MtL-WwA>Mivrviatttür

esellfchakter

Mit den illustrierten Unterhaltungsbeilagen Feierstunden" undUnsere Heimat"

Bezugspreise:

Monatlich einschließlich Trägerlohn ^ 1.60 Einzelnummer 10 L

Erscheint an jedem Werktage

verbreitetste Zeitung im O.A.-8ezirk Nagolä

Zchriftleitung, Druck ».'Verlag von S.M.Taiser (t(arl Saiser) Nagolä

de» SlW^uMsv eziELagolS

Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage Hans-, Sorten- und Landwirtschaft"

Anzeigenpreise:

Die einspaltige Zeile aus gewöhnlicher Schrift ocker ckeren Kaum 15 L, Familien-Anzeigen 12 L Reklame-Zeile 45 Sammelanzeigen 50°/o Aufschlag

§ür ckas Erscheinen von Anzeigen in bestimmten Ausgaben unck an besonderen Plätzen, wie für telephonische Aufträge unä Chiffre-Anzeigen wirä keine Gewähr übernommen

Telegramm-Aäresse: Gesellschafter Nagolä.

Nr. ISS

Gegründet 1826

Zn Fällen höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Lieferung äer Zeitung oäer auf Rückzahlung ckes Bezugspreises. Postscheckkonto Stuttgart 5113

Freitag, den 23. Juli 1926

Fernsprecher Nr. 29

IVO. Jahrgang

Schwere Kämpfe in Marokko

Tagesspiegel

Reichspräsident von Aindenburq wird Anfangs August einen Urlaub ankreken und zunächst sich nach Hannover be­geben, um Mitte des Monats den gewohnten Aufenthalt bei einer chm befreundeten Gutsbesihersfamilie in Ober­bayern zu nehmen.

Der bisherige französische Kriegsminister Guilleaumak hak den Oberbefehl über das Besatzungsheer wieder über­nommen.

Aus Paris wird gemeldet. Last Briand wahrscheinlich wieder das Ministerium des Aeußern übernehmen werde.

Nach Herriot Poincare

Das dreikäMge Kabinett Herriot gestürzt

Paris, 22. Juli. Ministerpräsident Herriot hatte gestern eine längere Besprechung mit dem Präsidenten der Bank von Frankreich, auf die Zwei Winisterbesprechungen folgten. Vor der Eröffnung der Kammer fand noch ein Ministerrat beim Staatspräsidenten statt.

Um 5 Uhr nachmittags begann die Kammersitzung. H e r- riob verlas eine kurze Regierungserklärung, die auf die Finanznotlage hinweist. Die Regierung lehne die Erweite­rung des Banknotenuinlaufs ab. Die ins Ausland geflüch­teten französischen Kapitalien fremder Währung müssen ins Land zurückgeführt werden. Bei der Bank von Frankreich solle ein besonderees Konto dafür angelegt werden. Den Besitzern dieser Kapitalien werde Straflosigkeit zugesichrrt. Alle Werte außer den Staatsrentenpapieren müssen zur Ge­sundung der Währung herangezogen werden. Herriot stellte Sie Vertrauensfrage. Die Erklärung wurde mit Schweigen hingenommen.

Finanzminister De Monzie erklärte, im Bewußtsein des Ernstes der Lage habe er sich einen Mitarbeiter von größtem Ansehen (Poincare) für das Finanzministerium sichern wollen, dieser habe aber abgelehnt. Das Guthaben des Staatsschatzamts bei der Bank von Frankreich habe am 20. Juli früh noch 230 Millionen, abends 180 Millionen und am 21. Juli früh noch 60 Millionen Papierfranken betragen. Im Lauf des Tages seien von abgehobenen Angstgeldern 90 Millionen wieder auf die Bank getragen worden. Wenn die Kammer seine Vorschläge zur Wiederfüllung der Kassen ablehne, werde er sie trotzdem durchführen, gestützt auf den Vertrag von 1924 mit der Bank von Frankreich, wonach der Finanzminister ermächtigt ist, Devisen an die Bank zu verkaufen. Die Kammer könne ihn (Monzie) später, wenn sie wolle, vor den Obersten Gerichtshof stellen. Beispiele haben bewiesen, daß man von dort wiederkomme. Ungeheurer Lärm. Die Sitzung muß einige Zeit unterbrochen werden.) De Monzie fortfahrend: Die Eröffnung amerikanischer An­leihen komme nicht mehr in Betracht, er sei daher genötigt, sich nach neuen Plänen nmzusehen, die er innerhalb 48 Stun­den als Gesetzentwürfe einbringen werde. »

Herriot verteidigte sich gegen den Vorwurf, daß er das Kabinett Briand meuchlings erdolcht habe. Nur natio­nale Opfer können das Land retten.

Abg. Cazal bringt den Antrag ein: Die Kammer spricht der Regierung das Vertrauen aus, daß sie eine von den Umständen gebotene scharfe Finanzpolitik durchführt. Herriot nimmt den Antrag an.

Die Kammer lehnt 9.40 Uhr den Vertrau­ensantrag mit 290 gegen 237 Stimmen ab. Die Sozialisten und die Mehrzahl der Sozialradikalen stimm­ten dafür.

Herriot und die Minister verlassen den Saal, nur D e Monzie ergreift noch das Wort: die Kammer möge über seinen Gesetzentwurf sogleich abstimmen, wonach der Rest der Mongananleihe der Bank von Frankreich überwiesen werden soll, da die Bank sonst ihre Schalter schließen müßte; außerdem soll die Notenaus­gabe der Bank von Frankreich um einen diesem Morgan- rest entsprechenden Betrag erhöht werden dürfen.

Die Gesetzentwürfe wurden um Mitternacht von der Kammer und vom Senat angenommen.

Bor der Kammer hatte sich eine riesige Menschenmenge angesammelt, die Herriot teils mit Pfeifen, teils mit Hoch­rufen empfing. Es entwickelte sich eine große Schlägerei.

Poincare berufen

Nach der Kammerabstimmung begab sichHerriot zum Staatspräsidenten Doumergue und teilte ihm den Rücktritt des Kabinetts mit. Da dieses Ergebnis er­wartet worden war, war bereits Poincare befragt wor­den, ob er bereit wäre, die Kabinettsbildung zu übernehmen. Poincare hat eine grundsätzliche Zusage gegeben. Man glaubt, daß außer den Parteigenossen Poincares auch der sozialradikale Franklin Bouillon, der in der Kammersitzung außerordentlich scharf gegen sei­nen Parteigenossen Herriot vorgegangen war, sich bei der Kabinettsbildung zur Verfügung stellen wird.

Es mutet wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte an, daß just Poincare, der wie den Weltkrieg, so auch die Finanznot Frankreichs in erster Linie mitverschuldet hat, und zwar durch seine sinnlosen Kriegsrüstungen in Frank­reich, Polen, Tschechien usw. und das lügnerische Versprechen an dos französische Volk: Deutschland bezahlt olles! nun­mehr wieder alsRetter des Vaterlands" aebolt wird. Ob

Paris, 22. 3uli. Amtliche Berichte aus Marokko mel­den, daß am 20. siuli bei der Höhe 1782, etwa 60 Kilo­meter südlich von Taza, heftig gekämpft worden ist. Me wütenden Angriffe der Marokkaner seien zwar schließlich abgeschlagen worden, aber die französischen Verluste seien sehr schwer. Die Marokkaner drangen mit Angestüm bis in die französischen Artilleriestellungen ein. Ein besonders hitziger Kampf entspann sich um eins französische Batterie. Ohne die Fremdenlegion, die sich äußerst tapfer hielt, wäre eine schwere Niederlage unvermeidlich gewesen. Eine Abteilung der Fremdenlegion, darunter ein Unterleutnant deutscher Herkunft, ein früherer Rechtsanwalt in Berlin, wurde bis auf den letzten Mann niedergemacht. Rach einer Radiomeldung ist es ferner den Marokkanern gelungen, die ganze Heeresabkeilung des Generals Freudenberg mehrere Tage lang in Schach zu halten und schwer zu be­drängen.

2 -

Engianö und seine Kolonien London, 21. Juli. 3m Unterhaus erklärte Kolonial­minister Amery, England sei genötigt, Absatzmärkte in seinen Kolonien zu schaffen. Die Lage habe sich seit dem Krieg gewaltig geändert. Früher habe England an Amerika so viel Geld geliehen, daß die Zinsen reichlich hinreichten, um den Ueberschuß der Einfuhr aus den Vereinigten Staa­ten zu decken. <Zsnte kante England tür ungefähr 200

Millionen Pfund Sterling mehr von den Bereinigten Staa­ken, als diese von England. England habe außerdem jähr­lich große Summen an Kriegsschulden an Amerika zu zah­len. Man müsse sich anstrengen, andere Kaufsquellen zu erschließen und zwar innerhalb des britischen Reichs. Me Ausfuhr Englands nach seinen Kolonien sei von 17,5 Mil­lionen (1905) auf 62 Millionen Pfund Sterling (1925), die Einfuhr aus den Kolonien, besonders von Rokstoffen und Lebensmitteln, von 18 auf 80,73 Millionen gestiegen.

Eindämmung der englischen Gewerkschastsrechke London, 22. Juli- Im Oberhaus teilte der Lordkanzler mit, die Regierung habe einen Ausschuß eingesetzt, der die Auswüchse des englischen Gewerkschaftswesens, denen der letzte Generalstreik zuzuschrHben sei, prüfen und Vorschläge für gesetzgeberische Matznah men machen soll. So soll das Streik Posten st ehen in der Weise eingeschränkt werden, Laß die Streikposten nicht mehr von großen Massen der Ausständischen begleitet werden und daß die Arbeits­willigen nicht mehr in ihren Wohnungen ausgesucht und ein­geschüchtert werden dürfen. Es soll weiter verhindert werden, daß Arbeiter, die an einem allgemeinen Ausstand nicht teil­nehmen wollen, von ihren Gewerkschaften bestraft werden können, und es soll vor jedem Ausstand die Zustimmung aller Mitglieder durch eine geheime Abstimmung festgestellt wer­den. Schließlich soll die Stellung der Arbeiter und An­gestellten in den Staatsbetrieben zu den Gewerk­schaften neu aeprüft werden.

Poincare die Finanznot Frankreichs meistern wird, ist vor­erst eine offene Frage.

«

Die Ainanznot in Frankreich

Caillaux hat schon in der Kammer darauf^ hingewiesen, daß in diesen Tagen einige Milliarden vom Staat zu zah­len seien, abgesehen von den Einzahlungsverpflichtungen für Schatzscheine, die in ungewöhnlich großer Zahl zur Ein­lösung vorgezeigt werden. Was die anderen demnächst fäl­ligen Schuldverschreibungen betrifft, so müssen nach Zeitungsmitteilungen, die sich offenbar auf amtliche Angaben stützen, für den 31. Juli mindestens 500 Millionen an Gehälter und Löhnen bereitgestellt werden, für den 15. August 68 Millionen zur Zahlung der Kupons der sechs­jährigen Obligationen. Am 16. August sind weitere 235 Millionen Kupons der fünfprozentigen Obligationen fäl­lig. Am 1. August müßten an die Vereinigten Staaten 10 350 000 Dollar abgesührt werden, davon allein 10 Mil­lionen Dollar als Zinsen der Obligationen, die zur Zah­lung der amerikanischen Lagerbestände ausgehändigt wor­den waren. Am 18. August ist 1 Million Pfund Sterling zur Zahlung an England fällig, am 25. August wiederum an England eine Leistung von 2 Millionen Pfund Ster­ling. Nach dem letzten Ausweis der Bank von Frankreich können aber dem Staatsfchatzwesen nur noch 700 Millionen zur Verfügung gestellt werden. Die Steuereingänge sind

dabei in dieser Zeit des Jahrs naturgemäß sehr dürftig. Es bleibt die Frage, woher das Geld zu all diesen Ver­pflichtungen genommen werden soll. In Le Havre mußte der Bürgermeister die Handelsbörse schließen lassen.

Die gesetzliche Höchstgrenze für die Ausgabe von Bank­noten durch die Bank von Frankreich (5814 Milliarden nach dem Gesetz vom Dezember 1925) ist bereits erreicht. Der Rest der Morgananleihe beträgt aber nur noch 50 bis 60 Millionen Dollar, die neue Notenausgabe wird also nicht sehr bedeutend sein.

Württemberg

Stuttgart, 22. Juli. Stand der württ. Spar­kassen im Juni. Die Spareinlagen betrugen An­fangs Juni 96.4 Mill. RM. Ende Juni 101.1 Will. RM.; der Zugang mit 4,7 Mill. RM. kommt dem des Vormonats gleich. An Sparbüchern wurden 10 890 neu ausgestellt; da­mit wurde die Zahl 276 312 erreicht. Das verflossene Halb­lahr brachte eine Zunahme von 30,7 Mill. RM. Spar­einlagen und 69 051 Sparbüchern: der Durchschnittsbetrag eines Sparbuchs erhöhte sich um 26,20 RM. 7,70 Prozent. Der Stand der Depositengelder hielt sich etwas über der Höhe des Vormonats. Im Giro-, Scheck- und Kontokorrentverkehr betrugen die Guthaben der Kunden 71,3 Mill. RM. gegen 74,1 Mill. RM. Ende Mai. Die Zahl der Girokonten vermehrte sich um 732 und beträgt Ende Juni 96 480. Seit Jahresanfang haben die Giro­konten um 5079, die Giroeinlagen um rund 14 Mill. RM. gugenommen. Die Schulden der Kunden betrugen Ende Mai 76,5 Mill. RM., Ende Juni 78,1 Mill. RM. Der Gesamteinlagen st and beziffert sich Ende Juni auf 227,9 Mill. RM. Der Halbjahrszugang beträgt 69,4 Mill. RM. rund 43 Prozent des Einlagenstands vom 1. Ja­nuar 1926, womit er nahezu die gleiche Höhe des Zugangs des ganzen Jahrs 1925 erreicht hat.

Stuttgart, 22. Juli. Ein Unverbesserlicher. Das Schöffengericht hat den Gärtner Robert Shuhmache r von Sindelfingen, der vielfach vorbestraft ist, wegen zahlreicher Betrugsfälle zu 1 Jahr 2 Monaten Zuchthaus und 3 Jah­ren Ehrverlust verurteilt. Schuhmacher hatte sich in der Uml gebung von Stuttgart als Telegrcmkenoberaufsekere aus- gegeben, den Bauern Lohnfuhren versprochen und sie veran­laßt, ihm daraufhin Darlehen zu gewähren. Vor Gericht äußerte er selbst den Wunsch, daß man ihn ins Zuchthaus stecken möge.

Vom Straßenverkehr. Nach Beobachtungen haben um die Mittagszeit verkehrt in der Minute am Hotel Marquardt etwa 65 Fahrzeuge, beim Bahnhof etwa 60 Fahrzeuge, am Alten Postplatz etwa 45 Fahrzeuge, am Wilhelmsplatz etwa 35 Fahrzeuge. Vergleichsweise sei hier erwähnt, daß z. B. in Berlin im Mai ds. Is. auf dem Potsdamer Platz in der Mi­nute 120 Fahrzeuge gezählt worden sind.

Lohnabbau. Ans Grund einer Vereinbarung zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden der württ. Schürzen- und Wäscheindustrie werden die Tariflöhne von der nächsten Lohnwoche an um 5 v. H. ermäßigt unter gleich­zeitiger Herabsetzung des Urlaubsanspruchs auf zwei Drittel.

Das Tannsiatter Volksfest findet vom 24. bis 28. Sep­tember in gewohnter Weise auf dem Wasen statt.

Vom Tage. Der 27jährige Mechaniker Karl Rettstadt hat unterhalb der Eisenbahnbrücke in Cannstatt einen Post­beamten vom Tod des Ertrinkens gerettet.

.Gestern abend wälzten die trüben Fluten des Neckars oberhalb des Gaisburger Wehrs drei tote Schweine (zwei große, ein kleines) an Badenden vorüber.

Aus dem Lande

Ludwigsburg. 22. Juli. Entgleisung. Dienstag nächst kurz nach 12 Uhr entgleiste infolge falscher Weichenstellung auf dem Bahnhof Ludwigsburg ein Wagen eines Eilgüter­zugs. Dadurch wurden die durchgehenden Hauptgleise Rich­tung Stuttgart und Breiten gesperrt, so daß die beiden Nacht­schnellzüge nach München und. nach Frankfurt über den Ver­schiebebahnhof Kornwestheim umgeleitet werden mußten und größere Verspätungen erhielten. Gegen Morgen waren die Durchgangsgleise wieder befahrbar. Personen kamen nicht zu Schaden.

Roigheim OA. Neckarsulm, 22. Juli. Beim Karusell- fahren verunglückt. Die 16jährige Hedwig Kohl­hammer betrat mit einer Freundin die Gondel eines Karus­sells. Dazu gesellte sich der Karussellgehilfe und fuhr mit den Mädchen so unsinnig, daß der Kohlhammer der Arm am Menbogen weggerissen wurde-

Gmünd, 22. Juli. Selbstmord. Hier hat sich ein 16jähriger Kaufmannslehrling vergiftet. Der Beweggrund ist die Unterschlagung einer geringen Summe.

Aalen, 22. Juli. Betriebsaufnahme. Die Firma Gebrüder Simon, Draht- und Drahtstiftfabrik, in Aalen hat den Betrieb vor 14 Tagen wieder ausgenommen- Die Schließung war infolge der ungünstigen Lage des Bau­markts verursacht.

Crailsheim, 22. Juli. In eine Schafherde ge­fahren. Ein Crailsheimer Auto fuhr bei Dombühl in die Herde des Schashalters Kübler. Neun Schafe verendeten auf dem Platz, vier mußten notgesckstachtet werden.

Bab Mergentheim, 22. Juli. Veranstaltungen im August. Die Kurverwaltung hat für August wieder zahl­reiche Veranstaltungen vorgesehen. Am 1. August findet der Stafettenritt statt, am 13. August ist die Jahrhundertfeier mit Dsibeakt an der Quelle, Einweiduna der neuen Quelle und