er Gelelllcli aller
Ämts-«n- Änzetyeblatttür
Mit den illustrierten Unterhaltungsbeilagen „Feierstunden" und „Unsere Heimat"
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Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage „Haus-, Sorten- und Landwirtschaft"
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Nr. 159
Gegründet 1826
Montag, den 12. Juli 1926
Tagesspiegel
Der frühere bayerische Ministerpräsident Graf Lerchen- seld soll an Stelle des verstorbenen Joseph Mser zum deul- »chen Gesandten in Dien ernannt werden. Lerchenfeld ist Mitglied des Reichstags und gehört der Bayerischen Volksparkei an.
Die völkerkundliche (französisches Saar-Regierungskom. Mission hat die Sammlungen für die Zeppelin-Lckener- Spende im Saargebiet «erboten.
In Portugal hat ein neuer Putsch des Generals Lamona die Regierung des General da Costa bereits wieder gestürzt.
Die kosten der neuen Marinefvrderungen in Japan belaufen sich nach einer amerikanischen Meldung auf 300 Millionen Den (600 MM. Mk.s. 80 Millionen mehr als im Vorfahr. In Amerika werden die sapanischen Zloktenbau- pläne mit grösster Aufmerksamkeit verfolgt.
Die Wahrheit über Sowjetrrchland
Gibts überhaupt eine solche Wahrheit? Der von den Kommunisten angeregte Volksentscheid, der Streit über den Potemkinfilm, die Enthüllungen des württ. Kommunisten Hans Stetter, die Unterstützung der streikenden Bergarbeiter Englands mit gewaltigen Summen aus den Kassen der russischen Gewerkschaften — alle diese neuen und neuesten Vorgänge — vom russischdeutschen Neutralitätsvertrag (dem sog. Berliner Vertrag) ganz zu schweigen — richten unsere Blicke unwillkürlich nach dem rätselhaften Land, wo der „Kommunismus in Reinkultur" verwirklicht ist.
Wie sieht es denn dort aus? Man erzäht von einer Zarin, der auf der Reise jene wohlhabend« Potemkinschen Siedlungen vorgetäuscht wurden. In Wirklichkeit waren es Pappdeckelhäuser. Sie sah ab und zu kleine Trupps von wohlhabenden Bauern und Bäuerinnen. In Wirklichkeit waren es immer wieder dieselben verkleideten Leute, die bald da bald dort, wo die Fürstin des Wegs gefahren kam, gruppiert wurden.
Ob es nicht auch heute noch selbst gebildeten Westeuropäern genau so geht, wenn sie nach Moskau kommen? Sie sehen dort große Amtspaläste. können ausgezeichnete Theater und Konzerte besuchen, auch ab und zu eine Muster- fabrik besichtigten; sie staunen über den Riesenverkehr, den zahllose Straßenbahnen, saubere Omnibusse und Droschken zu bewältigen haben — und nach vier Wochen fahren sie in einem eleganten und billigen internationalen Schlafwagen Nach Hause zurück. „Alles ist wahr, was man in der Heimat über Sowjetrußland erzählt!" So hört man sie sagen, und fängt an selbst zu zweifeln. — Nein, ein vierwöchiger Aufenthalt genügt nicht, um sich ein Urteil über das Riesenreich mit seinen 110 000 Millionen Menschen bilden zu können. Da muß man schon mindestens ein Jahr dort sein, und rar nicht bloß in Moskau, sondern auch auf dem platten !ande, muß russische Zeitungen, etwa die bolschewistische „Jswestija" regelmäßig lesen und man muß vor allem unbefangene Kenner der russischen Verhältnisse büren. Solche nehmen in dem neuesten (Juli)-Heft der „Südd. Monatsheft e"— wieder ein großes Verdienst, das sich dessen Herausgeber erworben hat — unbefangen das Wort. Jetzt erst bekommt man ein annähernd sicheres Urteil über Zustand und Zukunft, über Geist und Seele, über Politik und Wirtschaft, über Kultur und Wissenschaft in diesem Volk, bas sich erst den Schlaf aus den Augen reibt, um sich einem zweifellos großen, für die ganze Welt bedeutsamen Kulturwerk widmen zu können.
Wir Deutsche haben an den Zuständen in der Sowjetrepublik ein ganz besonderes Interesse. Wir sind Nachbarn und brauchen einander gegenseitir^recht notwendig. Deutschland hat deshalb auch Ende 1928 den Russen einen Kredit von 300 Millionen gewährt. Der Betrag war schon im Januar 1926 voll aufgebraucht. Ist das Geld verloren? Oder wird es, wenn auch nicht für die nächsten Monate, wirtschaftliche Zinsen eintragen? —
In Zahlen läßt sich diese Frage nicht beantworten. Aber man darf die Hoffnung hegen, daß es mit Sowjet- rußland aufwärts geht- Das ist der sichere Ein- wuck, den man bei unbefangener Prüfung der russischen Wirtschaft unwiderstehlich bekommt. —
Das Sowjetrußland von heute ist ein anderes als vor 1921. Nicht aber dank des „lOOproz." Bolschewismus, sondern dank seines Abbaus. Die heutige „revisionistische" Wirtschaftspolitik ist eine andere als sie Lenin, der Gründer der Sowjetrepublik, wollte. Die erste Periode (1917—21) hat eine alte Ordnung mit ihren großen Vorzügen, aber auch mit ihren liefen Schäden nahezu rest- A N^rt. Verkehr, Industrie, Landwirtschaft waren in »es Wortes verwegenster Bedeutung zusarnmengevrochen. Wie nun aber auf ihren Ruinen ein neues aufbauen? Mit stören Leninismus, der allem und jedem Eigentums- ^nnnen " ankündigte, konnte man unmöglich weiter
Und so mußte ein anderer Weg «ingeschlagen werden. Wan mußte wohl oder übel Zugeständnisse "N das kapitalistische Wirtschafrsjristem ma- Aen. Und das geschah denn auch auf dem 14. Kongreß 1921. Ae künftig einzuschlagende „revisionistische" Wirtschasts- t all en s siegt« mit 559 Stimmen über die nur ^ Stimmen fassende Opposition des starren Leninschülers ^>Now,ew. Es begann die zweite Periode der Sowjet-
Militärische Unabhängigkeit Kanadas
London, 11. Juli. Das kanadische Parlament hat vor kurzem einstimmig einen Antrag der liberalen Regierung angenommen, wonach alle Verträge militärischer und wirtschaftlicher Art. die die kanadische Regierung abschließe, vor ihrer Unterzeichnung vom Parlament genehmigt werden müssen. Der jetzige konservative Erste Minister, Meighen, hat Viesen Ausdruck kanadischer Unabhängigkeit noch verstärkt, indem er in einer Rede den Grundsatz anfstellte, daß kanadische Truppenan keinem Krieg teilnehmen dürfen, ehe die kanadische Wählerschaft ihre Zustimmung gegeben habe. Beide Erklärungen wurden im englischen Oberhaus von dem Vertreter der Arbeiterpartei, Lord Parmoor, zum Gegenstand einer Anfrage gemacht. Der Vertreter der Regierung, Lord Clarendon, erklärte, die Regierung habe die beiden Kundgebungen zur Kenntnis genommen. Er fügte in etwas dunkeln Wendungen hinzu, der Beschluß des kanadischen Parlaments stehe nicht zu den Beschlüssen der letzten Reichskonferenz in Widerspruch, die Frage der Truppensendung im Kriege sei «eine innere kanadische Angelegenheit. Wenn ,es in Zukunft noch einmal zu einer internationalen Krise
rammen sollte, so werde die Stärke des britischen Reichs nicht so sehr von der Beobachtung verfassungsmäßiger Grundsätze als davon abhängen, daß alle Völker des Reichs an die „Gerechtigkeit der Sache" glaubten, für die man ihre Unterstützung erwarte.
„Abrüstung"
Bukarest. 11. Juli. Das Blatt „Romania" berichtet, der Minister des Innern, Goga, habe einen Gesetzentwurf aus, gearbeitet, wonach jeder Student, sobald er an einer Universität oder Hochschule eingeschrieben ist, als Soldat zu betrachten sei und den militärischen Behörden unterstehe, um während der ganzen Studienzeit gründlich militärisch ausgebildet zu werden. Die ganze Studentenschaft sei aber geschlossen gegen den Plan.
Tokio» 11. Juli. Das neue japanische Wehrgesetz ent- hält die Bestimmung, daß junge Männer zwischen 16 und 20 Jahren nach dem Schulabgang die Militärdienst v o r - zeit freiwillig hinter sich bringen können, um eine Herabsetzung der eigentlichen Dienstzeit zu erlangen. Es haben sich bereits sehr viele jugendliche Rekruten gemeldet. Japan bildete auf diese Weise große Reserven seines Heeres.
Was König Alfons wollte
Pyrrhussieg Vriauds
Paris, 11. Juli. Die „Chicago Tribüne" will wissen, die Reise des Königs Alfons habe bezweckt, von Frankreich und England die Üebertragung des neutralen Tangergebiets -(Marokko) zu erlangen, wogegen Spanien 'einen Anspruch auf einen ständigen Dölkerbundsraissitz auigeben und die Politik Frankreichs und Englands im Völkerbund unterstützen wolle. Briand habe dem Wunsch zugestimmr, in London sei er aber alatt abgelehnt worden, da England nicht eine Bedrohung Gibraltars durch ein befestigtes Tanger dulden könne. Durch die Erfolglosigkeit der Reise des Königs sei die Stellung des spanischen „Direktors" Primo d« Rivera stark gefährdet.
Schwache Verkrauenserklärung für das Kabinett Briand Paris, 11. Juli. N?ch einer langen Nachtsitzung nahm die Kammer mit nur 269 gegen 247 Stimmen eine Tagesordnung an, die das Vertrauen ausspricht, daß die Regierung Briand-Eaillaux den Kredit und die Finanzen des Staats wiederherstellen und die Währung festigen werde. Knanzminister Caillaur übergab hierauf den Gesetz-
rnlwurz uver die von ihm geplanten Finanz- und Währungs- Maßnahmen dem Büro der Kammer. Bei der geringen Mehrheit von 22 Stimmen für die Vertrauenserklüruna ist es indessen noch ungewiß, ob die Kammer auch das besondere Gesetz annehmen wird, das die Regierung zur Finanzreform allgemein ermächtigt. Caillaur hat zu Gegnern vor allem die Sozialisten, aber auch die Großindustrie und den Großhandel, die befürchten, daß durch die Befestigung des Frankenkurses die (Schein-)Vorteile aufhören, die der Ausfuhr aus der Inflation erwachsen.
Vor der Kammerberatung war das Gerücht verbreitet worden, es sei alle Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß es Caillaux bei seinen Verbandlungeri in London gelingen werde, von England die Annahme der „Sicherheits- klausel" zu erlangen, die man in London bisher beharrlich abgelehnt hat, daß nämlich Frankreich nur insoweit Zahlungen an England zu leisten Habs, als Frankreich selber Daweszahlungen von Deutschland erhalte-
Caillaux wird am Dienstag das Ermächtigungsgesetz vor der Kammer vertreten.
Die erste war ausschließlich auf das städtische Insu st ri e p r o l e t a r i a t eingestellt. Aber Rußland hat 90 Prozent Dauern! Man mußte also auf die bäuerlichen Wirtschaftsinteressen näher eingehen, die Bauern nicht bloß Ausbeuten, sondern ihnen mit niederen Industriepreisen entgegenkommen. Man mußte Geld und Märkte und bis zu einem gewissen Grad auch Privatwirtschaft zu- kaffen. Man mußte sich wieder mit lleberstunden, Akkord- lohnen. dem Präiniensystem, der Gewinnbeteiligung, mit Banken, Trusts, ausländischen Konzessionen abfinden. Kurz: den Weg einer neuen Wirtschaftspolitik ein- schlagen. Denn Rußland ist nun e-nmal nicht allein auf der Welt, mid der Russe ist nicht bloß Industriearbeiter.
Damit ist freilich der Bolschewismus noch lange nicht geworfen. Aber daß er heute noch lebt, das verdankt er seinem Terror und feinem Revisionismus (Abbau).
Neuestes vom Tage
Reichsregierung und Reichsbahn
Berlin, 11. Juli. In dem wegen der Ernennung Dr. Dorpmüllers zum Generaldirektor der Reichsbahn ent. Randenen Streit zwischen der Reichsregierung und der Reichsbahn ist nach Blättermeldungen eine Einigung auf M undlage erzielt worden, daß die Reichsregierung die Wahl Dorpmüllers genehmigt, die Reichsbahn anerkennt aber, daß in Zukunft derartige wichtige Beschlüsse des Der- waltungsrats nicht ohne Einverständnis mit der Reichsregierung gültig sein sollen. Der Rsichsverkehrsmimster oder ein Vertreter sollen M MM«
des Aussichtsrats zu ge zogen werden, andererseits soll de» Generaldirektor der Reichsbahn an allen Ätzungen de» Reichskabinetts teilnehmen, in denen über Fragen der Reichs- bahn verhandelt wird.
Eine katholische Laueravereimgung in Hessen
Mainz, 11. Juli. Das „Mainzer Journal" veröffentlicht einen Ausruf der Diözesenpräsides der kath. Männer, und Arbeitervereine und der kath. Jugend- und Männervereine, in dem gesagt wird, die Freie Bauernschaft Rheinhesfens, die bisher dem Zentrum angeschlossen war, zeige mehr und mehr den Geist konfessioneller Gleichmacherei und die stärkere Hervorhebung rein wirtschaftlicher bäuerlicher Interessen. Die Mitglieder seien daher vor der Freien Bauernschaft zu warnen» und es werde alsbald die Gründung einer Vereinigung katholischer Bauern auf rein kath. Grundlage in Angriff genommen. — Hessen würde demnach
drei Bauernvereinigungen haben: den Sandbund, Slk Freie Bauernschaft und di« neu zu gründende katholische Vereinigung.
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Lin politischer Skandal in Norwegen Oslo» 11. Juli. Im Jahr 1924 hatte der damalige Erstminister Abraham Berge auf Drängen der in Schwierigkeiten geratenen und inzwischen zusammcngebrochenen Norwegischen Handelsbank und anderer Privatbanken verfassungswidrig 25 Millionen Kronen Reichskassenwechsel aus- gestelltt, um der Bank zu helfen und eine allgemeine Er- schütteruna zu vermeiden. Die Mehrheit des Storthing- Ausschusses sprach sich nun dafür aus, daß Berge und sein« damaligen Ministerkollegen vor das Reichsgericht gestellt werden. Die Rechte, der Berge angehört, verlangt, daß dann auch die sechs Minister des nachfolgenden demokratischen Kabinetts Mowinkel und der jetzige radikale Ministerpräsident Lykke vor das Gericht gezogen werden, weil sie die geheimen Staatswechsel erneuert haben, ohne dem Stor- tbing Mitteilung zu machen. Die Verfolgung Lykkes hat der Ausschuß abgelehnt.
Die ethische Bedeutung der Presse
ep. Der „Zeitungsverlag", das Organ des Vereins Deutscher Zeitungsverleger, beleuchtet in Nr. 24 in einem beachtenswerten Aussatz über „die Ethik der Nachricht" mit erfreulicher Deutlichkeit die Sucht gewisser Blätter, „bunt sen- sationell gefärbte Nachrichten, Schrecken und Ekel erregende Vorkommnisse in breiter Behaglichkeit vor der Oeffentlichkeii abzuhandeln" und tritt damit mannhaft ein für alle Zeitungen, die sich ihrer ethischen und ästhetischen Verantwor. tung ihrem Leserkreis gegenüber bewußt sind. Es heißt u. a : „Neben mir liegt ein kleines Black, '.n dem unter den Nachrichten aus aller Welt sich hintereinander folgende vier Ueberschriften befinden: „Ein hundertfacher Raubmörder". „Ein grauenhafter Brudermord", „Eine blutige Liebes- tragödie". „Sich selbst verbrannt". Würde kin Mensch von einigem Empfinden einer solchen Tat als Zuschauer beiwohnen, wenn ihm dazu Gelegenheit gegeben wäre? NiemalsI Aber durch die schlechte Erziehung, die er durch gewisse Zeitungen lahrelang genossen hat, wird er zu der irrigen Ansicht gedrängt, daß solche Scheußlichkeiten „interessant" seien. Uvd er, der keinen faulen Apfel berühren würde, schlingt diese abscheuliche geistige Kost mit Gier herunter. Hier müßte sich die Presse besser auf ihre erzieherischen Ausgaben besinnen. In sittlicher Beziehung verderblich wirken die breiten Schilderungen von Morden, sexuellen Verirrungen, anrüchigen .Prozessen, zweideutigen Familiengeschichten, über«