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Nr. 185 Gegründet 1826 Montag, den 23. August 1326 Fernsprecher Nr 29 108. Jahrgang
Tagesspiegel
Der Zustand der Königin Viktoria von Schweden ist sehr ernst geworden.
Reichskanzler Dr. Marx ist in Begleitung des badischen Slaalspräsidenken Trunk und des Reichslagsabgeordnekcn Herold zur Teilnahme am Katholikentag in Breslau eingetroffen.
Der neue japanische Botschafter Harukazu Nagaoko trifft am 25. August in Berlin ein. Der bisherige Botschafter Honda ist schon vor längerer Zeit nach Japan zurückgekehrt.
Die deukschnationale Fraktion hat im preußischen Landtag eine Anfrage wegen der täglich vorkommenden tätlichen Ausschreitungen der Kommunisten eingebrachk.
Die bayerische Regierung hat durch Verordnung über Maßnahmen gegen den Wohnungsmangel, über Mieterschutz und Miekzinsbildung einen weiteren Abbau der Wohnungszwangswirtschaft eingeleitet.
Zur Tagung des Studienausschufses des Völkerbunds für die Ratserweiterung wird der deutsche Botschafter in Paris, von Hoesch, am 28. August nach Genf abreisen, begleitet von neun Beamten des Auswärtigen Amts. Der Rat wird seine Sitzungen am 3. September beginnen, die Völkerbundstagung selbst wird am k. September eröffnet. — Reichsminister werden also, gottlob! nicht mehr nach Genf gehen.
Das Blatt Pilsudskis „Glos Pravdy" kündigt an, wenn die Forderung Polens nach einem ständigen Ratssih nicht erfüllt werde, so werde eine Gruppe im Völkerbund (kleiner Verband und Griechenland) die Arbeiten durchkreuzen und eine allgemeine Demokratisierung des Völkerbunds durchsetzen.
Der Sohn des Marfchalls Tschangtsolin, hsuchliang. meldet, die (mandschurischen) Truppen des Marschalls haben Kalgan besetzt. — Me Kuomintschun (Volksheer) brachten ihre Geschütze und Kriegsvorräte in der Richtung Ping- tischuan in Sicherheit. — Kalgan, jenseits der chinesischen Mauer und des Rankaupasses, ist einer der wichtigsten Handelsplätze der Mongolei, über die der Handelsverkehr von China (Süden) nach der wichtigen nordmongolischsn Stadt Urga und von da nach Sibirien (Irkutsk und Baikal-See) mit Anschluß an die große fibiriicke Bobn führt.
Eine Abrüstungsrede HeUoggs
Lobgesang und Warnung an England
Dieser Tage hat der amerikanische Staatssekretär für Auswärtiges, Kellogg, eine politische Rede gehalten, für die er sich einen merkwürdigen Anknüpfungspunkt gewählt hat: die Schlacht von Plattsburgh. Bekanntlich ist der Unabhängigkeitskrieg von 1775—1783 nicht der letzte Krieg zwischen England und den Vereinigten Staaten gewesen. Bon 1812—15 hat zwischen dem angelsächsischen Kolonialstaat und dom Mutterland abermals Kriegszustand geherrscht. Und zwar hatten die Amerikaner den Krieg erklärt, weil sie die Drangsalierungen der neutralen Schisfahrt durch die Engländer, in ihrem Kampf gegen Napoleon I., nicht dulden wollten; etwas also, was die Amerikaner im letzten Krieg mit wahrer Lammesgeduld ertragen haben.
Der Krieg von 1812—15 ist beiderseits nicht mit äußerster Kraftanstrengung geführt worden, die amerikanische Seemacht war der englischen auf die Dauer nicht gewachsen, andererseits waren die englischen Streitkräfte größtenteils durch den Krieg in Europa gebunden. Immerhin haben die Engländer den amerikanischen Handel lahmgelegt, einmal auch Washington erobert und das Kapitol verbrannt. Anfangs Sept. 1814 drangen sie mit überlegenen Streitkräften vom Lorenzstrom gegen den Champlainsee, an der Ostgrenze des Staats New Jork, vor. Sie gaben aber den Vorstoß auf, als ihre Flottille auf dem See von den Amerikanern vernichtend geschlagen worden war. Das geschah in der Schlacht von Plattsburgh, und diese englische Niederlage ist es, von der Staatssekretär Kellogg ausging, um — die hundertjährige englisch-amerikanische Freundschaft zu feiern! Man braucht keinen Augenblick daran zu zweifeln, daß es den Amerikanern um die Erhaltung dieser Freundschaft ernst zu tun ist. Man darf sich aber auch nicht darüber täuschen, daß die amerikanischen Staatsmänner diese Freundschaft von ernsten Gefahren bedroht sehen, wenn sie es für angebracht halten, bei Betrachtung der Gegenwart vom Kriegszustand vor 112 Jahren auszugehen. Denn, daß die Rede Kelloggs vorher mit dem Präsidenten Coolidge genau vereinbart war und also ein Programm sein soll, ist ausdrücklich versichert worden.
Die Abrüstung zu Lande nahm in Kelloggs Rede einen breiten Raum ein. Dem Amerikaner aber ist die Hauptsache die weitere Beschränkung der Rüstungen zur See. Die Beschränkung, die auf der Konferenz von Washington 1921 für Linienschiffe festgesetzt worden ist, soll auf Kreuzer, Torpedoboote und Tauchboote ausgedehnt werden. Dagegen macht die britische Admiralität Schwierigkeiten. Und es scheint, daß die leitenden amerikanischen Staatsmänner vor Ueber-, steigerung dieser Schwierigkeiten warnen wollten, indem sie auf den Ausgang des Kriegs vor 100 und einigen Jahren und die lange, ungeschützte Grenze mit Kanada hinwie- len — durck» die Blume eines Lobaesangs auf die hundert-
Wen md MlMdy. Zer StaudWkt her hetz. Regierung
London, 22. August. Halbamtlich meldet die „Limes aus Brüssel, die belgische Regierung behaupte zu Recht, daß zwischen ihr und der deutschen Reichsregierung keine Besprechungen über den Loskauf von Eupen und Malmedy stattgefunden haben. Dagegen habe die deutsche Regierung in der Absicht eines Tauschgeschäfts Fühler ausgestreckt, die belgische Regierung habe sich aber geweigert, die Vorschläge in Erwägung zu ziehen. Eupen und Malmedy seien Belgien durch den Friederisvertrag gegeben worden, ohne die Zustimmung aller Unterzeichner dieses Vertrags könnte über die Frage also überhaupt nicht erörtert werden. Die gegenwärtige belgische Regierung werde sich auch auf keinerlei Verhandlungen einlasfen. Die Aufwertung der in Belgien während des Kriegs in Umlauf gesetzten deutschen Geldscheine sei eine Frage für sich, die zwischen Belgien und Deutschland ohne Beteiligung anderer Länder geregelt werden müsse.
Das „Echo de Paris" berichtet, es sei dem Rsichsbank- präsidenten Dr. Schockt gelungen, den belgischen Vertreter im Dawesausschuß Delacroix und den Minister Francqui für den Plan des Loskaufs zu gewinnen. Schacht habe eine sofortige Zahlung von 30 Millionen Dollar und eine spätere Zahlung von 40 Millionen Dollar geboten. Das belgische Kabinett, besonders die Minister Heymann, Dandervelde und Jasver haben sich ober entschieden wider
setzt. Ebenso leien "er 2)"wesagenl Parker EiUbert und die Regierungen von England und Frankreich dagegen. j
Der Generalschub in Polen <
Warschau, 22. Aug. Die wirrschastliche Sorge Pilsudskis ist zurzeit immer noch die Besetzung aller höheren und einflußreichen Befehlsstellen des Heeres mit seinen Anhängern. Die Generale mit berufsmäßiger Ausbildung wurden fast alle abgesetzt und durch ehemalige Freischärler (Le- gionisten) ersetzt. Das neue Amt eines „Generalinspektors der Wehrmacht" hat Pilsudski sich selbst Vorbehalten und ohne seine Zustimmung kann künftig der Staatspräsident keinen Offizier vom Regimentskommandeur aufwärts mehr ernennen. Die bisherigen Fachinspektorate für Infanterie, Reiterei und Artillerie wurden abgeschafft, dagegen nicht weniger als zwölf Heeresinspektoren ernannt (das polnische Heer hat 30 Divisionen), die dem Generalinspektorat unmittelbar zugeteilt sind und von denen acht ihren Sitz in Warschau haben. Anfangs dieser Woche wurden allein 11 neue Regimentskommandeure, natürlich nur Anhänger Pilsudskis, ernannt und 47 Obersten und Oberstleutnant» in andere Aemter und Orte versetzt.
In Warschau ist ein Riesenbombe nflugzeu.. eingetroffen, das in Frankreich für Polen g baut worden ist. Zwölf weitere solcke ^luarenoo werden Nachfolgen.
jährige Freundschaft, die dem Krieg folgte. Sanft aber nachdrücklich wird England daran erinnert, wie die gegenseitigen Machtstellungen sich seit dem Weltkrieg verschoben haben. In Amerika nämlich versteht man die weltgeschichtliche Bedeutung der Skagerrak-Schlacht besser zu würdigen, als im schlafmützigen Deutschland. Man weiß, daß England seitdem das Recht verwirkt hat, tonangebend in bezug auf Seegeltung aufzutreten, Wsn nimmt dies Recht sehr ent- ^ schieden für Amerika in Anspruch, das England und sein" Weltreich vor den schlimmsten Folgen der Skagerrak-Schlacht bewahrt hat.
Das alles sind erst Anfänge, Andeutungen zu Anfängen vielleicht, von denen neue Entwicklungslinien der Weltpolitik ausgehen sollen. Wir haben diese beginnenden Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen, denn wir sind G e g e n st a n d der Politik, die sich daraus ergibt. Die Amerikaner lassen heute nur mehr drei Welt-Seemächte gelten: sich selbst, England und Japan. Die japanische Macht allein halten sie nicht für lebensgefährlich, aber von der englischen wollen sie sich, bei aller Rassenfreundschaft, offenbar um keinen Preis mehr überflügeln lassen. Daher die Forderung der weiteren Verständigung: denn gelingt die nicht, so gibt's ein Wettrüsten, und am Ende des Wettrüstens steht drohend — derneue Weltkrieg. Dem möchten die Amerikaner beizeiten Vorbeugen, ohne doch ihre Vormachtstellung preiszugeben, und England wieder an die erste Stelle rücken zu lassen.
Denn sie vergessen's den Engländern nicht, daß sie das große amerikanische Volk in den letzten Weltkrieg hinein- gegängelt haben, ohne daß es recht wußte, worum es ging. Der Amerikaner will sich nicht länger gängeln lassen, er will selbst die Führung haben!
Neuestes vom Tage
Vorträge beim Reichspräsidenten Berlin, 22. Aug. Der Herr Reichspräsident nahm gestern den Vortrag des Reichsministers des Auswärtigen Dr. Stresemann sowie später des Reichsministers des Innern Dr. Külz entgegen.
Schikanen gegen die Reichswehr Berlin. 22. Aug. Abg. Ritters Haus hat im preußischen Landtag eine Anfrage eingebracht über Schikanen, denen die Reichswehr von seiten der Zivilbehörden ausgesetzt sei. So wurde u. a. in Brandenburg an der Havel im Manöver einer Reichswehrkompagnie die Unterkunft in einem der Polizeischule in Berlin zustehenden Gebäude verweigert. Bei einer späteren Einquartierung einer Kraftwagenkolonne in Brandenburg, die um Ueberlassung des Sportplatzes der Polizeischule ersuchte, habe der Schulleiter sich „für nicht zuständig" erklärt und den Reichswehrhauptmann an den Regierungspräsidenten verwiesen; dieser wiederum verwies ihn an den Oberprä - sidenten. Auch dieser habe die „Verantwortung" abgelehnt und den Hauptmann an den Minister Severing verwiesen, von dem keine Antwort einlief. Inzwischen war so viel Zeit vergangen, daß der Hauptmann seine Leute nicht länger auf der Straße stehen lassen konnte, und er habe die Kolonne notdürftig außerhalb der Stadt Brandenburg im Schlachtbof untergebracht. Der Abgeordnete wünscht in
der Anfrage zu wissen, ob das preußische Staatsministeriuni eine solche Behandlung der Reichswehr seitens der preu- ßischen Polizeibehörde und des Ministers Severina billige.
WM Ae mfere ZeUmg!
Hochverratsverfahren gegen Llaß?
Berlin, 22. Aug. Eine Korrespondenz meldet, die Voruntersuchung gegen Justizrat El aß, den bekannten Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes, „wegen Hochverrats" sei abgeschlossen: die Akten seien der Reichsanwaltschaft zur Prüfung übergeben worden. Dagegen seien die Ermittlungen gegen Major ä. D. von Sode n st ern. Oberst a. D. von Luck und Oberst a. D. Knauer eingestellt worden.
Enthüllungen -es Sparerbunds Berlin, 22. Aug. Ein Blatt weiß zu berichten, der Sparerbund werde nach Ablehnung des Aufwertungs- Volksbegehrens durch die Reichsregierung mit Enthüllungen über die Geldwirkschaft zahlreicher politisch hervorragender Persönlichkeiten sich an die Oeffentlichkeit wenden, um gerichtliche Untersuchung gegen die Beschuldigten herbeizuführen und zu beweisen, daß für die verlangte Aufwertung Mittel vorhanden wären.
Antrag an hellpach
Frankfurt a. M., 22. Aug. Dem früheren badischen Staatspräsidenten Hellpach, der gegenwärtig einen Lehrstuhl an der Universität Heidelberg innehat, wurde die Leitung des Schulwesens in Frankfurt ongetragen. Eine Entscheidung ist noch nicht getroffen. — Hellpach ist von Beruf Arzt.
Rach dem Scheitern der Friedensverhandlungen London, 22. Aug. Arbeitsminister Steel Maitland hatte eine Besprechung mit dem Erstminister Baldwin über die Lage, nachdem die Verhandlungen zwischen den Grubenbesitzern und den Gewerkschaftsvertretern abgebrochen worden sind. In Mittel-England haben wieder mehrere tausend Arbeiter die Arbeit ausgenommen. Die Arbeitswilligen mußten verschiedentlich von der Polizei gegen Angriffe der Streikenden geschützt werden.
In Berlin soll eine Zusammenkunft von Vertretern der englischen und russischen Gewerkschaften stattfinden.
Wirtschaftliche Schäden des Ausstands London, 22. Aug. Gemäß einer Beröffenli hung des Bundes der Eisen- und Stahlindustriellen ist im Juli fast kein Roheisen oder Stahl hergestellt worden. Von den 147 Hochöfen waren Ende Mai nur 23, Ende Juni nur 11 und Ende Juli nur 8 im Betrieb. Die Erzeugung an Roheisen belief sich im Juli auf nur 17 900 Tonnen gegen 492 700 Tonnen im Juli des Vorjahres, und die von Stahlblöcken auf 32 100 Tonnen gegen 590 400 Tonnen. Das Arbeits- Ministerium stellt fest, daß der Ausstand bis Ende Juli für die 1050 000 Bergleute Großbritanniens einen Verlust von 66 Millionen Arbeitstagen verursacht hat. Von dem zwölf- tägigen Generalstreik Anfang Mai wurden außer den Berg- leuten 1580000 Arbeiter betroffen, die insgesamt 15 Millionen Arbeitstage verloren.
Washington, 22. August. Wie der Leiter des Marineluft- wcjens mitteilte, werden im laufenden Rchnungsjahr rund 12 Millionen Dollar für den Ankauf neuer Marineflugzeug« ^S^°Nk"werden Die Lustrüstung der Vereinigten
x «U,llurtingszrugzeuge und um 74 Schul,
flugzeuge. Die neuen Flugzeugaufträg« werden auf Grund eines Aufstieg-Wettbewerbs festgesetzt werden, an dem Ä Fabrikanten teilnehmen werden.
Der holländische Flugzeugfabrikant Fokk, r hat da» am«.
Bürgerrecht nachgesucht, «r will Amerika My führenden Land des MuAverkehrs machen.