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Rr. 97

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Mittwoch den 2L April 1928

Zernsprecher Nr. 2S

Ivü. Jahrgang

LsKeAspiegel

Me preußische Regierung hat zur Linderung der Not der Winzer an Rhein und Mosel zwei Millionen Mark zur Verfügung gestellt.

2n Genf wurde die Weltwirkschaftskonferenz unter dem Vorsitz -es Franzose« Auland eröffnet.

Me Sowjekregierung hat 27 Koreaner wegen Schmuggels «u der ruffisch-chinesischen Grenze hinrichlen lassen. Me japa- «sche Regierung hat gegen das barbarisch« Vorgehen Ein­spruch erhoben.

Der Kohlenkrieg

Me Schuld rächt sich auf Erden

In England wußte man sehr gut, weshalb man die Franzosen und Belgier am Einfall ins Ruhrgebiet nicht hinderte, obwohl man wußte, daß er ein schnöder Bruch des auch von England Unterzeichneten Versailler Vertrags war. Man witterte einen glänzenden Aufschwung des Kohlen- Ansfuhrgeschäfts. und Bonar Laws Glückwunsch galt eben­sosehr der englischen Wirtschaft wie dem teuern Verbünde­ten Poincare.

Infolge der Besetzung des Ruhrgebiets hörten die Sach- kieferungen von Kohle und Koks auf. wozu Deutschland ge­nötigt war. Das kam in der Tat der britischen Kohlen­industrie zugute. Aber die Spekulation auf des anderen Schaden, der zum eigenen Vorteil ausschlagen sollte, hat sich hier, wie in der Regel, als kurzsichtig erwiesen. Frank­reich vermochte durch die gewalttätige Besetzung des Herz­lands der deutschen Industrie zwar die deutsche Währung zu ruinieren, die Ausbeutung Deutschlands zum Vorteil der französischen Wirtschaft aber ließ sich mit Waffengewalt nicht durchführen. Und das Ruhrgebiet zum Schaden Frank­reichs noch länger besetzt zu halten, nur damit die englische Industrie den Vorteil davon habe so weit reichte nicht einmal der Deutschenhaß der französischen Republik.

Unter Führung der Vereinigten Staaten kam eine fried­liche Verständigung über die Ausbeutung Deutschlands zu­gunsten der Kriegsgewinner zustande, die bekannt ist unter dem Namen des Dawesplans. Ersah wieder deutsche Sachlieserungen in weitem Maß vor, und damit war die künstlich gesteigerte Blüte der englischen Kohlenindustrie zu Ende, und der Rückschlag setzte ein. Um die britische Kohle wettbewerbsfähig zu halten, hätten die Löhne der Arbeiter herabgesetzt werden müssen. Aber dagegen wandte sich die Arbeiterschaft, und die englische Regierung verfiel, um den sich erhebenden Schwierigkeiten zu begegnen, aus den geist­reichen Ausweg, die Mehrkosten, die den Grubenbesitzern Lurch Beibehaltung der alten Löhne entstanden, aus dem allgemeinen Steuersäckel zu decken. Wenn die deutsche Re­gierung etwas derartiges getan hätte, hätte alle Welt über unanständigesDumping" geschrien; wenn aber die britische Regierung dergleichen tut, nennt es alle Welt eine Subvention". Hört die Unterstützung der Kohlenindustrie mit dem 36. April auf was der allgemeine Wunsch ist, so wird der großbritannische Staat 400 Millionen daran gewandt haben, um die Kohlenpreise niedriger zu halten, als sie von Rechts wegen sein dürften.

Was soll nun vom 1. Mai ab werden, wenn die staat- kchen Dumpinggelder mit einem Mal oder nach und nach auftzören zu fließen? Auch darüber ist man sich Änig, daß die Kosten der Erzeugung herabgesetzt werden müssen. Da im Augenblick kein Poincarö geneigt zu sein scheint, den Weltmarktpreis der Kohle England zuliebe in die Höhe zu treiben, so gehört nicht eben viel dazu, um Las einzusehen. Fragt sich nur, wie die Kosten der Kohlen­erzeugung herabgesetzt werden sollen. Die Grubenbesitzer sagen: durch Herabsetzung der Löhne: wenn dann gleich­zeitig länger gearbeitet werde, könnten die Arbeiter immer »och mehr verdienen als jetzt. Es scheint, daß die Berg­arbeiter sich gegen eine zeitgemäße Herabsetzung der Löhne nicht unbedingt mehr zur Wehr setzen. Aber der Streit geht jetzt darum, ob ein allgemeiner Mindest lohn für das ganze Land festgelegt werden soll wie die Ar­beiter wollen, oder ob, nach dem Wunsch der Gruben­herren, örtliche Mindestlöhne vereinbart werden sollen. Die Herabsetzung soll sich, nach Meinung der Unternehmer, zwischen 6 Pence und 16 Schilling für die Woche bewegen.

Ein Ausschuß, der zwischen der Meinung der Unternehmer und der der Arbeiter den Ausgleich finden sollte, machte außerdem ein« ganze Reihe von Vorschlägen, die zu ihrer Durchführung aber längere Zeit brauchen würden. In­zwischen muß etwas geschehen, denn auch die Steuerzahler simgen an, ungemütlich zu werden; sie wollen den Kohlen­preis mit anderen Mitteln gesenkt haben, als dadurch, daß sie höhere Steuern zahlen. In England macht man mit der Preissenkung ähnlich ungemütliche Erfahrungen, wie wir sie bereits hinter uns haben; Dr. Luther hatte die allgemeine Preissenkung bekanntlich schon einmal aus Tag und Stunde ftstgekegt, am 1. Oktober 1925 sollte sie eintreten. Rur merken wir bis heute nickst allzuviel davon. In England behaupten die Grubenbesitzer, infolge der Rückkehr zum Goldstandard seien die vereinbarten Löhne an und für sich um 10 Prozent zu hoch; die Arbeiter halten dem entgegen, sie hätten noch nichts davon gemerkt, daß die Kosten ihrer Lebenshaltung um 10 Prozent gesunken seien.

In diesem Augenblick, wo lste Dinge auf Biegen oder Drechen stehen, erinnert mau kick» in England, daß man doch

Mussolini bleibt!

Der Kehler Hase» immer «och nicht frei Bayerische Bolkspartei hinter Held

Mailand. 27. April. In einem Gewitterregen hielt Mussolini auf dem Domplah an eine Versammlung der Faszisten, zu der 50 000 Mann angetreten sein sotten, eine Ansprache: .Diese Zusammenkunft im Regen zeigt mir, daß ihr mit demselben Gleichmut im Gewehrfeuer stehen bleiben werdet. Schwarzhemden! Kugeln fliegen vorbei und Mussolini bleibt! Die Anspielung auf die leichte Ver­letzung beim Anschlag der geisteskranken Irländerin wurde von der Menge mit maßloser Begeisterung ausgenommen.

*

Die Entscheidung über den Kehler Hafen Straßbura. 27. April. Der Hauptausschuß für Rhein» schifmhrt beschloß in der Frage der Freigabe des Kehler Hafens, die für die Häfen von Straßburg und Kehl be­stehende Uebergangsordnung vom 10. Januar 1927 bis 10. Juli 1928 unter der Maßgabe zu verlängern, daß der auf dem Ostufer des Beckens Nr. 1 des Kehler Hafens gelegene .Lagerplatz von 10 000 Quadratmeter bei IW Meter Kai- länge, 3 Kräne, davon einer von 5 Tonnen, Silos mit den dazugehörigen Hebewerken, sowie ein 5000 Quadratmeter großes Grundstück bei 40 Meter Kailänge am 1. Juni 1926 zu räumen sind. Die deutsche Regierung wird ermächtigt, für den Hafen von Kehl vom 10. Jan. 1927 ab einen Ver­treter zu ernennen. Die Ernennung bedarf der Bestätigung des Hauptausschusfes. Der Ausschuß nimmt von der Ein­willigung der französischen Regierung, vom 10. Jan. 1927 ab und wenn möglich noch früher die Dienststelle der ver- bändlerischen Rheinschissahrtskommission aufheben zu kaffen. Kenntnis, daß das Eingrifssrecht der Militärbehörden be­schränkt wird.

sozusagen auch eine Regierung habe, der ein KoRenstreik nicht ganz gleichgültig sein dürfte. Aller Augen sind auf Baldwin gerichtet, von dem erwartet wird, daß er zu­stande bringe, was dem zu diesem Zweck eingesetzten Aus­schuß nicht gelingen wollte: den Ausgleich zwischen Berg­herren und Bergarbeitern. Ein Erfolg ist ihm bis jetzt nicht beschieden gewesen-

Und doch soll die Kraftprobe eines Streiks um jeden Preis vermieden werden! Die Arbeiter tun so, als würden sie am liebsten zu diesem äußersten Mittel greifen, wohl weil sie vermuten, daß die Gegenseite es nicht dazu kommen lassen möchte. Vielleicht ist der Hintergedanke, der das Handln der Arbeiterschaft bestimmt, der: hat man uns den keinen Finger einer Staatsunterstützung gereicht, um den Streik zu ver­meiden, so nehmen wir eines Tags auch wohl die ganze Hand der Verstaatlichung der Bergwerke. Das wäre ja nun, wenn wirklich 73 Prozent aller englischen Kahle unter Verlust gefördert wird, vielleicht kein so ver­stiegener Gedanke mehr. Um die entscheidende Kernfrage schleichen aber alle Beteiligten herum, als sei sie gar nicht varbanden.

Das ist die Schicksalsfrage: wie lange halten denn die britischen Kohlenlager überhaupt noch vor? Wenn man von Verbilligung der Erzeugung, Steigerung der Ausfuhr, Meh­rung des inneren Verbrauchs durch Umsetzung der Kohlen­wärme in elektrische Energie am Ort der Förderung redete so liegt alledem doch die Annahme zugrunde, daß der Koh'en- Vorrat der britischen Inseln unerschöpflich fei. Stiinmt das, soweit menschliches Schätzungsvermögen in Frage kommt, dann ist man auf dem richtigen Weg. Stimmt's aber nicht, dann beschleunigt man mit all den Maßnahmen zurVer­billigung der Erzeugung" doch nur das Ende der britischen Weltstellung. Denn die hängt von der Kohle ab, mit deren Ausbeutung sie geworden ist. Gibt's eines Tags nichts mehr auszubeuten, muß auch der Brennstoff, wie anderer unent­behrlicher Leüensbedars. eingeführt werden.

Die Krise im englischen Kohlenbergbau

London, 27. April. Baldwin empfing die Industriellen und den Ausschuß des Gewerkschaftskongresses, um seine Vorschläge zur Erzielung einer Regelung entgegenzunehmen. Den Blättern zufolge ist dieser Zusammenkunft eine beträcht­liche Bedeutung beizumessen. Die Grubenbesitzer wurden eingeladen, im Unterhaus zu erscheinen. Der Bollzugsaus- schuß der Bergleute hatte abends ein« Besprechung mit dem Ausschuß des Gewerkschaftskongresses im Unterhaus.

Deutscher Reichstag

Berlin. 27. April.

189. Sitzung. Am Regierungstisch: Arbeitsminister Dr. Braun, Innenminister Dr. Külz, Iustizminister Dr. Marx. Präsident Lobe eröffnet« die erste Sitzung nach den Oster­ferien um 3.20 Uhr. Als Nachfolgerin des verstorbenen Abg. Fehrenbach (Z.) ist Frau Philipp» Karlsruhe in den Reichstag eingetreten. Der preußische Innenminister und sozialdemokratische Aba. Gebe ring wird wegen Kranr-

Gegen den Volksentscheid der Fürstenenteignung Berlin, 27. April. In Berlin hat sich ein Ausschuß ge bildet, um den Kampf gegen den Volksentscheid über die F ü rst e n en t e i g n u n g aufzunehmsn. Au dem Ausschuß sind beteiligt die Deutschnationnle Bolkspartei, die Deutsche Volkspartei, die Deutschvölkische Freiheitspartei, die Wirtschaftspartei, die nationalen Verbände und ver­schiedene Wirtschaftsgruppen.

Austritt der Bayerischen Volkspartei aus der Regierungskoatikion?

Berlin, 27. April. Ein Berliner Blatt will wissen, dir scharfe Rede des bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Held kn Regensburg gegen die Völkerbundspolitik der Reichsregie­rung sei als Vorspiel des Austritts der Bayerischen Volks­partei aus der Regierungskoalition zu betrachten. Daraus scheine auch die Tatsache hinzudeuten, daß der Vertreter der Bayerischen Volkspartei im Rechtsausschuß des Reichs­tags. Dr. Leicht, an den Kompromißverhandlungen über die Fürstenabfindung nicht mehr teilgenommen habe.

Eine demokratische Korrespondenz meldet, die Reichs- recüerung werde wegen der Regensburger Rede des Mi- n Lerpräsidenten Dr. Held in München Vorstellungen er­heben.

Dr. Held gegen den Skaatssozialismus Dürzbur§, 27. April. Der bayerische Ministerpräsident Dr. Held hielt hier eine Rede, in der er aussührte: Jeder deutsche Staatsmann erfülle seine innerpolitische Ausgabe nur dann mir Erfolg, wenn er die Eigenart der Länder achte und der Entscheidung der Volksstimme Raum gebe. Die Vereinfachung der Staatsverwaltung beruhe grund­sätzlich darin, daß der Staat sich der Aufgaben entledigt, die ihm nicht zustchen. Wenn dies nicht gelingt, dann sei an eine R-ttung aus der Krise ni^>t ui denken.

heit sechs Wochen beurlaubt. Angenommen wird eine Aenve- rung der Reichsabgabenordnung, wonach die Bezirke der Landesfinanzämter endgültig bis zum 1. April 1928 ab­zugrenzen sind. Das Gesetz über die Prüfung und Beglaubi­gung der Fiebertheiinometer wird angenommen.

Reichsarbeitsminister Brauns: Der vorliegende Ent­wurf wolle die Arbcitsgerichtsbarkeit allen Arbeitnehmern zugänglich machen und ihren Aufgabenkreis erweitern. Die Auffassung, daß die Arbeitsgerichtsbarkeit in den ordent­lichen Gerichten aufgehen solle, sei von der Regierung au» grundsätzlichen und praktischen Erwägungen abgelehnt wor­den. Dabei werde aber nicht verkannt, daß das Arbeits­recht schließlich mit dem allgemeinen Recht verwachsen müsse. Der Minister dankt den Gewerbe- und Kaufmannsgerichten für ihre bisherige Tätigkeit.

Abg. Aufhäuser (Soz.) bezeichnete die Bearbeitung der Vorlage als einen Maßstab dafür, wie weit der Reichstag den Willen hat, die demokratische Republik mit sozialem In­halt zu erfüllen.

Abg. Hülser (D-natl.) begrüßt die Vorlage und schließt sich dem Dank an die Gewerbe- und Kaufmannsgerichte cm. Die Arbeitsgerichte sollten aber an die ordentliche Gerichts­barkeit angegliedert werden.

Abg. Gerig (Zenlr.) stellt mit Befriedigung fest, daß das Mißtrauen, das sich heutzutage vielfach gegenüber den ordentlichen Gerichten zeige, vor den Gewerbe- und Kattj- mannsgerichten Halt gemacht habe.

Abtz. Thiel (D.natl.): Auch die Arbeitsgerichte müßten unabhängige lebenslänglich angestellte Richter haben. Tin« Ausgliederung der Arbeitsgerichtsbarkeit aus der ordent­lichen Gerichtsbarkeit sei gefährlich und entschieden zu be­kämpfen.

Abg Rödel (Komm.) bedauert die verspätete Ein­bringung der Borloge.

Neueste» oo« Tage

Der Berliner Vertrag

Berlin, 27. April. Der deutsch-russische Neukrakitätsve» lrag, der den Namen .Berliner Vertrag' führt, ist im Wortlaut veröffentlicht worden. Der Inhalt stimmt genau mit den bereits bekannten Mitteilungen überein. Der Vertrag läuft vom 24. April 1926 aus fünfIahre. Dem Vertrag sind zwei Anlagen beigefügt, in denen einerseits Reichsminister Dr. Stresemann, andererseits Botschaf­ter Krestinski nähere Erläuterungen geben, die im we sentlichen ebenfalls bereits bekannt sind.

Der Reichst« gsausschuß für Auswärtiges hat den deutsch-russischen Vertrag einstimmig gebilligt. Abg. Gral Westarp (Deutschnat.) warnte, dem Vertrag als solchen eine übertriebene Bedeutung beizulegen. Die Reichsregierung wird noch darüber schlüssig werden, ob der Vertrag auch dem Vollreichskag vorgelegt werden soll.

Dr. Stresemann äußerte sich Vertretern der Presse gegenüber, von französischer und englischer Seite sei aNer kannt worden, daß der Berliner Vertrag mit der Politik von Locarno vereinbar lei. Die Locarnomächke seien von der