18. Juni 1949
SCHWÄBISCHES TAGBLATT
Nr, 71 / Seite
Lächelnde Exkursion durch Bonn , rÄSH«!
„Hier wächst die Torheit“ , sagte Heinrich Heine ahnungslose Musikant noch einmal alle Re-
W.H. In jener; Nacht, als Konrad Adenauer lehrten, daß es noch nie einen dickeren Schä- da ß etliche 6 fn diesem feieriichen^Au^en- die Stimmzettel der Abgeordneten ausgezählt del gegeben habe. Die Folge war, daß man ihn blick drauf und dran waren laut hinauszu- batte, die sich mit der knappen Mehrheit von der kleineren Schwester Bonn überließ. planen hinauszu
33 gegen 29 Stimmen für Bonn als Bundes- Die Büttenredner des vergangenen Karne- Aus jenem weißen Pa'ais Schaumburehauptstadt entschieden, lächelten in Bonn die vals besannen sich des dicken Schädels des Lippe an der Koblenzer Straße mit seinen
“ffi! ■“» »»«ntetalm. s 0 h, nur-.»*® ,te to Feb-
eme kleine Reporterin die man Maxchen ruar, erst wollten sie das Grundgesetz nach sches Schloß aus der Zarenzeit, hat das Volk nannte, aber Moritz hieß, mit einer angeb- sechs Wochen verabschieden, jetzt streiten sie längst das We’ße Haus“ gemacht Es soll liehen l Falschmeldung; einen Max- und Moritz- ^ich schon sechs Monate darum und rennen so f a gan einje Sitz des Bundetpräsideriten
stre.ch au ‘ ’„ st / s t ' ei /“ Deshalb sei kein Zw ® 1_ werden, wofür sie schon zahlreiche Namen
Meines Lebens schönster Traum hangt an die- fei möglich, daß die Abgeordneten Nachfah- parat haben: Konrad Adenauer, Theodor sem Apfelbaum? Sie wollte sich weder einen ren des homo neandertalensis seien. Wegen H euß, Jakob Kaiser, Hans Böckler, Max historischen Scherz erlauben, der Weltgesctv.ch- der dicken Schädel. Brauer und Ernst Reuter . Die Bonne ’ tipen
P 1 “/ 6 ’ n ° < * , eme P° lltlsche Ente in die Als das Grundgesetz in Bonn feierlich ver- auf Konrad Adenauer. Denn, sagen, sie, der Wdt setzen, deretwegen ein.ge Abgeordnete, kündet und die Abgeordneten einzeln zur Obersalzberg ist doch ganz in der Nähe, ge- zu votieren bekundet hat- Unterschrift aufgerufen wurden, verweiger- genüber am Fuße des Drachenfels. Dort liegt ten, plötzlich für Bonn stimmten. ten dies die kommunistischen _ Abgeordneten , nämlich Adenauers schönes Landhaus. Wenn
Es war so: Konrad Adenauer, der unge- Reimann und Renner, die die Tücke des im Palais Schaumburg-Lippe nicht noch jener krönte Herrscher dieser rheinischen Breiten, Alphabetes hintereinander erscheinen läßt. Tellerwäscher Zubkoff geistert, der vor eipflanzte in jener Nacht die Fahne seines Sie- An der Orgel saß, präludierend, der Orga- nem Vierteljahrhundert die Prinzessin Schaum- ges auf. Das kleine Fräulein Moritz aber n * s t des Bonner Münsters, den Akt der Un- burg-Lippe, geborene Prinzess'n Hohenzol- schleppten ihre Gegner aufs Schafott, gaben terscnriftsvollziehung weihevoll und erhaben lern, mit seiner Minne betörte, dann wird sie der öffentlichen Schande preis und voll- durch die mus:ca sacra untermalend. In je- es ein ganz hübsches Bundespräsidenten-Pa- zogen ihre Hinrichtung mittels Zeitungslettern Augenblick, als die beiden Kommunisten lais. Gleich zu seinen Füßen fließt, ruhig und
und dem Fallbeil der fristlosen Kündigung. Nein riefen, ging, die Musilr mit vollen erhaben, der Strom des Abendlandes, von Weltpolitische 'Ereignisse dringen häufig erst Akkorden zu dem Lied „Die Himmel rüh- dem ein Bonner Student sagte, „daß an den spät ins Bewußtsein der Menschheit. Ob die unen“ über. Es blieb nicht aus, daß ein freund- grünen Bergen seiner Ufer die Torheit wach- Geschidite einmal den Bonner Max- und Mo- Rehes Schmunzeln durch die Menge ging. Und se“. Der S.udent hieß Heinrich Heine, ritzstreich registrieren wird? Die Bonner je-
Von der Fliegenden Festung zum Ueberbomber
Stationen der amerikanischen Bomberentwicklung seit 1945
. . D _, ... , . Gl. In amerikanischen Kongreßkreisen ist B 24 die amerikanischen Luftangriffe inEuro-
L War •! 3! T S rn U gegenwärtig eine bewegte Diskussion über den pa trug, ist in der heutigen Bomberflotte
den Marztagen 194o, als die Brücke mit Hilfe größten Bomber der Welt, den B 3S, auch nicht mehr vertreten. Der B 29, der Japans
eines deutschen Pionierleutnants und zehn „Superbomber“ genannt, im Gange. Sie be- Städte heimsuchte, wurde nach Kriegsende er-
trifft zwar vorwiegend finanzielle Zusammen- lieblich verbessert und erh'elt zuerst dieNum- hänge, rührt jedoch auch immer wieder an mer B £0, später B 54. Dieses viermotorige
. _.. , - _ die Zweckmäßigkeit des jetzt im großen Zuge Flugzeug, in Steigerung zur „Fliegenden Fe-
“ 1 r o■ ct Rh ? S r e L te v, Se * eSer \ S Kr-m a ’ befindlichen Fabrikationsprogrammes für ei- stung" B 17 „Ueberfestung“ (superfortress) ^ eu £. dr ® ist und £ re< jh sei11 entblößtes nige hundert B 36. Während dieser Bomber genannt, stellt gegenwärtig das Gros der US-
Hmterteil. Die Beueler hatten sich nämlich vor allem von Marineseite kritisiert und Luftwaffe an Bombern,
geweigert, obwohl sie es zugesagt hatten, zu den Brückenbaukosten beizutragen. Der rheinische Witz, mit Schlagfertigkeit immer bei der Hand, flüsterte aus der Tiefe seiner Seele jenes Goethe-Wort, das der rustikale Heinrich George so kräftig hinauszuschmettem verstand. Und dieses Brückenmännchen, von einem Beueler Bürger nach der Katastrophe sichergestellt und versteckt gehalten, kommt jetzt w eder auf die neue Brücke, die noch im Jahre 1949 fertig werden soll, den Allerwertesten nunmehr in Richtung Frankfurt gekehrt, allwo nach der Wahl ein groß Geschrei eingesetzt hatte mit sehr viel Druckerschwärze wider die kleine Stadt des großen Beethoven.
Es ist aber kein Zweifel möglich: Bonn ist rechtens vorläufige Bundeshauptstadt der Bun- desrepubl'k Deutschland. Und der Fraktionsvorsitzende der SPD Karl Schmid, der mit seiner Fraktion geschlossen für Frankfurt gestimmt hatte, sagte dem Schreiber dieser Zellen, daß der Beschluß selbstverständlich respektiert werde und er sich gegen jeden Versuch wende, ihn in irgendeiner Form rückgängig zu machen.
denfails, so sagen sie augenzwinkernd, werden dem braven Fräulein Moritz demnächst ein Extra-Denkmal setzen, ein originelles Bundeshauptstadt-Denkmal.
Mann krachend in die Tiefe sauste, ein an deres originelles Denkmal zu sehen: ein in Stein gehauenes Brückenmännchen zeigte der
fSPANIENj
AKTIONSRADIUS AMERIKANISCHER BOMBER f942 -1948
als billiges Opfer feindlicher Jagdflugzeuge bezeichnet wird, ist die Mehrheit der Annahme,
Der B 29 ist im Laufe des letzten Krieges in drei Exemplaren in die Hände der Sowjet
mäfeTn S tfdm S Bonnern d ™chT\ r L VO VorwuH 5*1®!*!!**“ der l n wichtiger, wenn pan Notlandungen auf sowjetischem/Gebiet
daß eine genügend große Anzahl an B 36 für Union gelangt, als bei Luftangriffen' gegen Ja-
zu machen, obwohl viele Bonner das Geburtshaus Beethovens noch nie von innen gesehen haben. Von den Abgeordneten des Parlamentarischen Rates wurde gleiches behauptet. Aber einige von ihnen bestritten es. Vom
nicht auschiaggcbender Beitrag sei.
notwendig wurden. Nach amerikanischen Be
in der Tat bringt der B 36 eine bedeutende hauptungen haben die Russen dieses Flug- Erweiterung der luftstrategischen Möglichkei- zeug kopiert
ten der USA mit sich. Er ist als Atombombenträger mit seiner rund 16 03-km-Einweg-
Außer den erwähnten Bombertypen, von denen der „Superbomber“ mit 560 Stunden-
Bsethoven-Denkmal auf dem Münsterplatz omn
aber kennen alle Bonner die schöne Anek- nahernd 8000 km die Kl0nUng der strategl '
Re chweite und einem Aktionsradius von an- kilometer Höchstgeschwind ; gkeit der langsamste ist. — B 29 und B 50 erreichten 650 Stdkm.
hat die US—Luftwaffe seit Kriegsende einen leichten viermotorigen Düsenbomber (B 45) entwickelt, der bei 1600 Kilometer Aktionsradius 800 Stdkm. schafft. Insgesamt wur- , , „... . . .. . . , u«i iwumc, um c.u« ucmiuäoi ivcjuu- den allein in den Jahren von 1945 bis 1947 in
rialn 1 * 1 !- f e ) 1 ’ f der ent " lst f' denn weite wurde in drei sprunghaften Erweite- den USA neun Typen Bombenflugzeuge und
imhwr?“ ^ u 1 ? Ku ; £ 2- zu ‘ rungen des Aktionsradius’ durch vorwiegend sieben Typen Jagdflugzeuge neu herausge-
5U„- J t S * a o’ ^ Warte em S6h u t5E ‘ ?;an / e ’" Kom " drei Typen und deren Verbesserung erreiche, bracht oder auf bisherigen Typen weiteren‘f' ,war schon zu Lebzeiten ß B 17 , der neben dem Liberatorbomber bauend entwickelt ein grober Geselle!“ *
j , , _ sehen Bomberflotte der USA. Heute, so er-
Einweihung im Jahre 1845. Der km man VQn Ss;ten der us . Luftwaffe| gabe
König stand mit seinem Gefolge auf dem eg keinyn piatz der Erde meh der nidlt von I ad ““ d ® s al Jf\ f urstenbergschen Palais, den USA aus mit dem B 36 bombardiert war- l e *3 aut1 ! 8 ? Hauptpostamt. Als .die Denk- den könnt Das ziel einer derart ig e n Reich-
. Im Rheinischen Landesmuseum in Bonn, zurzeit noch im Keller untergebracht, wird der weltberühmte Schädel jenes vorgeschichtlichen Neandertalers aufbewahrt, des homo primigemus, der im Neandertal bei Düsseldorf 1356 gefunden wurde, den die Wissenschaft als den Vorfahr des West- und Mitteleuropäers ermittelte und überhaupt als das älteste Dokument der menschlichen Rasse betrachtete. Um diesen Schädel entspann sich damals ein hartnäckiger Kampf der beiden Städterivalen Köln und Düsseldorf. Die Kölner reklamierten ihn für sich, denn dieser Mensch, so sagten sie, könne nur ein Köiner gewesen sein, der sich in Düsseldorf amü- s ; eren wollte, wie sie selber heute noch gerne v °h s’ch vertraulich gestehen. In diesen Streit schlug die überraschende Mitteilung der Ge-
Folit k im K ein oimat
Friedrich Meinecke und der Brotkorb
ßie Kartenstelle des Wohnbezirks Berlin- Uah'em verweigerte Seiner Magnifizenz Prof, rL.Aieinecke die Ausgabe der Lebensmittelkarte 1 für den Monat Mai mit der Begründung, daß *t£°f- Maineckes wissenschaftliche Bedeutung jucht genügend bekannt sei“. Prof. Meinecke ist '‘“vandoktor der Havard-Universität USA, Kor- fundierendes Mitglied der Royal Historical ™ c 'ety in London, Lebenslängliches Ehrenmit- »ued der amerikanischen Historischen Gpsejl- J, ? £, -> mit 87 Jahren Rektor der Berliner Freien Universität und anerkanntermaßen der bedeu- lebende deutsche Historiker. Er hat seit "> Jahren seinen Wohnsitz in Berlin-Dahlem.
Di&ten
^emehiedene israelitische Abgeordnete, denen ach ösüithem Ritus gestattet ist, mehrere Ehe- zu haben, beantragten eine Erhöhung der u: für eine Frau berechneten Familienzulage. iT^Antrag wurde stattgegeben; so daß ein ugeonäiieter mit drei Frauen den Staat Israel “•ehr Geld kostet als ein Minister.
Das politische Bekenntnis der Väter
ui// dem Tag im April 1944, an dem der italie- jCtte Kommunislenführer Palmiro Togliati den en der Heimat betrat, haben 2042 Erdenbür- heift Vornamen Palmiro erhalten. Nur 247 So 2? in den 20 Jahren des Faschismus
** 20 570 kleine Benitos gegeben.
Drei Zonen teilen sich das Siegerland
Von unserem Düsseldorfer GF.-Mitarbeiter
Eisenbergbau, Waldwirtschaft und bäuerlicher Kleinbesitz geben die Basis für die gegenwärtige Wirtschaftsstruktur des Siegerlandes. Wer von Hagen südlich reist, wird hinter Plettenberg in den Seitentälern fast drei Dutzend E’sen- und Stahlhütten, Eisen- urid Stahlhämmer zählen. Walzwerke, Blechwaren- und Verzinkbetriebe sind dazwischen gestreut. Neben der Maschinenindustrie sind die Hammergewerkschaften seit Jahrhunderten hier ansäßig. Erst in den letzten Jahrzehnten wandelten sie sich in große Aktiengesellschaften um. Je näher man jedoch Siegen kommt, desto dichter wirkt das Industriegebiet.
Das Siegerland ist als Industriegebiet viel älter als das Ruhrrevier. Vor fünfhundert Jahren wurden an den Ausläufern des Sauerlandes schon die ersten lehmgebauten Schmelzöfen beschickt. Die Menschen bauten sie an die Böschungen der Berge, versahen sie mit Guck- und Gischtlöchern. Aus diesen Anfängen hat sich über die drei Meter hohen „Hochöfen“ die Industrie von heute entwik- kelt.
Immer noch finden wir hier das Familienunternehmen. Ihm entspricht der kleinbäuerliche Besitz. Eigenart dieses- Landes um Siegen ist auch heute noch d e Haubergswirtschaft. Achtzehn Jahre lang läßt man den buschigen Mischwald, in dem meist junge Eichen stehen, wachsen. Dann wird der Wald geschlagen, wobei aus der jungen Eichenrinde bester Lohgerbstoff gewonnen wird, wichtig für die Lederindustrie, vor allem die zahlreichen Gerbereien, die im Siegerland ihre Betriebe haben. Die nächsten zwei Jahre wird Korn auf die Kahlschläge gesät, der sogenannte Haübergsroggen. Wenn er reif ist. muß er der vielen Baumstümpfe wegen mit der Sichel gemäht werden. Da er nicht sehr hoch- sprießt, tragen seine Aehren reiche Frucht. Und nach diesen beiden Jahren beginnt die Haubergswirtschaft wieder von neuem. Immer noch so, wie es der Urväter Gewohnheit schon war. Erwähnt werden muß auch
noch, daß sich in diesen Kleinbauemkreisen noch die Backhaus- und die Hudegenossenschaft erhalten hat. Kohlenmeiler sind immer noch in den einsamen Wäldern des Siegerlandes anzutreffen.
Der Krieg hat das Siegerland, vor allem aber die alte Kreisstadt Siegen nicht verschont. Fliegerangriffe und erbitterte Erdkämpfe haben die Eisenerzstadt auf den sieben Bergen zur größten Hälfte verwüstet. Der mittelalterliche Kern rund um den Markt, die schönen Kirchen sind nahezu zerstört. Der Aufbau geht nur ganz langsam voran.
Und doch wäre die Stadt über all die Nachkriegsprobleme nicht so rasch und leicht hinweggekommen, bestände dort nicht die glückliche Verbindung zwischen Industriearbeiter und Industriesiedler. Der Hüttenarbeiter mit eigenem kleinen Häuschen ist in diesem Quellgebiet von Lahn, Sieg und Eder ebenso selbstverständlich wie das Siedlungshaus des Bergmannes zwischen Ruhr. Emscher und Lippe. Zu Zeiten der Krisen ist das eigene, wenn auch kleine Anwesen stets der sicherste wirtschaftliche Rückhalt. Soziale Soan- nungen kennt das Siegerland kaum. Das Wort des diesem Raum entstammenden Schriftstellers Jung StUling: „Es gibt außer dem Siegerland kein anderes deutsches Gebiet, wo man so wenig arme Leute findet“ hat immer noch Geltung zwischen Kreuztal und Siegen, zwischen Dillenburg, Ha-’ger und Betzdorf.
Nach dem letzten Krieg erschwerten zunächst die Zonengrenzen den Aufbau der Industrie. Treffen sich doch im S'egener Raum alle drei Westzonengrenzen. Stegen gehört zu Nordrhein-Westfalen und damit zur britischen Zone, Biedenkopf und der Diilkreis zu Hessen und so zur US-Zone. während die Hütten des Kre'ses Altenburg und seine Industrie Rheinland-Pfalz angegliedert sind und damit von der französischen Militärregierung gelenkt werden.
Von der Konservendose bis zum Boiler und Ofenrohr, von Pfannblechcn und Wellblechbauten bis zu Eiszellen, Milchgefäßen und
Bayernpartei gegt*» .ayern
Von Dt. Rudolf Werner Dieses Wochenende hält die Bayernpartei in Passau ihre Landesversammlung ab. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, weiß-blau zu flaggen. Die Bayeinpartei selbst sei bereit, hierfür Papierfähnchen zu stellen.
Als die Urväter der Bayernpartei Dr. Fisch- bacher und Lallinger, zunächst noch ohne den geistigen Beistand Dr. Baumgartners, sich dem bayerischen Volke offenbarten, zogen sie aus der Animosität aller waschechten Bayuwarier gegen alle nicht zahlenden Ausgebombten und Ausgewiesenen einen ungeahnten Gewinn. Die Spekulation auf die krachledernen Instinkte lohnte sich. In den Gemeindewahlen des Jahres 1948 rückte die Bayem- partei auf die dritistärkste Position unter den bayerischen Parteien vor. Bezeichnenderweise aber vermindert sich mit dem Gefälle des bayerischen Bodens von den Alpen bis zum Main auch die Stärke der Bayernpartei. In Franken lockt der urbayerische Jodler nur noch wenige hinter dem Ofen hervor. Immerhin konnte die Bayernpartei die CSU um nahezu ein Dritte] ihres Bestandes schädigen.
Zweifellos konnte sich die Bayernpartei unter Führung Dr. Baumgartners mittlerweile von den schlimmsten Kinderkrankheiten freimachen. V Aretin, der alte Königsmacher ohne Erfolg, vertritt die Bayernpartei in den Salons des bayerischen Adels. Dr. Baumgartner organisiert und modifiziert. Die weiß-blauen Paladine, die ihn zu ihrer Leitung beriefen, bearbeiten das flache Land, weil dort ihr Jargon der Denkart der Einheimischen am besten angepaßt ist.
. Alle bayerischen Politiker rechnen heute mit der Bayernpartei, wenngleich sie dieses Geb'lde nur als Frucht einer hemmungslosen Demagogie ansehen.
Der wahre Erfolg der Agitation der Bayernpartei für Bayern zeigt sich neuerdings in einer unerwarteten Form Die Verdienstmedaille, die dem braven weiß-biauen Kämpen sozusagen für jeden wieder aus Bayern exmittierten Landfremden winkt, hat eine Kehrseite, die sich als ades andere denn als angenehm erweist. Ob durch das Geschrei der Bayernpartei angewidert oder verängstigt: die nichibayerischen Fremden meiden das Land.
Die Fremdenbetten stehen zum Teil leer. Dafür füllen sidi die Briefkästen und Schließfächer der Bürgermeister und Land rate mit Absagen und Versicherungen, nie wieder das Jagdgebiet der Bayernpartei zu betreten. Das ist nicht nur die Quittung für die Reden der Herren Fischbacher, Lallinger und anderer, hier präsentiert sich auch eine Art Vergeltung für die herzlose Haltung, die gerade manche Fremdenverkehrsorte im bayerischen Alpengebiet den Ausgebombten und Füchtlin- gen gegenüber an den Tag legten.
Noch trösten sich die Fremdenverkehrsorganisationen und Kurdirektoren mit dem Hinweis auf die allgemeine Geldknappheit über ihre Sorgen hinweg. Wenn aber erst die Grenze nach Tirol und Oesterreich geöffnet sein wird, wird manch einer, der der Bayernpartei in den Sattel half, darüber nachden- ken,' daß mit Geschrei und Egoismus allein kein Geschäft zu machen ist. Aber dann ist es zu spät. Denn dann werden die Fiüchtl’nge, die Ausgebombten und alle anderen nach Südbayern verschlagenen armen Teufel, die speziell im bayerischen Fremdenverkehrsgebiet mehr Schimpfreden als Hilfe fanden, dafür sorgen, daß das gute Geld dorth'n getragen wird, wo die innere Haltung der Bevölkerung mit der Schönheit der Natur einigermaßen übereinstimmt.
Jauchefäßern wird im Siegener Bezirk alles produziert. Trotz schwerer Demontageschäden sind im zweiten Halbjahr 1948 n : cht weriger als 38 000 Tonnen Fertigfabrikate auf den Markt gekommen, Güter, die einen Wert von 43.1 Millionen DM ausmachen.
Kurz vor dem Zusammenbruch barg man in Bergwerkstollsn sechs Kisten m-'t dem Aa-. ebener Domschatz. Schreine, Lotha: kreuz, die Gebeine Karls des Großen und all die vielen Hundert anderen Reliquien und Kostbarkeiten wurden von der US-Armee im Mai 1945 nach Aachen zurückgebracht. Dabsi ist dann jenes Wort gefallen, das ein amerikanischer Negerfahrer von sich gab, 'als er dreimal unverrichteter Dinge von Siegen nach Aachen zurückfuhr: „All this trouble for these old bo- nes.. “ Nun, Aachen ist jedenfalls froh, daß es diese „old bones“ wieder hat und es fühlt sich seitdem ganz besonders mit Siegen verbunden, das der Stadt Karls des Großen wertvollsten Besitz bewahrte.
Schon werden Vorarbeiten geleistet, aus diesem Raum einen einheitlichen Regierungsbezirk zu machen. Aber zunächst bleiben das Wünsche, an eine Verwirklichung ist noch nicht zu denken. Wenn aber die Zeit dafür reif ist, darf man erwarten, daß die verantwortlichen Politiker dann eine bessere Lösung finden als 1815, wo der Wiener Kong-eß dieses Gebiet, in dem heute 400 000 Manschen leben, teils Nassau, teils Preußen zusprach. In Berlin aber wußte man mit diesem durch Gebirge in sich abgeschlossenen Gebiet nichts besseres anzufangen, als den von jeher zusammengehörenden Wirtschaftsraum wieder verschiedenen Provinzen anzugliedern. Es wäre eine Aufgabe unseres Jahrzehnts hier wieder gutzumachen, was damals in Unkenntnis der Zusammenhänge geschaffen wurde.
Tausende Ostvertriebene sind nach dem Krieg im Slegerland heimisch geworden. Es ist für sie nicht leicht, eins zu werden mit diesem bedächtigen, heimatstolzen Menschenschläge, der beharrlich und zäh se’ne Industrie zu enem wesentlichen wirtschaftlichen Faktor Westdeutschlands entwickelte. Um so erfreulicher mutet die Feststellung der Lehrer an den Siegener Schulen an. die meinten, man könne dem Dialekt nach die Krnder der Flüchtlinge kaum noch von der Siegener Jugend unterscheiden. An den jungen Jahrgängen löst das Flüchtlingsproblem sich auf ganz natürliche Weise denn die Liebe macht keinen Unterschied zwischen „zugewandert“ und „einheimisch“.