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SCHWÄBISCHES TAGBLATT

mit Frankreich ein vertragsloSCf Zustand be­steht. Die Situation muß schon sehr bedenk­lich sein, wenn ein Land Wie die Schweiz mit ihrer traditionell liberalen Handelsau ff ftssung so schwere* Geschütz auffährt. Was für die übrigen europäischen Staaten in bezug auf ihre internationale wirtschaftliche Verfolgung zutrifft, das gilt für die Schweiz noch in er­höhtem Maße.

Daß die Schweiz unter diesen Umständen vor allen Dingen auf einen lebhaften und aus­gedehnten Handel mit ihrem nördlichen Nach­barn Deutschland größtes Gewicht legt, versteht sich von selbst. Begreiflich ist auch, daß sie Wert darauf legen muß, Import und Export annähernd ausgeglichen zu sehen, denn der Export bestimmt, auf die Dauer gesehen, in weitem Maße den Lebensstandard eines Vol­kes. So dürfte also die Schweiz an der von der Europaunion gefordertenfreien Bewegung von Menschen, Gütern und* Kapitalien ganz unmittelbar und womöglich noch stärker als manche anderen europäischen .Nationen in­teressiert sein.

Aber auch für den deutschen Westen sind engste -wirtschaftliche Beziehungen mit der Schweiz lebensnotwendig. Vom Standpunkt der Wirtschaft Westdeutschlands aus muß nichts so sehr bedauert werden als die Hem­mung der schweizerisch-deutschen Handelsbe­ziehungen und die Erschwerung des ganzen Außenhandelsverfahrens und der Vertrags­verhandlungen. Es ist dabei auch daran zu er­innern, daß die Schweiz ihrem geschlagenen und verarmten Nachbarn in der Nachkriegszeit als erstes europäisches Land eine menschliche und wirtschaftliche Hilfe geliehen hat, die weit über das Maß allgemeiner humanitärer Pflich­ten fvnausgeht und mit der sich die Schweiz als ein guter Naehbar erwiesen hat trotz al­lem. Die deutsche Wirtschaft hat nur geringe Möglichkeiten, unmittelbar auf die Wiederher­stellung ausgedehnter, gutfunktionierender Handelsbeziehungen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit einzuwirken, aber der Druck der öffentlichen Meinung muß so stark wer­den, daß dieses Ziel, wenn nicht heute, so doch morgen erreicht wird.

England soll gehen

DUBLIN, Die neue irische Republik forderte Großbritannien offiziell zum Verlassen Nord­irlands auf. Ministerpräsident Costello brachte im Parlament eine Entschließung ein, in der Großbritannien inständig gebeten wird, die gegenwärtigeBesetzung der sechs Graf­schaften zu beenden. Anlaß zu diesem Antrag gab das sogenannte Irlandgesetz, das kürzlich im Unterhaus eingebracht worden ist und das jetzt vom britischen Unterhaus mit 317 gegen 12 Stimmen angenommen worden ist.

Pariser Besprechungen

TÜBINGEN. Landwirtschaftsminister Dr. Weiß weilte auf Einladung des französischen Landwirtschaftsministers P f 1 i m 1 i n g zur Besprechung landwirtschaftlicher Fragen in Paris. Kultusminister Sauer nimmt dort zurzeit -an einer internationalen kulturellen Tagung teil. Mit Staatspräsident Dr. Mül­ler und Staatsrat Prof. Dr. Karl Schmid, die auf Einladung von Ministerpräsident Schumann am 17. Mai nach Paris reisen, wird auch Innenminister Renner fahren. Bei dem .Besuch sollen aktuelle politische Fragen wie die Bonner Verfassung, die Ueberleitung der französischen Zone in die Trizone sowie Fragen des Außenhandels besprochen werden.

Aktionsausschuß für Südweststaat

TÜBINGEN. In Tübingen ist ein Aktions­ausschuß für den Südweststaat gebildet wor­den, dessen Vorsitz der frühere Reichslagsab­geordnete Farny übernommen hat. Dem Aus­schuß gehören die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien, mit Ausnahme der kommunistischen Partei an, außerdem der Bundespräsident der südwürttembergischen GewerkschaftenF leck, Landtagspräsident G e n g 1 e r , der Rektor der Tübinger Universität Erbe und der Land­tagsabgeordnete Bauknecht als Vertreter der ländlichen Bevölkerung.

Der Mensch in der Psychotherapie

Kretschmer bei der Keyserling-Gesellschaft

Es gibt eine Gretchen-Frage an jeden Psy­chotherapeuten. Sie heißt: Wie hältst dus mit dem Lebensziel? Wohin willst- du den Patien­ten bringen? Wie ist das Menschenbild, das du formen willst? Diese Frage behandelte Professor Emst Kretschmer vor dem erlese­nen Auditorium der Keyserling-Gesellschaft für freie Philosophie, die am Sonntag und Montag ipi Kursaal von Stuttgart-Bad Cann­statt ihre erste größere Tagung irf Süddeutsch­land abhielt.

Der Arzt, führte Prof. Kretschmer aus, kommt auf psychotherapeutischem Gebiet sehr rasch aus der Sphäre der Biologie in die der Ethik. Obgleich ihm als Naturwissenschaftler das religiöse Grundgefühl derschlechthini- gen Abhängigkeit nicht fremd ist, sollte er sich jedoch nicht die Attitüde des Predigers aneignen. Der Realismus des Hausarztes alter Prägung ist ihm angemessener. Beste Grund­lage der Menschenführung i3t Lebenserfah­rung. Harmonisierung des Patienten mit sich selber und seiner Umgebung, seine Befreiung von unproduktiven inneren Verspannungen bleibt das Endziel der Therapie. Jeder Charak­ter hat eine bestimmte biologische Grundrich­tung und optimale Bedingungen des Milieus. Auf diese muß er hingebracht werden, nach der Maxime: Werde, der du bist! Darüber spannt sich nun aber der große Rahmen der kulturellen Ueberlieferung, der Rahmenleit- biider der Gesellschaft und des Staates. Hier ist der Punkt, wo der Arzt unweigerlich auf ethisches Gebiet gerät Er hat zu entscheiden, wie weit gesellschaftliche Lebensleitbilder für den Einzelnen übernommen werden können und wie weit sie modifiziert werden müssen.

Freud hat diese Aufgabe erkannt. Aber er blieb mit seiner Konzeption vom Menschen, dem Sektionspräparat der sexuellen Trieb­struktur, in der Beschränktheit des Zeitgei­stes, dem er widersprach Seine Lehre ist auf dem Boden der ausgehenden Victorianischen

Gegen das Monopol der Ortskrankenkassen

Landtag beschließt nach heftiger Debatte Wiedererrichtung der Betriebs- und Ersatzkassen

** Eigene

BEBENHAUSEN. Am Donnerstag hielt der Landtag seine 59. Sitzung ab. Eine von der. Militärregierung gewünschte Neufassung des § 66 C des Betriebsräiegesetzes wurde geneh­migt. Durch sie wird eine unabhängige schieds­richterliche Instanz geschaffen, die im Falle eines Einspruchs des Betriebsrates gegen die Leitung des Betriebs darüber entscheidet, ob die Voraussetzungen für dieses Verfahren ge­geben sind.

Zu einer mehrstündigen Debatte kam es über den Ihitiativgesetzentwurfder CDU- und DVP-Fraktion über dieErrichtung von Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, die näfch dem Krieg zugunsten eines Mono­pols der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) durch die Verordnung Nr. 39 der Militärregie­rung aufgelöst worden sind. Der Wirtschafts­und Sozialausschuß hatte die Wiederzulassung aller Kassen mit 8:7 Stimmen abgelehnt. Der Äbg. Schwarz (CDU), der einen Angriff des Abg. Wieland in der kommunistischen Presse mit überlegener Ironie zurückwies, be­fürwortete sie, damit eine gesunde Konkur­renz geschaffen und das verletzte Recht wie­derhergestellt werde. Abg. Müller (SPD) gab zu bedenken, daß zu den Ersatzkassen nur solche Mitglieder zugelassen würden, die ei­nen bestimmten vorgeschriebenen Gesund­heitszustand auf wiesen, während die AOK alle aufnehmen müsse und daher ein größeres Ri­siko zu tragen habe. Abg. Dreher (CDU) verwahrte sich gegen die Vorwürfe, daß die Verwaltungskosten der AOK zu hoch seien Er wandte sich gegen einen die Wiedereinfüh­rung . der Betriebskrankenkassen fordernden Artikel, den eine Abgeordnete imSchwäbi­schen Tagblattverbrochen habe. Da Frau Dr. Mezger (SPD) die einzige Frau in unse­rem Landtag ist, vermuteten die meisten An­wesenden sie als Verfasserin. Sie ließ deshalb durch den Präsidenten erklären, daß sie nichts mit dem Aufsatz zu tun habe (er ist im Wirt­schaftsteil unserer Ausgabe vom 7. Mai er­schienen und stammt aus der Feder von Frau Margot Kaiinke, M. d. L., Hannover. Der Standpunkt, den die Verfasserin vertritt, wurde bei der Schlußabstimmung siehe un­ten! von der Mehrheit des Hohen Hauses

Bericht

geteilt. Die Red.) Abg. Holzhauer (SPD) wollte die Alleinherrschaft der AOK aufrecht erhalten wissen, weil diese einen wichtigen, kapitalbildenden Faktor darstellten.

Abg. Dr. L e u z e (DVP) betonte demgegen­über, daß die Aufgabe Siner Krankenkasse nicht in der Kapitalbildung, sondern in höch­ster Leistung für ihre Mitglieder bestehe. Bei einer Umfrage, die er selbst in zehn Fabriken habe durchführen lassen, hätten sich 95 Pro­zent der Betriebsangehörigen für die Errich­tung einer Betriebskrankenkasse ausgespro­chen, die mit den geringsten Unkosten arbeite, während die Mammutverbände Verwaltungs­paläste errichteten.

Arbeitsminister W i r s c h i n g (CDU) suchte zwischen den Fronten zu vermitteln, indem er einen SPD-Antrag, die Betriebs- und Ersatz­kassen zu verpflichten,Sozialrentner und Kriegsbeschädigte im gleichen prozentualen Verhältnis zu ihren Mitgliedern aufzuneh­men, guthieß. Er wollte ihn jedoch aus Zweck- mäßigkeitsgründen in einem besonderen zwei­ten Gesetzentwurf, den er in der nächsten Sitzung vorzulegen versprach, ausarbeiten. Abg. Fleck (SPD) und Genossen beantrag­ten deshalb, die dritte Lesung dos ersten Ge­setzentwurfes ebenfalls erst dann stattfinden zu lassen. Darüber entspann sich eine heikle Diskussion über die Auslegung der Geschäfts­ordnung, bei der sich die erfahrensten Ju­risten wie Staatspräsident Dr. Müller, Rechts­anwalt Dr. Leuze, Oberbürgermeister Dr. Ro­ser und Amtsgerichtsrat Gog an Scharfsinnig- keit zu überbieten suchten. Der Konflikt wurde von Dr. Leuze nicht gerade fair gelöst, indem er die Möglichkeit, mit Zweidrittelmehrheit von der Geschäftsordnung abzuweichen, aus- nützte. Abg Fleck legte gegen die Geschäfts­führung des Präsidenten Gengier Protest ein Schließlich würde das Gesetz gegen die Stim­men der SPD und KPD in dritter Beratung angenommen.

Eine Reihe weiterer Gesetzentwürfe wurde nach der ersten Lesung den zuständigen Aus­schüssen überwiesen. In seiner nächsten Sit­zung am 24. ds. Mts. wird sich der Landtag mit der Stellungnahme des Landes Württem- berg-Hohenzollern zum Grundgesetz befassen.

Nachrichten aus aller Welt

STUTTGART. Die neue Berufungsverhandlung gegen den ehemaligen Reichsbankpräsidenten Schacht findet am 30. Mai vor der Berufungs­spruchkammer Ludwigsburg statt Seinen ln einer Veranstaltung des Rhein-Ruhr-Clubs vorgesehe­nen Vortrag hat Schacht abgesagt.

FRANKFURT. In Höchst wurde ein dreistök- kiges Fabrikgebäude des früheren IG.-Farben- Konzerns durch Feuer zerstört. Der Schaden be­trägt etwa 50Ö 000 DM.

ESSEN. Hugenberg, der Führer der ehemaligen Deutschnationalen Partei, darf auf sein Gut im Kreise Lemgo zurückkehren, von dem er vor zwei Jahren ausgewiesen worden war. Hugen­berg lebte seither .in einem Altersheim.

DÜSSELDORF. Die am 18 April /geborenen siamesischen Zwillinge sind jetzt gestorben. Zu Anfang war ihr Wachstum normal, doch stellten sich später Kreislaufstörungen ein.

NÜRNBERG. Die im Nürnberger Wiihelm- straßenprozeß zu Freiheitsstrafen verurteilten Angeklagten wurden unter starker militärischer Bewachung Und gefesselt in das Gefängnis nach Landsberg überführt. Mit Ausnahme des ehe­maligen Reichsministers Lammers trugen die An­geklagten ' Sträflingskleidung.

MÜNCHEN. Die Vertreter der CSU. der SPD, der Bayernpartei, sowie Generalanwalt Dr. Auer­bach haben ihre Aemter Innerhalb der VVN zur Verfügung gestellt und sind aus der Organisation ausgeschieden.

HANNOVER. Der stellvertretende Finanzbera­ter des britischen Militärgouverneurs, Sir John Sheehy, ist in seiner Wohnung bei Herford von Einbrechern erschossen worden

BF,RLIN. Angehörige von Ostzonenpolizisten erhielten in den letzten Wochen die Mitteilung, daß der betreffende Volkspolizistin Ausübung seiner Pflicht für das demokratische Deutschland sein Leben eingebüßt habe. Bei diesen Todes­anzeigen handelt es sich nach der Agentur CIP

um Ostzonenpolizisten, die bei Kämpfen in Grie­chenland ums Leben kamen.

BERLIN. Der frühere deutsche Botschafter ln Moskau, Nadolny, dessen kürzliche Reise nach Westdeutschland Aufsehen erregt bat, wird sich heute wieder zu Besprechungen nach Westdeutsch­land begeben.

PARIS. Der österreichische Außenminister Gru- ber hat dem französischen Außenminister die Bitte unterbreitet, der Frage des österreichischen Staatsvertrages auf der Tagesordnung der Außen­ministerkonferenz den Vorrang zu geben.

BRÜSSEL. Für 1949 hat die belgische Kammer mit 93 gegen 68 Stimmen Kdnig Leopold III. eine Dotation in Höhe von sechs Millionen belgischen Franken bewilligt.

ROM. 5000 Mann der italienischen Polizei sind in Westsizilien zusammengezogen worden, um den Banditenführer Guiliano unschädlich zu ma­chen. Der Chef der italienischen Staatspolizei lei-' tet selbst die Operationen. Drei Polizisten sind bereits von Banditen erschossen worden.

KOPENHAGEN Fünf Dänen, die wegen Lan­desverrats während der Besatzungszeit zum Tode verurteilt worden waren, sind erschossen wor­den. Neun weitere Todesurteile wurden in le­benslängliche Haft umgewandelt.

LONDON. Thomas Dewey, der Gouverneur des Staates New York, ist in England eirtgetroffen. Er unternimmt eine Informationsreise durch Europa, die ihn auch nach Deutschland führen wird.

LONDON. Frankreich soll vorgeschlagen haben, Rußland eine Stimme in der Ruhrkontrolle zu geben, um dafür russische Konzessionen bei den Deutschlandplänen der Westmächte zu erhalten.

NEW YORK. Die Zahl der amerikanischen Tou­risten, die in diesem Sommer England und West­europa besuchen werden, wird von New Yorker Reisebüros auf 500 000 geschätzt.

Epoche gewachsen. Von ihrer Prüderie sagte Fontane:Leichtes Leben verdirbt die Sitten, aber die Tugendkomödie verdirbt das ganze Leben. Aber wenn die Victorianer den Se­xus verdrängten, so verdrängten die Psycho­analytiker die Scham. Der die ganze Freudsche Lehre durchziehende Gegensatz von Natur und Kultur Ist nach neueren naturwissenschaft­lichen Forschungsergebnissen falsch. Ebenso wie der Trieb ist auch "die Hemmung Natur, eines ist so gut biologisch verankert wie das andere. Das Triebleben ist polar angelegt, wie auch das Nervensystem antagonistisch gesteu­ert wird. Man begegnet hier dem wohltuen­den Gleichgewicht der Natur, das auch für die therapeutische Auffassung von menschlicher Harmonie maßgebend sein muß. Sinnenglück und Seelenfrieden sind, trotz Schillers Zwei­fel, vereinbar wenn vielleicht auch nur für kurze Epochen. Das Lebensleitbild der fran­zösischen Adelsgesellschaft des ausgehenden 17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts, gipfelnd in der Gestalt der Ninon de Lenclos, hat es gezeigt.

Der sexuelle Trieb, obgleich er durch Fehl­entwicklungen in der Pubertät und durch seine Neigung zur Bildung von Varianten die Wur­zel vieler Neurosen bildet, ist verhältnismäßig harmlos gegenüber den Aggressions- und Schmerztrieben, die jenseits des Sexus, wenn auch gelegentffch mit ihm verschwistert, ihre eigene archaische Domäne haben. In dieser Do­mäne hat Nietzsche denselben Denkfehler be­gangen wie Freud in der Domäne des Sexus Alle Aggression ist für ihn Natur, alle Hem­mung dagegen Kultur. Rs erscheint schwer für den Menschen, die produktive Spannung der Mitte zwischen den Polen zu halten. Er besitzt nicht mehr genug Instinkt, um der Sicherheit des Tieres teilhaftig zu sein, und noch nicht Verstand genug, um die Instinkte abzulösen. Der Mensch ist das tragische Tier. Die Ag­gressionstriebe können den Untergang brin­gen, ehe sie gebändigt sind. Den Aerzten bleibt nicht mehr, als Inseln der Vernunft zu schaf­fen: ein Menschenbild, das zwischen den Ex­

tremen frei und mit dem Mut zu sich selber im Raume steht.

Den zweiten der sechs Vorträge, die im Mit­telpunkt der Tagung standen, hielt Professor Helmuth von Glasenapp. Er gab einen durch viele fesselnde Einzelzüge belebten Ueberblick über die Einwirkungen des indischen Geistes auf die deutsche Philosophie von Kant bis zu Keyserling. Seine warmherzige, humorge­würzte, überlegen fabulierende Art des Vor­trags gab seiner Darstellung eine starke und unmittelbare Resonanz. Beiden Rednern wurde mit nachhaltigem Beifall gedankt. Ma.

Ulmer Theaterleben

Seit Intendant Alfred M e n d 1 e r nach dem Kriege auf eigenes Risiko ein Schauspielensemble zusammenholte und in der zum Theater umge- stalteten Turnhalle der Wagnerschüle spielte, bis auf die jetzige Spielzeit, da die Städtische Bühne immer noch einen beträchtlichen Zuschuß erhält, hat er als Theaterleiter, Spielleiter und Darstel­ler in erster Linie das Schauspiel zum stärksten künstlerischen Faktor des Theaterlebens gemacht. Seine künstlerische Persönlichkeit ist durch "ein vitales Temperament und Gefühl bestimmt, das sich in seinem weithin bekannten Harras (inDes Teufels General mit hundert Aufführungen in Ulm und auf Gastspielreisen) ebenso auslebt wie als Petrucchio oder als Macbeth. Als Spielleiter macht er Wort- und Ideengehalt besonders der Klassiker auf mitreißende, impulsive Weise leben­dig:Don Carlos, ShakespearesMaß für Maß, bei dessen Erstaufführung. er die dichterisch-ethi­schen Schönheiten und die Komödienelemente zu einem präzisen und doch beschwingten Stil formte, MolinasDon Gil war reizvolles, südlich ent­flammtes Komödienspiel.

Oberspielleiter Dr. Meyer, der nächste Spiel­zeit als Intendant nach Heidelberg geht, dankt man zahlreiche gründliche und stilvolle Inszenie­rungen, unter denen LaverysDie erste Le­gion wohl die stärkste und geschlossenste Lei­stung bot. Weniger Eindrude machte Brechts Puntila und sein Knecht, was aber zum größ­ten Teil im Stück selbst begründet war.

Josef Eschenbrücher. ein Darsteller von schöner Transparenz und Durchgeistigung auch im Sprachlichen, beherrscht als Regisseur und Schauspieler auch den gepflegten, beschwingten

14. Mai 1949

Auch nicht das Richtige

o.Ji. Der Deutsche, der heute aus geschäft­lichen Gründen ins Ausland reißen muß, wird immer wieder feststellen müssen, daß es wohl noch lange dauern wird, bis draußen in der Welt die feindselige Stimmung gegenüber den Deutschen vollständig abgeklungen ist. Wir haben uns diese Feindschaft ja selbst zuzu­schreiben, denn sie ist nicht, wie etwa im ersten Weltkrieg, das Ergebnis einer geschickten Kriegspropaganda, die sich kaum auf Tat­sachen stützte, sondern eine Folge unseres Handelns oder sagen wir besser der Handlun­gen Deutscher, die unseren Namen für alle Zei­ten beschmutzt haben. Es ist deshalb begreif­lich, daß die Animosität gegen uns am stärk­sten noch immer dort ist, wo als Folge der hit- lerschen Angriffskriege auch alle jene Verbre­chen begangen worden sind, die das vergan­gene Regime kennzeichnen.

Für diese Einstellung uns gegenüber haben wir deshalb sehr weitgehend Verständnis und wir sind auch der Meinung, daß für uns ge­rade bei den Völkern, die durch uns zu leiden hatten, größte Zurückhaltung angebracht ist Wir können nur darauf hoffen, daß die Zeit eines Tages auch diese Wunden heilt wenn es auch nicht von heute auf morgen sein wird und daß wip eines Tages wieder überall im Ausland willkommene Gäste sein w'erden.

Mit welcher Reaktion wir im Ausland heute noch zu rechnen haben, zeigt der Brief, den die Stuttgarter Firma H. auf die Mitteilung vom Ableben ihres Inhabers, die sie ihren frühe­ren und jetzigen in- und ausländischen Ge­schäftsfreunden sandte, aus Amsterdam er­hielt urid die folgenden Wortlaut hat:

Amsterdam-Z, 10. Februar 1949

Wir haben heute Ihre Mitteilung erhal­ten, daß Herr A. H. verstorben ist, kur? vor Vollendung seines 69. Lebensjahres.

In den Jahren von 1940 bis 1945 sind hier in Holland von Ihren Landsleuten eine ganze Menge Leuten kurz vor der Vollen­dung ihres.69. Lebensjahres errnördert, so auch Leuten unter 68 Jahre und zwar sogar Babys.

Es kann uns dann auch nur mit großer Freude erfüllen, daß mindestens wieder ein deutscher weniger auf der Welt ist.

gez. Unterschrift

Wir können bis zu einem gewissen Grade die Stimmung verstehen, aus der heraus,ein solcher Brief geschrieben worden ist, meinen aber doch, daß sie aus einer Gesinnung kommt, die nicht gerade geeignet ist, ein neues Eu­ropa aufzubauen. Denn auch sie läßt im Grunde genau so, wie die Kriegsverbrecher dies ge­tan haben, die Grundlagen europäischer Kul­tur und Gesittung, nämlich die Lehren des Christentums außer acht.

Ein Abschreckungsmittel

LONDON. Außenminister Bevin, der am Donnerstag im Unterhaus die Ratifizierung des Atlantikpaktes befürwortete, bezeichnete als den eigentlichen Zweck dieses Paktes die Abschreckung. Das Ziel sei, einen Angriff zu riskant erscheinen zu lassen und dem be­rechnenden Angreifer klar zu machen, daß die Niederlage sein sicheres Ende sei. Bevin sagte:Das Ergebnis des Paktes ist, daß wir nicht länger von anderen als eine Anzahl schwacher, untereinander uneiniger Nationen behandelt werden können. Die neue Situation kann sehr leicht zu einer Anerkennung die­ser Tatsache und einer endgültigen Bereini­gung führen.

Das Unterhaus hat den Pakt mit 333 gegen 6 Stimmen ratifiziert.

Herausgeber und Chefredakteure:

Will Hanns Hebsacker und Dr. Ernst Müller Mitglieder der Redaktion. Gudrun Boden. Di. Wil­helm Gail Dr. Otto Haendle, Dr. Helmut Kiecz*.

Joseph Klingelhnfer und Franz Josef Mayer Verlag und SchrifUeitung; Tübingen Uhlandstraije ! Monatlicher Bezugspreis elnschl. Trägertohn 2.- DM. durch die Posr 2,27 DM Einzelverkaufspreis '20 Pt Erscheinurtgs'age Montag. Mittwoch- Samstag. Unverlangte Manuskripte werden nur bei Portobei­lage zurückEegebeo

Druck: Tübinger Chronik, Druckerei- und Verlags­genossenschaft eGmbH.

Komödienton (SchweikartsIch brauche Dich ) Carlheinz Emmerich ist der reifste .und viel* seitigste Darsteller. Elsbeth Mendler-Ja- g e r s Schauspielertem lebt aus der Spannung zwischen glutvoller Leidenschaft und zügelnde® Intellekt, die im Verein mit ihrer klangvollen Stimme vor allem ihren klassischen Rollen gül­tige Prägung gaben. Ein ursprüngliches, mimisen- körperliches Temperament gibt auch ihren komö­diantischen Rollen Eigenart. .

Oper und Operette' wiesen im Lauf der Spiel­zeiten sehr unterschiedliche Leistungen auf. Nach­dem der frühere Kapellmeister Tilli ter Jun« wieder ein Orchester zusammengestellt hatte, wurde mit einem Rest des alten Opernensembies ltnd einem Hilfschor RossinisBarbier von Se­villa und in der folgenden SpielzeitTieflano undBoheme gegeben, jeweils unter Zuziehung von Gästen. Der Fehler, an dem auch die -lau­fende Saison mitFreischütz,Bajazzo,Caval­leria rusticana,Butterfly undFidelio 1 kW. 1 }? war, daß man nicht ein kleines, aber vollgültig besetztes Opernensemble unter einem erfahrene Opernleiter zusammenstellte und den Spielp® streng nach den Möglichkeiten ausbalancierte.

Trotzdem muß anerkannt werden, daß von aeu teilweise guten heimischen und gastweise tätig Kräften manchmal anerkennenswerte Leistung» erzielt wurden. Neben ter Jung als Ding und Dr. Meyer als Regisseur ist Heinz La nay> der Bühnenbildner zu nennen, der bei aller n Schränkung auf das Wesentliche in Schausp -! Oper und Operette (Zigeunerbaronih* maus,Czardasfürstin,Im weißen Rößl ) rau . lieh die Kleinheit der Bühne raffiniert ausnm zende, in Aufbau und Farbstimmung stets Stil des Stüdes treffende Bühnenbilder schuf-

Dr. E. h-

Cärl Zuckmayer hat die Bearbeitung Vollendung eines nicht ferttggestellten Drain aus dem Nachlaß von Gerhart Hauptmann nj dem TitelHerbert Engelmann übernommen.

Als Seeaufführung, bei der auch die Wien Philharmoniker mitwlrken, kommt bei den ui jährigen Bregenzer Festspielen D Nacht von Johann Strauß zur Aufführung.

Die deutsche Akkordeonmeist e

Schaft wird am 14. und 15. Mai in Konst ausgetragen. Die Sieger sind zur Teilnahme dem Weltmeisterschaftswetbewerb Ende Jun

Spaa berechtigt.