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Aus Stadt und Land
Nagold, 5. Februar 1926.
Ich habe nur einen wahren und wirklichen Feind aus Erden, und das bin ich selbst.
Morgenstern.
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Arbeitsmarktlage des Bezirks Nagold im Monat Januar 1S2S.
Die Verschlechterung der Arbeitsmarktlage hielt in fast allen Berussgruppen an. Ungünstig wurden die Verhältnisse besonders in Wildberg, Altensteig, Haiterbach und Effringen. In Nagold haben sich die Verhältnisse leicht gebessert, auch rührt die Stadt Notstandsarbeiten aus. Fast in jeder, auch noch so kleinen Gemeinde sind gegenwärtig Erwerbslose, die auf Unterstützungen angewiesen sind. In verschiedenen Fällen mußte wegen Nichtbedürftigkeit (größere Landwirtschaft) die Unterstützung versagt werden.
Im Holz- und Schnittstoffgewerbe (überwiegende Industrie unseres Bezirks) hielt die Verschlechterung der Arbeitsmarktlage last überall an. Die Sägewerksindustrie arbeitet zum Teil verkürzt, teilweise liegen die Betriebe auch noch still.
Im Baugewerbe hat das Tauwetter in der letzten Januarwoche wieder etwas Leben gebracht. Jnnenarbeiten bieten rvieder einer größeren Zahl von Bauhandwerkern, vor allem Malern, Beschäftigung.
Die Arveitsmarkllage der ungelernten Arbeiter hat sich ebenfalls weiter verschlechtert, auch führte die Reichsbahn weitere Entlastungen von Zeitarbeitern durch. Neben sonstigen kurz, mstigen Gelegenheitsarbeiten boten Eisgewinnung und Schnee- deseitigung (Straßenreinigung) für einen kleineren Teil der Erwerbslosen Beschäftigung.
Im Monat Januar 1926 entfielen aus 820 Beratungen rund 600 Arbeitsgesuche, von denen 249 selbst wieder in ihrem früheren Betrieb unterkamen und 6l durch Vermitilung des Arbeitsamts untergebracht werden konnten. Unterstützungsberechtigte Erwerbslose sind gegen Ende Januar 323 männliche und 26 weibliche gemeldet (gegen 520 männliche und 12 weibliche im Vormonat).
Misfionskonferenz.
Wie alljährlich fand auch dieses Jahr am letzten Dienstag mittag bei sehr zahlreichem Besuch, zum Teil von weit her, die Missionskonferenz im Vereinshaus statt. Nach der einleitenden Ansprache von Dekan Otto berichtete Miffions Sekretär Jehle Stuttgart (früher Pfarrer in Ditzingen, dann im Misnonsdienst auf der Goldküste) über den Stand der Missionsarbeit auf den von der Basler Mission wieder neu übernommenen Misstons, gebieten auf der Goldküste, in Kamerun, in Borneo und Niederländisch Indien. Was er erzählte, gab viel Anlaß zum danken. Die Missionsgemeinden haben über die schwere Zeit trotz Krieg und langjähriger Verwaisung durchgehallen. Es geht überall wieder vorwärts. Auf allen Gebieten großes Verlangen nach Gottes Wort, wunderbare Erweise von der lebenschaffenden Kraft des Evangeliums, erfreuliche Selbständigkeitsbestrebungen und opferwilliges Festhalten trotz aller unleugbar seit dem Krieg neu aufgetretenen Schwierigkeiten. Das kennzeichnet die Lage auf dem Gebiet der Basler Mission. Der aus reicher, ganz frischer Erfahrung schöpfende, anschauliche und packende Vortrag widerlegte auch überzeugend all die Einwände, die — meist von wenig Sachkenntnis getrübt — gegen Notwendigkeit und Recht christlicher Mission erhoben zu werden pflegen. — Er weckte aber auch in allen Teilnehmem aufs neue den Willen zur Mission und die Bereitschaft zu fürbittender und tätiger Unterstützung.
Körperschaslsbeamten», Ortsvorsteher- und Rechnervereinigung Nagold.
Am morgigen Samstag findet nachmittags um 1 Uhr in der „Linde" in Nagold eine Versammlung obiger Vereinigung statt. Es gelangen dieses Mal besonders wichtige Fragen zur Besprechung, wie Erwerbslosenfürsorge, Notstandsarbeilen, Wohnungsbau u. a. m.
Exhibitionisten.
Seit einer Reihe von Wochen ist man in Nagold und darüber hinaus ob des unheimlichen Treibens eines Menschen nicht mehr zur Ruhe gekommen. Derselbe näherte sich Personen weiblichen Geschlechts, besonders aber Minderjährigen in unsittlicher Weise. Nunmehr ist es dank der Tätigkeit unserer Landjäger und Polizeimannschaften gelungen, dieses Individuums in der Person eines 22 Jahre alten Mannes von hier habhaft zu werden. Aus der Menge und Art der vorliegenden Fälle mußte von vornherein angenommen werden, daß es sich um einen äußerst ortskundigen und mit den Verhältnissen vertrauten Menschen handelte. Der Betreffende pirschte sich vor allem an etwas abseits Wohnende heran, aber er scheute sich auch
Nagolds Tagblatt „Der Gesellschafter- _
nicht zu versuchen, in die Wohnungen einzudringen. Es ist anzunehmen, daß der Verhaftete an Exhibitionismus, einer Art von Geisteskrankheit, leidet.
Außerdem hat man noch eine zweite ältere Person von hier hinter Schloß und Riegel gebracht unter dem Verdacht, Aehnliches, allerdings nicht in diesem Maße unternommen zu haben.
Nach Meldungen von auswärts soll sich noch ein weiteres Subjekt, jedoch in entfernt liegenderen Ortschaften Herumtreiben, das sich entgegen dem ersten Verhafteten Frauen und Mädchen vollständig nackt nähern soll. Hierüber steht allerdings nichts Genaueres fest. Bei Antreffen desselben empfiehlt es sich, sofort die Landjägermannschaften oder die Polizei zu verständigen.
Durch diese beiden Verhaftungen werden die Gemüter wohl wieder beruhigt sein und unsere Damenwell braucht nicht mehr, wie man in den letzten Tagen abends hier und da beobachten konnte, vor jedweder männlichen Erscheinung in eilzugartiger Geschwindigkeit das Hasenpanier ergreifen.
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Mindersbach, 4. Februar. Generalversammlung der Molkereigenossenschaft. Am Dienstag abend fand im Gast Haus zum „Bären" hier die Generalversammlung der hiesigen Molkereigenossenschaft statt. Nach Erledigung der umfangreichen Tagesordnung sprach Bauernanwalt Walter- Nagold über „Ausbau over Verfall des Wirtschaftslebens". Er führte aus, daß die heutige Krisis in unserem Wirtschaftsleben die Folge einer falschen Wirtschaftspolitik sei, die in den letzten Jahren darauf eingestellt war, eine nicht unbedingt notwendige Einfuhr ausländischer Erzeugnisse zu begünstigen. Der Redner betonte, leider wanderten heute noch große Summen ins Ausland für Produkte, welche im Inland ebenfalls erzeugt werden. Dadurch werden unsere Exportjuden unterstützt, das Wirtschaftsleben im Inland ruiniert und jeden Tag trete deutlicher zutage, daß ohne eine zahlungsfähige Landwirtschaft die andern Wirtschaftszweige sich nie zu einer Blüte emporarbeiten könnten. Der Redner wünschte nur, in Konsumentenkreisen möge man je bälder je lieber zu der Einsicht kommen, daß der Zusammenbruch der Landwirtschaft auch den Ruin anderer Wirtschaftszweige mit sich bringe. Bei gegenseitigem Verständnis und Zusammenarbeiten sei es jedoch möglich, dies zu verhüten. Reicher Beifall lohnte den Redner für seine trefflichen Ausführungen und mit Worten des Dankes schloß der Vorsitzende die schön verlaufene Versammlung.
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Neuenbürg, 4. Febr. FalscheAnschuldigung. Der 49 Jahre alte Oberbahnhosvorstand in Unterreichenbach OA. Calw, Wilhelm Hasfner, hatte in zwei Schreiben mit falscher Namensunterschrift Eisenbahnbedienstete in Unterreichenbach bei der Staatsanwaltschaft in Tübingen fälschlich beschuldigt. Das Schöffengericht verurteilte Hasfner, der des Dienstes enthoben ist, zu einem Monat Gefängnis.
Letzte Nachrichten
Die vorbereitende Entwaffnungskonferenz auf den 6. Mai verschoben?
London, 5. Febr. Nach einem Exchange-Bericht aus Washington hat der Gesandte der Bereinigten Staaten in Bern im Staatsdepartement mitgeteilt, daß die vorbereitende Entwaffnungskonferenz auf den 6. Mai verschoben worden ist.
Ei» Verfahre« gegen den Abgeordneten Wulle.
Berlin, 5. Febr. Die Staatsanwaltschaft 3 Berlin hat, wie die Morgenblätter erfahren, gegen den Reichstagsabgeordneten Wulle (Völk.) ein Strafverfahren eingeleitet. Mit den Ermittlungen in dem Verfahren ist die politische Polizei beauftragt worden. Dies soll im Zusammenhang, mit den belastenden Aussagen im Grütte-Lehder-Prozeß geschehen.
Umbenennung des Königsplatzes.
Berlin» 5. Febr. In der gestrigen Stadtverordnetenversammlung wurde der sozialdemokratische Antrag, dem Magistrat die Umbenennung des „Königsplatzes" in „Platz der Republik" zu empfehlen, in namentlicher Abstimmung angenommen. Die Umbenennung bedarf jedoch noch der Zustimmung des Polizeipräsidiums.
(Ist es überhaupt menschenmöglich, daß es Männer gibt, die sich in einer Zeit politischer und wirtschaftlicher Not mit solchen unnützen Aeußerlichkeiten beschäftigen? Dieses Vorkommnis zeugt wieder einmal von dem mangelnden i Verantwortungsgefühl einer Reihe von Menschen, die heute j
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leiten und regieren, oder besser gesagt, das „große Wort" führen wollen und die solche Mätzchen benutzen, um wenigstens auf diese Art und Weise in der Oeffentlichkeit wieder einmal von sich reden zu macken. Daß es uns nunmehr in einer Republik, in der wir anstatt einem „Königsplatz" einen „Platz der Republik" haben, um Vieles besser geht, ist dieser Stadtverordnetenversammlung nach höchstwahrscheinlich anzunehmen, zumal wir außerdem hierdurch bei unseren alliierten Freunden Eindruck schinden werden!! Also nur nicht verzweifeln! — Die Schriftleitung).
Danderoelde
über das amerikanische Schuldenabkommeu.
Brüssel, 5. Febr. Vandervelde verteidigte am gestrigen Donnerstag in der Kammer das Schuldenabkommen mit den Vereinigten Staaten. Er wies darauf hin, daß im Falle eines plötzlichen Versagens des Dawesplans Belgien ebenso wie die anderen Mächte eine Revision des Schuldenabkommens mit Amerika beantragen würde.
Eine Niederlage Donmergne» in der Kammer.
Berlin, 5. Febr. Wie die Morgenblätter aus Paris melden, nahm die Kammer nach langer Aussprache gegen die Ablehnung Doumergues einen Antrag auf offene Auslegung der Steuerliste mit 285 gegen 252 Stimmen an.
Wieder 21 Schiffe eingefroren.
Reval, 5. Febr. Oestlich der Insel Dagö find wiederum 21 auf dem Weg nach Reval befindliche Dampfer im Eise stecken geblieben.
Starke Schueefülle in de« Bereinigten Staate«
Paris, 5. Febr. Nach einer New-Iorker Meldung haben die Schneefälle der letzten Tage große Schäden verursacht. In Connecticut schneit es ununterbrochen seit 24 Stunden. Unter dem Druck der Schneedecke ist ein Fabrikgebäude eingestürzt, das 50 Arbeiter unter sich begrub. Zwei Arbeiter konnten nur als Leichen geborgen werden.
Genickstarre im militärischen Barackenlager in Olmütz.
Prag, 5. Febr. Im militärischen Barackenlager in Olmütz find mehrere Soldaten an Genickstarre erkrankt, von denen ein Schüler der Fliegerschule gestern nachmittag verschieden ist.
Ans aller Welt
Eberlbüste in Heidelberg. Im Heidelberger Rathaus, im oberen Treppenhaus, wurde eine Büste des verst. Reichs- vräsidsnten Ebcrt ausgestellt, die von dem Stuttgarter Bildhauer Kerzinger aus fränkischem Muschelkalk angefertigt ist.
Die Pensionen der preußischen Prinzen. Nach der Mitteilung des Negierungsverlreters im Rechtsausschuß des Reichstags beziehen Pensionen: Prinz Heinrich als Großadmiral und Generalinsvekteur der Marine seit 1. März 1925 17 127 °4l, ferner seit 1. Dezember 1923 Prinz Eitel Friedrich als Divisionskommandeur 10 074 Prinz Adalbert als Korvettenkapitän 4830 -((, Prinz Oskar als Oberst und Vrigadekommandeur 7554 -k, Prinz Joachim Albrecht als Major 3013 -K.
Die Münchener Zagend ist nach monatelangen Verhandlungen durch Kauf in den Besitz des Verlags Richard Pflaum in München übergegangen. Liebhaber waren u. a. noch die Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart und Scherl, Berlin.
Die Siedlung in Ostpreußen. In dem vom Reich angeschnittenen Ostpreußen hat die Siedlungsfrage eine besondere nationale Bedeutung. Eine Zusammenstellung der Siedlungsergebnijse im Jahr 1925 zeigt, daß in Ostpreußen 221 Beuernstellen mit 3651 Hektar neugcschaffen und 286 Kleinbetriebe um 581 Hektar vergrößert worden sind. Seit Erlaß des Reichssiedlungsgesetzes vom 11. August 1919 sind in Ostpreußen durch die ostpreußische Landgesellschast und durch Privatunternehmer unter Vermittlung der Landeskulturbehörden 2589 neue landwirtschaftliche Betriebe mit 28 220 Hektar geschaffen und 4226 landwirtsckaftliche Kleinbetriebe um 9418 Hektar vergrößert worden. Hinzu kommen aber nicht erhebliche Flächen, die im Privatweg an den Kleincirundbcsitz veräußert wurden.
Zum Tod verurteilter Neger. Der Neger, der in Lexing- ton einen weißen Mann und seine beiden kleinen Kinder ermordet hatte, wurde vom Gericht zum Tod verurteilt. Die ganze Verhandlung dauerte 15 Minuten.
Die Auszehrung Deutschlands
Der arbeitslose Arbeiter
Warum steigen die Löhne nicht? Warum steigt die Zahl der Arbeitslosen? Warum gehen die Hochöfen aus? Warum liegen die Betriebe still? Warum haben unsere Werke keine Aufträge? Warum hat der Arbeiter keine Arbeit?
Etwa, weil dem Industriellen ausgeblasene Hochöfen ein erheiternder Anblick sind? Weil dem Unternehmer ein still- liegender Betrieb Spaß macht? Weil er einen Vorteil darin findet, sein Kapital in der toten Fabrik tot liegen zu sehen?
Die letzt« amtlich sestgestellte Ziffer der Empfänger der »ollen Arbeitslosenunterstützung ist die Zahl von 154 Millionen für den Stichtag des 15. Januar 1926. Aber das Bedenklichste an der erreichten Arbeitslosenziffer ist nicht ihre Höhe, sondern das Tempo, in dem sie erreicht wurde. Seit dem 1. August 1925, wo die Zahl 197 198 betrug, ist sie in furchtbarem Zunehmen gestiegen. Am 15. November betrug sie 471 333, am 1. Dezember bereits 673 315. am 15. Dezember 1507 031, am 1. Januar 1485 931. Seither haben die Verhältnisse sich unaufhörlich weiter verschlechtert. Heute dürste die Zahl der voll Unterstützungsberechtigten nicht viel weniger als 2 Millionen betragen. Dazu kommen aber die vielen nicht Unterstützungsberechtigten, die heute erwerbslos sind, dazu kommen oor allem die Massen, die Äs Kurzarbeiter Zusatzunterstützung empfangen. Ihre Zahl ist noch höher als die der Vollunterstützungsberechtigten. Zwei erreichbare Ziffern zum Vergleich: Neben den 471 333 Bollunterstützten des 15. November gab es 570 000 Teil- unterstützte. neben den 673 315 Vollunterstützten des 1. De- zember gab es 819 000 Teilunterstützte. Das gibt also mehr als eine Verdoppelung der Ziffer.
Und all das, weil das Dawesabkommen unsere Wirtschaft so ausgepumpt hat, daß sie kraftlos in sich selbst zu- 'ammensinkt und den Ihren nicht Unterkunft und Existenz- m-nimuni mekr ui bieten vermaa. Sckwn besann das Ab-
.sterben der Nation an dieser Auszebrung. Die"zehrende Not j schlägt den Schoß der Mutter Deutschland mit Unfruchtbarkeit. Man betrachte einmal die Geburtenziffern von 1924 und 1925 und vergleiche sie mit der Zeit vor dem Krieg. Im Jahr 1913 wurden in Deutschland in jedem Vierteljahr 459 688 Kinder geboren. Für die fünf Vierteljahre vom 1. Januar 1924 bis 31. März 1925 beträgt die Durchschnittsziffer etwas über 321 000. Das bedeutet eine Abnahme der vierteljährlichen Geburtenziffern um 138 000, um beinahe ein Drittel. Eine furchtbare Tatsache: Versailles und das Dawesjoch erwürgen das keimende Leben.
Die Statistik wußte es längst: kranke Säuglinge, unterernährte Schulkinder. „Etwa ein Viertel aller Kinder", so hieß einer ihrer Schlüffe, „vermag infolge allgemeiner Schwäche und Schwäche der Rückenmuskulatur die Wirbelsäule nicht mehr aufrecht zu tragen."
Ein kluger Engländer, ein Sachverständiger, dem nickst widersprochen werden kann, sah und sagte das schon vor Jahr und Tag. „Ich spreche es aus," schrieb Dr. Salesby über seine Untersuchungen der Verhältnisse in Deutsch'and vor Jahr und Tag, „daß nicht nur Zehntausenden von Deutschen ein Leben physischer Minderwertiakeit vorausbestimmt ist, so gewiß, als sei ihnen durch ein Gerichtsverfahren ein Urteil gesvrochen, sondern daß Tausende von noch nicht erzeugten Deutschen, wenn ihre Zeit gekommen sein wird, einem solchen Schicksal ins Auge sehen werden. Rachitis wird vielleicht die gewöhnliche Form sein, in der der untaugliche Deutsche der Nacbkriegsreit anaetrosfen werden wird."
Die „Englische Krankheit" hieß die Rachitis, diese Seuche und Geißel der Arbeiterkinder, schon immer bei uns, sie wird, so urteilt der englische Sachverständige, kündig so heißen mit einer neuen, furchtbaren Bedeutung de- Worts. Das Dawesabkommen hat sie der deutschen Arbeiterschaft aufs neue verordnet.
Unter dem Druck des Dawesabkommens lind letztes Jahr fast r'n Drittel all Ruhrkohlenzechen stillgelegt worden. Der zureichende Aufwand des Reichs für seine Sozial- i' rsorge b ug auf der Höhe seiner wirtschftlichen Kraft
Jabr 19: 1.4 Millionen: 1924: mußte das bankrotte
Reich für eine unzurekckende Fürsorge 2 Milliarden brinaen. 1925 mußte es zum selben Zweck, ohne ihn z« ei. eichen, aus der erliegenden Wirtschafl 2ch Milliarde» nehmen. Die Zahl der Konkurse ist seit Monaten täglich fieberhaft emporgeschnellt; in die kritischste Zeit des Wirtschaftsjahrs sind wir aber erst eingetreten.
Der Dawesplan schickt sich an, im zweiten Dawesjahr noch viele hundert Millionen Mark mehr Tribut dem deiN- schen Wirtschaftskörper abzupressen. Man muß einen Begriff davon haben, was es bedeutet, daß wir in diesem zweiten Dawesjahr formell nur 250 Millionen, also nur 25 v. H. mehr als im ersten, zahlen müssen, in Wirklichkett aber über eine Milliarden, also 500 v. H. mehr, aufbringen müssen.
Man sollte wissen, wie der Dawesplan die deutsche Sozialfürsorge bedroht, wie der Kommissar bereits bedeutsam auf unsere „zu großen Ausgaben für soziale Fürsorge" hinwies, diese letzte Zuflucht des deutschen Arbeiters.
Und nicht nur der Generalagent selber hat auf unsere, nach seiner Meinung allzuüppige Arbeiterfürsorge hingewiesen. Der Vizepräsident der Bankers Trust Company. Frede r i ck K e n t s, hat soeben in einer Rede, die er an Stelle des verhinderten! Generalagenten in Neuyork vor der dortigen britischen Handelskammer hielt, sich ganz im Sinn des Generalagenten gegen die deutschen Ausgabe» fürArbeiterfürsorge geäußert, gegen unsere „extravaganten" Ausgaben für Badeanstalten, Sportplätze unähnliche Einrichtungen, also gegen Einrichtungen der soziale» Hygiene, die in Amerika für das wichtigste vom Wichtigsten, für mindestens ebenso wichtig wie die Schulen gelten, die aber natürlich verwerfliche „Ertravaganzen" sind für ein Volk, das nach der Rede eines anderen Amerikaners, des Herrn Mac Garrah. eines der fremden Aufseher unserer R". -bank, vielleicht die Lasten aus dem Dawesplan wird leisieii können, wenn wie er's glaubt, und uns zutraut, der deitt'ster Arbeiter 10 bis 14 Stunden täglich arbeiten, die den.>che Frau neben Pferd und vorm Arbeitskarren gehen und der deutsche Knabe als Zugtier oor dem Pflug gehen will.