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Änits - und Änzeisettatt tür

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Mil den illustrierten Unterhaltungsbeilagen Feierstunden" undUnsere Heimat"

Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage Haus-, Garten- und Landwirtschaft"

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Nr. 153

Gegründet 1826

Montag, den 5. Juli 1926

Fernsprecher Nr. 29

100. Jahrgang

Tagesspiegel

Der Präsident der Gemischten Kommission in Obsrschlesien, Altbundeskanzler Calonder, ist von Kattowitz nach Warschau gereist, um bei -er polnischen Regierung gegen die fortgesetz­ten Ausschreitungen der Mitglieder des polnischen West- Markenvereins gegen die deutsche Minderheit Beschwerde zu führen.

Das am 3V. Juni z» Ende gegangene amerikanische Finanz- iahr hat endgültig mit einem Aeberschutz von 337 768888 Dollar abgeschlossen. Die Sachverständigen sehen voraus, daß die gegenwärtige günstige Lage auch lm neuen Rechnungs­lahr forkdauern wird und -atz dieses mit einem Itebersckutz von 268 Millionen Doll« abschließen dürste.

Me englischen Metallarbeiter haben bei -er Arabstimmang Mer einen Lohn- und Sympathiestreik für die Bergarbeiter Mük Mehrheit sich für den Eintritt in den Streik aus­gesprochen.

Die britische Regierung hak die Vorführung des Potem- Mt-Films in britischen Lichtspieltheatern endgültig verboten Dmd gegen lokale Verbote erhobene Beschwerden znrüch- Äewiesen. Begründet wird das Verbot damit, daß -er Po- knMn-Film ein Mittel der bolschewiMjhen Propaganda im

Amerikas Anteil am europäischen Wiederaufbau

Der amerikanische Schatzsekvetär Andrew W. Melton schreibt zu dieser Frage in derKölnischen Zeitung":

Moderne Industriewirtschast strebt nach einer immer weiter gehenden Spezialisierung der Erzeugung, durchgeführt »ater dem Gesichtswinkel der Massenerzeugung und des Massenverbrauchs. In Amerika ist diese Spezia- ksterung wohl am weitesten durchgeführt. Indem wir vnsere Fabriken an die Stellen verlegen, wo Rohstoffe am vorteilhaftesten zu haben sind und Arbeitskräfte am schnellsten herangeführt werden können^und indem wir ausgedehnten Gebrauch von arbeitsparenden Maschinen machen, sind wir in der Lage, billig herzustellen und vielfach selbst den Wett­bewerb der Länder mit minder hohem Lebensstand aus dem Felde zu schlagen. Natürlich besitzen wir in unserm außer­ordentlich großen Jnlandmarkt und in einer kauflustigen Bevölkerung von etwa 110 Millionen eine starke einheimische Konsumkraft. Unsre Erzeugung in Landwirtschaft und In­dustrie ist indes so groß, daß wir nicht in der Lage sind, unsre gesamte Produktion im Inland zu verbrauchen. W i r müssen daher bestrebt sein. Len Ueberschuß im Ausland unterzubringen.

Diese Gedankenzänge sind ja auch in Europa hinlänglich bekannt. Die Blüte der amerikanischen Wirtschaft setzt also voraus, daß das Ausland in der Lage sein muß, unfern ^Ueberschuß aufzunehmen. Wir sind somit an einem kauf­kräftigen Weltmarkt außerordentlich interessiert. Es ist für mich klar, daß Europa, unser bester Kunde, der im ver- «mgenen Jahr für 2,5 Milliarden Dollar an Waren aller Art aufnahm, nicht fortfahren kann, Erzeugnisse in dem bisherigen oder gar in einem noch größeren Umfang zu kaufen, wenn es nicht in seiner Kaufkraft ge­stärkt und gehoben wird. Wir müssen also darnach streben, durch eine Erholung der europäischen Finanzen und durch eine Sanierung der europäischen Wirtschaft die Kauf­kraft Europas zu heben und die Alte Welt ln den Stand zu setzen, weiter von uns kaufen zu können. Das sind die logischen Schlußfolgerungen unsrer neuen Stellung in der Weltwirtschaft. Wir geben uns lebhaft der Entwicklung der süd amerikanischen Märkte hin. Australien und der Ferne Osten sollen erschlossen werden. Europa ist aber bei weitem unser bester Kunde. Wenn die Alte Welt nicht in der Lage ist, unsre Ueberschüsse an Baumwolle, Weizen, Tabak und Schweinefleischprodukten aufzunehmen, so werden wir die Folgen sehr bald in unsrer Wirtschaft spüren.

Der wirtschaftliche Wiederaufbau Europas gleicht der Erholung eines bedeutenden Industrieunternehmens, das sich nach einer schwern Krise auf dem Wege der Sanierung be­findet. Wie bei einem solchen Industrieunternehmen ist es auch bei Europa notwendig, Ausgaben und Einnahmen in Einklanq zu bringen, d- h. den Haushalt zu balancieren und neues Kapital zu finden nicht nur zur Regelung der un­fundierten Verpflichtungen, sondern auch zur Steigerung der Erzeugungsleistung. Europa braucht also auswär­tiges Kapital, um seine Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Die Vereinigten Staaten verfügen über derartiges Kapital, aber ihre Regierung muß doch darauf bestehen, daß Anleihen nur an solche Länder gegeben werden, die ihren alten Schuldverpflichtungen uns gegenüber Nach­kommen oder die wenigstens ernstlich in Verhandlungen ein­getreten sind, um eine Fundierung ihrer im Weltkrieg bei uns gemachten Schulden vorzunehmen.

Die gesamten Verpflichtungen der verbündeten Mächte an die Union betrugen am Schluß des Weltkrieges etwa 10,34 Milliarden Dollar. Es handelt sich meist um kurz­fristige Wechsel, die auf Sicht zahlbar wurden und mit einem Zinsendienst von 5 v. H. im Jahre belastet waren. Es war zunächst notwendig, diese kurzfristigen Wechsel in lang­fristig« Schuldverscbreibimaen umzuwand-ln, Oblia.-itioncu,

Entwaffnungsverhandlungen in Sicht

Berlin, 3. Juli. Nach den aus Paris vorliegenden Be­richten steht die Frage der deutschen Entwaffnungvor einer endgültigen Klärung". Einer bisher unwidersprochenen Journal"-Meldung zufolge hat Deutschland 60 v. H. der Entwaffnungsvorschriften erfüllt, während 40 v. H. noch bis Jahresende erfüllt werden müßten, wenn die Kontrolle und die Besatzungsstärken gemindert werden sollen (!!). Der Botschafterrat tritt am Mittwoch kommender Woche zusam­men. General Walch, der Chef der Zentralkommission, ist aus Berlin nach Paris abgereist. Das Reichskabinett wird zu den aus Paris vorliegenden Berichten erst Stellung neh­men, wenn der deutsche Botschafter von Hösch wieder in Berlin ein getroffen sein wird. An Berliner Stelle ist von einer Note der Botschafterkonferenz nichts bekannt. Es handle sich offenbar um Mitteilungen über den Meinungs­austausch, der vor längerer Zeit stattgefunden hat, und längst zur Zufriedenheit erledigt sei-

Unterstützung der besetzten Gevtere Berlin» 3. Juli. Im Ausschuß für die befehlen Gebiete wurde heute das Regierungsprogramm über die Hilfsaktion für die besetzten Gebiete weiter beraten. Die Regierung er­klärte, daß drei Millionen Mark für Baudarlehen langfristig zu 3,5 v. H. für das Saargrenzgebiet zur Verfügung gestellt worden seien. Der Ausschuß beschloß demgegenüber, fünf Millionen Mark zur Verfügung zu stellen. Annahme fand dann noch ein von allen bürgerlichen Parteien gestellter An­trag, der einen Kredit für das Saargrenzgebiet von 12 Mil­lionen Mark fordert. In einer Entschließung wurde ferner die Bereitstellung von Mitteln für die Ausgestaltung des Härtefonds gefordert. Im übrigen wurde das Regierungs- Programm gebilligt. In einer weiteren Entschließung aller Parteien mit Ausnahme der Kommunisten fordert der Rechts- ausschuß die Aeichsregierung auf, das Reichsehrenmal cuu Rhein zu errichten.

Frankreich bewaffnet Polen

Warschau. 3. Juli. Eine französ. Finanzgruppe verhandelt gegenwärtig mit der polnischen Regierung über den Ankauf der Flugzeugwerke in Lawica. Gleichzeitig verhandelt die französ. Firma Farman über den Ankauf der Fluglinie Aero. Die Farmanfabrik lieferte für Polen 6 große Bombenflugzeuge von außerordentlichen Dimensionen. 28 weitere solcher Bombenflugzeuge, die je 2000 Kg. Bomben tragen können, sollen in den nächsten Tagen abgeliefert werden. Da sich die deutsche Regierung geweigert hat, den Durchflug der ersten sechs Maschinen zu gestatten, sind diese über die Schweiz und Oesterreich nach Polen gelangt.

Reue Währung in Frankreich?

Paris, 3. Juli. Nach demMatin" schlägt der Bericht der Sachverständigen, der heute veröffentlicht wird, eine Er­höhung der Steuern um 4 Milliarden vor, wovon 3 Mil­liarden allein auf indirekte Steuern entfallen. Insbeson­dere sollen die Personen- und Gütertarife erhöht und die Pensionen für die Kriegsbeschädigten mit geringer Invalidi­tät herabgesetzt und dadurch 1,5 Milliarden Franken ge­wonnen werden. Schließlich sieht der Bericht die Stabili­sierung des Franken vor. Einen Augenblick habe man dar­an gedacht, den Pfundkurs auf 162,50 zu stabilisieren, well dieser Kurs dem Wert von 5 Centigramm Gold entspreche. Der Bericht erklärt, für die Stabilisierung seien nur Zwei

-Aieiyoven mogua>, uns zwar entweder die Verwendung des Goldbestandes der Bank von Frankreich oder die Ver­wendung angelsächsischer Kredite. Im ganzen schlägt der Bericht ein Zusammengehen mit den großen Emissions- nstituten vor, besonders mit denjenigen von England und den Vereinigten Staaten. Nach der Stabilisierung wäre 'eine neue Währung einzuführen, d. h. neue Banknoten und neues Metallgeld. Vor allem fordert der Bericht aber die Regelung der interallierten Schulden.

Tenerungsunruhen

Paris, 3. Juli. Der neuen Devisenhausse ist eine merk­liche Preissteigerung auf dem Fuße gefolgt. Man befürch­tet einen Generalausstand der Postbeamten, die der Regie­rung vorwerfen, daß ein Gesetzentwurf über die Gehalts­erhöhung trotz wiederholter Versprechen noch immer nicht vor die Kammer gelangt ist. Der Verband der Postbeamten hat den Generalstreik für den 30. Juli beschlossen, falls nicht bis dahin das Versäumte nachgeholt wird. Aus Rouen wird der Streik der Dockarbeiter gemeldet. In anderen Gegenden Frankreichs ist es zu Ausschreitungen im Zusam­menhang mit der Brotpreissteigerung gekommen. In Paris wird der Preis für das Kilogramm Brot, -der erst gestern erhöht wurde, vom 8. Juli ab um weitere 5 Cts. auf 2.50 Franken erhöht werden.

die zu bestimmt festgelegten Zeitpunkten fällig wurden. Der Kongreß hat zur Ueberwachung und Regelung dieser Frage die sogenannte Auslandschuldenkommission ins Leben gerufen (World-War-Foreign-Debt-Commission), die mit den verschiedensten Unterhandlungen über die Schulden­regelung betraut wurde und die Bedingungen scstlegen sollte, wie diese Regelung am besten durchzuführen sei. Immer wurde die Zustimmung des Kongresses Vorbehalten.

Die Kommission hat die prompte Rückzahlung der Schulden als oberster Grundsatz ausgesprochen, da sie auf dem Standpunkt steht, daß eine dauernde Gesundung der europäischen Wirtschaft unmöglich ist, ohne daß die im Weltkrieg aufgenommenen Verpflichtungen im Laufe der Zeit nach einem vorsichtig, aber gerecht festgelegten Tilgungs­plan zurückgezahlt werden. Solange diese Schulden un­beglichen bleiben, bilden sie die Ursache einer dauernden Be­unruhigung zwischen den einzelnen Regierungen. Sie be­deuten eine unbekannte Größe in den Etats der Großmächte und . eine Gefahr für die dauernde Stabilisierung der Währungen; sie hindern den freien Lauf der Handelsbeziehungen zwischen den einzelnen Ländern. Zu gleicher Zeit bedenken wir auch, daß keine Nation ge­zwungen werden kann, Summen zu zahlen, die seine Zah­lungskraft übersteigen. Auf Grundlage der Zahlungsfähigkeit wurde daher das Schuldenregelungsabkommen mit Groß­britannien im Jahre 1923 getroffen, und auch bei dem nach­folgenden Fundierungsabkommen wurde auf Grundlage der Zahlungsfähigkeit Tilgungsquote und Zinsendienst festgelegt. Man hat die Anpassungsfähigkeit des Schuldentilg-ingsvlans an die jeweilige Leistungsfähigkeit der Schuldnsrländer durch eine dehnbare Ska*a der Z'nsenzahlung erreicht, im übrigen aber die Rückzahlungen der Grundbeträge, d. h. die Til­gungsquoten, als wichtiges ethisches Moment für die Ausrechterhaltung der Unantastbarkeit internationaler Verpflichtungen angesehen und daher unberührt gelassen. Bei allen Verhandlungen hat die Kommission die durch den Krieg verursachte Zerstörung des wirtsckaftlichen Gleich­gewichts in Europa voll in Rechnung gestellt. Man erkennt die Unmöglichkeit gewisser Schuldnerstaaten, bedeutende Zah­lungen in nächster Zukunft iu ma'ben. voll an, hält aber das Prinzip, die Derpstickstungen nach Sem Stanoe oes Wiederaufbaues zu regeln, für richtig.

Die meisten europäischen Nationen haben in den letzten Jahren ihre Haushalte ausbalanciert. Viele Auslandsver- pflichtungen an Amerika konnten fundiert werden. Wäh­rungen wurden stabilisiert. Die Anlage von Ausländs­anleihen in Amerika wurde eine dauernde Erscheinung auf dem internationalen Geldmarkt. Der wirtschaftliche

und finanzielle Wiederaufbau Europas also im Gange. Wir haben festgestellt, daß dies« Wiederaufbau für uns von höchstem Wert ist und lege» Wert darauf, daß dieser Wiederaufbau in der richtigen Weise geschieht. Europas Wiederaufbau ist Ameri­kas W i r tsch a f ts in t e r e ss e. Unsre gesamte» ausländischen Guthaben sind für uns i» Dollars und Cents nicht so viel wert wie ei» blühendes Europa.

Die günstigen Folgen der Schuldenregelungen mögen cm einigen Beispielen gezeigt werden. Großbritannien bezog von uns im Jahre 1925 Waren im Werte von über 1,03 Milliarden Dollar; die Einfuhr der Vereinigten Staaten aus England betrug in der gleichen Zeit nur etwa 412 Millionen Dollar. Italien lieferte uns rm vergangene» Jahre für 102Z Millionen Dollar an Waren, während wir; ihm im gleichen Zeitraum für etwa 205L Millionen sandten. Deutschland kaufte van uns im Jahre 1923 noch für" nur etwa 150 Millionen Dollar Baumwolle; mit der Ein­führung des Dawesschen Plans, der Stabilisierung der deutschen Währung und der Durchführung einer gesunde» Finanzwirtschast stieg dieser Bedarf im Jahre 1924 auf 223 Millionen Dollar und im Jahre 1925 auf 240 Millionen- Dollar. Es ist also klar, daß sowohl Amerikas Industrie wie seine Landwirtschaft größtes Interesse an einer Gesundung Europas haben.

Die europäischen Länder müssen heute noch große An­strengungen machen, um ihre Finanzen in Ordnung zu halte». Hohe Steuern belasten die Bevölkerung, die allgemeinen Un­kosten der Industrie sind bedeutend gestiegen. Diese Härten sind unvermeidlich, bedeuten sie doch den Preis, den das gegenwärtige und wabrscheinlich auch das kommende Geschlecht für den Weltkrieg .zu zahlenhat.

Reichstags-Schluß

Berlin, 3. Juli.

Zu Beginn der gestrigen Reichstagssitzung gab der sozial­demokratische Führer Wels eine Erklärung dahin ab, daß die sozialdemokratische Reichstagsfraktion die Zustimmung zu dem Fürsten-Gesetz ablehnt. Das Scheitern der Vorlage entbindet die Regierung und die Regierungsparteien nicht von ihrem feierlichen Zusagen. Eine andere Lösung ist notwendig, die nach dem vollständigen Versagen dieses Reichstages nur von einem neuen Reichstag geschaffen wer­den kann- Die sozialdemokratische Reichstvgsfraktion for-