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Mit den illustrierten Unterhaltungsbeilagen „Feierstunden" und „Unsere Heimat"
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Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage „Haus-, Sorten- und Landwirtschaft"
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Nr. 178
Gegründet 1826
Dienstag, den 3. August 1926
Fernsprecher Nr. 29
100. Jahrgang
Tagesfpiegel
Daweskrise im Jahre 1928
Ei« «euer Mougolenzug in Dorberettung
Reuyork. 2. August. Im Politischen Institut hielt der bekannte Schriftsteller Paul Harvey im Auftrag der Internationalen Handelskammer einen vielbesprochenen Vortrag über die zukünftige Entwicklung der Weltpolitik und kündigte für 1928 folgenden Stand der Ereignisse an: Die Ueberla- stung des deutschen Staatshaushalts durch den Dawesplan führt zu einer Dawes-Krise, das Transfer-fUeber- tragungs-)System wird undurchführbar. Deutschland ist n i ch t imstande, die geforderten Leistungen aufzubringen. In den Gläubigerländern erreicht die Arbeitslosigkeit einen ungeheuren Stand. Frankreich ist infolge von Kapitalsnot außerstande, seine Kolonien auszunutzen. Amerika und vielleicht auch England würden Deutschland Anleihen gewähren, wogegen Deutschland Frankreich die in den Kolonien benötigten Hilfsmittel liefern würde. Auf diese Weise würde Frankreich ebenfalls einen Vorteil, wenn nicht den größten, haben.
Die Lage in China
Peking, 2. August. Durch eine geheiligte Gewohnheit ruhen in den heißen Sommermonaten Juni, Juli, August bis in den September hinein in China die größeren Unternehmungen in Politik usw., damit der Ackerboden und sein Bebauer die Ruhe haben, die er zur Ernte braucht. In diesem Jahr ist es anders. Der Bürgerkrieg dauerl fort, so daß der Winter böse für das Land werden wird. Seit über drei Monaten hat China eigentlich keine Regierung mehr, womit die Macht der Provinzgewaltigen steigt, die fremden Gesandtschaften in Peking haben daher keine große Bedeutung mehr, an ibxe Stelle treten die Generalkonsulate in den Provinzen."'Ml Süden bahnt sich eine neue Entwicklung an. Das koumintschunistische Kanton strebt nach einem Ausgleich mit dem britischen Hongkong, das durch den Boykott und andere Maßnahmen Kantons im letzten halben
Jahr so schwer geschädiat worden ist. Hongkong wird die Verständigung als das kleinere Uebel wohl annehmen, dann aber hat Kanton die Hände frei zu einem Vorgehen gegen Marschall Wupeisuin der Provinz Hunan. Die Vernich, tung des Koumintschun-Volksheers, d. h. der nationalbolschewistischen Truppen des christlichen Marschalls Fengjuhsiang und seiner Anhänger ist bis jetzt nicht gelungen und wird nicht gelingen, wenigstens aus die Dauer nicht, weil es den Rückhalt an Rußland hat, das mit größtem Eifer mittlerweile die gewaltige Mongolei militarisiert, und so eine Waffe geschaffen hat, die im Verlauf der nächstem Jahre stark in die Erscheinung treten wird. Die Mongolen werden in absehbarer Zeit einmal marschieren, womit sich die Geschichte wiederholen würde. Japan steht an einem Wendepunkt, denn die Geduld Englands, auf das das schuldige Japan mit unglaublicher Geschicklichkeit den, ganzen Haß der Chinesen abgewälzt hak, ist am Brechpunkt. Die Fremdstaaten sind jetzt fast alle gegen Japan. Wie die Krise sich lösen wird, ist noch nicht abzusehen.
Allasiatische Konferenz
Tokio, 2. August. In Nagasaki wurde gestern eine „allasiatische Konferenz" eröffnet, die von 51 Vertretern aus Japan, Indien, Siam, Korea und den Philippinen besucht ist. Die Chinesen hielten sich fern. Die Japaner fordern u. a.: Zusammenwirken zwischen den Asiaten, Förderung des Baus transasiatischer Bahnen, Errichtung von Banken zur Erleichterung zwischen asiatischer Kredite und Förderung einer großen Gesellschaft zur Besserung des zwischenasiatischen Handels. Indische Vertreter hielten scharfe Reden gegen England. Die Japaner wiesen auf den japanischamerikanischen Gegensatz hin. Es wurde u. a. vorgefchlagen, einen asiatischenBundzu gründen, um die Vorherrschaft der Weißen zu brechen. Asien wolle etwas Bestimmteres als den Völkerbund. Der frühere russische General Semenoro war anwesend.
Zusammenstöße in Mexiko
In der Reichsregierung herrscht über die Frage des Reichsehrenmaks die Ansicht, die ganze Angelegenheit vorläufig so lange zu Verlagen, bis eine Einigung der bei der Errichtung des Reichsehrenmals in Frage kommenden Gruppen zustande gekommen ist.
Lloyd George wird nach einem polnischen Blatt in nächster Zeit nach Warschau kommen und von da nach Moskau reisen.
Der amerikanische Schahsekretär Mellon ist von Paris in Genf eingetroffen, von wo er nach Rom reisen wird. Er soll nach dem „Malin" von Präsident Loolidge telegraphisch auf- geforderk worden sein, „feine Arbeit" auf der Reife ausW- uehmen.
Als General Primo de Rivera in Barcelona zur Abreise nach Madrid zum Bahnhof fuhr, schleuderte ein Anarchist einen Dolch nach ihm. ohne zu treffen. Der Angreifer wurde von einem Kraftwagen überfahren und erlitt einen Beinbruch, worauf er verhaftet wurde.
Rach Privatbriefen haben die Franzosen bei den Kämpfen bei Taza (Marokkos einige hundert Tote und 1590 Verwundete geerbt.
Die britische Regierung hak an der Küste der Insel Singa- porc große Ländereien und zwei benachbarte Inseln ange- kaufk» auf denen eine große Seefestung und ein Flugplatz errichtet werden sollen.
Das Interdikt in Meriko
Am 1. August begann in Mexiko das kirchliche Interdikt, das der Erzbischof von Mexiko-Stadt, sieben weitere Erzbischöfe und 39 Bischöfe mit Zustimmung des Papstes erlassen haben. Interdikt heißt wörtlich Untersagung und bedeutet im katholischen Kirchenrecht die Einstellung des öffentlichen Gottesdienstes und aller kirchlichen Handlungen. Diese scharfe Waffe der katholischen Kirche, die im Mittel- alter nicht selten benutzt wurde, ist in der neuern Zeit in dieser Form nicht mehr zur Anwendung gekommen. Zum letztenmal wurde das Interdikt im Streit des Papstes Paul V. mit der Republik Venedig im Jahr 1806 verhängt. Wenn man den allerdings stark aufgebauschten Neuyorker Meldungen, die wegen des amerikanisch-mexikanischen Gegensatzes auf allen Gebieten immer stark zuungunsten der mexikanischen Regierung gefärbt sind, glauben darf, soll das neue Interdikt in beinahe mittelalterlicher Weise durchgeführt werden. Die Kirche glaubt, daß die breiten Massen des mexikanischen Volks diesen Zustand nicht lange zu ertragen vermögen und daß die Regierung dem sich daraus ergebenden starken Druck der Bevölkerung nicht widerstehen könne. Die Folgen des Interdikts sowohl wie der Gegenmaßnahmen der Regierung sind nicht abzusehen, wenn der Kampf — was nicht unwahrscheinlich ist — über das rein kirchliche Gebiet hinausgetragen wird. Die Gegner der jetzigen Regierung, die sozialistisch gefärbt ist, sind zahlreich und dürften sich kaum die Gelegenheit entgehen lassen, um einen Vorstoß gegen den Präsidenten Calles zu machen. Es wird davon abhängen, ob die bewaffnete Macht weiterhin zum Präsidenten halten wird. Calles gab in einer Ansprache an eine Abordnung der Gewerkschaften eine Darstellung der Krise. Dabei führte er aus, die Regierung sei vollauf mit der Lösung von schwerwiegenden nationalen Aufgaben, wie der Aufstellung des Haushalts, der Verbreiterung des öffentlichen Unterrichts und der Entfaltung der industriellen und landwirtschaftlichen Kräfte des Landes beschäftigt gewesen und habe, in diese Aufgaben vertieft, das katholische Element fast vergessen. Gerade im schwersten Augenblick seiner Amtszeit habe die katholische Priesterschaft einen Anschlag* gegen die Regierung gemacht, indem sie in der reaktionären Presse erklärte, daß sie die neue Verfassung der Republik, die u. a. die Trennung von Kirche und Staat vorsieht, nicht anerkenne, und indem sie allen ihren Anhängern befahl, der Verfassung nicht zu gehorchen und sie zu bekämpfen. Die Priester Hütten erklärt, die religiösen Bestimmungen der Verfassung seien » für Mexiko schimpflich und sollten nicht befolgt werden. Angesichts dieser Haltung müsse die Regierung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen mit der ganzen Strenge des Gesetzes diese Haltung der Priesterschaft bekämpfen.
Nach den bisherigen Erfahrungen wird Präsident Calles, der keine Kompromißnatur ist, seine Worte wahrmachen. Der Generalsekretär der päpstlichen Nunziatur, TitoCre - spi, und ein in der Nunziatur angestellter amerikanischer Staatsbürger Staloborn, sind gestern vormittag, wie die United Preß meldet, verhaftet worden. Staloborn wurde auf Grund eines Ausweisungsbefehls unter militärischer Bewachung an die amerikanische Grenze gebracht. Wie vorsichtig man gegenüber allen Nachrichten aus Mexiko sein .Muß, zeigt die Tatsache, daß die durch die ganze Welt gegangene Meldung, wonach der Bürgermeister der mexikanischen Stadt Nochistlan, der auf einen Priester geschossen haben soll, von der Bevölkerung erschlagen worden sei, falsch war. Recht merkwürdige Meldungen kommen aus Washington. Danach hat das amerikanische Auswärtige Amt die in Mexiko im Umlauf befindlichen Gerüchte für unbegründet erklärt, wonach die amerikanische Regierung beabsichtige, das Verbot der Verschiffung von Waffen und Munition nach Mexiko aufzuheben. Im Gegensatz dazu meldet die „New Bork Times", im Staatsamt werde trotz allem Ab-
Mexiko. 2. August. Gestern, am ersten Tag, da das Verfassungsgesetz von 1917 betr. Trennung von Kirche und Staat in Kraft trat, sammelten sich große Menschenmassen vor verschiedenen durch Militärposten bewachten Kirchen der Hauptstadt an. Die Menge nahm eine drohende Haltung an: der Aufforderung, auseinanderzugehen wurde nicht oige geleistet. Die Posten wurden angegriffen, wobei rauen sich besonders hervortaten. Die Truppen feuerten. Sechs Tote und 38 Verwundete werden gemeldet. Einige hundert Personen, darunter 40 Frauen, wurden verhaftet.
Präsident Calles ließ in Washington eine amtliche Erklärung abgeben, die Kirche in Mexiko dürfe nicht nach den kirchlichen Verhältnissen der Vereinigten Staaten beurteilt werden. Nur wer die Geschichte Mexikos genau kenne, könne den Zwist verstehen. Die Kirche habe 300 Iahre in Mexiko geherrscht, ohne das Land auf die Kulturhöhe anderer Staaten zu bringen. Durch die Trennung soll die Kirche veranlaßt werden, sich ausschließlich auf ihre geistliche Tätigkeit zu beschränken. Dieser Gedanke sei
schon in der Verfassung von 1857 und in den Reformgesetzen von 1859 enthalten gewesen.
Der vom Episkopat angeregte Boykott ist jn Kraft getreten. Die kirchlichen Gläubigen sollen demnach keine Steuern mehr bezahlen und die Kinder nicht in die Schule schicken. Die Einleger forderten ihre Guthaben von der Bank von Mexiko zurück, die bis jetzt ausbezahlt werden konnten, ohne daß der Goldbestand angegriffen werden mußte.
Kundgebung für die Regierung
Mexiko, 2. Aug. Die Mitglieder der Arbeiterverbände und die Regierungsangcstellten veranstalteten gestern in der Stadt Mexico und verschiedenen bedeutenden Städten des
streiten die Frage der Aufhebung der Wafscnaüsfuhripecre erörtert und eine entsprechende Denkschrift ausgearbeitet. Wenn die Regierung der Vereinigten Staaten die Waffenausfuhr nach Mexiko gestattet, so bedeutet das nichts weniger als die Revolution in Mexiko. Die Erhebung von Adolfo de la Huerta, dem Gegenkandidaten des jetzigen Präsidenten, konnte deshalb verhältnismäßig leicht niedergeschlagen werden, weil Nordamerika, das kein Interesse an einer neuen Revolution im Nachbarland hatte, ein Ausfuhrverbot für Waffen nach Mexiko erließ. Ohne Geld und Waffen — beides kam gewöhnlich aus den Vereinigten Staaten — kann man auch in Mexiko keine Revolution machen. Zu den bereits gemeldeten Gerüchten, daß man in den Kreisen der ausländischen Diplomaten erwäge, die Vermittlung des diplomatischen Korps in dem Streit zwischen der mexikanischen Regierung und der Priesterfchast anzubieten, verlautet, daß dem amerikanischen Botschafter in Mexiko, Sheffield, bis jetzt amtlich kein derartiger Vorschlag unterbreitet worden sei, und daß er keinerlei Schritte in dieser Richtung unternommen bade.
Landes Straßenkundgebüngen für die Kirchenpolitik der. Regierung. Jn der Stadt Mexiko dauerte der Vorbeimarsch des Zuges vor Präsident Calles 2)4 Stunden. Die Zahl der' Teilnehmer wird auf 15 000 geschätzt. Jn verschiedenes. Städten sollen sämtliche Katholiken Trauerkleidung tragen und die Häuser schwarz behängen sein. Jn Pachuca sind am! Samstag abend bei den letzten Gottesdiensten 6 Frauen: und 6 Kinder in den ungeheuren Menschenmengen, die sich in die Kirche drängten, erdrückt worden.
Erklärung der mexikanischen Geistlichkeit Mexiko, 2. August. Jn einer Erklärung, die von de» Bischöfen der „Associated Preß" zur Verfügung gestellt wo»' den .si, heißt es, verschiedene Diplomaten des lateinischen' Amerikas und verschiedene Regirungsbeamte hätten ihre guten Dienste zur Vermittlung angeboren. Der crugenblick-' liche Kirchenstreit sei ein unnötiger Kampf; denn er würde ohne weiteres beiaelegt sein in dem Augenblick, in dem die Regierung dem Volk die Freiheit in religiösen Fragen und -nderc von der Verfassung gewährleistete Rechte einräume. Der von den katholischen Kreisen geplante Boykott werde wahrscheinlich wirksam sein. Es wird verlangt, daß während des von der Kirche vorgeschlagenen Waffenstillstands und einer Volksabstimmung die Durchführung der neuen Regierung-Verfügungen eingestellt werden.
. Anschlag gegen Calles
Mexiko. 2. August. Die Polizei entdeckte einen Anschlag gegen das Leben des Präsidenten Calles. Eine auf dem Nathaus angcstcllte Maschinenschreiberin. die Frau eines Fabrikanten (der selbst geflüchtet ist), der Sohn des Senators Arcmjo und fünf andere wurden verhaftet. Sie sind Mitglieder des Bunds zur Verteidigung der religiösen Freiheit'.
Neuestes vom Tage
AvEndersteuer ku Frankreich
Paris, 2. August. Abg. Faliop (Sozialrep.) hat einen Ge- setzentwurf eingebracht, wonach jeder Ausländer eines Landes mit höherer Valuta, ausgenommen Arbeiter, beim Betreten des französischen Gebiets in der betreffenden fremden Währung eine Steuer zu entrichten hat: für «me» Aufenthalt bis zu 48 Stunden 20 Franken, einer Woche 100 Franken, einem Monat 200 Franken, drei Monaten 300 Franken, sechs Monaten 500 Franken, darüber hinaus 1000 Franken.
Wie verlautet, hat Po in ca re Briand darin nach» ge g e den, daß zur Befestigung des Franken doch zur Hilst» ausländischer Anleihen (in England und Holland) gegriffen werden soll; auch das Schuldenabkommen mit England soll bestätigt, dagegen dasjenige mit den Vereinigten Staaten noch zurückgestellt werden.