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Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage Haus-, Sorten- und Landwirtschaft"
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Mittwoch den 27. Januar 1026
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100. Jahrgang
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Die Regierungserklärung
Deutscher Reichstag.
Berlin, 28. Januar.
148. Sitzung. Am Regierungsllsch: Reichskanzler Dr. Luther, Außenminister Dr. Stresemann, Innenminister Dr. Külz, Finanzminister Dr. Reinhold, Wehrminister Dr. Gehler, Arbeitsminister Dr. Brauns, Wirtschaftsminister Dr. Curtius, Verkehrsminister Dr. Krohne, Postminister Dr. Stingl, Ernährungsminister Dr. Haslinde, Äustizminister Dr. Marx.
Das Haus und die Tribüne sind stark besetzt, ebenso die Diplomatenloge.
Präsident Loebe eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 20 Min. Auf der Tagesordnung steht als einziger Punkt die Entgegennahme der Regierungserklärung.
Der Reichskanzler ergreift sofort das Wort. Die Kommunisten empfangen ihn mit lärmenden Rufen. Man hört Worte wie „Gehler raus!" u. a. m.
Reichskanzler Dr. Luther:
Die jetzt dem Reichstag vorgestellte Reichsregierung ist gemäß einem Auftrag des Herrn Reichspräsidenten gebildet worden, nachdem die Deutschnationale Volkspartei aus der bisherigen Regierung ausgeschieden war und die Versuche zur Bildung einer Regierung der Großen Koalition mißlungen waren. Um trotzdem eine parlamentarisch gestützte, wenn auch nurmehr von einer Minderheit des Reichstags gcttragene Rsichsregierung zustande zu bringen, haben sich die Fraktionen des Zentrums, der Deutschen Volkspartei, der Deutschdemokratischen Partei und der Bayrischen Volkspartei zu einer Koalitionsregierung der Mitte zusammen- geschtossen. Es wird Sache des Hohen Hauses sein, verantwortlich darüber zu entscheiden, ob es der Aufnahme der snchlichen Arbeit durch diese Minderheitsregiernag die Ver- trcmensgrundlage geben will.
Schon am iö. Januar 1925, als ich dem Hohen Hause «ine Mehrheitsregierung vorstellen durfte, habe ich um die Mithilfe auch der außerhalb der Regierung stehenden Par- leien nachgesucht, die in ftaatsbesahender Gesinnung praktische Mitarbeit leisten wollen. Die Regierung, die ich heute dem Hohen Hause vorzustellen berufen bin, ist als RUnderheiks- regierung auf die Mithilfe nicht zur Regierung gehörender Parteien grundsätzlich angewiesen. Sie erbittet diese Mithilfe, damit sie in einer schwierigen außenpolitischen Lage und einer wirtschaftlichen Krise von größtem Ausmaß die Geschäfte des Reichs sachgemäß und zum Nutzen des Volks führen kann.
In der Außenpolitik wird der Weg, den die Reichsregierung zu gehen hat, durch den am 1. Dezember 1925 in London abgeschlossenen Vertrag von Locarno und durch die allgemeinen Richtlinien, die ich in meiner Reichstagsrede, vom 23. November 1925 ausgesprochen habe, bestimmt. Die wichtigste Entscheidung der Reichsregierung wird den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund betrefsen.
Die jetzt zurückgetretene geschäftsführende Reichsregierung hat gemäß der Entschließung des Reichstags vom 27. November 1925 unablässig an der weiteren Auswirkung der Abmachungen von Locarno gearbeitet, insonderheit zugunsten des besetzten Gebiets. Bei der bevorstehenden Beratung des Haushaltplans des Auswärtigen Amts wird die Reichsregierung alle Einzelsragen der Außenpolitik im Hohen Hause erforschen und dabei die vorliegenden Anträge, Interpellationen und Anfragen einbeziehen. Ueber die Frage der Vesatzungsstärke in der 2. und 3. Zone hat die dem Hohen Hause bekannte Note der Botschafterkonferenz vom 14. November 1925 vorgesehen, daß eine fühlbare Ermäßigung der Truppenzahl eintreten soll und zwar so, daß die künftige Vesatzungsstärke sich den „Rormalzifsern" nähert. Der Begriff der Normalziffern kann nicht anders aufgefaßt werden als gleichbedeutend mit dem Begriff der deutschen Friedenspräsens stärke in den in Betracht kommenden Gebieten, wie seinerzeit in der amtlichen deutschen Veröffentlichung ohne Widerspruch der in der Botschafter- konserenz vertretenen Mächte Hervorgeboben worden ist. Die Verhandlungen hierüber mit de» beteiligten fremden Regierungen sind in lebhaftem Gang. Die Reichsregierung gibt sich der Erwartung hin. daß sie zu dem von uns gewünschten Ergebnis führen.
Was die Innenpolitik bettisst, so verweise ich auf die Erklärung, die ich am 19. Januar 1925 in diesem Hause abgegeben habe bezüglich Beamtentum, Beamtenrecht und der Fragen unserer auf christlicher Grundlage beruhenden Kultur. Auf dem Gebiete der Schulpolitik wird die Reichsregierung di« Lösung anstteben, unter Wahrung der in der Verfassung gewährleisteten Gewissensfreiheit und unter Berücksichtigung der Elternrechte. Die Rsichsregierung gedenkt, eine Verbesserung unserer Wahlgesehgebung ernsthaft in Angriff zu nehmen. Die vermögensrechlliche Auseinandersetzung mit früheren regierenden fürstlichen Familien bedars einer möglichst baldigen reichsgesetzlichen Regelung, wobei die Reichsregierung dem deutschen Volk die Unruhe «ine» Volksentscheid« erspare» möchte. Die gesamte Regierung»- und Verwaltungstätigkeit muß von dem Grundsatz ausgehen, daß die öffentlichen Ausgaben auf ei» Mindestmaß herabzusehen sind. Der feste Wille zu solcher grundsätzlicher Sparsamkeit muß sich, wenn wir einen Ausweg aus der Bedrängnis der Gegenwart finden sollen nicht nur
in der Verwaltung des Reichs, sondern m gleicher Stärke auch bei den Ländern und Gemeinden auswirken.
Die Lage ist gekennzeichnet durchweine Wirtschaftskrise von außerordentlichem Ausmaß. Ihre lleberwindung ist dringendste Aufonli» Gegenwart. Es ' ^ der
Aufbietung aller geistigen u ^ sittlichen Kräfte der ganzen Arbeitsamkeit und Sparsau . unseres Volks. Die Regierung ihrerseits wird mit allem Ernst und allem Nachdruck auf finanzwirtschaftlichem und nicht zuletzt sozialpoli- fischem Gebiet alles tun müssen, um die Erstarkung der Wirtschaft zu fördern und die Not weitester Volkskreise zu lindern. Alle Bemühungen um Verminderung der öffentlichen Abgaben finden auch bei größter Beschränkung der Ausgaben ihre Begrenzung in den durch die Verarmung unserer Wirtschaft geschaffenen Tatsachen und in den Belastungen. die wir infolge unserer Gesamtlage auf uns nehmen mußten. Gerade deshalb aber ist die Erhebung jedes Uebermaßes an Steuern sorgfältig zu vermeiden und sind Härten nach Möglichkeit auszugleichen, damit die Gesamtbelastung wirtschaftlich tragbar und sozial gerecht ist.
Die Reichsregierung wird demgemäß mit der durch die Lage der Wirtschaft gebotenen Beschleunigung auf der Grundlage des bestehenden Systems sich um den Abbau wirtschaftshemmender und damit preisverteuerader Steuern weiter bemühen, deren Schwere letzten Endes die breite Masse der Bevölkerung trifft. Um auch in diesem Zusammenhang die Eigenverantwortung der Länder und Gemeinden zu stärken» sollen für die Einkommensteuer am 1. April 1927 die Ueberweisungen durch Zuschläge abgelöst werden. Dabei ist aus finanziellen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten im Auge zu behalten, daß die einzelnen steuerlichen Leistungen in einem richtigen Verhältnis zueinander bleiben müssen. Daß ungedeckte Ausgaben nicht geleistet werden dürfen und keinerlei hinabgleiten in inflatorische Maßnahmen in Frage kommen kann, ist selbstverständlich.
Die Bereitstellung von öffentlichen Geldern für die Belebung der Wirtschaft ist naturgemäß sehr eng begrenzt und darf grundsätzlich den Rahmen einer produktiven Erwerbs- lofenfürsorge nicht überschreiten. Die Reichsregierung müßte mit Beschleunigung die bäuerliche und Arbeitersiedlung in den volksarme, Teilen des Ostens fördern. Die allgemeinen Siedlungspläne sollen hierdurch nicht berührt werden. Für die Förderung des Wohnungswesens sind der Reichsregierung Beratungen, die mit Vertretern der Landesregierungen kürzlich iw Reichsorbeitsministerium statt- aefunden haben, wertvoll. Namentlich müssen Wege gefunden werden, der nicht abzuleugnenden Ueberteuerung des Bauens zu begegnen. Die Reichsregierung hofft, von den Landesregierungen bei der Verwendung der Hauszins- stener in diesen Bestrebungen unterstützt zu werden und be- mübt sich ihrerseits besonders um die Erleichterung erst- skelliaer, langfristiger Hypolhekenkredite. Ueberhaupt wird die Reichsregierung mit aller Energie auf eine Besserung der Marktlage der Wirtschaft hinarbeiten Unsere Wirtschaft braucht billigen und langfristigen Kredit.
Die Reichsregieruna denkt dabei besonders auch an die Landwirtschaft, deren Notlaoe sie mit großer Sorge verfolgt. Durch die bereits In der Durchführung begriffene Kredik- akkion der Golddiskonkbank wird der Landwirtschaft über die Rentenbankkredikoustalk ein beträchtlicher Zwischen- kredit alsbald zuaeführt werden. Die Regierung ist sich darüber klar, daß mit Krediten allein nicht geh fen werden Kann, wenn nicht gleichzeitig auch mit anderen Mitteln die Landwirtschaft erttaofähig gemacht wird- Maßnabmen zur Behebung der allaemeinen Rot in der Landwirtschaft sind in Vorbereitung und sollen in Verbindung mit den verschiedenen landwirtschaftlichen Organisationen betrieben werden. Die Erhaltung und soweit irgend möglich auch die Steigerung der Produkkionsfähiakeik der Landwirtschaft ist eine Lebensfrage des deutschen Volks.
Neben die notwendige Stärkung des inneren Marktes tritt mit gleicher Bedeutung das Erfordernis einer Steigerung der Ausfuhr. Die gesamten Handelsverttagsverhand- lungen, die ohne Unterbrechung fortzusetzen sind, müssen mit dem Ziel geführt werden, zur Befruchtung des allgemeinen Wirtschaftslebens die Wiederherstellung eines lebhaften Warenaustausches auf der Welk zu ermöglichen. Hierbei muß in erster Linie darauf hlngewirkt werden, daß die leider noch teilweise bestehende Schlechkerstellung deutscher Waren im Vergleich mit den Maren anderer Länder auf ausländischen Märkten beseitigt wird. Angesichts der hohen Zölle, die im Ausland vielfach gelten, müssen die deutschen Zölle bei den Verhandlungen dazu verwendet werden, unter Wahrung der deutschen Lebensnokwendigkeiken de« Gesamkstand der europäischen Zölle möglichst herabzudrücken. Die Reichs- regierung ist weiter bereit, zu prüfen, ob und wie in Fortsetzung schon eroriffener Maßnahmen die deutsche Ausfuhr auf neuartigen Wegen erleichtert werden kann.
Soweit die schwere Wirtschaftskrise eine allgemeine Krise ist, müssen die Hemmungen beseitigt werden, die der Selbst- teilung durch die wirtschaftlichen Eigenkräfke noch enkgegen- stehen. Dabei denkt die Reichsregierung nicht etwa an ein überspanntes Eingreifen der Behörden: sie ist aber davon überzeugt, daß die eingeleiteke Preissenkung mit Nachdruck fortgesetzt werden muß, um die Wirtschaft von übermäßigen Preisdelostungen zu befreien, und dadurch gerade auch die gesunden Kräfte, sowohl der Großwirtschaft wie des gewerblichen Mittelstands, in ihrer Lebensfähigkeit zu stär.en. Be
sonders wichtig ist die alsbaldige Verabschiedung eines Gs» setzes über die Beseitigung der Geschästsaufsichk. Der unverrückbare Zweck der Preissenkungsmaßnahmen neben der Gesundung der Wirtschaftslage ist die Erleichterung der Lebenslage der Arbeiter und der sonstigen Bevölkerungsteille mit geringem Einkommen.
In Erfüllung einer besonderen Aufgabe der Sozialpolitik wird die Reichsregierung ein Arbeiterschntzgeseh ein- bringen, das die Bestimmungen über Arbeiterschütz einheitlich zusammenfaßt und die Arbeitszeit neu regeln wird. Die Reichsregierung hält die von den früheren Regierungen wegen der Ratifikation des Washingtoner Abkommen» ab- genebenen Erklärungen aufrecht. Das Inkrafttreten einer international geregelten Arbeitszeit in Deutschland ist von dem gleichzeitigen Inkrafttreten in England. Frankreich und Belgien abhängig. Auch das einheitliche Arbeiterrecht Ke- darf der tatkräftigen Förderung durch die Reichsregierung, die zu diesem Zweck das zurzeit dem Reichsrot vorliegend« Arbeikergerichtsgesetz weiter verfolgen wird. Die gesetzliche Regelung der Erwerbslofensiirsorqe ist angesichts der großen Zahl der Erwerbslosen mit Beschleunigung zu betreiben.
Vor wenigen Wochen sind die Bedingungen für die Verzinsung und Tilgung der Reichsdarlehen für Rotstaad»- arbeilea an die Gemeinden und andere Verbände wesentlich 'erleichtert worden. Auch ist der Anteil des Reichs und der ^Länder an den Kosten dieser Arbeiten erhöht worden. Ihre besondere Aufmerksamkeit wird die Regierung der kurz- arbeilerfrage zuwenden, und feststellen, ob eine Linderung der Not der Kurzarbeiter möglich ist unter gleichzeitiger Ausschaltung der wirtschaftlichen Nachteile, die von der Kurzarbeiterunterstützung befürchtet werden. Die Regierung hofft, dem Reichstag eine entsprechende Vorlage alsbald unterbreiten zu können.
Damit habe ich in großen Zügen, ohne aus Einzelheit«« einzugehen und ohne irgendwie erschöpfend zu sein, die Auf« gäbe Umrissen, vor die das neue Kabinett gestellt ist und diei es im Vertrauen auf die Unterstützung dieses hohen Hausesl und des gesamten Volkes zu lösen sich bestreben wird. I« entschlossener und geschlossener alle Teile des Volks dies«! Arbeit unterstützen, je eher wird Deutschland wieder bin Stellung in der Welt erreichen, die der Größe und TüchÜg- cksit seines Volks gebührt. (Beifall in der Mitte.)
Die Rede wurde öfters von schmähenden Zurufen d«l Kommunisten unterbrochen. Am Schluß wurde bei den Linkischen und den Kommunisten gezischt.
Abg. Schultz-Bromberg (Deutschnat.) beantragt, d»U der deutschnationale Antrag, der den Antritt in den Völkerbund von verschiedenen Bedingungen abhängig macht, mik der Besprechung der Regierungserklärung verbunden werde. Mit Ausnahme der Regierungsparteien stimmen alle Parteien zu. (Große Heiterkeit). Die Besprechung der Regierungserklärung wird auf Mittwoch 1 Uhr festgesetzt.
Die Aussprache soll nur 2 Tage dauern, so daß am Donnerstag über die vorliegenden Anträge abgestimmt werde»! kann. Die Redezeit für jede Fraktion wird auf 114 Stunde» bemessen.
Tagesspiegel
Der italienische Gesandte in Berlin, Vosdari, ist zv ein-r Besprechung mit Mussolini nach Rom obgereift.
Die Zahl der unterstützten Erwerbslosen ist am 15. Ja«, auf 1 782 305 gestiegen, darunter 21159S weibliche. Dic Zabk der Iusästassempfänger (Angehörige) beträgt 2 092 958.
Von den Vertretern der englischen Eisenbahner haben 38 für und 41 gegen den Streik gestimmt.
Neuestes von- Tage
Sperrgesetz für die Fürstenabfindung Berlin, 26. Jan. Dem Reichstag ist ein Antrag zugegangen, der von den Regierungsparteien (mit Ausnahme der Bayer. Volksvartei) und der Wirtsch. Bereinigung ein gebracht ist, alle Rechtsstteitigkeiten in der Fürstenabfindung ouszusetzcn, bis eine reichsgesetzliche Regelung ergangen ist. Das Sperrgesetz soll bis 30. Juni 1926 befristet werden.
Das Programm der deutschen Rot Berlin, 26. Jan. Die Deukschnakionale Volkspariei veröffentlicht ein „Programm der deutschen Not", in dem u. a. ansgeführt wird: Die Grundlagen des Dawesplans habe» sich als haltlos erwiesen. Wirtschaft und Lebenshaltung in Deutschland sind in immer stärkerem Maße zurückgegangen. Ein furchtbares Kennzeichen hiefür ist die Arbeitslosigkeit. Lasten des Reichs haben sich in einem einzigen 3ahr infolge des Dawesplans um über 1900 Millionen erhöht. Wir fordern die Reichsregierung ans, entscheidende handelspolitische Maßnahmen zu treffen, um die deutsche Arbeit und die deutsche Produktion vor völligem Erliegen zu schützen. Aufgabe der Reichsregiernng wäre es, der großen Kapikalarmot der heimischen Produktion durch angemessene Wirtschafts- Kredite zu erträglichem Zinsfuß zu helfen. Währung und Rcichsbankoalitik müssen organische Bestandteile der d«ot-