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Nr. 199
Gegründet 1886
Freitag, den 27. August 1926
Fernsprecher Nr. 29
10V. Jahrgang
Tagesspiegel
lieber die bevorstehende Völkerbundstagung. die Ausnahme Deutschlands in den Völkerbund und die berühmte -Ratserweikerung werden immer noch spaltcnlange Berichte verbreitet, die aber alle darauf hinauslaufen: man weist noch gar nichts.
Der deutsche Botschafter in Paris von hösch wird am 27. August in Berlin erwartet. Er wird am 28. August uach Genf abreisen.
Die zwölf von Frankreich an Polen gelieferten Riesenbombenslugzeuge sind am 23. August auf dem Luftweg in Warschau eingetroffen. — Die Franzosen haben wieder die Keckheit gehabt, die Flugzeuge über deutsches Gebiet zu führen.
Die Lage m Spanien soll nach der Verordnung über die Veförderungsverhaltnisse der Pionier- und Artillerieoffiziere Lehr ernst geworden sein. Die Artillerieoffiziere verlangten vom König die Entlastung des Generals Primo de Rivera. Dieser legte dagegen dem König ein Dekret vor, das auch das Artilleriekorps auslöst und die staatlichen Wafsenfabriken
Toledo und Trubia unter Zivilverwalkung stellt. Der Rönig verweigerte die Unterzeichnung und reiste sofort nach dem Sommersih der königlichen Familie von Santander ab.
Afghanistan und Deutschland
Ein Deutscher, der durch langjährigen Aufenthalt ein guter Kenner Afghanistans ist und erst kürzlich von dort in die Heimat zurückgekehrt ist, schreibt:
Das rauhe Land der rauhen Afghanen ist bis zum Weltkrieg unbekanntes und verschlossenes Land gewesen. Nicht zuletzt dank der Eifersucht, mit der die beiden großen Nachbarn Afghanistans, Rußland und Indien, die Pforten dieses Pufferstaats gehütet haben. Erst während des Weltkriegs hat deutsches Heldentum und deutsche Tatenluft Afghanistan dem europäischen Auge geöffnet: einer kleinen Schar von deutschen und österreichischen Offizieren unter Führung des Münchners Oskar von Niedermayer ist es damals gelungen, unter den fremdenfeindlichen Afghanen Freundschaft für das ferne Deutschtum zu erwerben.
Mit dem Regierungsantritt des gegenwärtigen Emirs erfuhren die während des Schlachtenlärms des Weltkriegs fast unbemerkt angeknüpften Beziehungen eine Erneuerung und Vertiefung auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet. Deutsche stellen noch heute Las Hauptkontingent jener Leute, die der Emir dazu ausersehen hat, das Land wirtschaftlich und kulturell zu heben. Die deutsche Arbeit in Afghanistan ist schwer, verantwortungsvoll und vielfach undankbar, denn die gegenwärtigen Regierungsmethoden sind keine glücklichen: der allzu unternehmungslustige Emir nimmt Pläne in Angriff, die einer modernen Großmacht würdig wären, wie z. B. den Bau der neuen Residenzstadt Daru- la-man, einige Kilometer von Kabul. Wertvollstes Kulturland geht durch den Bau dieser Stadt und einer etwa vierzig Meter breiten Verbindungsstraße nach Kabul verloren. Der Bau verschlingt solche Summen, daß es fraglich erscheint, ob die Stadt jemals fertig wird. Zweifellos würde es den finanziellen Verhältnissen des Landes besser entsprechen, die alte Hauptstadt Kabul selbst allmählich auszubauen und M verbessern. Auch der Bau einer weiteren großen Straße von Kabul nach Dschalalabad an der indischen Grenze verursacht große Kosten, die an anderer Stelle nutzbringender angewendet werden können. An beiden Unternehmungen arbeiten deutsche Ingenieure, Techniker, Architekten und einige Arbeiter mit. Auch die vor der Vollendung siebende Zementfabrik bei Kabul, und eine im Bau befindliche Zündhol zfabrik sind deutsche Arbeit. Deutsche Chemiker haben ein Laboratorium, ein deutscher Ingenieur bat eine Bergbauschule einaerickstet. Hoffnungsvoll entwickelt sich ferner die deutsche Oberrealschule in Kabul unter der deutschen Leitung des Dr. Iven und mit deutschen Lehrern. Sie hat schon an 200 Schüler. Die französische Schule geht zurück, teils aus Lehrermangel — der französische Staat leistet Gehaltszuschüsse an seine Lehrer, kann sich aber diese Ausgaben jetzt nur mehr in beschränktem Umfang leisten 7 ^ teils wohl auch deshalb, weil die Unterrichtserfolge der französischen Schule jenen der deutschen Schule weit nachstehen. Im afghanischen Krankenhaus arbeiten gegenwärtig noch ein deutscher Arzt und eine deutsche Aerztin. Leiborst des Emirs und seiner Familie ist ein Bayer, der frühere Msttenwalder Arzt Dr. Seiler.
^ ^ vordringlichsten Ausgaben Afahanistans liegen auf ^diet der L an de s kul t u r. Weite Teile des Landes Stätten alter hoher Kultur liegen infolge "st.'u der Bewässerungsanlagen verödet. Vor einigen sich die Regierung entschlossen, eines dieser wieder zu beleben: eine etwa 25 000 Aoße Ebene nördlich Kabul im Verstand Kuhistan.
Kan alsoll der jetzigen Wüste, die iM^Esten Boden hat, das Wasser der drei Flüsse Pand-
zuleiten. Nach zweieinbalbjäh- unter Leitung des bayerischen b ^chard N iedermayer mußte der Kanal-
werden, da es der Regierung nicht sie Unternehmen aus eine gesunde Grundlage .zu
fft die Arbeit eines deutschen Diplom- Nahe der südlich von Kabul gelegenen ein»^ ^ b'er die Wiederherstellunasarbeiten
Ärre BewasserunoL-wecken dienenden großen Tal-
Me AussöhrWshestMMugen M M 48
Brmm-Severlng, das „kurzsichtige" Brüderpaar
Berlin, 26. Aug. Nach einer Blättermelüung hat der Reichsminister des Innern die Ausführungsbestimmungen zum Art. 48 der Reichsversafsung ausgearbeitet. Art. 48 gibt dem Reichspräsidenten die Vollmacht, im Fall der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wesentliche in der Verfassung festgelegte Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft zu setzen und Maßnahmen zu treffen, um erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht einzuschreiten. Der Entwurf geht zunächst den zuständigen Stellen zu.
Sitzung des Auswärtigen Ausschusses Berlin, 26. Aug. Der Auswärtige Ausschuß des Reichstags trat heute zu einer Sitzung zusammen, um eine Erklärung der Reichsregierung über die gegenwärtige außenpolitische Lage entgegenzunehmen. An den Beratungen nahmen neben den ständigen Mitgliedern des Ausschusses zahlreiche Vertreter des Reichsrats teil. Außenminister Dr. Stresemann leitete die Verhandlungen mit einem längeren Dortrag ein. Die Verhandlungen wurden für vertraulich erklärt.
Die Lage der Werkpenfionskaffe«
Berlin. 26. Aua. Im Preußischen Landtag ist auf sin«
Kleine Anfrage des Abgeordneten Rüster (Dntl.) die Antwort eingegangen, daß die Reichsregierung aus Grund einer Entschließung des Reichstags zurzeit damit beschäftigt ist, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der Werkpeu- iionskassen klarzustellen.
Scvering gegen Hamburg
Hamburg, 26. Aug. Zwischen Hamburg und der preußischen Regierung schweben schon über ein Jahr Verhandlungen wegen der Abtretung der auf preußischem Gebiet liegenden Stadt Wilhelmsburg (in unmittelbarer Nähe Hamburgs) an Hamburg, wogegen Hamburg ein hambur-- gisches Gebiet an der Elbe an Preußen abtreten will Wkl- Helmsburg selbst hat den Wunsch, mit Hamburg vereinigt zw werden. Einer Abordnung der Stadt Wilhelmsburg tmt nun aber der preußische Minister Severing in Berlin barsch erklärt, Hamburg werde Wilhelmsburg nicht erhalten: die Wilhelmsburger könnten es sich ja überlegen, ob sie mit der preußischen Stadt Harburg (eine öde Fabrikstadt auf der linken Elbeseite) vereinigt werden wallen. In Hamburg und Wilhelmsburg rief die Abweisung Entrüstung hervor. Die Blätter fast aller Richtungen meinen, hoffentlich werde die Herrschaft Braun-Severing in Preußen eher zu Ende sein, als die Entscheidung in dieser Frage.
Eine neue Tonart
Frankreich, das Land der Kolonisatoren!? (Syrien)
Mailand, 26. Aug. Senator Morello, der Direktor des „Secollo", veröffentlicht in seinem Blatt einen aufsehenerregenden Leitartikel, worin er schreibt, die politische Entwicklung in Europa seit dem Versailler Vertrag habe von Brockdorff-Rantzau und dessen Protesten recht gegeben. Nicht Deutschland sei es mehr, das wünsche, sich in der Oeffenttich- keit mit seinen ehemaligen Feinden zu zeigen, sondern diese seien es, die Deutschlands Gesellschaft suchten. Deutschland vergesse vvruehm die erduldeten Beleidigungen und biete Frankreich und Belgien zur Verteidigung des Papiersranke« wirre Lille an. Sieben Äadre rrock» der Unterzeichnung der Versailler Vertrags sei nicht einmal mehr Kriegserinnerung übrig geblieben, und was den Frieden betreffe, müsse man sich auf die Güte und Langmut Deutschlands verlassen. Italien, das an den Verfolgungen Deutschlands weder teilgenommen noch daraus Nutzen gezogen habe (?), sehe der Völkerbundtagung in vollkommener Ruhe entgegen.
Reureglung der Gemeindeverwaltung in Italien
Rem, 26. Aug. Der „Jmpero" teilt mit, daß der Minister des Innern Federzoni ein Gesetz vorlegen werde, wonach auch die Gemeinden über 5000 Seelen von einem P o- d e st a geleitet werden sollen, der von der Regierung ernannt wird.
In Verona und Padua sollen über 400 Sozialisten verhaftet worden le-n.
Der Krieg in Syrien.
London, 26. August. Die .Central News' melden aut Beirut, Sultan Atrasch rase alle Drusen vom 20. Lebensjahr an zu den Waffen: wer dem Aufruf nicht Folge leistet oder ich den Franzosen ergibt, dessen Besitztum soll zerstört werden. — Die .Daily News', schreiben, wenn auch der von Poincare ins Kabinett gezogene bisherige Obcrkommissai von Syrien, de Iouoen'el, nach seinem Weggang von Syrier: zehauptet habe, Frankreich habe die ihm (vom Völkerbund mvertraute Aufgabe in dem .Mandat" über Syrien erfüllt, v bestehe doch kein "weifet, daß Frankreich wegen der zahl- osen verbrecherischen Fehler, die es in Syrien .erfüllt' habe, streng zur Rechenschaft gezogen werde. Frankreich habe in Syrien jeden politischen und militärische» Fehler gemacht, den man überhaupt machen kannte. G )«be so dem syrischen Volk den Geist unversöhnlichen Haffes nngepflanzt und weite Gebiete in Armut und Verwüstung zestoßen. Schließlich können ja die französischen Maschinengewehre und die Frankenmillionen ebenso oewinnen, wie in Marokko, aber Syrien sei^nichk Marokko, sondern ein Mandat des Völkerbunds, dessen Pflicht es sei, Frankreich daran rechtzeitig und scharf zu erinnern.
Nach einer Meldung aus Paris besteht dort die Absicht, zunächst keinen neuen Oberkommissar für Syrien zu erneuten, sondern dessen Befugnisse dem militärischen Oberbefessts-
lik-ertraapu.
Die Unzufriedenheit mit den Maßnahmen der Regierung wird durch die immer wieder im Lande auftretenden Unruhen deutlich genug bewiesen. Die Luxusausgaben der Regierung sind ein besonders guter Boden für das allorientalische Bestechungs- und Veruntreuungswesen. Es hilft gar nichts, wenn man ab und zu einige hundert Diebe aufhängt — man muß das Uebel an der Wurzel fassen: Verzicht auf alle teueren Spielereien und Dinge, die nicht der Gesamtheit zugute kommen! Es wäre der afghanischen Regierung ein Leichtes, sich durchaus die Mitarbeit tüchtiger, selbstloser Deutscher zu sichern, wenn sie diese auf eine bessere und würdigere finanzielle und dienstliche Grundlage stellen würde, als es gegenwärtig meist der Fall ist. Sonst besteht die Gefahr, daß ungenügend entlohnte Leute sich die im Orient üblichen Methoden des Nebenerwerbs zu eigen machen. Es find schon heute Deutsche in Afghanistan, deren Tätigkeit, vor allem auf kaufmännischem Gebiet, dem deutschen Namen keine Ehre machten und manche der Sympathien, die der Deutsche in Afghanistan genießt, schwer gefährdet. Mr dürfen uns nicht damit trösten, daß solche Leute Außenseiter des Deutschtums sind. Es ist vielmehr dringend zu hoffen, daß die deutschen amtlichen Auslandsvertretungen diesen unliebsamen Dingen ihr Augenmerk schenken.
Der neue deutsche Gesandte in Afghanistan, Feigel, findet ein schweres Arbeitsfeld. Der Fall Stratil-Sauer hat gleichfalls dem deutschen Ansehen in Afghanistan sehr Abbruch getan. Es muß dem jungen Herrn zum Vorwurf gemacht werden, daß er ohne Sprachkenntnisse, ohne Kenntnis der Landessitten in ein immer noch fremdenfeindliches Land gegangen ist. Der Emir Aemanullah Khan Ghasi hat dem erst zum Tod, dann zu vier Jahren Gefängnis ver- arteilten Stratil-Sauer alsbald die ganze Strafe erlassen. (Stratil-Sauer hatte bekanntlich, angeblich in Notwehr, einen Afghanen erschossen.) Aus dieser Begnadigung darf man aber nicht schließen, daß der Emir den nach mohammedanischer Auffassung sehr milden Gerichtsspruch nicht gebilligt hätte. Die Begnadigung ist allein als ein Beweis seiner freundschaftlichen Gesinnung für Deutschland anzusehen.
Dafür möge noch eine weitere Tatsache erwähnt werden.
Kn deutscher Ingenieur in Kabul, der später als Lehrer an der Aemani-Schule tätig war, starb plötzlich an Herzschlag. Der Begriff einer Pension ist in Afghanistan, im Gegensatz zu Persien, völlig unbekannt. Weder erhält ei» afghanischer Beamter selber auch nur einen Potssä (Mennig), wen« er aus seinem Amt scheidet, noch erholten seine Hinterbliebenen eine Unterstützung. Naturgemäß wird in den Verträgen der Deutschen mit der afghanischen Regierung, die meist auf drei Jahre lauten, eine Versorgung der Angehörigen im Todesfall gar nicht erwähnt. Trotzdem hat die afghanische Regierung der in Berlin lebenden Witwe durch ihren Gesandten ein Gnadengeschenk von 2000 cruszcchlen und ihr bei dieser Gelegenheit den Dank für die treuen Dienste ihres Mannes aussprechen lassen. Auch das war wieder ein Ausdruck frendschastlicher Gesinnnung für Deutschland.
Zur,zeit stehen etwa 60 Deutsche in afghanischen Dienstes, hauptsächlich in und bei der Hauptstadt Kabul. Einige v«k ihnen, die erfolgreich tätig waren und sich entschlossen haben, über die Dauer des ersten Vertrags noch längere Zeit im Dienst des Emirs zu bleiben, haben bereits erhebliche Verbesserungen ihrer früheren Vertragsbedingungen erreicht.
Es wäre dringend zu wünschen, daß nun kein zweiter Fall Stratil-Sauer das wiederhergestellte gute Einvernehmen trübt. Darum sollt« jeder Deutsche, der in afghanische Dienste zu treten beabsichtigt oder selbständig in Afghanistan tätig sein will, sich zunächst eingehend über die Menschen und Zustände in diesem Lande unterrichten und sich dann selber prüfen, ob er die Anpassungsfähigkeit an zentralasiatische Verhältnisse, sowie die strenge Selbstzucht und den Takt besitzt, die im Verkehr mit andern Nationen und besonders aucb mit.d-n A""«Karinen and-rer Religionen nötig sind.
Hütet Euch vor der Fremdenlegion!
Deutschlands Söhne seid nicht so ehr- und pflichtvergessen, verstärkt nicht die Arbeits- und Heeresmacht unseres grimmigsten Feindes und schwächt nicht die Arbeitskraft des eigenen Vaterlandes.
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