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Mil äen illustrierten Unterhaltungsbeilagen „Zeierslunäen" unä ^Unsere Heimat"
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Gegründet 1826
Samstag, den 2. Oktober 1826
TagessPiegeL
Trotz der Verbiudlichkeitserkläruug des Schiedsspruchs durch den Rerchsarbeitsminister sind die Hafenarbeiter in Hamburg in den Streik getreten.
Der polnische Staatspräsident beauftragte Pilsudski mit der Bildung des neuen Kabinetts. Die Gewerkschaften halten sich zum Generalstreik bereit.
Die Lmosciregierung hat Polen einen Sondervertrag «mgebsten.
Der tschechische Außenminister Benesch geh! in längeren Urlaub. Es wird davon gesprochen, daß er nicht mehr auf feinen Posten zr rückkehren werde.
Da der belgische Imanzminisier Arancgui bei Poincare kein Glück gehabt hat und Frankreich seine Währrrnasnot ohne Rücksicht aus Belgien kurieren will, reist Francqui nach London, um dort eine Währr-ngsankeihe zu suchen.
2n Spanien sind wegen der Auflehnung gegen Primo 'de Rivera vom Kriegsgericht 4 Obersten, Z Oberstleutnants, 12 Majore, 18 Hauplleuke und 5 Leutnants degradiert worden.
Rach einer Konsiankinopcler Meldung hak die Türkei mit China einen Areundfchafts- und Unterstühungsvertrag abgeschlossen.
Präsident Coolidge ernannte Charles Evans Hughes, den früheren Staatssekretär, zum amerikanischen Mitglied des Haager Schiedsgerichtshofs.
Politische Wochenschau.
Die Erörterungen über Thoiry gehen werter. Wohl hat sich das deutsche Reichs kabinett hinter seinen Außenminister Dr. Stresemann gestellt, aber in der Hauptsache eben doch nur in dem Sinn, daß die in Thoiry begonnenen Verhandlungen fortgesetzt werden sollen. Daneben wird in der Presse lebhaft die Frage erörtert, ob die von Frankreich geforderten „Gegenleistungen" — denn ohne eine solche wird ein Poincare auch nicht einen Soldaten aus dem Rheinland abberufen — des Gewinns wert sind. Len wir mit der sofortigen Befreiung der Rheinlands und des Saargebiets erwarten. Dr. Stresemann hat freilich recht, wenn er wiederholt erklärte, es sei wichtiger, dem ganzen deutschen Volk die Freiheit wieder zu geben, als noch so schwere finanzielle oder wirtschaftliche Lasten zu übernehmen. Was aber, wenn unter diesen Lasten — man berechnet sie bei 7proz. Verzinsung und Iproz. Amortisation auf jährlich 640 Millionen Mark in Devisen — unsere Währung gefährdet und unübersehbarer Schaden über Deutschland gebracht wird? Schon die Dawesleistungen sind das Aeußerste, was man uns zumuten kann. Was darüber ist, das ist vom Uebel, oder Wirtschaftlich einfach untragbar.
Schon hallt ein häßliches Echo auf Genf und T hoiry von Frankreich herüber. Es sind die Reden Poincares von Saint Germain und Bar le Duc. Die letztere, eine seiner vielen berüchtigten Sonntagsreden, kennzeichnet so recht den unverbesserlichen hartgesottenen Sünder. Man traut seinen Ohren nicht, wenn der „Totengräber Europas" heilig und hoch versichert: „Keine Nation hat weniger Len Krieg gewünscht und gesucht und die französische Republik hat alles getan, um ihn zu verhindern ... So berechtigt such seine Beschwerden gewesen, hat Frankreich dennoch niemals die Absicht gehabt, gegenüber seinen ehemaligen Gegnern eine Politik des Grolls und des Hasses zu treiben . . . Niemand wird sich wundern, wenn es vor dem ungewissen Morgen weder seine vertraglichen Rechte stören, noch seine Wachsamkeit aufgeben lassen wird." Man sieht hier wieder: Niemand kann über seinen Schatten springen. Ein Poincare erst recht nicht.
Was sagt Briand dazu? Das klingt doch ganz anders als seine wunderschöne, zuckersüße Begrüßungsrede, die er beim Eintritt Deutschlands in den Völkerbund unter lautem Jubel der Vertreter der Völker in Genf gehalten hatte. Nach Poincares Ankündigungen in Bar le Duc bleibt einfach alles beim alten. Thoiry — ein schöner, aber ein kurzer Traum!.
Wie die rauhe Wirklichkeit aussieht, zeigte blitzartig der zweite Fall von Germersheim. Noch ist jene beispiellose Verhöhnung der deutschen Krieger und der deutschen Hoheitszeichen im Juli nicht gesühnt — der Kyffhäuser Bund hat erst am letzten Sonntag Genugtuung verlangt — und schon meldet der Draht von einer unerhörten Tat französischer Offiziere, bei der zwei Deutsche schwer verletzt wurden und einer sein Leben lassen mußte. Man kann freilich die Pariser Regierung nicht unmittelbar für derartige Vorkommnisse verantwortlich machen. Aber sie sind eben doch Aeußerungen einer Volksseele, die von dem Geiste von Locarno noch lange nicht durchdrungen ist. Jedenfalls gilt dies von dem brutalen „Siegerübermut", der trotz Thoiry nach wie vor im französischen Heer oorwaltet.
Die Germersheimer können einem wirklich leid hm, und die ganze Welt wird es verstehen, wenn sie in ihrer Bedrängnis direkt an den Völkerbund einen Notruf richteten. Die aufs höchste erregte Bevölkerung fordert einmütig unbedingte Sühne für das scheußliche Verbrechen »n dreier ihrer Söhne. — Wollen sehen, was in Genf hierauf geschieht? Ob auch dieses Schriftstück in den Weitpapierkorb wandert? Jedenfalls ist es eine Herausforderung sondergleichen. daß der ruchlose Mörder, Unterleutnant Rouzier,
nach einige Tage frech in Len Straßen von Germershelm sich zeigen durfte. Für solche Dinge kann man jedenfalls Paris verantwortlich machen.
In England ist man über die sogenannte deutschfranzösische Annäherung wenig erbaut. Man befürchtet die Entstehung einer England aus dem europäischen Einfluß ausschaltenden Mächtegruppierung. Ueberhaupt scheint man in London über den zunehmenden Einfluß Frankreichs im Völkerbundsrat, wo es jetzt über fünf ganz sichere Stimmen verfügt, sich allerlei T rgen zu machen. Für diesen ungeschickten Verlauf der Genfer- Tagung macht man Chamber lain verantwortlich, wie auch dafür, daß er Chinas Beschwerde über die Schanblat am oberen Uangtse nicht rechtzeitig verhindert habe. Dadurch sei England vor aller Welt bloßgestellt worden. Dies alles ist um so peinlicher, als in 14 Tagen hfe R e i ch s k o n f e r e n z in London Zusammentritt, wo man sich u. a. auch über Locarno unterhalten will. Bekanntlich sind einige Dominions des englischen Riesenreichs, so namentlich Kanada, gar nicht dafür, daß England sich für die deutsch-französische Grenze verbürgt. England solle seine Finger von den kontinentalen Händeln weglassen.
Die größte Sorge Englands ist aber etwas andres: der immer noch währende Kohlen streik. Er dauert nun volle 150 Tage, und just kam Las Unterhaus zu einer Sondersitzung zusammen, um mit 190 gegen 90 Stimmen die Verlängerung des Belagerungszustands zu beschließen. Allerdings arbeiten bereits 140 000 Grubenarbeiter und 60 000 Sicherungsarbeiter zu den alten Bedingungen; der Streik ist also am Abbröckeln. Aber er hat der englischen Wirtschaft etwas gekostet. Man schätzt den Gefamtschaden dieser fünf Monate auf 6 Milliarden Mark, ein Schaden, von dem nicht etwa bloß die Kohlen- und Eisenmärkte, sondern auch die Textil- und die Transportindustrie, somit nahezu die Gesamtindustrie Englands, empfindlich mitgenommen wurde. Und dann muß es gut gehen, wenn die Arbeiter von ihren drei Grundforderungen — keine Minute weitere Arbeitszeit, keinen Pfennig weniger Lohn und keine örtliche ^sondern eine allgemeine, Las ganze Land umfassende) Regelung! — etwas reiten. Dabei scheint alle drei Teile die Schuld zu treffen: die Arbeiter mit ihrem Führer Cook, daß sie zu viel forderten und die geschickten Gelegenheiten verpaßten, die Unternehmer, Laß sie zu wenig Patriotismus und Opferwilligkeit betätigten, und die Regierung Baldwin, Laß sie nicht aus beiden Seiten energischer eingrifst
In R u m ä n i e n ist die Freude über den italienisch- rumänischen Vertrag schr klein. Man setzt cm ihm aus, daß demselben die Hauptsache Me, nämlich di« Ga. rantie für Bessarabien, Kr dessen rumänische» Besitz gegenüber dem angriffÄuftigen Rußland man aber doch ziemlich besorgt ist. Uvereseu wird es also nicht so leicht haben, bis er den Vertrag sin Parlament durchsetzt. Dazu kommt noch die schwere Erkrankung -es Königs. Niemand weiß heute, wer sein Nachfolger werden soll?
In den Verhandlungen zwischen den Vertretern des preußischen Königshauses und dem preußischen Staatsministerium soll endlich ein gewisser Abschluß erreicht worden sein. Es ist gelungen, die Grundlinien für den kommenden Vergleich festzulegen. Beide Teile mußten nachgeben.
In der Sitzung des Hauptausschufses der Reichsbank stellte Reichsbankpräsident Dr. Schacht fest, daß der Notenumlauf der Reichsbank und ebenso der gesamte Zahlung», mittelumlauf in der Zeit vom 23. Juni bis 23. September eine Vermehrung von rund 300 Millionen Mark zeige. Dies sei in der Hauptsache auf Las unerwünschte weitere Hereinströmen von Auslandskrediten zurückzuführen, nicht aber auf die Hebung der allgemeinen Wirtschaftslage. Wenn es auch in einzelnen Zweigen neuerdings besser gehe, so dürfe man daraus noch keine Rückschlüsse auf das Gedeihen des Gesamtkörpers ziehen. Das beweise die immer noch große Zahl der Erwerbslosen. Auch die Kreditbeschaffung für Bauzwecke sei immer noch zu teuer. Erstklassige Hnvotheken erhalte man immer noch nicht unter 10 Prozeni.
Reichspräsident v. Hindenburg vollendet am 2. Oktober sein 79. Lebensjahr. Das ist ein Wort. Aber auch ein Wunder, vor dem man staunen muß, vollends wenn man das Glück hatte, die geradezu jugendliche Rüstigkeit und unermüdliche Ausdauer dieses ergrauten Feldmarschalls, dem Deutschland seine Rettung in schwerster Not zu verdanken hat, bei den Herbstmanövern in Mergentheim mit eigenen Augen bewundern zu dürfen. Es wird wenige Deutsche geben, die an Hindenburos Geburtstag nicht seiner dankbar gedenken. Und was sollen wir ihm wünschen? Was anderes, als er es sich selbst vor seiner Wch! zum Reichspräsidenten gewünscht hat: „Deutschland hat in schwerer Stunde bewiesen, was cs durch Einigkeit zu erreichen vermag. M'-r ist das Glück beschieden gewesen, mit einem einigen Volk den Feind von unseren Grenzen fernzuhalten. Dieser großen Zcir deutscher Geschichte sind schwere Jahre gefolgt. Wir haben die ganze Last eines unglücklichen Kriegsausgangs auf uns nehmen müssen. Es ist dabei leider auch vieles von dem Einigkeitswillen bei uns verloren gegangen. Der schönste Abschluß meines Lebens wäre es daher, wenn ich noch sehen dürfte, daß wir uns wieder mit der gleichen Einigkeit in friedlicher Arbeit am Wiederaufbau zusammenfinden. die uns einst beseelt 6"*"
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Fernsprecher Nr. 29
Ivo. Jahrgang
Reneftes vom Lage
Der Zav Friedenstmrq
Berlin, 1. Okt. Die Behauptungen des Vizepolizeipräsidenten Dr. Friedensburg in der Versammlung de» Republikanischen Reichsbunds, daß die Reichsregierung und Las Büro des Reichspräsidenten sich fortwährend Eingriffe in die preußische Verwaltung erlauben, sind hier sehr ernst genommen worden. Es wird festgestellt, das Friedensburg aus Grund seiner Kenntnis von inneren, also vertraulich zu be' ändelnden, Vorgängen Behauptungen aufgestellt hat, die aus rein parteipolitische Wirkung berechnet wärest, ,vnd daß er das Amtsgeheimnis, das ihn, zumal als D' ^Polizeipräsidenten, zu strengster Verschwiegenheit übet' innere Vorgänge und Tatbestände verpflichtet, gebrochen hat. Er habe sich damit eines schweren Verstoßes gegen feine Dienstpflicht schuldig gemacht, der um so schwerer wiegt, als die „Enthüllungen" Friedensburgs die Tatsachen vollständig in parteipolitischem Interesse entstellte. In Regierungskreisen hat es ferner Aufsehen erregt, daß Friedensburg die Angriffe auch gegen den eigenen demokratische» Parteigenossen, den ReicAminister des Innern Dr. Külz, gerichtet hat. Es wird ferner darauf hinoewiesen, daß Friedensburg auch sonst die für sein Amt notwendige Haltung habe vermissen lassen. So übergab er der Presse Bilder von angeblichen Gebräuchen eines Vereins romantischer Jünglinge, die sich „Ritter vom feurigen Kreuz" nannten. Der Verein wurde kürzlich vom Berliner Polizeipräsidium aufgehoben. Um diese Aufhebung in der Oefsenttichkeit zu rechtfertigen, wurden die Ausnahmen in die Zeitungen gebracht. Es wurde dann aber festgestellt, daß die haarsträubenden Zeremonien in dem Verein ganz unbekannt und daß die Aufnahmen vom Polizeipräsidium tzusammengestellt worden waren, was aber Friedensburg de« Blättern gegenüber verschwieg. Auch dieser Fall soll nur» mehr weiter verfolgt werden. Zunächst hat sich der Minister des Innern, Severing, dem Büro des Reichspräsidenten- gegenüber über die dienstlichen Verfehlungen seines Untergebenen zu äußern.
Die Beisetzung -es Opfers in Germersheim
Germersheim, 1. Okt. Der von dem französischen Leut- nani Roucier getötete Arbeiter Emil Müller wurde gestern nachmittag unter Anteilnahme der gesamten Be- völkerung der Stadt Germersheim und einer großen Anzahl von Leidtragenden aus der ganzen Pfalz zu Grabe getragen. Die Geschäfte waren während der Beerdigung geschlossen. Unter dem Geläut der Glocken der Germersheimer Kirchen beider Konfessionen und unter dem Klang eines Trauermarsches setzte sich der riesige Trauerzug lanK firm in Bewegung. Nach der Einsegnung der Leiche durch katholischen Stadtpfarrer hielt der Regierungspräsident Der Pfalz im Namen der bayerischen Staatsregierung eine Ansprache. Darnach ergriff der 1. Bürgermeister yo» Germersheim, Schmidt, das Wort.
Reue französische Heldentaten
Koblenz, 1. Okt. Ein Studienassessor des Kaiserin-A» gupa-Gymnajiums in Koblenz hört« in später Abendstunde bei der RooiflEa^ -ute Hilferufe einer weiblichen Person, Er eilte lflnzu, wurde aber plötzlich von mehreren zösischen Militärpersonen überfallen und so lange mit ken und Reitpeitschen geschlagen, bis er blutüberströmt bewußttos zujammenbrach. Was mit der überfallenen Fra» geschehen ist, ist nicht bekannt geworden.
Södtirol — militärisches Schutzgebiet
Bozen, 1. Okt. Durch Maueranschlog wird in TÜdtirvt das ganze deutschsprachige Gebiet der Provinz Trient als militärisches Schutzgebiet bezeichnet. Topographische Abnahmen für ganz Südtirol find verboten. Das Photographieren ist verboten im Münstertal, in Reschen, am Nordabhang des Vinschgau, am Westabhang des Pafseiertats, m dckt Zone nördlich des Jaufen und von Sterzing und an de« Nordabhängen des Pustertals. Das Betreten verschieden« Zonen, unter anderm des Brennergebiet«, wird streng bestraft.
Ehamberlom und Mustokni in Livorno Bom. 1. Okt. Die „Agencia Stefani" gibt über di« Z»> sammenkunst Chamberlains und Mussolinis i» Livorno einen Bericht, aus dem kurz gesagt wird, die Äaats- männer der beiden befreundeten Staaten bei -er Prüfung der bedeutendsten wichtigsten internationalen Fragen die Engverbundenheit und die Uebereinstimmung der Richtlinien ihrer Politik feststellen können. Das faszistische „Giov- nale d'Jtalia" betont, England erkenne die Notwendigkeit einer Ausdehnung Italiens an. Es bestehe ferner Einigkeit, daß jede Abänderung des Versailler Vertrags, die etwa bei einer deutsch-französi? scheu Verständigung in Frage käme, der G-nohm* gung Italiens und Englands bedürfe.
Der Sejm gegen Pilsudski
Warschau, 1. Okt. Die Ablehnung der SO Million«, Aoty, die Pilsudski für Heeresbesoldungen mehr gefordert hatte, durch den polnischen Senat hat im ganzen Parlament eine gereizte Stimmung gegen die Regierung geschaffen, die gesteigert wurde dadurch, daß nach der Miß- trauenserklärung des Sejm (Abgeordnetenhaus) gegen den Innen- und den Unterrichtsminister dasselbe Kabinett von Diliudski wieder berufen wurde. Der Seim bat nun. nach»
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