dem Kellner abrechnen.

Schon steht er, die Ktechte auf dem freige­wordenen Stuhl, bei ihr und sagt:Ich freue mich, Sie endlich wiederzusehen. Sie gönnen mir vielleicht diesen Platz an der Sonne? Sie schaut ihn belustigt an und lacht:Ge­nehmigt! Doch als sie sich setzen will, be­ginnt ein neuer Tanz, den er sich ausbittet.

Im Schieben und Drängen des kleinen Saa­les ist es unmöglich, noch kunstgerecht zu tan­zen. Aber daß .beide gute Tänzer sind, be­greifen sie dennoch, und Kilian, beschwingt von so viel ausgleichender Gerechtigkeit die­ses Abends, betrachtet sie wohlgefällig nun ganz in der Nähe. In harmloser Laune schmiegt sie sich an ihn, ihr Lachen ist bei ihm und mit, ihm, ihr Mund, leicht geöffnet, zeigt schnee­weiße Zähne.

Doch der Wein ist vielleicht der einzige Grund Ihres aufgeschlossenen Sinnes, fürchtet er nun. Und besorgt, sie morgen vielleicht stolz und peinlich berührt im Strandbad zu finden, rafft er sich auf aus weinseliger Stim­mung, ihr ernsthaft etwas von sich zu erzäh­len. Aber da wehrt sie ab und bittet ihn, ganz so zu bleiben, ohne Namen und Eitelkeiten des Alltags. ,

Nur daß der Herr dort drüben mit der blauen Mütze und dem echten Studentenge­sicht ihr Bruder sei, der sich freilich den gan­zen Abend zu sehr mit seinem Bräutchen ge­nügen lasse, das gesteht sie ihm noch. Und schließlich, als er sie begleiten will, führt sie ihn bloß die kurze Strecke zum Hafen, wo ihr Bruder mit seinem Mädchen bei ihrem Boot wartet. Und als er sie nochmals um ihren Na­men bittet, antwortet sie, sie heiße Sibyll, das möge ihm bis morgen genügen. Glockenhell klingt ihr Lachen in die Nacht, und es gelingt ihm nur noch, ein kleines Bildchen, das ihr Bruder geknipst hat, und einen Kuß mitzu­nehmen, der ihn in Träume begleitet, wie er sie nur in sehr jungen Jahren geträumt hat.

Meine Reise hat mich diesmal ziemlich ent­täuscht", meint der Maler Hans Otto Kilian mit einem sauren Lächeln, als er seinem Freunde berichtet.Ein paar Bilder .habe ich

mitgebracht, und für einige Reklameaufträge werde ich Anregungen von dort verwerten können. Doch daß mich jene Sibylle so teuf­lisch zum Narren gehalten hat und am näch­sten Morgen auf und davongesegelt war, das kann ich ihr nicht vergessen. Dann aber fügt er entschlossen hinzu, er werde ebenso rücksichtlos nun vor keinem Mittel zurück­schrecken, sie ausfindig zu machen. Kilian lächelt verschmitzt. Er zeigt die Photographie und spricht:Sie ahnte ja nicht, wem sie die gab... Vielleicht, vielleicht gelingt es mir ..

Wahrhaftig, bestätigt Frau Oberbürger­meister Jürgensen ihrer Freundin,man sollte meinen, es ist Sibyll. Ich stehe vor einem Rätsel... Und auch Sibyll weiß nicht, wie sie dazu kommt, ihr Bild in allen illustrierten Zeitungen zu finden, bald auch in den Tages­zeitungen und eines Tages gar an den Plakat­säulen, lächelnd in der Pracht ihrer schönen Zähne, als Reklame der bekanntesten Zahn­pasta.

Kurzum, so freimütig Sibyll auch zu denken und zu handeln gewohnt war, mit einem Male war ihr Leben doch derart ln den Mittelpunkt öffentlicher Anteilnahme und Neugier gerückt worden und ihr Name so sehr in aller Munde, daß schließlich etwas dagegen unternommen werden mußte. Und so schrieb denn eines Ta­ges der Herr Oberbürgermeister nach reif­licher Ueberlegung an jene Firma, unerschrok- ken, kurz und bündig, jedoch auch nicht un­höflich.

Der Bescheid fiel ziemlich beiläufig aus: Man bedaure, ihn in dieser Angelegenheit, so­fern er tatsächlich Grund zu einer Anfrage zu haben glaube, an den Reklamezeichner der Firma, den Kunstmaler Hans Otto Kilian, ver­weisen zu müssen, hochachtungsvoll, die Fir­ma der bekanntesten Zahnpasta, basta.

Nun, und hat sie einen Herrn Kilian ge­kannt? fragte daraufhin die Freundin der Frau Oberbürgermeister.

Nein, meinte diese, merkwürdigerweise

gar nicht beunruhigt. Und sie fügte hinzu: Sibyll, entschlossen, wie sie ist, und gewillt* ihn persönlich zur Rede zu stellen, ist schließ" lieh selbst zu jenem Herrn gefahren, der, ne­benbei bemerkt, ein sehr bedeutender Kunst­maler sein soll.

Und haben Sie nun schon Bescheid von ihr?

Ja, meine Liebe, gestern schrieb sie aus­führlich und sie grüßten als Verlobte.

Dem Gedächtnis von Johannes Brenz

Vom Spielkreis des Evang. Stifts musik3lisd> ausgestaltet, fand am Freitag in der Neuen Aula eine Gedächtnisfeier zur 450. WiederKenr des Geburtstages des württembergischen Refor­mators Johannes Brenz statt Die Festrede bien Prof. Dr. Hermelink, München. In 6®" drängter Form entwarf er ein Bild von d® 1 Lebensschicksal und dem theologischen Wirken des Glaubensstreiters, der seinem Herzog m® nur ein kirchlicher, sondern auch ein PulRj?*®*, Berater war, in seinem Glauben ebenso Orga­nisator wie Reformator. f

Im Anschluß an die Festrede verlas rwu- D. Michel die Urkunde, durch die bischof Dr. Martin Haug, der der Feier Be­wohnte, zum Ehrendoktor der theologischen Fakultät ernannt wurde:Die Evangelis' theologische Fakultät der Eberhard-Karls-un versität verleiht aus Anlaß der Gedächtnisfej® für Johannes Brenz Herrn Landesbischof Martin Haug, dem bewährten systematisch Theologen, dem geisterfüllten Ausleger Schrift, dem erfolgreichen Erzieher der tbeoi gischen Jugend ehrenhalber die Würde ein Doktors der Theologie

In Mainz wurde ein Büro der UNESCO -w* net, dessen Leitung in den Händen des *L**.

L e c 1 e r c liegt. Dies bedeutet einen großen co schritt in der Einbeziehung Deutschlands in internationalen Kultur- und Jugendaustauscn- In Bayern ist man einer illegalen Einfuhr vo Büchern und Zeitschriften aus Oesterreich ^ die Spur gekommen. Der ungesetzliche A®. dieser Erzeugnisse, zum größten Teil sen literatur, brachte der deutschen Wirtschaft e Verlust von 3 bis 4 Mill. DM.