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31. Januar iytj

die Westalliierten von größerem Nutzen *ei als ein schwaches Norwegen und Dänemari« in der Atlantikunion. Alle Ueberredungsversuche Schwedens sind sowohl in Washington als auch in Oslo und Kopenhagen gescheitert. Es wird in Europa keinen dritten Block geben. Die Fronten haben sich vielmehr durch die Ent­scheidung in Oslo und durch die russische War­nung nur versteift. Zug folgt auf Zug in immer schnellerer Folge.

Wer weiß, ob der Beschluß der Außenmini­ster der Westunion einen europäischen Rat zu gründen, schon gefaßt worden wäre, wenn man nicht die aus dem Osten drohende Gefahr als brennend und nicht mehr mit den üblichen diplomatischen Mittelchen bannbar angesehen hätte. Man handelt also aus genau den glei­chen Ueberlegungen wie die für das Schicksal Norwegens und Dänemarks verantwortlichen Staatsmänner. Wenn die Situation nicht so ernst wäre, so könnte man sich über den Lon­doner Beschluß, der vielleicht einmal später als der für die Zukunft Europas bedeutsamste gewertet werden wird, von Herzen freuen. So aber ist besonders nach der sowjetischen Er­klärung der Freude über den Fortschritt auf dem Wege zu einem geeinten Europa die Sorge beigernischt, daß wir damit vielleicht doch zu­gleich auf der endgültigen Spaltung von Ost und West, hinter der die letzte Auseinander­setzung droht, näher gekommen sind, wenn nicht mit dem Stalin-Interview eine Möglich­keit für den Ausgleich sich in letzter Stunde ankündigt.

Forderungen der SED

BERLIN. Die am Freitag beendete SED- Parteikonferenz hat ein Manifest an das deut­sche Volk beschlossen, das eine Reihe von For­derungen enthält. Es wird verlangt: die Wie­derherstellung der politischen und wirtschaft­lichen Einheit Deutschlands und die Bildung einer gesamtdeutschen Regierung, die Auf­hebung der Ruhrkontrollbehörde, die Durch­führung der demokratischen Bodenreform und die Enteignung der Kriegs- und Naziverbre­cher in ganz Deutschland. Weiterhin wird ge­gen das Besatzungsstatut protestiert, der Ab­schluß eines Friedensvertrages und der Ab­zug aller Besatzungstruppen nach Unterzeich­nung des Friedensvertrages verlangt.

Ein Offizier der sowjetischen Kommandan­tur in Leipzig, der versucht hatte, mit 1,2 Mil­lionen DM nach Westdeutschland zu fliehen und an der Zonengrenze abgefaßt worden war, ist zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wor­den.

Kampf den Schmugglern

BERLIN. General C1 a y hat den Brigade­general Schwarzkopf mH der Unschäd­lichmachung des westdeutschen Schmuggel­ringes beauftragt. Clay schätzt, daß Industrie­güter im Werte von 200 Millionen Dollar jähr­lich ins Ausland geschmuggelt wurden. Im Zu­sammenhang mit der entdeckten internationa­len Schmugglerbande sind von der französi­schen Polizei in Tirol drei amerikanische Be­amte verhaftet und an die amerikanischen Be­hörden in Salzburg ausgeliefert worden. Sie­ben Hauptanführer, ehemalige DPs, befinden sich in Dachau in Haft

Sammlung für Demontage-Verweigerer

BOCHUM. 11 000 Arbeiter des Bochumer Vereins haben beschlossen, für die Familien der sechs Demontage-Verweigerer, die, wie wir in einem Teil der Samstagausgabe bereits be­richteten, je sechs Monaten Gefängnis ver­urteilt worden sind, eine Sammlung zu ver­anstalten. Die Arbeiter wollen 0.Z0 DM von ihrem Lohn beisteuern. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Arnold, bezeichnete das Urteil als hart für die Betroffenen und unverständlich für die deutsche Bevölkerung.

Herausgeber und Chefredakteure: W. H. Hebsacker. Df nrnst Mütter und Alfred Schwenger Mitglieder der Redaktion. Gudnm Boden. Dt. WH- hetm GaM Dr. Otto Haendle, Dr. Helmut Kiecza. Joseph Kffngelhrifer und Franz Toset Mayer

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Francos Feind Nr. 1 eine Frau

Die Herzogin von Valencia kämpft gegen Spaniens Diktator

Sitzung des höchsten spanischen Militärtribu­nals. Eine kleine schmale Tür in der Wandtäfe­lung öffnet sich. Begleitet von drei Gendar­men betritt eine schöne junge Frau den Saal. Aergerlich mustert der Vorsitzende die Frau, die sich auf der Anklagebank lässig eine Zi­garette anzündet und auf das schmale Pult vor sich einen großen Strauß dunkelroter Rosen legt Eingehüllt in einem kostbaren Pelzman­tel, behaglich und ganz ungeniert blaue Ringe in die Luft blasend, mustert Luise Maria Nar- vaez Y Macias, Herzogin von Valencia, Mar­quise von Cartajo, Vikomtesse von Aliator, ihre Richter.

Die Herzogin erscheint nicht zum ersten Male vor den Richtern Francos. Hinter dem ebenmäßig schönen Gesicht einer rassigen Spa­nierin verbirgt sich keine launenhafte Prima­donna, die um der Sensation willen, etwa einer Laune wegen, die Gerichte beschäftigt. Jeder der Offiziere, die die Angeklagte mustern, weiß genau, daß man es mit der gefährlichsten Geg­nerin des derzeitigen spanischen Staatschefs zu tun hat. Hinter der extravaganten Maske einer gefeierten Schönheit verbirgt sich eine Frau, die ihr Leben dem Kampf gegen Franco verschrieben hat.

Der Großvater der Herzogin, Don Ramon Maria Narvaez, war vor etwa 100 Jahren einer der kühnsten Kämpfer im spanischen Karli- stenkrieg. Von ihm hat seine Enkelin Mut, Be­harrlichkeit und Unerschrockenheit geerbt Von hinreißender Schönheit, dabei Besitzerin aus­gedehnter Ländereien und in der alten spani­schen Gesellschaft hochangesehen, kämpft Luisa Maria von Valencia einen unermüdlichen Kampf gegen den spanischen Diktator und für die alte Monarchie. Sie stiftet Millionen von Pesos für jede Bewegung, die sich die Abset­zung des Caudillo zum Ziel gesetzt hat. De­monstrationen, Zusammenkünfte, Propaganda­coups meist wurden sie von der jungen Her­zogin inszeniert.

Kein Wunder, daß die Polizei ihr ständig auf den Fersen ist. Man stellt sie vor Gericht, man läßt sie ungeheuerliche Geldstrafen zahlen. Doch nichts erschüttert die junge Schönheit in ihrem Kampf gegen Franco. Denn sie bat zwei

Nadiriciiten

STUTTGART. Dr. Hjalmar Schacht ließ durch seinen Verteidiger mitteilen, daß er zur Revi­sionsverhandlung vor der Zentralspruchkammer in Ludwigsburg, die heute beginnen soll, nicht erscheinen werde. Der öffentliche Ankläger er­klärte, die - Verhandlung findetmit oder ohne Schacht statt,

BAD KISSINGEN. Vertreter der Wetterdienste in den Westzonen haben auf einer Tagung in Bad Kissingen beschlossen, eine starke Zen­tralisierung - des Wetterdienstes vorzunehmen, falls die Militärregierungen zustimmen. Man hofft dadurch vor allem die Belange der deut­schen Wirtschaft, der Landwirtschaft und außer­dem die der Alliierten (Luftbrücke) besser be­rücksichtigen zu können.

FRANKFURT. In Heidelbejg hat hepte^ eine Konferenz von Stabsoffizieren der drei west­lichen Besatzungsmächte begonnen, die sich mit der Ausarbeitung gemeinsamer militärischer Frühjabfsüb'imgen befassen soll.

WIESBADEN. Das Vorstandsmitglied der KP Hessens, Walter Fisch, drohte auf einer Ver­sammlung der Betriebsräte und Belegschaften von Betrieben, die bereits sozialisiert wurden, nunmehr aber auf Anordnung der US-Militär- regierung wieder ihren Eigentümern zurückge­geben werden sollen, er werde beim hessischen Staategetichtshof gegen jeden klagen, der sieh wagen sollte, diesen Befehl der Besatzungsmacht durchzuführen.

KASSEL. Der frühere Flugzeugkonstrukteur Gerhard Fieseier wurde von einer Spruchkam­mer in die Gruppe der Entlasteten eingereiht.

HAMBURG. Auf der nördlichen Elbebrücke wurden 58 m Zinkregenrohr und 70 qm Walz­blei entwendet, meldet die Hamburger Polizei. Die Diebe hatten sich als Arbeiter verkleidet und das Material in mehrtägiger Arbeit ab- mcmtSert.

HAMBURG. In einem deutschen U-Boot, das in Kiel verschrottet werden soll, wurden 76 Lei­chen gefunden. Das Boot war in den letzten Kriegslagen in der Bucht von Eckernförde ge­sunken und hatte anscheinend außer der Bessat-

wichtige Bundesgenossen auf ihrer Seite. Ihre Schönheit und ihre Geburt. Ein großer Teil des Adels steht hinter ihr, denn schon ihr Name weist sie als echte spanische Aristokra­tin aus. Daneben aber imponiert der Mut die­ser schönen Frau. DieRote Herzogin ist in den Arbeiterquartieren von Barcelona ebenso populär wie bei den Bauern um Cadiz oder Se­villa. Je mehr das Regime diese junge Schön­heit verfolgt, um so mehr wächst die Sympa­thie für sie bei einem Volke, das seit alters her die Frauenschönheit hoch verehrt.

Francos Kampf gegen die Herzogin von Va­lencia steht unter keinem glücklichen Stern. Er hat die Herzogin bereits für einige Zeit in ein Konzentrationslager einweisen lassen. Mehrmals wurde sie zu Gefängnisstrafen ver­urteilt, die sie auch antrat. Doch jedesmal ging eine fühlbare Welle der Empörung durch das ganze Land. Ein Regime, das eine schöne Frau hinter Gitter setzt, ohne daß sie eine ei­gentliche Verbrecherin ist, verliert in Spanien sehr rasch an Sympathie. Meist fand man den Ausweg, auf Grund desangeblich schlechten Gesundheitszustandes der Inhaftierten* das Urteil aufzuheben und die Herzogin in Frei­heit zu setzen. Selbst die Kreise um Franco spüren, daß man es hier mit einer gefährlichen Gegnerin zu tun hat.

Doch als die Herzogin zum Jahresende aber­mals eine Demonstration abwickelte, bei der sie eine Rede gegen das Regime Francos hielt, wurde sie wiederum verhaftet und nun vor das höchste spanische Gericht in Madrid ge­stellt, das schon viele scharfe Urteile gegen Francogegner gefällt hat. Ihr Auftreten be­wies, daß die junge Frau sich nicht einschüch- tem ließ. Allein die Richter verziehen ihr die­ses Mal weder die Zigarette noch die Demon­stration mit den roten Rosen. Man verurteilte sie zu einem Jahr Gefängnis. Ein Spruch, der bei der Herzogin nur ein Lächeln auslöste. Mit echt spanischer Grandezza nahm sie die schrift­liche Ausfertigung des Urteils an sich, las das Dokument in aller Ruhe zu Ende, um dann zu erklären, daß keine Macht der Welt sie daran hindern werde, ihren Kampf fbrtzusetzen.

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aus aller W eit

zung noch Flüchtlinge an Bord. 54 Leichen konn­ten bisher identifiziert werden.

BERLIN. Von 20 000 Flüchtlingen, die bis zur Auflösung des KZs Mühlberg im Herbst 1948 dort untergebracht waren, sind, wie die Berliner Kampfgruppe gegen Unmenschlichkett mitteilt, 7000 gestorben. Rund 8000 wurden entlassen, 3000 in die Sowjetunion abtransportiert, der Rest in die Lager Buchenwald und Bautzen überwiesen.

BERLIN. Der Leiter der Abteilung für DPs bei der US-Militärregierung gab bekannt, daß die Einwanderungsbestimmungen für Sudeten­deutsche nach der US-Zone auf alle Volksdeut­schen ausgedehnt würden.

PRAG. Der ehemalige stellvertretende Gene­ralstabschef der tschechoslowakischen Armee, He­liodor Pika, wurde am Freitag in Prag wegen Hochverrats zum Tod durch den Strang verur­teilt. Die Anklage warf ihm u. a. vor, er habe wichtige militärische industrielle und Staats­geheimnisse an den britischen Nachrichtendienst weiter gegeben.

ROM. Der italienische Botschafter in Moskau protestierte beim sowjetischen Außenministerium gegen die Veröffentlichung eines die italienisch^ Armee beleidigenden Artikels in der russischen satirischen WochenschriftKrokodil. Es hieß darin u. a.: Der Weg der italienischen Armee ist ,ni<ht vom militärischen Ruhm, sondern vom Spiegelglanz der Hacken erleuchtet worden.

SOFIA Am Sonntag begann der dritte Kon­greß der bulgarischen Sowjetgesellschaften. An den Tagungen nehmen Abordnungen aus Eng­land, Schottland, der Tschechoslowaei, Polen, Un­garn, Finnland, Italien, Belgien und der UdSSR teil.

BANGKOK. Senat und Abgeordnetenkammer Siams nahmen mit 125 gegen 30 Stimmen am Samstag die neue Verfassung an. Siam bleibt, bei Erweiterung der Vollmachten des Königs, eine gemäßigte konstitutionelle Monarchie. Traditions­gemäß wird der Verfassungstext auf Palmenblät­ter geschrieben und dann dem in der Schweiz weilenden König Phuniphon, der dort studiert, zur Unterzeichnung vorgelegt.

Kaufen oder sparen ?

Das Institut für Demoskopie in Allensbach am Bodensee hat an 100 « ausgewählte Personen in den Westzonen, die repräsentativ für die Ge- samtbevölkerung stehen sollen, drei Fragen ge­richtet. Das Ergebnis lohnt eine kurze kritische Betrachtung.

cz. Auf die Frage:Haben Sie seit der Wäh­rungsreform ein größeres Möbelstück, ein Ra­dio, ein Paar Schuhe oder ein Kleidungsstück gekauft?, antworteten 60 Prozent der unteren Einkommensgruppe (zwischen 100 und 200 DM) mitJa. Alles in allem haben 41 Prozent sich Schuhe erworben, voran die Bauern und Be­amten. Oberkleidungsstücke kauften 28 Pro­zent, ah erster Stelle wiederum Bauern, dann die Angestellten und Beamten.

Käufe größerer Möbelstücke waren im all­gemeinen nur den Einkommensgruppen mit über 350 DM möglich. Immerhin haben sich 8 Prozent der Befragten Möbelstücke, 3 Pro­zent Radioapparate erworben.

Und nun die zweite Frage:Sollen Ihrer Ansicht nach die Behörden die Preise kontrol­lieren? Kommt die Antwort, daß nämlich 70 Prozent für Preiskontrollen eintraten, uner­wartet? 71 Prozent bejahten sogar die Zusatz­frage, ob sie für Preiskontrolle seien, selbst auf die Gefahr hin, daß es dann weniger als jetzt in den Läden, zu kaufen gäbe.

Die letzte Frage rundet den Komplex ab: Auf welche Weise sparen Sie jetzt? Zahlen Sie etwas auf Ihr Sparkonto ein, oder legen Sie zu Hause wieder ein wenig zurück? Das Institut hat hier laufend Ermittlungen ange­stellt. Kurz nach der Währungsreform wollten 59 Prozent wieder sparen, Ende Juli 49 Pro­zent, Mitte Oktober 32 Prozent. Und im De­zember waren es gar nur noch 17 Prozent, die zu Hause oder auf Konto noch etwas zu­rücklegten. 83 Prozent dagegen erklärten zu diesem Zeitpunkt, sie dächten nicht daran, zu sparen.

Auf eine zusätzliche Frage hin gaben 10 Pro­zent der 17 Prozent Sparwilligen an, daß sie zu Hause sparten, während 7 Prozent ein Konto benutzten. In den meisten Fällen wird jedoch nur gespart, um die Mittel zum Kauf eines größeren Stückes zu ermöglichen.

Hier könnte man getrost abbrechen und es dem Leser überlassen, selbst das Fazit aus den Antworten zu ziehen. Vielleicht sind aber noch ein ; ge Hinweise notwendig. Der Konsument will seine Bedürfnisse befriedigt sehen und lehnt sich gegen den Mangel gleicherweise auf, ob er auf eine entwertete Währung oder über­höhte Preise zurückzuführen ist. Er kann sei­nen Bedarf nicht decken. Damit ist für ihn ein klarer Tatbestand geschaffen. Gleichzeitig be­obachtet er, daß gewisse privilegierte Schich­ten der Produktion und des Handels nicht nur gut leben, sondern sich sogar Investitionen lei­sten können, welche die normaler Zeiten bei weitem übersteigen. Kein Wunder, daß er un­ter diesen Umständen in einer vernünftig ge- handhabten Kontrolltätigkeit durch amtliche Stellen besonders bei den Preisen das kleinere Uebel sieht.

Wenn selbst der Direktor der Wirtschaftver­waltung der Bizone, Prof. Erhard, der als Ex­ponent. der freien Wirtschaft gelten darf, dieser Tage vor Bergarbeitern zugab, daß die Ent­wicklung seit der Währungsreform nicht ge­rade als glücklich bezeichnet werden könne, so lassen sich die Gründe dafür, daß niemand sparen will, leicht aufzeigen. Es mangelt an Vertrauen. Der unsachgemäß geführte GeM- schnitt, kombiniert mit den ungerechtfertigten Preiserhöhungen und einer würgenden Steuer­last erwecken beim Konsumenten das Gefühl, heute wie gestern der Betrogene zu sein. Die derzeitigen Preissenkungen verstärken höch­stens dieses Gefühl, so einverstanden er da­mit ist

Solche Ueberlegungen streifen natiomlöko- nomische Fragen nur am Rande und mangeln des UeberbPdcs über die Zusammenhänge. Ge­rade deshalb fordern sie jedoch erhöhte Be­achtung. Man sollte immerhin bedenken, daß es nicht umdie Wirtschaft, sondern um Man­schen geht, denen wenig an Theorien, aber al­les an der Befriedigung ihrer Bedürfnisse Hegt.

FRANKFURT. Am Freitag wurde Radio Frank­furt als zweite deutsche Rundfunkstation der US-Zone in deutsche Hände überführt.

Wer zuerst tarfat, hat verloren

Rh habe meinem Jungen die Grundregeln des Skilaufs beigebracht, und nun liegen wir auf den sonnenwarmen Brettern vor der Berg­hütte und ruhen aus. Das heißt: das Ausruhen ist ganz meine Angelegenheit; ich möchte ein wenig schlafen. Aber der gänzlich unvermin­derte Betätigungsdrang meines Sohnes äußert sich zunächst' darin, daß er mich heimlich mit Schnee bestäubt, um dann mit bewunderns­wert besorgtet Miene festzustellen, daß der Schnee vom Dach gefallen sei. Schließlich muß ich eine Menge merkwürdiger Fragen beant­worten und wehe, werm das nicht gehau und goldrichtig geschieht! Gleich bin ich dann vom Belehrer zum Belehrten degradiert.

Die nachdenkliche Gestunmtheit des Jungen dauert jedoch nicht lange. Er sinnt auf ein Spiel, irgend etwas Lustiges soll es sein. Was kann man aber schon Vergnügliches beginnen mit einem Vater, der unbedingt in der Sonne still liegen will? Doch da hat er es schon. Er rückt ganz nahe mit seinem Gesicht an das meine -' ->d das neue Spiel ist so: man muß sich e .-iaft gegenseitig in die Augen schauen, und v,. erst lacht, hat verloren.

Alo, es beginnt. Spiel efis. Mein Söhnchon schaut mir mit streng väterlicher Miene fin­ster in die Augen Ich muß sofort heftig dar­über lachen Aetseh! Verloren! Er nimmt den Skistock, das Taschenmesesr wird gezückt, ich bekomme eine Kerbe aufs Holz geritzt.

Spiel zwei. Diesmal schaut er nicht finster, aber ganz unbewegt, mit gleichsam versteuer­tem Gesicht. Nur die Augen darin sind leben­dig, sehr lebendig, zu lebendig, sie lachen zweifellos. Und diese lachenden Augen in dem komisch unbewegten Gesicht wirken unwider­stehlich ansteckend. Ich presse die Lippen zu­sammen, vetgebl'ch. Schon zuckt es üm die Mundwinkel, und dann platze ich los. Verlo­ren! Er frohlockt gar nicht mehr, .gibt m> nur ruhig lächelnd noch eins aufs Kerbholz. Seine Siegesgewißheft ist beinahe unverschämt.

Ich nehme mich zusammen. Spiel drei. Väter­lich finster, unter gesenkter Stirn hervor, mit energisch zusammengekniffenem Mund, nehme ich den Burschen aufs Korn. Er pariert so­fort, mft genau nachgeahmter Miene, nur noch um etliche Grade finsterer, drohender, zusam* merrgekniffener. Es gelingt mir knapp, stand­zuhalten bis er unvermittelt eine Energiegri- masse ins Treffen führt, die midi zur Strecke bringt. Ich bekomme ehre neue Kerbe aufs Holz. Ob Grimassen kein Verstoß gegen die Spielregel seien, versuche ich einzuwenden. Nein, sie sind es n : cht, im Gegenteil, väter­liche Grimassen sind offenbar erwünscht.

Aber warte! Spiel vier. Wir schauen einan­der ruhig in die Augen, und ich beginne, die­ses Sohnesgesicht nahe vor mir besinnlich zu studieren. Jetzt habe ich einen Ueberlegen- heitspunkt. Ich denke nach und wundere mich. Darüber vergesse ich fast die Lachgefabr. Während ich unverändert ernst bleibe, ent­steht ganz langsam ein Lächeln um seinen Mund. Dann löst er den Blick von dem mei­nen und gibt sich gelassen eine Kerbe aufs Holz.Drei zu e'ns, sagt er,Pause! Er legt sich zurück und bringt zur Abwechslung wieder einmal eine Frage: Warum auf der Welt etwas wachse? Es sei eine Spielerei des lieben Gottes, sage ich leichtfertig.Nem! werde ich belehrt. Sondern?Weil -wir sonst verhungern müßten!

Dann kommt Soiel fünf. Ich nütze die schöne Gelegenheit, noch einmal in aller Ruhe das rätselhaft Individuelle in den Augen dieses Kindes, das mein Sohn ist, zu erfassen. Wir blefben bede beharrlich ernst. Auch er scheint jetzt das Interessante des väterlichen BPdtes zu erleben. Ich weiß nicht, ob er noch ans Soiel denkt. Jedenfalls: ich lächle und er rflzt mir sehr befriedigt eine wehere Kerbe aufs Holz. Damit beenden wir das Soiel. Ich habe wer zu eins vertoren. Er beginnt nun, einen Schnee­mann zu bauen.

Ich aber sinne noch ein wenig: Mein Sohn sah mich an! Joseph Baur

Vom Leben Hölderlins

Hölderlins Leben liegt für den, der die Dürf­tigkeit der biographischen Quellen kennt, an vie­len und an den wichtigsten Stellen noch una-uf- gehellt vor dem Forscherblick. Das dokumenta­rische Material zu sammeln, sofern es je vor­handen war, hat ein ganzes Jahrhundert ver­säumt. Dozent Dr. Adolf B e c k, beauftragt, den BandLebensdokumente für die Stuttgarter Ausgabe herauszugeben, führte in seinem Vor­trag in der Aula in die besondere Problematik und Not der Forschung ein, aber er zeigte 'audh in vorbildlicher Sachlichkeit, wie es den eigenen mühevollen Suchaktionen nach mittelbaren und unmittelbaren Zeugnissen gelungen war, die Dokumente um gut das Dreifache des Vorhande­nen zu erweitern. Das ist ein nicht hoch genug einzuschätzender Erfolg, der, wir betonen es, nicht nur einem so ganz in der Sache lebendem Schwab. Philologen wie Beck die Mühe lohnte.

Daß selbst die in den schwäbischen Hölderlin- Städten vorhandenen Dokumente so lange unbe­achtet blieben, mag schwer zu begreifen sein, aber es ist so. Beck fand in Nürtingen die Aus- gabanliste der Mutter, in die sie vom 6. Lebens­jahr ,;des lieben Fritz bis zu ihrem Tod (1828) in mehreren hundert Einträgen jeden Pfennig einirug, den ihr Sohn für Ausbildung und Aus­stattung erhielt Daraus erhellt, daß der Sohn gut erzogen und gut ausgestaltet wurde, daß er nie darben und hungern mußte. Daraus fällt Licht auf seine Reisen und Wanderungen in der Zeit seines Studiums. Weflch leidenschaftlicher Wanderer ist dieser empfindsame Jüngling doch gewesen, wahrhaftig kein Bücherwurm und Stu­benhocker! Sehr schön auch das Zeugnis Schöl­lings aus dem Frühjahr 1803. Der alte Freund, erscheint unangemeldet in Murrhardtohne Be­gleitung zu Fuß, querfeldein wie durch Instinkt geführt. Keine zerstörte Gestalt, dennwäh­rend 36 Stunden, die er bei uns im ganzen ver­weilte, hat er nichts unschickliches, nichts sei­nem früheren, edlen, und anstandsvollen We­sen widersorechendes wedeT getan noch gere­det. Ueber das vielbändige Tagebuch von Höl­derlins Verwandtem, dem Schreiber J. F. Blum, der auch vieles über des Dichters Besuche in Markgröningen berichtet, hat Beck im Höider- linjahrbuch ausführlich gehandelt. Wie weit Beck den Primus der Hölderlin Promotion Karl Chr. Renz für eine Aufhellung der Studentenzeit ver­

werten kann, bleibt abzuwarten. Jedenfalls, Höl­derlin war überzeugter Republikaner und De­mokrat und ist es bis zum Verdämmern seines Gei­stes mehr als Schelling und gar Hegel geblie­ben, daran ändert auch sein spätes Wort, er sei kein Jakobiner, nicht viel.

Ein interessanter Komplex von Dokumenten hat sich auch tim Isaac Sinctairs Hochverrats­prozeß angesammelt, der auf Betreiben von Kur­fürst Friedrich von Württemberg in Gang kam. Ob freilich das Bündel Akten hinreicht, um Sin­clair des Versuches eines staatlichen Umsturzes zu zeihen, erscheint fraglich Hölderlin steift da­bei allerdings nur eine völlig inaktive Randfi­gur dar. Ein politischer Aktivist, wie Sinelsw, waT der Dichter nie.

Ausgezeichnet ist Becks Rekonstruktion der Vorgänge, die mit Hölderlins Weggang aus Bor­deaux Zusammenhängen. Der Konsul und Wein­händler Meyer hat Hölderlin Dienste zugemu- tet, die nichts mit seinem Auftrag zu ton hat­ten. Oer Dichter kündigte darum und «ficht aus Furcht vor der Krankheit seinen» Brot­herrn und schied in gutem Einvernehmen mit ihm. Er nahm den Weg über Paris, sah dort die antiken Statuen, das oft nachgesprochene ziel­lose Umherirren in Frankreich ist pure Phan­tasie flinker Federn. Hölderlin überschritt am 7. Juni 1302 bei Straßburg den Rhein und ist ge­radenwegs nach Nürtingen gewandert. Er kam dort in hochgradiger Erregung an, die ihre« Grund in 'der Scheu vor der Mutter hatte, der er nun wiederum zur Last fiel. Bei Freund Land­auer in Stuttgart, wohin er sich zu schriftstel­lerischen Arbeiten begab, trat dann eine Be­ruhigung ein. Kurz nach dem 3. Juli las er In einem Brief Sinclairs den Tod der Diotima. Er floh wieder zur Mutternach manchen Erschüt­terungen und Rührungen der Seele wie er sich in seinem chronistisch knappen Spätstil aus­drückt. Beck mag Recht haben, die Nachricht vom Tode Diotimas, dem Hort seiner Liebe, hat den nun auch physisch einsetzenden Zerstörurrgs- prezeß beschleunigt. «*

Zwei französische Literaturhistoriker wollen den gesamten Briefwechsel des kürzlich ver­storbenen französischen Schriftstellers Ber- nanos sammeln. An eine baldige Herausgabe dieses Briefwechsels wird aber noch nicht ge­dacht