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Nr. 168 Gegründet 1826 Donnerstag, den 22. Juli 1826 Fernsprecher Nr 29 166. Jahrgang

Die Eintagsfliege Herriot

Ernste Schwierigkeiten Herriots

Paris, 21. Juli. 3m neuen Kabinett Herriot herrscht eine unglaubliche Aufregung. Der neue Finanzminifter DeMonziehat erklärt, daß der von Herriot verkündigte Plan, die Festigung des Frankens ohne Ausländsanleihen durchzuführen, völlig unmöglich fei. Trotz mehrfacher Kabinettssitzungen am ersten Tag war keine Einigung zu erzielen. De Monzie hat bereits mit seinem Rücktritt gedroht. Er verlangt vor allem Vollmachten vom Parlament, also dasselbe, weswegen angeblich Herriot in unverantwortlicher Leichtfertigkeit das Kabinett Briand- Caillaux gestürzt hat. Alleidings wird auch behauptet, Herriot habe das Kabinett gar nicht stürzen wollen und er sei selbst über das Ergebnis der Abstimmung bestürzt gewesen, da er der Finanzfrage ganz ratlos gegenübersteht. De Monzie überzeugte sich, daß die Staatskassen leer sind und daß die Einlösung der fälligen Verteidigungs- und Schatz­scheine in bar ganz ausgeschlossen, außer wenn wieder einige Milliarden Papierfranken ausgegeben werden und damit die Inflation verstärkt wird. De Monzie verlangt einen Zahlungsaufschub für Staakszahlungen- Für die fälligen Zahlungen sollen verzinsliche Schuldenver­schreibungen ausgegeben werden. Ferner sollen die Verhandlungen über eine Anleihe in Zürich und Amster­dam wieder ausgenommen werden. Herriot fürchtet, daß die von De Monzie vorgeschlagenen Maßnahmen als Staatsbankrott gedeutet werden können, und daß der Franken weiter sinken werde. Um die Herbeiführung der parlamentarischen Klärung zu beschleunigen, wurde das Parlament statt auf Donnerstag, schon auf Mittwoch nachmittag 5 Uhr einberuscn. Es ist aber sehr fraglich, ob Herriot noch eine Mehrheit vorfindet, denn viele Abgeordnete, die unter dem Eindruck der Hetzrede Herriots gegen Briand und Caillaux gestimmt oder sich der Stimme enthalten haben, sind jetzt gegen Herriot.

Ueberwachung des Kabinetts

In der Kammer hat Abg. Morienau (der wie Herriot der radikalsozialiskischen Partei angehört), einen Antrag angeregt, einen parlamentarischen Ausschuß zur Ueb er­wach ring des Kabinetts einzusetzen. Der Antrag wurde satt von der Hälfte der Abgeordneten unterzeichnet.

Ein anderer Vorschlag zielt aus die Bildung eines .Kab^ netts der Sammlung" ab, wodurch vermutlich Poin- care und Tardieu wieder in die Regierung gebracht wer» den sollen.

Große Aufregung in Paris

Die Bevölkerung in Paris und im Lande ist durch die neuen Ereignisse wie aus einem Traum erwacht. Trotz aller Enttäuschungen mochte man den Glauben an die verlogenen Versprechungen Poincares, daß Deutschland alles bezahlen müsse, nicht aufgeben. Die Enttäuschung ist nun furchtbar» da man für eine deutsche Goldmark 11,50 Franken bezahlen muß. Geschäfte von Edel- und Luxuswaren fangen an die Läden zu ickließen, da sie bei dem sinkenden Geldwert nur gute Waren für schlechtes Geld hergeben und immer größere Verluste erleiden. Gegen die Fremden, die mit chrem hochwertigen Geld billig einkaufen können, richtet sich schon der Haß der Bevölkerung und es ist in Paris bereits zu ernsten Zwischenfällen gekommen, so daß die Polizei die Fremden schützen mußte.

Wenn sie das 1914 geahnt hätten!

Keine Mehrheit für Herriot.

Paris, 21. Juli Nach einer letzten Intervention Franklin Bouillons trat die französische Kammer in die Abstimmung über die eben eingereichte Tagesord­nung ein, wonach der Regierung das Vertrauen aus­gesprochen werden sollte. Das Abstimmungsergebnis, das zurzeit noch geprüft wird, war 2S9 gegen 237 Stimmen gegen Herriot.

*

Eine englische Pille

London, 21. Juli. Zu dem Wirrwarr in Paris sagt die .Times" in einem .Der Weg zum Verderben" üb. uchriebc- nen Leitartikel: Die blinde und engherzige Selbstsucht, das Hauptlasten aller Parteien der gegenwärtigen iranzösiscken Kammer, macht eine starke Regierung unmöglich. Keine Geschicklichkeit in der Verteilung der Posten oder in der Zusammenstellung von Programmen kann diese Parteien dazu bringen, ihre Parleiinkercssen vor der Pflicht, die sic dem Land schulden, zurücklreten zu lassen.

Tagesspiegel

Am 21. Juli, früh 1s2 Uhr wurde in Frankfurt a. M der Herausgeber derNationalsozialistischen Zeitung", Anton hassclmayer vor seiner Wohnung anscheinend von politischer Gegnern, die ihm aufgelauert hakten, überfallen und durch Messerstiche tödlich verletzt.

Zn Moskau ist der Vorsitzende des Volkswirkschaftsrats der Sowjetunion und frühere Leiter der Tscheka» Dscher- schinski im Alter von 4g Jahren gestorben.

Echo de Paris" meldet» wenn herriot durch Kammer­beschluß gestürzt werden sollte, so werde einMinisterium der nationalen Einheit" unter Poincare gebildet werden.

Zn ganz Großbritannien wird jetzt in etwa 600 meist kleinen Kohlengruben von rund 3000 gearbeitet.

In Kalkutta fanden wieder mehrere blutige Zusammen­stöße zwischen Hindus und Mohammedanern stakt.

. Staatliche Handelsverträge und ! private Wirtschaftsvereinbarungen

, Wenn heute ein Staat wie Deutschland fast seine sämt- , lichen Handelsverträge erneuern muß, und das war nach der fünfjährigen Sperrfrist des Versailler Vertrags notwendig, bann setzt ein Geduldspiel ein. Weiß irgendjemand in Deutschland heute eigentlich, wie weit wir mit unseren neuen Handelsverträgen gekommen sind? Von Zeit zu Zeit läßt der Reichswirtschaftsminister etwas darüber verlauten, und dann hören wir, daß diese oder jene Kommission zum so­undsovielten Male zusammengetreten ist oder ihre Beratung unterbrochen hat, um ebenfalls zum soundsovielten Male neue Weisungen in Berlin einzuholen. Ist endlich die Sache beinahe fertig, so kommt irgendeinMißverständnis" in einem Nebenpunkt oder der Einspruch irgendeiner Inter­essengruppe hüben und drüben, und das Spiel kann noch­mals beginnen.

Mit Finnland, Dänemark und der Schweiz sind wir end­lich zu Abschlüssen gelangt. Das ändert aber nichts daran, daß wir mit Frankreich und Polen und der Tschechoslowakei , noch heute keinen Vertrag für lange Frist besitzen. Werden die Verhandlungen während des Sommers erfolgreich wei­tergehen? Eine gewisse Hoffnung der Reichsregierung be- f kündet sich darin, daß sie sich vom Reichstag gesetzlich hat ! ^ermächtigen lassen, neue Handelsabkommen vorläufig für -eine bestimmte Frist ohne die Genehmigung des Parlaments 'in Kraft zu.setzen.

Vielfach behauptet man, daß mit der heute noch üb­lichen Art der Handelsverträge deren Ziel, der Ausgleich ider wirtschaftlichen Interessen im Außenhandel von Land Ku Land, nicht mehr zu erreichen sei. Gewisse Vorgänge der Gegenwart scheinen ihnen recht zu geben. Im deutsch- englischen Handelsvertrag war beispielsweise vereinbart, daß -beiden Teilen die Anwendung von Kampfzöllen gegeneinan­der verboten sei. Das hat die englische Regierung aber nicht gehindert, später für verschiedene Warengruppen, an denen unsere Aus'fuhr nach England besonders interessiert ist, Zollerhöhungen vorzunehmen, die, wenn vielleicht auch nicht gegen den Buchstaben, so doch gegen den Geist des Vertrags erheblich verstießen. Nachträgliche Verhandlungen haben dann manches gebessert, doch bei weitem nicht alles ausgeglichen. Auch mit Amerika haben wir einen Handelsvertrag. Dennoch konnte es geschehen, daß den deut­schen Stahlwaren längere Zeit hindurch der Eintritt nach den ! Vereinigten Staaten unmöglich gemacht wurde, weil die I Amerikaner behaupten, daß von den deutschen Exporteuren unerlaubte Preisdrückerei,Dumping", getrieben werde. Die deutschen Erzeuger vermochten diesen Vorwurf zu wider­legen, worauf man ihnen die Tür wieder öffnete. Wer er­sitzt ihnen aber den Ausfall, der in der Zeit der Meinungs- i Verschiedenheiten entstanden ist? So geht es uns mit Län­dern, mit denen wir Handelsverträge haben. Daraus mag man ersehen, welch unangenehme Ueberraschungen nun erst der Ausfuhrkaufmann Tag für Tag im Verkehr mit solchen Ländern befürchten muß, die ihren Handel mit uns bisher noch nicht vertraglich geregelt haben.

Wer heute einen Handelsvertrag abschließt, der wünscht, daß dem Ueberschuß seines Landes ein bestimmter Absatz­markt im Gebiet des Vertragsgegners gesichert, und daß andererseits die einheimische Erzeugung vor einer Ueber- slutung durch billigere Ausfuhrwaren des anderen geschützt wird. Daraus ergibt sich naturnotwendig eine Verständigung, die in gewissen Ermäßigungen des Zolltarifs ihren Aus­druck findet. Im Europa der Vorkriegszeit, wo nur wenige Großmächte nebeneinander bestanden und die kleineren Länder sich ihnen anzupassen hatten, wo ferner die Indu­strialisierung noch nicht so stark vorgeschritten war, wie heute, konnte man mit dem althergebrachten Handelsvertrags- Schema auskommen.

Heute aber, da unser Erdteil staatlich trostlos zersplittert m und ein jedes Ländchen seinen industriellen Ehrgeiz ent­wickelt und mit Hochschutzzöllen gefährliche Spiele treibt, gerät auch die Handelspolitik mit der überlieferten Art mehr und mehr in die Sackgasse hinein. Sehr schlimm ist es fer­ner, daß die Handelsverträge in der Regel nichts darüber veioaen. wie es mit dem kaufmännischen Abrechnungs- und

Zahlungsverkehr im Hinblick auf die da und dort noch vor­handene Devisen-Zwangswirtschaft der valutaschwachen Län­der zu halten ist. Zahlreiche Kaufleute sehen dafür heute den Versand nach dem Ausland für eine Art von Spekula­tionsgeschäft an, dessen Risiko und Gewinn von vornherein sehr unbestimmt ist und das man hauptsächlich deshalb unternimmt, um einen leidlichen Erlaß für das gegenwärtig so schwache Jnlandsgeschäft zu finden. Eine glückliche Aus­nahme bilden dabei nur jene wenigen Industriezweige, vor­nehmlich der Technik, die an fremde Staatsverwaltungen oder an bestimmte Großabnehmer unter sichere?) Bedingun­gen liefern.

So wendet sich die Aufmerksamkeit den Versuchen der privaten Wirtschaft aller fortschrittlichen Länder zu, aus eige­nem Wollen und Können die Regelung zu treffen, zu der der schwerfällige Apparat der Regierungen nicht imstande ist. So hat man kürzlich in Köln den europäischen Drahtge- slechtverband begründet, der deutsche, belgische, eng­lische, französische und österreichische Werke zwecks Preisrege­lung und Verteilung der Ausfuhrmärkte umfaßt. So ist ferner ein internationales Schienen-Spndikat auf dem Weg zum Abschluß. So wird demnächst in Brüssel voraussichtlich der europäische Eisenkrust Zustandekommen.

Das ist nichts anderes als Selbsthilfe der Wirtschaft an­gesichts der Unzulänglichkeit der amtlichen Wirtschaftspolitik. An Handelsverträgen sind in der Regel stets nur zwei Staa­ten beteiligt. Die internationalen Preis- und Absatzverein­barungen der Wirtschaft umfassen aber ebenso regelmäßig stets mehrere Teilnehmer. Darin liegt ein grundsätzlicher Fortschritt, und, wenn man will, ein Ansatz zu jener großen europäischen Zusammenfassung, von der man schon so lange si»richt. Ob das allerdings schon morgen zur europäischen Zoll- und Wirtschaftsunion hinführen wird, bleibt äußerst zweisAhast. >

Neuestes vom Lage

Der neue Staatssekretär der Reichskanzlei

Berlin, 21. Juli. Der Reichspräsident hat den Staats­sekretär in der Reichskanzlei, Dr. Kempner, auf seinen An­trag unter Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes in den einstweiligen Ruhestand versetzt und den Ministerialdirektor der Reichskanzlei, Dr. Pünder, zum Staatssekretär in der Reichskanzlei ernannt.

Polnische Bombenanschläge

Kattowih, 21. Juli. Die polnische Polizei verhaftete fünf Mitglieder des (polnischen) Aufständischen-Verbands, als sie im Begriff waren, das Verlagsgebäude des Korsanty-Blatts ..Polonia" in die Luft m sprengen. Bei einem der Verhaf­

teten wurde eine 12 Kilogramm scywere Dynamiroombe ge­funden.

In derselben Nacht platzte eine Bombe im Theatersaal von Kattowitz-Josephsdors, kurz nachdem eine Feier des Simeon-Pauli-Vereins dort stattgefunden hatte und der Saal geräumt war. Die Bombe hatte sich glücklicherweise ver­spätet entzündet. Das Gebäude wurde schwer beschädigt.

Das Pilsudski nachstehende Warschauer Blatt Glos Prawdi" bezeichnet Korfanty als einen der größten Schieber Polens, einen Schädling des öffentlichen Wohls, einen Men­schen ohne moralisches Gefühl, der beseitigt werden müsse, wie ein Aas, das die Lust vergiftet". Die Zeitung fordert die sofortige Entfernung Korfantys von seinen leitenden Posten bei halbstaatlichen Betrieben und der Kattowitzer Schlesischen Bank, ferner Untersuchung seiner gesamten bis­herigen Tätigkeit in Polen und in Oberschlesien. Es wird chm vorgeworfen, daß er Gelder unterschlagen, öffentliche Einlagen der Schlesischen Bank für seine persönlichen Zwecke ausgegeben und bei Steuerhinterziehungen mitgeholfen habe. (Kvrfanty war bekanntlich früher auch Mitglied des deutschen Reichstags.)

Kriegsanleihe für geschäftliche Zwecke

Washington, 21. Juli. Schahsekretär Mellon be­hauptete, daß die Kriegsanleihen, die England während de» Kriegs in Amerika aufnahm, nicht zur Kriegführung» so» dern zur Unterstützung von Privatgeschäften verwendet wor­den seien. Diese Enthüllung hat in England sehr unange­nehm berührt und ist halbamtlich bestritten worden. Das amerikanische Schatzamt veröffentlicht nun aber Belege für die Behauptung Mellons.

Dies ist wieder ein recht hübscher Beitrag zu dem Schwindel, mit dem die Rechnung für die deutsche .Kriegs­entschädigung", das Londoner Ultimatum und Ne« Dawesplan aufgemacht wurde.

Der Prozeß des ehemaligen deutschen Kaisers in Windhuk

Windhuk, 21. Juli. Heute begann die Ansehungsklage des ehemaligen deutschen Kaisers wegen des seiner Familie in Südwestafrika gehörenden Eigentums. Der Rechtsvertre­ter des Kaisers führte aus, daß das Eigentum auf den Na­men der im Jahr 1733 von Friedrich Wilhelm I. von Preu­ßen zur Unterstützung von nichkregierenden Mitgliedern- ner Familie und deren Nachkommen begründeten Familien­genossenschaft eingetragen sei, deren Mitglieder nicht unter öle Beschlagnahmebestimmungen des Versailler Vertrags fielen. Der Gerichtshof müsse auf den Geist des Vertrags bei der Auslegung des Artikels 257 Rücksicht nehmen, der eine reine Strafmatznahme sei. Der Generalstaats­anwalt erklärte, der Gerichtshof müsse sich zuerst mit der Frage befassen, ob die Bestimmungen des Artikels 257 Strafmaßnahmen darstellen.

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