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Dienstag, den 1. Juni 1928
Fernsprecher Nr. 29
100. Jahrgang
Polens vergebliche Präsidentenwahl
Resormauträge des ReichslauLbrwLes. — Französisches »Entgegenkommen*
Warschau, 31. Mai. Bei der heutigen Wahl des Siaaks- p! -snten im Sejm (Abgeordnetenhaus) erhielt Pilsudski 2L Aninski 193 Stimmen. 61 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Da die absolute Mehr^rt der Stimmen 272 beträgt, ist Pilsudski mit absoluter Mehrheit gewählt.
Die deutschen Abgeordneten stimmten geschlossen für Pilsudski.
Wie Pilsudski zu regieren gedenkt, geht aus einer Ansprache hervor, die er am Sainstag an eine Anzahl Sejm- Abgeordnete hielt: Er warne die Kammer und den Senat, einen Parteimann zum Staatspräsidenten zu wählen. Er werde es verhindern, daß in Polen ein Mann unter dem einschüchternden Einfluß von Schurken regiere; er (Pilsudski) habe den Gaunern, Mördern und Dieben den Krieg erklärt. Abgeordnetenhaus und Senat haben viel zu viel Rechte, sie sollen auseinandergehen, sobald der Präsident gewählt sei. Sein Programm sei, das Gaunertum einzu> Redlichkeit Mg. S" Wne.n.^ ^
Sejmmarschall Mataj erklärte ^4n» Anwesenheit d Ministerpräsidenten Bartel »m 12.45 Uhr vor Vertretern der polnischen Presse, daß Marschall Pilsudski die Wahl - zum Staatspräsidenten nicht annehme. Sein Beschluß, so/ erklärte Rataj, sei unwiderruflich. Der Enschluß Pilsudskis rief in politischen Kreisen eine ungeheure Erregung hervor.
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Tagung des Reichslandbunds Weimar, 31. Mai. Am Samstag fand in Weimar eine Tagung des Gesamtvorstands und der Vertreter des Reichslandbunds statt Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Dr. Haslinde, sprach ü-ber die Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft. Es werden Maßnahmen vorbereitet, um unter Mitwirkung der Reichsbank zu verhindern, daß wegen der Geldnot her Landwirte die kommende Ernte zu Verlustpreisen verkauft werden müsse. Daneben werde die neue Getreide-Handelsgesellschaft in gleichem Sinn eingreifen. Man müsse die deutsche Landwirtschaft während der Zell ihrer Umstellung und ihres Wiederaufbaus gegen die Ueberschwemmung mit Auslandserzeugnissen schützen. Der Vorsitzende. Graf Kalkreuth, sprach das
Bedauern aus, daß in der schwersten politischen und Wirt» schriftlichen Krise Dr. Luther einem Ränkespiel der Demokratischen Partei zum Opfer gefallen sei, und daß Dr. Luther zur Verteidigung sich nicht der Waste einer stärkeren Fühlungnahme nach rechts bedient habe. Die Aufrechterhaltung des deutschen christlichen Kulturstoats sei die erste Vorbedingung einer gefunden Außenpolitik, es sei daher unverständlich, wie die neue Regierung für ihre Grundlage die Stellung der bisherigen Außenpolitik als maßgebend habe erklären können. Es sei zu bedauern, daß es die Regierung für notwendig gehalten babe, die Nachricht englischer Blätter, Rcichsbankpräsident Dr. Schacht unterhandle in London über Erleichterungen des Dawesvertrags, für unrichtig zu erklären Wie notwendig eine Aenderung der Reichsverfas- iung sei, gehe u. a. aus dem Unfug hervor, der mit dem Volksbegehren betr. Fürstenenteignung und Auswertung getrieben werde. Letztere würde der Wirtschaft rettungslos den Todesstoß geben. Die Stellung des Reichspräsidenten üsse gestärkt und eine zweite, nicht rein politische vermutliche Kammer geschaffen werden. Der immer unerträg- r werdende Steuerdruck sei abzubauen und dafür zu Morgen, daß die kurzfristigen Schulden der Landwirtschaft in /langfristige umgewandelt werden, sonst werden alle Hilss- /maßnahmen vergebens sein.
Französische Schikane Berlin, 31. Mai. Die Besetzungsbehörde hat noch einer Meldung aus Stockholm > Konzerte der Musikkapelle des- schwedischen Göta-Regiments, die bei Gelegenheit der Gesundheitsausstellung in Düsseldorf stattfinden sollten, verboten mit der Begründung, Düsseldorf liege in der sogenannten neutralen Zone (innerhalb des um das Besetzungsgebiet gelegten Sicherheitsstreifens von 50 Kilometern). Nach dem Vertrag von Versailles sei aber „Feinden Truppen" der Aufenthalt im neutralen Gebiet untersagt.
kolonialkriegerkag
Essen, 31. Mai. Gestern fand hier die Jahresversammlung des Deutschen Kolomalkriegerbunds, die von 800 Vertretern besucht war, unter dem Vorsitz des Generalleutnants Ritter von Epp statt. In einer Entschließung wurde auf die Notwendigkeit der Wiedererlangung der deutschen Kolonien hingewiesen.
Hl«, 124 Gegründet 1826
Tagesspiegel
Am 31- Mai wurde die 32. Wanderausstellung der Deutschen Landnnrkschafisgejeistchast in Breslau eröffnet.
Pariser Blätter melden, in Brasilien sei nichts davon bekannt, baß Brasilien Len Widerstand gegen die Aufnahme Deutschlands in den Bölkcrbundsrat aufgegeben habe.
Pilsudski hat die Wahl zum polnischen Staatspräsidenten adgelehnt. Die neue Wahl findet am 1. Iuni stakt.
Der portugiesische Staatspräsident hat den Führer der ausständischen Bewegung, Major Cabecodas, mit der Bildung des Kabinetts betraut.
Bach dem Pariser „Quotidien" tM Abd e! Krim bei seiner Kapitulation dem französischen Kommandanten Schriftstücke übergeben, die beweisen, saß er hauptsächlich von Italien zum Widerstand gegen Frankreich ermuntert worden sei.
3m Streit um Alossul soll nach Reuter eine Verständigung zwischen England und der Türkei bevorstehen. Die Türkei stimme zu, daß das Iftakgebici für neutral erklärt werde, wogegen die Türkei einen Anteil aus dem Lrdöl- gewinn erhalten solle.
In Schanghai fanden große Ausschreitungen stakt. Der Direktor der französischen Ekekk"Waiisgesellschaft wurde schwer verletzt.
Bei den Anruhen in Shanghai wurden 40 Ausländer verletzt.
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Zur Erinnerung an den 31. Mai 181S
Ws am 1. Juni 1916, am Nachmittag des Hmmrelfahrts- iags, die ersten unbestimmten Gerüchte von einer großen Seeschlacht in der Nordsee und ihrem glücklichen Ausgang über Deutschland liefen, stießen sie zuerst -nf ein unvläubmes Erstaunen. Man wollte und konnte nu./i w'hr für möoiich halten, was man bei Kriegsbeginn als selbstverständlich erwartet hatte: den starken Entschluß, den Angrich die Tat. Daß die deutsche Flotte der feindlichen, englischen, unterlegen war an Zahl und Größe der Schiffe, wußte man; aber das war beim Heere ebenso.
Daß Bethmann Hollweg in zwei Beratern des Kaisers An Großen Hauptquartier, in Admiral v. Poh l, dem Chef des Admiralstabs, und in Admiral v. Müller, dem Chef des MarinekaTnetts, gefüge Helfer seiner furchtsamen Politik, „England nicht etwa durch einen Sieg zu reizen", gefunden hatte, ist ein Beweis dafür, wie schwächliche Gedanken unentschiedene Charaktere kraft- und entschlußlos wachen. Von stärkster Tragik aber war es, daß in den Einflüssen dieser drei Männer die schwerer. Bedenken des Kaisers «ne Stütze fanden gegenüber dem auf sein Werk, auf die von ihm geschaffene Flotte voll vertrauenden Großadmiral v. Tirpitz.
Nicht tatenlos war die Flotte gewesen. Nach siegreicher Eoronelschlacht war des rheinischen Grafen Spee Kreuzergeschwader an den Falklanü-Jnseln ehrenvoll gegen stärkste .Äebermcü untergegangen: Auslands- und Hilfskreuzer hatten Le» feindlichen Handel aufs schwerste gestört. Deutsche Kreuzer und Unterseeboote hatten den Kampf auf Gallipoli «ad um die Dardanellen siegreich entscheiden helfen; sie hatten auch der englischen Kriegsflotte namhafte Verluste beigebracht. Deutsche schwache Seestreitkräfte zwangen die Weit überlegene russische Flotte in ihre Häsen, beherrschten Re Ostsee und hielten wenigstens diesen einen Weg in die Welt und die Zufuhr unentbehrlicher Rohstoffe offen. Und selbst die Kütten Englands, die befestigten Häfen, hatten die Zerstörungskraft deutscher Geschütze ohne Gegenwehr fühlen müssen. Aber ein entscheidender Kampf der Hochseeflotten war ausgeblieben: auf deutscher Seite infolge des von Beth- mann oeranlaft i Verbots auf englischer Seite in dem klaren Bewußtsein, das Ziel der Erstickung und Aushungerung Deutschlands ohne den immerhin mit Risiko verbundenen Einsatz der Flotte durch die völkerrechtswidrige „weite" Blockade zu erreichen.
Die Befehlshaber der d^tt'-^en Hochseeflotte, die Admirale Jngenohl und v. Po bl. hatten sich an die Anweisungen gebunden gehalten, selbst dann, wenn sich ihnen «ine Gunst des Schicksals bot. Erst als Admiral Scheer Äs Nachfolger des schwer erkrankten Pobl Chef der Hochsee- stotte wurde (Januar 1916), zog in ihre Führung wieder ein klarer Wille, zu wagen, um zu gewinnen, der unbeugsame Entschluß, die Schlacht zu erzwingen. Den ersten Erfola errang er gegenüber dem Reichskanzler: Freiheit kriegerischen Handelns; den zweiten Erfolg gegenüber dem Führer der englischen Seekriegsleitüng: seine Kampfhandlungen usw. gegen die englischen Küsten wirkten sich derart demütigend und verbitternd im Gefühl des stolzen Britenvolks aus. daß es endlich ein energisches Vorgehen gegen die deutsche Flotte von dem Oberbefehlshaber der eignen Flotte, Admiral Jellicoe. forderte. So waren die Grundlagen ?u einem Zusammenstoß geschaffen. Ein von Scheer Ende Mai geplanter Angriff gegen Sunderland, der Jellicoes Eingreifen erzwingen sollte, hotte geändert werden müssen und in dem Barstaft noch d m Slag rrak Ausdruck gefunden. Am 30. Mni, 6 Nhr ab-nds, erhielt die britisch? Admiralität lein Zeichen ihrer hervorragend orb-Meichen SgianageÜ die Nachricht van dem bevorstehenden Auslaufen.aller deutschen
Flottenverbände zu einem „geheimen" wichtigen Opera- tionsziel. Schon 6 Uhr 40 Min. abends bekam Jellicoe Weisung, seine Streitkräfte halbwegs Schottland und Jütland zusammen,zuziehen. So war die englische Gegenunternehmung schon im Gang, als am 31. Mai, 2 Ubr früh, die deutschen Schlack-Kreuzer die Anker lichteten: Scheer ohne Kenntnis der englischen Maßnahme, wenn auch mit cksr Absicht, den Kampf herbeizuführen: Jellicoe durchaus vorbereitet.
Auf den Schlachtverlauf im einzelnen einzugehen, ist nicht möglich; eine vorzügliche Darstell"-a dieser größten Seeschlacht aller Zeiten bot Fregattenkapitän G r o o s' im fünften Band des vom Marinearchiv herausgegebenen See- Kriegswerks. Wie gewaltig die Schlacht in ihren Maßen und Ergebnissen war, sei in wenigen Zahlen in die Erinnerung zvrückgerufen. Es kämpften 151 englische gegen 99 deutsche Schiffseinheiten, 344 schwerste englische gegen 244 (<m Kaliber geringere) deutsche Geschütze; es gingen zugrunde 118 000 Tonnen Schiffsraum auf englischer, 61 000 Tonnen auf deutscher Seite; 6700 Tote und Verwundete und 177 Gefangene auf englischer S.eite stehen 3000 Toten und Verwundeten und keinen Gefangenen auf deutscher Seite gegenüber. Groß und schwer waren also die Verluste auf beiden Seiten. Aber als Admiral Scheer am 1. Juni morgens bei Horns Riff bereitstand, den Kampf noch einmal aufzu- nehmen und bis zu Ende durchzuführen, befanden sich, wie die deutschen Aufklärungslustschiffe feststellten, die englischen Flottenverbände auf dem Rückzug zu ihren Häfen. Am Nachmittag lief die deutsche Flotte siegreich in Wilhelmshafen ein, noch ungewiß über die Größe des erkämpften Erfolgs.
Der erste Eindruck aus die Welt war überwältigend: der Ruhm der Unbesiegbarkeit der die Meere beherrschmden enollschen Flotte, seit Coronet in Frage gestellt, war endgültig zerstört. In den ersten Tagen wagte die englische Regierung überhaupt keinen Kampfboricht herauszugeben. Am 3. Juni schrieb di« „Daily News": „Wie bitter das Eingeständnis auch sein mag, daß wir in der Schlacht bei Jütland eine Niederlage erlitten haben . . ." Und bei diesem Eingeständnis Hot es trotz aller späteren Täuschungsversuche bleiben müssen. Was sie im Kriege hartnäckig leugneten, haben heute die Geschichtsschreiber auch der Feinde bestätigen müssen: was Fregattenkapitän Gross al« Ergebnis seiner alle Quellen umfassenden Forschungen in die Worte faßte,
„daß der deutsche Anspruch auf den Sieg in der Schlachi vor dem Skagerrak auch der strengsten geschichtlichen Forschung standhält". Und als Ausspruch der Neutralen lei „Stockholm Dagblad" angeführt: „Die größte Bedeutung her Schlacht liegt vielleicht gerade in dem Abbruch an Ansehen, den England durch sie im In- und Ausland erleiden mußte". Die gewaltige Ueberlegenheit nicht an Labl. aber an Personal und Material der deutschen
Flotte gestand Admiral Jellicoe in seinem.gmüch't geheim gehaltenen eingehenden Bericht an die Admiralität eindringlich zu. Nicht ein zweites Mal hat er sich zur Entscheidung gestellt; nicht von Jütland oder Skagerrak, sondern von Skapa Flow wählte man seinen Lordtitel.
Deutschland stand wieder an einem Wendepunkt. Die Hochseeflotte allein konnte die Entscheidung nicht bringen? wir wissen aber aus dem Mund der Feinde, daß ein Unter dem Eindruck der englischen Niederlage sofort einsetzender Unterseebootkrieg den Krjegswillen Englands damals gebrochen hätte.
Neuestes vom Tage
Dank des Reichsfinanzminifiers an die Beamte«
München, 31. Mai. Auf der 6. Tagung des Bunds der Deutschen Reichssteuerbeamten hielt Reichsfinanzminister Reinhold eine Rede in der er u. a. sagte, ein gewisser Unmut der Bevölkerung in der Zeit der wirtschaftlichen Not sei zu verstehen, aber die in letzter Zeit gegen die Steuerbeamten gerichteten ungerechtfertigten Angriffe der letzten Monate überschreiten jedes Maß. Die Arbeit- der Steuerbeamten fei gerade die Grundlage für den festen Wiederaufbau. Der Minister sprach den Beamten den Dank für das aus, was sie in den letzten Jahren geleistet haben.
Skagerrakgedenkseier in kiel Kiel, 31. Mai. Gestern abend fand in der Aula der Kieler Universität eine Skagerrak-Gedenkfeier aus Anlaß des 10. Jahrestags der Schlacht statt, zu der die Einladungen von dem Stationskommando ausgegangen waren. Der Stationschef mit seinem Stab, Prinz und Prinzessin Heinrich von Preußen, die Offiziere der Marine und der Küstenwehr, Abordnungen anderer Truppenteile, sowie zahlreiche inaktive Offiziere und Mannschaften wohnten der Feier bei. Fregattenkapitän . Scheibe (während der Seeschlacht aus Panzerkreuzer „Lützow") gab einen Ueberblick über den Verlauf der Seeschlacht. Vizeadmiral Raeder brachte in einer kurzen von vaterländischem Geiste getragenen Rede ein Hoch aüf däs deütsche Volk und das deutsche Vaterland aus. Im Anschluß an die Feier begann dann der große Zapfenstreich sämtlicher Truppenteile der Garnison Kiel. — Heute morgen fand eine Gedenkfeier für die Gefallenen auf dem Marinefriedhof statt, an die sich um 11 Uhr eine Parade anschloß.,