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Mit den illustrierten Unterhaltungsbeilagen „Feierstunden" und „Unsere Heimat"
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verbreitetste Zeitung im O.A.-Sezirk Nagolä Lchristlsitung, vruck u.jverlag von S. w. Satser (Kar! Saiser) Nagold
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Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage „Haus-, Garten- und Landwirtschaft"
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Nr. 224
Gegründet 1826
Samstag, den 25. September 1926
Fernsprecher Nr. 29
Ivo. Jahrgang
Tagesfpiegel
Jas Mskabinett Mgt die Verhandlungen van Thairy
Die Völkerbundsversammlung wird voraussichtlich am Samstag die siebte ordeukliche Tagung schlichen.
Der 11. kommunistische Parteitag soll am 27. November in Essen stakkfinden.
Nach einer Meldung des „Vorwärts" aus Brandenburg a. H. hat der Reichswchrmimster gegen den Schriftleiter der sozialdemokratischen „Brandenburger Zeitung", Fritz Eberl, den Sohn des verstorbenen Reichspräsidenten, Strafantrag wegen Beleidigung der Reichswehr gestellt. Das Blatt hatte der Reichswehr staatsfeindliche politische Tätigkeit und Mißachtung der Reichsfarben vorgeworsen.
Die tschechische Staatsanwaltschaft in Prag hak gegen den Vorsitzenden der deutschen Studentenschaft, Thon, der sich zurzeit in Berlin aufhälk, für den Fall des Betretens des tschechischen Staatsgebiets den Haftbefehl erlassen, da er als tschechischer Staatsbürger (Sudetendeutschcr) auf dem diesjährigen Kkudenlenkag in Bonn den Vorsitz der Deutschen Studentenschaft sich habe übertragen lassen, einer Organisation, die gegen die Sicherheit und das Interesse der tschechischen Republik gerichtet sei.
In Wilna (Peken) soll wieder eine Bande russischer Spione entdeckt worden sein. 30 Verdächtige wurden verhaftet.
Der frühere König Georg von Griechenland (Sohn Konstantins) ist in Bukarest eingekrofsen.
Politische Wochenschau.
Kaum ist Deutschland Mitglied des Völkerbunds geworden, so hatte es Veranlassung, für einen seiner verlorenen oder besser: „geraubten" Söhne einzutreten. Dan- z i g hatte sich als Bittender in Genf eingestellt. Der finanziell schwer bedrängte Zwergstaat, den unverständiger Haß grundlos vom deutschen Staatskörper losgerissen hat, ließ durch seinen Staatspräsidenten Sahm um eine Anleihe bitten. Die Zolleinnahmen, die Danzig mit Polen zu teilen hat, gingen in erschreckendem Maße zurück: der polnische Zloty, auf Len nun einmal der Danziger Handel angewiesen ist, sank immer tiefer; die Arbeitslosigkeit nimmt einen bedrohlichen Umfang an. Was tun? Man pumpte beim Völker- bund 60 Millionen Gulden. Der Völkerbund will aber nur 30 Millionen verwilligen. Dr. Stresemann trat ins Mittel. Er tröstete die Bedrängten mit dem Hinweis, daß ein baldiger Beschluß des deutsch-polnischen Zollkriegs auch Danzig Erleichterungen verschaffen werde. Danzig soll künftig von den gemeinsamen Zolleinnahmen mindestens Ich höchstens 20 Millionen Danziger Gulden erhalten.
Thoiry, nichts als Thoiry! Und doch wissen nur ganz wenige, was in jenem kleinen französischen Grenzort, nach welchem am letzten Sonntag eine keine Völkerwanderung sich bewegte, zwischen dem französischen und dem deutschen Außenminister verhandelt worden ist. Als am Montag Briand aus dem Ministerrat kam, sagte er zu den Pressevertretern, die ihn mit großer Neugierde ausfragten: „Man glaubte, daß ich ermordet aus dem Kabinettsrat wiederkehren würde. Sie sehen, daß nichts an diesen Gerüchten ist." Mag sein, aber so ganz klappt die Sache doch nicht. Und mit der „Beglückwünschung Briands im Ministerrat" und gar mit der „völligen Uebereinstimmung mit ihm", wie es in der ersten „amtlichen Mitteilung" hieß, muß es doch nicht so gar weit her sein. Ach, diese „amtlichen Mitteilungen"! Welcher ernsthafte Politiker gibt heutzutage etwas aus sie? Uebrigens heißt es auch nur, die Regierung stimmte mit Briand „völlig überein in der Bedeutung dieser Besprechungen" und halte es sür „vorteilhaft, dieselben sortzusetzen".
Damit ist so gut wie gar nichts gesagt. Oder glaubt jemand im Ernst, daß Männer wie Poincare, Marin, Barthou, Tardieu, Leygues, Vakonowsky — und diese sitzen alle im Ministerrat — Deutschland bezüglich der Militärüberwachung, der Rheinlandbesetzung, der Saarsrage, der Völkerbundsmandate usrv. deutschgünstige Zugeständnisse machen? Und wenn je, daß sie das ohne stramme Gegenleistungen (man munkelt bereits von 8 Milliarden Goldmark) tun werden? Allerdings wird heute der Schein der mini- sterillen Einmütigkeit gewahrt, aber nur um des leidigen Franken willen, damit derselbe nicht wieder abwärts rutsche. Um ihn zu stützen, soll Deutschland seine Zustimmung zur sofortigen „Mobilisierung" von 2 Milliarden Eisenbahnobligationen (von denen Frankreich 1,2 Milliarden erhalten würde) geben! Ein für unsere Wirtschaftslage gefährlicher Versuch!
Etwas Gutes kann übrigens doch unser Eintritt in den Völkerbund bringen. Wenigstens erhoffen wir es. Wir meinen die neueste Wiederaufrollung der Kriegsschuldfrage. Soeben wird ein Schreiben an den Völkerbund bekannt. Namhafte deutsche, französische und amerikanische Gelehrte und führende Geister in der Kriegsschuldforschung machen die hohe Versammlung in Genf darauf aufmerksam, daß mit der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund und mit dessen Berufung auf einen ständigen Ratssitz logischerweise der Artikel 231 des Versailler Vertrags und damit die Kriegsschuld lüge widerrufen sei. Aber bei dieser verspäteten und ungenügenden Genugtuung dürfe man nicht stehen bleiben. Erst eine unparteiische, gründliche und strenge Untersuchung über die Ursachen des Weltkriegs werde der öffentlichen Meinung die notwendige Beruhiauna aeben.
Berlin, 24. Sept. In der heutigen Sitzung des Reichskabinetts berichtete Dr. Stresemann über die Verhandlungen im Völkerbund und über seine Besprechung mit Vriand in Thoiry. Bei letzterer seien, entgegen den Meldungen ausländischer Blätter, keine bestimmten Abmachungen getroffen worden. Das Kabinett stimmte den Ausführungen zu und sprach Dr. Stresemann, sowie den übrigen Mitgliedern der Abordnung den Dank für die geleisteten Dienste aus.
Vortrag und Empfang beim Reichspräsidenten Berlin, 24. Sepl. Der Reichspräsident nahm heute den Vortrag des Reichskanzlers entgegen und empfing später den deutschen Botschafter in Rom Freiherrn von Neurath.
Kolter Wasserstrahl aus Paris Paris, 24. Sept. Dr. Stresemann hatte vor seiner Abreise von Genf in einem Kreis deutscher Zeitungsoertreter gesagt, die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund sei gar nicht hoch genug zu schätzen. Sie bedeute die tatsächliche Anerkennung, daß Deutschland nicht allein am Krieg schuld sei. Dem Anschluß Oesterreichs sei in Thoiry der Weg geebnet und es sei die Möglichkeit zur Gewinnung von Kolonialmandaten eröffnet. In kurzer Zeit werde das Rheinland von der Besetzung befreit sein. Gegenüber diesen Aeußerunaen verbreitet die Agentur Radio eine bald-
Hoffentlich wird dieses Signal, das Professor Hans Delbrück losließ, seine Wirkung nicht verfehlen und ganz Deutschland (in Württemberg hat es bereits Alfred Roth getan) zu einmütigen Kundgebungen gegen die „größte Lüge der Menschheit" aufrusen! „Entweder wird der Völkerbund ein Licht bringen, oder er wird ein Nichts sein!"
England macht recht ungeschickte Sachen in China. Wie wir früher schon meldeten, harten die Chinesen am oberen Jangtse zwei englische Dampfer gekapert. Zur Rache haben englische Kanonenboote angeblich 2000 Chinesen, darunter Frauen und Kinder, der offenen Stadt Wanshien erbarmungslos zusammengeschossen. Das war wieder eine Roheit, wie England sichs leider schon so oft — wir erinnern nur an den indischen Aufstand und an den Burenkrieg — geleistet hat. Früher haben sich die asiatischen und afrikanischen Völker so etwas eher gefallen lassen. Heute liegt die Sache anders. Das Schlimmste dabei ist, daß der Haß und die Rache der Gegenseite sich leider nicht auf die englischen Urheber beschränkt, sondern auch auf die andern Europäer ausgedehnt wird. Ob das nach dem beabsichtigten Wechsel auf dem englischen Gesandtschaftsposten in Peking besser werden wird? So oder so, eines steht schon heute fest, nämlich daß Chamberkain in der chinesischen Politik keine glückliche Hand hat, ebensowenig wie sein Chef Bald- win in der immer noch anhaltenden englischen Kohlen- k r i s i s.
Die Vereinig ten Staaten sind von einem furchtbar Naturunglück heimgesuckit worden. Ein Orkan, wie ihn Amerika noch selten erlebt hat, verwüstete weite Strecken -er paradiesisch schönen Halbinsel Florida. Ganze Ortschaften sind vom Erdboden spurlos verschwunden. Mehrere hundert Menschenleben sind vernichtet, Zehntausende obdachlos. Wunderwerke menschlicher Unternehmungskraft sind in wenigen Minuten unwiederbringlich zerstört worden. Man schätzt den Sachschaden auf über 200 Millionen Dollar. Das Mitgefühl der gesamten zivilisierten Welt wendet sich diesen Unglücklichen zu.
In unserer Zeppelinwerft in Friedrichshafen ist eine frohe Botschaft eingetroffen. Die spanische Gesellschaft „Colon "hat durch ein königliches Dekret die Genehmigung für eine Luftschifflinie Sevilla — Buenos Aires, die etwa 10 000 Km. lang ist, erhalten. Die Regierung steuert hiezu 30 Millionen Pesetas (gleich 19 Millionen Mark) bei,
die auf 5 Jahre zu verteilen sind. Das Zeppelinluftschiff» Las bis Herbst 1929 fertig sein soll, muß einen Rauminhalt von 135 000 Kubikmeter fassen und im Stande sein, in 4)4 Tagen — der schnellste Dampfer braucht 2h Tage — den Ozean zwischen Spanien und Argentinien zu icherfkegen. — Wenn das Graf Zeppelin erlebt hätte!
Nach dem sog. „Frieden von Koblenz" sollen 21 inhaftierte Personen die Freiheit wieder erhalten und bei 70 Angeschuldigten das Verfahren niedergeschlagen werden. Ueberdies wurden etwa 30 Häftlinge, die der verschiedensten Vergehen beschuldigt werden, den deutschen Behörden übergeben. — Tin kleiner Anfang der großen Befreiung, nach der die Rheinlands r, vollends jetzt nach dem Tag von Thoiry, sehnlichst ausschauen. Möge ihre Hoffnung nicht zuschanden werden! kl.
Neuestes vom Tage
Vom sächsischen Landtag
Dresden, 24. Sept. Der Landtag trat gestern wieder zusammen. Es wurde ein Programm der Regierung für Arbeitsbeschaffung angekündigt. Die Vorlage der Aende- rung des Wahlgesetzes wurde an den Rechtsausschuß verwiesen. Danach sollen amtliche Stimmzettel eingeführt
a ml l i chb Erklärung der französischen Regierung: Im französischen Außenministerium (Briand) betone man, derartige Aeußerungen können den erst in den Anfängen oe» findlichen Verhandlungen mit Deutschland nur schaden. Mau müsse annehmen, daß Stresemann so gesprochen habe, um in Deutschland Eindruck zu machen. Wenn er glaube, daß die Zulassung Deutschlands zum Völkerbund eine Aende- rung bezüglich der Kriegsschuldfrage bedeute, so sei das nur seine rein persönliche Schlußfolgerung, von der er in seiner Zulassungsrede in Genf nicht gesprochen habe. Vo» einem Anschluß Oesterreichs sei in Thoiry überhaupt nicht die Rede gewesen. Das Recht zur Uebernahme vos Kolonialmandaten stehe jedem Völkerbundsmit- glied zu, Frankreich sei aber nicht befugt, Deutschland iu dieser Beziehung Besprechungen zu machen. Es sei ferner klar, daß eine raschere Räumung des Rheinlands nur gegen bedeutende finanzielle Zugeständnisse Deutschlands an Frankreich denkbar sei. Es müsse untersucht werden, in welchem Maß Deutschland sich seiner Dawesverpflichtungen entledigen könne, um dadurch zur Wiederaufrichtung des Franken beizutragen, und in welchem Maß Frankreich bereit sei, das Pfand der Rheinlandbesetzung zu verwerten, das jeden Tag an Bedeutung verliere, da die Besetzung nach dem Versailler Vertrag im Jahre 1935 aushöre. — Einst ließ Bismarck gelegentlich kalte Wasserstrahlen nach Paris ergehen, so z. B. im Fall Schnebete und Boulanger.
werden und für den Wahlvorfchlag einer neuen -Parr« soll von dieser Partei ein Betrag von 3000 Mark eingezahlt werden, der zurückerstattet wird, wenn der Partei mindestens ein Sitz zufällt. Der Landtag vertagte sich bw 5. Oktober.
Die Parkeieinigung in Sachsen gescheitert Dresden, 24. Sept. Die seit einiger Zeit zwischen bs» Rechtsparteien geführten Verhandlungen über ein gemeinsames Vorgehen bei den bevorstehenden sächsischen Land- tagswahlen sind abgebrochen worden, da der Gedanke einer Einheitsliste wegen grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten nicht weiter verfolgt werden könne. Doch solle« Deutschnationale Volkspartei, Deutsche Volkspartei u. Wrrk» schaftspartei alles daran setzen, daß- die bürgerlichen Parteien eine Mehrheit im Landtag erlangen.
Zur „Befriedung" des besetzten Gebiets Mainz, 24. Sept. Das französische Militärpolizeigericht verurteilte den Gastwirt Schneppler aus Frankfurt zu 200 Mark Geldstrafe, weil er in seinem Bierzelt auf dem Mark in Kreuznach das Deutschlandlied spielen ließ. Das sei eine Beleidigung der Befatzungstruppen.
Russische Bestechungen
Berlin, 24. Sept. Die Sowjetregierung hat eine Anzahl ihrer Beamten in der russischen Handelsvertretung in Berlin, darunter den Vorstand Begge, entlassen, weil sie bei der Vergebung von Staatsaufträgen an die deutsche Industrie Vestechungsgelder nahmen. Der Skandal wurde von dem Mitwisser Kutisker enthüllt.
D« Vorschläge der englische« Bergarbeiter London. 24. Sept. Der Vollzugsausschuß des Bergarbeiterverbands unterbreitete der Regierung folgende Vorschläge: Die Arbeit soll sofort wieder ausgenommen und eine Lohnstusung eingeführt werden, die nicht geringere Löhne vorsieht, als die durch das Abkommen von 1921 sest- gelegten Löhne. Eine endgültig für das ganze Reich gültige Regelung soll sodann von einem Schiedsgericht ausgearbeitet werden, das die Lohnstufung und die Umformung d« Kohlenindustrie gemäß dem Vorschlag der Kohlenkommis- ston durchführt. Wie verlautet, werden diese Vorschläge vo« den Zechenbesitzern als unannehmbar bezeichnet, da die Lage der Industrie Löhne, wie die im Abkommen von 1921 und die gleichzeitige Rückkehr zu einem Siebenstundentag nicht zulasse. Die Zechenbesitzer lehnen nach wie vor eine allgemeine Lohnfestsetzung ab und verlangen eine Regelung, die die wirtschaftliche Fähigkeit jedes Bezirks berücksichtigt.
Ernste Lage in Spanien
London, 24. Sept- Daily Chronicle meldet aus Gibraltar, die Zustände in Spanien seien unhaltbar geworden; entweder müsse König Alfons gehen oder Primo de Rivers wahrscheinlich der letztere. Me Waffengattungen des Hee« sind auf die Seite der Artillerie getreten.
Der Bürgerkrieg m China
London, 24. Sept. Der General der roten Kantontruppen, S u Mt s ch u a n f a n g, soll die Beschießung der Stadt Wutschang am Jangtse angekündigt und die fremden Kriegsschiffe aufgefordert haben, den Fluß abwärts zu fahren, was der amerikanische Kommandant verweigert habe. Die Stadt Wusueh scheint von den Kantonesen eingenommen zu sein. Nach der „Morning Post" seien alle Orklager der Britisch-asiatischen Erdöl-Gesellschaft von den Kantonesen geschlossen worden, die amerikanischen Lager aber unberührt geblieben.
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