Aints-und ArrzeryevlLtt kür

esellsLti alter

Mit den illustrierten Unterhaltungsbeilagen Feierstunden" undUnsere Heimat"

Bezugspreise:

Monatlich einschließlich Lrägerlohn -,1t 1.60 Einzelnummer 10 L

Erscheint an jedem Werktage

verbreitetste Zeitung im O.A.-8ezirk tkagolcl 5<hriftleitung, Druck u. Verlag von S. M. Aaiser ^Xarl Iaiser) Nagolck

Ken GvcranrtsvcztrkMrgolS

Mt äer landwirtschaftlichen Wochenbeilage Haus-, Sorten- und Landwirtschaft"

Anzeigenpreise:

vie einspaltige Zeile aus gewöhnlicher Schrift oller lleren Raum lS Familien-Anzeigen 12 L Reklame-Zeile 45 -Z, Sammelanzeigen 50°/o Aufschlag

Für äas Erscheinen^ von Anzeigen in bestimmten Ni ' rsonaer«

e aas Erscheinen von ttnzeigen rn bestimmten rtusgao an besonaeren Plätzen, wie für telephonische Aufträge Chiffre-Anzeigen wirck keine ServLhr übernormnen

Lelegramm-Allreffe: Gesellschafter Nagolck. In Fällen höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Lieferung ller Zeitung oäer aus Rückzahlung lles Bezugspreises. Postscheckkonto Stuttgart 5113

Nr. 128 Gegründet 1826 Samstag, den 5. Juni 1926 Fernsprecher Nr 29 166. Jahrgang

Wer hlü die MWyle» mlttW?

Im Temps und im Matin ist im Verfolg der während des Risiriegs gegen Add el Krim zur fast ständigen Redens­art gewordenen Behauptung, hinter dem Kabylenführer steck­ten deutsche Generalstabsosfi,ziere und russische Aufwiegler, die Forderung gestellt worden, den Nachweis für das deutsch­russische Ränkespiel öffentlich bekanntzugeben. Der deutsche Generalstabsoffizier ist nun geradezu der schwarze Mann für alles geworden, was den Siegermächte» in der Welt schief geht, so daß die dauernde Wiederkehr dieser alten Li­tanei lächerlich und langweilig wirkt und wohl auch bald nicht mehr bei denen zielen wird, auf die diese Hetze be­rechnet ist. Die russische ZeitungJswjestija" hat die fran­zösische Forderung nach einer Untersuchung aufgegrisfen und sehr richtig mit einer Freude begrüßt, der sich Deutsch­land mit gutem Gewissen anschließen kann. Es heißt darin unter anderm:

Wir Russen sind nicht bevollmächtigt, der französischen öffentlichen Meinung zu beweisen, daß nicht Berlin der Ort ist, wohin die Fäden der Untersuchung führen müssen. Diese Aufgabe überlassen wir der deutschen Presse. Wir beschrän­ken uns auf die gegen Moskau erhobenen Beschuldigungen. Es gehört zum guten Ton der bürgerlichen Diplomatie der

Tiegerstaaten, daß, was auch Unangenehmes in der Wellf vorfüllt, seit dem Bestehen des Rätestaats, diesem zur Last gelegt wird. Wenn es in der Tai so wäre, dann ivüre Mos­kau der Mittelpunkt des mächl-asten Siams der Welt. Sein Einfluß wäre in der internationalen Politik eine Größe, mit der sich kein einziger Staat messen könnte. Die internatto­nale Bewegung in China, der W-.derstand der Rifleute ge­gen Frankreich, der Generalstreik in England, alles soll von Moskau aus eingefädelt sein, nur das einschneidendste Er­eignis der letzten Jahre, das Erdbeben in Japan, wird ni<Ä auf das Schuldkonto Moskaus gesetzt.

Soweit können wir den Ausführungen Äer Jswjestsi« folgen und sie Wort für Wort auf die gegen Deutschland erhobenen Beschuldigungen übernehmen. Der russische amt­liche Aufsatz kehrt dann den Spieß um und wendet sich g«. gen den Feind, dem Rußland überall in der Welt auf sei. nem Weg zu begegnen glaubt, gegen England. Nach der Jswjestija" hat weder Deutschland nock Rußland, sonder« England tatsächlich und moralisch die Rifleuts unter­stützt, um Frankreichs Schwäche in der Orientpolitik zu sei­nem Vorteil auszunutzen. Es Hot inzwischen Italien für seine Pläne einspannen können und erntet jetzt in der Ab­wicklung des Marokkofeldzugs die Früchte seiner Politik.

Polens Schulden an Deutschland

Hörfings »Wahrheitsliebe*. Wettere VerbSade gegen de« Volksentscheid

Berlin, 3. Juni. Polen hat seinerzeit das bedeutende Stückstoffwerk Lhorzow in Oberschlesien beschlagnahmt. Nach langem Prozeß hat der internationale Gerichtshof im Haag entschieden, daß dos Werk deutscher Besitz sei und daß Polen es entweder herausgeben oder eine Entschädigung dafür zu zahlen habe. Polen besteht bis jetzt darauf, daß das Werk verkauft oder jedenfalls aus deutschem Besitz ge­nommen werden müsse. Das Werk hat aber einen Wert von etwa 120 Millionen Mark, die Polen bezahlen müßte. Dazu kommen aber noch weit größere Summen, die Polen wegen ungenügender Entschädigungen für die vorgenom­menen Zwangsverkäufe und Beschlagnahmungen an Deutschland zu entrichten hat, und zwar belaufen sich die ein­geklagten Summen, über die das Gemischte Schiedsgericht in Paris schon entschieden hat, auf rund 300 Millionen Goldzloty oder 240 Millionen Goldmark. Dazu kommen weiter die Summen, die für die Entschädigung von rund 3000 verdrängten Ansiedlern zu zahlen sind, und die Ent­schädigungen, die für die verdrängten Domänenpächter ge- leistet werden müssen. Endlich kommen noch dazu alle die

Entschädigungen für die widerrechtlich aus Polen vertrie­benen Deutschen und für die widerrechtlichen polnischer Maßnahmen, die sich ebenfalls auf viele Millionen Mark belaufen. Nach vorsichtigen Schätzungen unterrichteter Stel­len beträgt die Gesamtschuld Polens an Deutsch­land weit mehr als eine halbe Milliarde Goldmark. Es scheint unumgänglich nötig, daß die deutsche Regierung alle Maßnahmen trifft, um ihre berech­tigten Ansprüche durchzusetzen.

Stresemann und die Haussuchungen Berlin, 4. Juni. Reichsminister Dr. Stresemann teilte in einer Versammlung der Deutschen Volkspariei gegenüber einer Behauptung desVorwärts", Stresemann habe das Vorgehen der preußischen Regierung gegen die rechtsstehenden Personen und Verbände ausdrücklich gebil­ligt, folgendes mit: Er (Stresemann) habe, als im Reichs­tag von dem Vorgehen gesprochen worden war, beim Po­lizeipräsidenten Friedensburg angefragt, was es mit dieser Umsturzgefahr auf sich habe. Friedensburg habe tele- vboniicb erwidert, es handle iicb um einen aroßen Man zur

Beseitigung des Reichspräsidenten und Einrichtung eines Direktoriums. Er habe darauf Friedensburg gesagt:Wen« die Dinge so liegen, dann greifen Sie nur ordentlich durch!" Aus den inzwischen bekannt gewordenen Veröffentlichunge« habe er sich bisher nicht überzeugen können, daß die Voraussetzungen für ein derartiges Vorgehen der preußischen Regierung gegeben seien.

Die Bereinigten vaterländischen Verbände gegen den Volksentscheid

Berlin, 4. Juni. Die Reichsgeschüftsstelle der Vereinig­ten vaterländischen Verbände Deutschlands veröffentlicht einen Aufruf gegen den Volksentscheid, in dem dazu aus­gefordert wird, am 20. Juni der Abstimmung fern,zubleiben. Einen ähnlichen Aufruf erläßt die Deutschvölkische Freiheits- Partei.

Aebertreibungen hörfings

Berlin, 4. Juni. Auf einer Reichsbannerversammlungj in Magdeburg hat der Oberpräsident der Provinz Sachse», Hörsing (Soz.), nach dem Bericht der joz. Magd. Volks- stimme behauptet, es sei ein Skandal, daß die Landwirte erlaubter und unerlaubter Weise 400 000 ausländische Landarbeiter zum Zweck der Lohndrückerei beschäftige, wahrend Deutschland selbst 2 Millionen Arbeitslose habe. Die deutschnationale Fraktion hat darauf im preuß. Land­tag eine Anfrage eingebracht: dem Oberpräsidenten muß es bekannt sein, daß in Preußen und im Reich 1926 höchstens 130 000 fremde Landarbeiter zugelossen sind. Billigt die Regierung die verhetzenden Unwahrheiten Hörfings und was gedenkt die Regierung zu tun, damit der Obcrpräsident der Verantwortung seines Amtes gerecht wird?

Ir. JokMMr Lesen Richsilger

Zum Generaldirektor der Deutschen Reichsbahugesell- schast wurde vom Berwaltuugsrat der bisherige stellver­tretende Generaldirektor Dr. Dorpmüller, zum stell­vertretenden Generaldirektor der bisherige Direktor der Personalabteilung, Dr. Weirauch, ernannt. Die Be­stätigung beim Reichspräsidenten ist nachgesucht.

Tagesspiegel

Generaloberst von Seeckt ist in Hamburg eingelrosfen.

kardinalerzbifchof Dr. von Faulhaber wird den deut­schen Episkopat auf dem eucharistifchsn Kongreß in Lhikago vertreten und nächster Tage «Kreisen.

DerTag" berichtet, die Reichsregierung habe die Ab­sicht, gegen die vertragswidrige Besatzungsvermehrung im besetzten Gebiet beim Verband vorstellig zu werden, auf- gegeben, nachdem die englische Regierung gebeten habe, da­von in diesem Augenblick Abstand zu nehmen.

Der Verein Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller hat gegen das Vorgehen der preuß. Regierung gegen hochver­diente Angehörige der Industrie scharfen Einspruch erhoben.

Die Handelskammer St. Louis (Amerika) wird im August nach Europa kommen. Lin Teil der Mitglieder wird Mün­chen, Nürnberg, Dresden und Berlin besuchen und am 29. August zur Leipziger Messe reisen. Die Rückreise nach Amerika erfolgt am 2. September von Hamburg aus.

Lloyd George stellt in Abrede, daß er der Arbeiterpartei beizutreten beabsichtige.

Der französische Staatspräsident Doumcrgue wird in London einen amtlichen Besuch machen. Die Regierung ver­langt hiefür von der Kammer die Bewilligung von 500 ooo Franken.

In der Finanzkommission der französischen Kammer keilte der Finanzminister Peret mit, daß die Staatsschuld Frank­reichs im ganzen 133 Milliarden betrage. Von der 100 Millionenanlcihs Morgans seien noch etwa 52 Millionen Dollar vorhanden.

In einem halbamtlichen Artikel des Lorriere della Sera wird ausgeführt, Frankreich müsse sich mit dem Gedanken befreunden, daß Italien an der Neuverkeilung der Einflußgebiete in Marokko und der Regelung der Tanger­frage sich beteilige.

Zaglul Pascha hat auf die ägyptische Ministerpräsident- schüft zugunsten des liberalen Führers Adlijegen Pascha ver- zichtet. Das haben wohl die nach Aegypten gesandten englischen Kriegsschiffe bewirkt.

Der Senalsausschuß für die Alkvholsragc in Washington hat empfohlen, alle Vorschläge zur Aenderung des Alkohol- gesehes und der Volksabstimmung darüber auf unbestimmte Zeit zu vertagen d. h zu begraben.

Politische Wochenschau.

Der Rifkrieg ist zu Ende. Derseche hat 13 Monate lang gedauert- Dabei hat nach der (joz.)Humanite" der größte Militärstaat der Welt im Bunde mit Spanien 150 000 Menschen verloren und über 2 Milliavd. Franken eingebüßt. Das ist kein absonderlich großer Ruhm für Frankreich. Umso mehr aber für Abd el Krim, denbesiegten Rebellen", wie ihn jetzt die französischen Blätter mit Vorliebe nennen, wobei sie weiterhin gnädigst bemerken, daß er auf denEdel­mut" Frankreichs rechnen dürfen. Daß aber dieserEdel­mut" seine guten politischen Gründe hat, das wird ver­schwiegen. Rebellen pflegt man sonst zu erschießen. Frank­reich wird das wohlweislich bleiben lassen, so gut wie seiner­zeit ebi Abd el Kader, demRebellen" von Algier. Denn der religiöse Fanatismus der Mohammedaner ist ein Feuer, mit dem man nicht spielen darf-

Für uns Deutsche hat die Riftragödie noch ein beson­deres, fast komisches Nachspiel. Herr Lautre, der Berliner Vertreter desPetit Parisien", weiß zu berichten, daß die Wasfenstreckung Abd el Krims in Deutschlandein Gefühl tiefster Enttäuschung" hervorgerufen habe. Man habe ge­hofft, er sei der Mann, der Afrika vom französischen Joch befreien werde. Man frage sich beunruhigt, was denn nun die deutschen Generalstabsosfi,ziere machen sollten, die den Kampf gegen Frankreich und Spanien geleitet haben. Aber erstens gibt es laus Art. 162 des Versailler Vertrags über­haupt keinen Großen Eenerolstab in Deutschland mehr. Zweitens konnten aus diesem Grund keine deutschen Gene­ralstabsoffiziere den Rifkriegleiten". Ein französischer Friedensunterhändler hat übrigens festgestellt, daß im Lager Abd el Krims nur ein einziger Deutscher, ein Zivilist, sich befunden habe. Drittens wußten wir ganz gut, Laß das kleine Risvolk über kurz oder lang der französischen Kultur­bestie erliegen muß. Aber wenn Helden untergehen und das sind zweifellos die Rifkabylen so dürfen sie des Mitgefühls gewiß sein, das die Deutschen jederzeit dem Heldentum zollten.

Und nun wird «an in de» beschlagnahmten BrrHschatzen Abd «l Krims eifrig nachforscheu. mit wem in Europa der Rebell" korrespondiert hat. Bis jetzt sind noch keine deut­schenGeneralstabsoffiziere" entlarvt worden. Nicht ganz sauber aber scheint es mit Italien zu fein, das begreif­sicherweise einemSieg" Frankreichs in Nordafrika sehr gemischte Gefühle entgegenbringt. Vielleicht ist der immer weiter um sich greifendeImperialismus" Frankreichs mit ein Grund für denImperialisten" Mussolini, daß er von einer Abrüstung Italiens nichts wissen will. In seiner neuesten Senatsrede am 23. Mai laute er u. a-:Italien

dürfe sich nicht entwaffnen, solange "andere Staaten nicht entwaffnet seien. Entwaffnung würde für Italien Selbst­mord bedeuten, ferner den Verlust seiner Unabhängigkeit und Freiheit."

Das ist auch der Geist, der die nun geschlossene und nur noch inUnterausschüssen" weiter vegetierende sogenannte vorbereitende A b r ü st u n g s k o n f e r e n z" in Genf beseelte. Die Herren dort waren fast ausnahmslos Militaristen (allein 50 Offiziere!), unseren Grafen Bern- storff ausgenommen. Es ist daher begreiflich, daß dieser die Stimme eines Predigers in der Wüste vertrat gegenüber einer Heuchlergesellschaft, deren Lippen von Frieden troffen, deren Herzen aber voll Kriegsgedanken waren. Was nun auch der pazifistische deutsche Graf, der einzige Vertreter der entwaffneten Mächte, vorbrachte, war in den Wind geredet- Die Herren kamen auch nicht mit einer Mlbe auf seine beherzigenswerten Ausführungen ,zu reden. Trotzdem ist er mit dem Verlauf der Friedenstagungsehr zufrieden". Er meinte, es seien doch wenigstens dieMethoden" ge­funden worden,durch die der gewaltige Stoff der Äb- rüstungsfrage bewältigt werden soll". Gerne lassen wir dem wackern Manne seinen Optimismus.Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube."

Unsere Zeit ist offenbar auch politisch mit starker Elek­

trizität geladen. Ein Militärputsch nach dein andern. Kaum hat ihn Polen gehabt, acht Tage nachher bricht er in Portugal los. Die meuternden Regimenter ziehen gegen die Regierungstruppen. Die Verbindung zwischen der Hauptstadt und dem Innern des Landes ist unterbrochen. Das ist freilich für Portugal, wo die Mlitärputsche nach­gerade eine Dauererscheinung geworden sind, nichts neues. Aber immerhin scheint der jüngste Aufstand von größeren Tragweite für den kleinen Staat werden zu wollen. Bor allem wollen die Aufständischen mit dem 'grnndverderbten Parlamentarismus aufräumen.

In Polen ist .zwar der Militärputsch beendet. Di« Krisis aber noch lange nicht. Pilsudski ist, wie an,zu. nehmen war, vom Sejm zum Staatspräsidenten gewählt worden. Allerdings mit nur 292 gegen 1S1 Stimmen, also mit erheblich weniger Stimmen als 19Ä, wo die Wohl einstimmig aussiel- Dieses Ergebnis patzt ihm nicht. Er will nicht mit geteiltem Vertrauen an der Spitze des Staats stehen. Ob das nicht ein bloßer Vorwand ist? Pilsudski will und das ist der Hauptgrund seiner Ablehnung mehr Gewalt haben, als sie die Verfassung dem Staats­oberhaupt zuerkennt. Erst müssen di« Befugnisse des Staats­präsidenten erweitert werden, also in der Richtung auf ein« Diktatur, dann erst läßt sich Pilsudski bestimmen, die ihm