Änrts - und Äirzely evlatt Mv

esMschatter

Mit den illustrierten Unterhaltungsbeilagen Feierstunden" unclUnsere Heimat"

Bezugspreise:

Monatlich einschließlich Lrägerlohn 1.60 Einzelnummer 10 L

erscheint an jedem Werktage

verbreitetste Zeitung im 0.51.-Bezirk Nagolä

Schristleitung, vruik u. Verlag von S. tv. Iaissr (Rarl Saiser) Nagolä

den GverarnrsvezirVKnsow

Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage Haus-, Sorten- und Landwirtschaft"

Anzeigenpreise:

vie einspaltige Zeile aus gewöhnlicher Schrift ocker ckeren Kaum 15 Familien - Anzeigen 12 L Reklame-Zeile 50 L, Lmninelanzeigen 50 °/v klusschlag §ür ckas erscheinen von Anzeigen in bestimmten Ausgaben unck an besonaeren Plätzen, wie für telephonische Aufträge unck Lhiffre-Anzeigen wirck keine Sewähr übernommen.

Eelqgramm-kläresse: Gesellschafter Nagold.

m höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder aus Rückzahlung des Bezugspreises. Postscheckkonto Stuttgart 5113

Nr. l

Gegründet

Samstag den 2. Zanuar 1926

Fernsprecher Nr. 29

100. Jahrgang

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u Neujahr 1926!

Unsere werten Leser haben bereits bemerkt, daß derGesellschafter" heute in einem neuen Unzug oder wenigstens in einen: neuen Hütlein erscheint. Oer Lite! des Blattes trägt zwei uns wohlbekannte und von Jugend auf liebe Gestalten: den Kirch­turm, das alte Wahrzeichen unserer Ztadt, und den Zchloßberg mit seiner Ruine. Diese Neuerung zu Beginn des neuen Jahres ist darin begründet, daß derGesellschafter" im Lauf des Jahres ein Jubiläum feiern darf: er wird ein Hundertjähriger, wir be­halten uns vor, zur gegebenen Seit hierauf mit ein­gehenden Mitteilungen zurückzukommen. Für heute möchten wir nnr anläßlich des Jahreswechsels unserer Freude hierüber Nusdruck geben, wobei wir nicht daran zweifeln, datz unsere Leser in Stadt und Land diese unsere Freude teilen. So wandert unser Blatt seit 100 Jahren hinaus aus unserer Redaktionsstube in die Häuser der Stadt Nagold und der Städte und Dörfer unseres Bezirks und weit darüber hin­aus, um aus den verschiedensten Gebieten des öffent­lichen und des privaten Lebens die neuesten Mit­teilungen Zu bringen. Die letzten 100 Jahre waren außerordentlich reich an tief in unser Volks- und Ztaatsleben, auch in das Leben unserer Stadt und unseres Bezirks eingreifenden Bewegungen und Ent­wicklungen ; da gab's Zeiten tiefen Niedergangs, aber auch Zeiten großen Rufschwungs. Rn allem diesem Wechsel hat derGesellschafter" regen Rnteil genommen. Gr hat sich stets bemüht, über die Ge­schehnisse im Bezirk, im engeren und weiteren Vater­land und draußen in der weiten Welt treuen Bericht

zu erstatten, Anregungen zu geben, guten Unter­haltungsstoff zu bieten, überhaupt das Blatt in den Dienst seier Leser zu stellen. Gin ganz besonderes Anliegen ist es uns von jeher gewesen, dem Blatt nach Inhalt und Form eine immer bessere, zweck­entsprechendere Gestalt zu geben und den Bedürf­nissen der fortschreitenden Zeit entgegenzukommen. Dabei haben wir uns nicht einseitig aus diese oder jene Zeile gestellt, sondern die verschiedenen Meinungen in gleicher weise zum Wort kommen lassen. Das Blatt selbst war in den ersten Jahren seines Erscheinens wie andere Blätter in ähnlichen Verhältnissen noch sehr einfach. Cs hatte längere Jahre nur Quartformat und erschien nur zweimal in der Woche; das in Nagold gedruckteAmts- und Intelligenzblatt", wie es damals hieß, war zugleich das Bezirksblatt für die Oberämter Freudenstadt, Herrenberg und Horb, politischen Inhalt bot es anfangs nicht; über Tages­ereignisse wurde wenig berichtet. Der Inhalt be­stand in behördlichen Anordnungen, privaten Mit­teilungen und Anzeigen über Rauf u. verkauf, Stellen­gesuche u. a.; außerdem Rätsel, Scherze, Anekdoten.

Die Entwicklung der Zeitverhältnisse erforderte eine vielseitigere und gründlichere Gestaltung des Blattes; es konnte insbesonders die Darstellung auch der politischen Verhältnisse nicht länger ent­behrt werden. DasAmts- und Intelligenzblatt" wurde zur Zeitung und erhielt den NamenDer Gesellschafter^. Nun erschien es 3mal in der Woche, später 5mal und seit 1905 6mal, sodaß das Blatt sich zur Tageszeitung ausbaute.

Zu dem in größerem Format und häufig in größerer Ausgabe erscheinenden Hauptblatt trat ein besonderes Unterhaltungsblatt, längere Zeit unter dem NamenPlauderstübchen", derzeit illustriert erscheinend mit dem Lite!Unsere Feierstunden", ferner eine Heimatbeilage und eine landwirtschaft­liche Beilage. Allen diesen Anforderungen konnten wir aber nur dadurch gerecht werden, datz uns jederzeit ein treuer Kreis von Mitarbeitern und ein treuer Leserkreis aus Stadt und Land zur Seile stand.

Heute ist es uns Bedürfnis, allen herzlich zu danken, die uns in diesem langen Zeitraum und besonders auch im letzten Jahr unterstützt haben, allen freundlichen Mitarbeitern hier und aus­wärts, allen Abonnenten und Inserenten, und zu bitten, uns das bisher in reichem Maß geschenkte vertrauen auch ferner bewahren und uns Lreue halten zu wollen. Für Werbung neuer Abon­nenten find wir sehr dankbar, wir dürfen darauf Hinweisen, daß sich das Hallen einer Lokalzeitung in unserer Seit als besonderes Bedürfnis heraus- gestellt hat.

Zum Schluß grüßen wir alle unsere Mitarbeiter unä Leser unä wünschen ihnen allen ein gesegnetes neues Jahr !

Mögen sich im neuen Jahr besonders auch unsere wirtschaftlichem Verhältnisse wieder besser gestatten!

Verlag unä Lchristleitung äe§Gesellschafter".

Tagesspiegel

Vach der MKf^ilunq -er Reichsbahnverwaituna wird, die durch den Schiedsspruch verlangte Lohnerhöhung eine Mehr­belastung von über 20 Millionen Mark verursachen. Da hier- tür keine Mittel vorhanden seien, mühten die neuen Aus­gaben auf anderem Weg beschafft werden.

In Syrien sin- 4000 Mann neue Verstärkungen aeftmdet worden, weitere 10090 Mann sollen fich auf dem De-- be­finden. Die Friedensverhandlungen mit den Drusen gehen weiter.

Politische Wochenschau.

Wiederum ein Jahr verschwunden! Ein Jahr, das für Deutschland übel begonnen und übel geendet hat. Gleich zum Beginn mußten wir die bittere Enttäuschung erleben, daß der erste Teil des Befetzungsgebiets, um Köln herum, trotz der feierlichen Versprechungen auf der Lon­doner Konferenz und trotzdem die vertragsmäßige Frist von 5 Jahren abgelaufen war, nicht geräumt wurde. Franzosen, Engländer und Belgier erfanden immer wieder neue Vorwände, um ihren Vertrags- und Wortbruch zu be­mänteln, namentlich mit der Behauptung, Deutschland habe seine Abrustungsverpflichtungen noch nicht erfüllt. Das wäre auch eine Kunst gewesen, denn der sachverständige Oberste Kriegsrat von Versailles brachte immer wieder neue Ab- rnstungsforderungen vor, die im ganzen ja doch nur auf Er­pressungen hinausliefen, bis man den Wettbewerb der deut­schen Industrie vollends mausetot gemacht hätte. Mit stau­nenswerter Geduld ertrug man in Deutschland alle diese harten Proben. Freilich wir hatten ja um diese Zeit, wie gewöhnlich in politisch besonders wichtigen Zeitlagen, wieder ein« Regierungskrise. Nach den Reichstagswahlen im Dezember 1924 mußte eine neue Reichsregieruna gebil­det werden. Der erste Versuch des Dr. Marx (Zentrum) scheiterte. Erst am 19. Januar konnte Dr. Lu t h e r, der bis­herige Reichsfinanzminister, als Reichskanzler dem Reichs­tag das neue Kabinett vorstellen, das sich auf die Deutsch- nationale Dolkspartei, das Zentrum, die Deutsche Volkspar- A die Wirtschaftspartei und die Bayerische Volkspartei Achte, es war seit der Revolution die erste rechtsgerichtete Regierung. Schon kurz darauf, am 28. Februar starb Reichs­präsident Ebert nach einer Operation. Zum ersten Mal war verfaffungsgemäß der Reichspräsident durch das Volk M wählen. Da in der ersten Wahl am 29. März der Kandi­dat des Reichsblocks, Oberbürgermeister Dr. Iarres von Duisburg, bisher Reichsinnenminister, gegenüber den sechs übrigen Kandidaten, die für den ersten Wahlgang erforder­liche absolute Mehrheit (über d:e Hälfie aller abgegebenen Stimmen) nicht erhielt, so war eine zweite Wahl notwendig, ve, der die einfache Mehrheit genügt. Als Sieger ging der vom Reicvsblock im Einverständnis mit dem mirückaetretenen

Dr. Iarres als Kandidat aufgestellte 76jahr. Teneralfeld- marschall vonHindenbur'q mit - rund 14,6 Millionen Stimmen aus der Wahl hervor. Der Jubel des Reicbsblocks (Rechtsparteien und Bayerische Volkspartei) war aroß, aber auch die Parteien, die seine Kandidatur bekämpft hatten, haben sich mit Hindsnburgs Präsidentschaft längst aboeiunden und anerkannt, daß der Generalfeldmarschall das Gelöbnis Vereidigung im Reichstag am 12. Mai getreu'ich erfüllte, das Amt in strenger Ueberparteilichkeit zu führen. Auch das Ausland, das die Wahl des Siegers in so vielen smlamten zumeist mit grimmigem Mißb-Ragen aufaenom- men hatte, nahm m dem neuen Reichspräsidenten mehr und mehr eine freundliche Stellung ein. die sich teilweise sogar zur Vewundernna entwickelte.

übl'aeu wurde das amtliche und nichtamtliche poli- ttsche Leben in Deutschland im abgelauienen Jahr von den ^emuhunaen um einen Sicher heitsvertrog beschat­tet' schließlich zu dem Vertrag von Locarno ae- r ^ben. Man kann über die überlieferte englische Po- link sagen, was man will, das kann man ihr nicht abstreiten, daß sie weltbewegende Gedanken im britischen Interesse zu entwickeln psleat, wenn die andern noch keine Abnung von den britischen Zielen haben. Nicht zu Unrecht ist der Außenminister Chamberlain in England als der Va- t^ Vertrags von Locarno gefeiert, vom König in den Adelsstand erhoben und seine Frau, die, wie es scheint, keine schlechte politische und diplomatische Begabung hat, mit dem höchsten Kriegsorden ausgezeichnet worden, Lo­carno bedeutet für England so viel wie ein gewonnener Krieg. Am Auftrag Chamberlains bereitete der britische Botschafter in Berlin, Lord d'Abernon hier den Bodei: für einen deutschen Sicherheitsvertrag mit Deutschland vor. und der Gedanke wurde vom Außenminister Dr. Strese - mann mit Begeisterung, von dem bedächtigeren Reichs­kanzler Dr. Luther vorsichtig, schließlich aber um so ent­schiedener ausgenommen. Längere. Zeit zogen sich vertrau liche Vorbereitungen hin. von denen selbst die übrigen Ka- binettsmitglieder nichts oder nichts Genaues erfuhren, bis Dr. Stressmann am 9. Februar 1925 mit einem förmlichen Sicherheilsang-bot an die französische Regierung herantrat. Man Hörle 'ange nichts mehr von der Sache; man bekam den Eindruck, als wolle Frankreich die Annahme des riesen­großen Opfers Deutschlands, nämlich die freiwillige Anerkennung des ns aufgezwungenen Vertrags von Versailles und den freiwil­ligen Verzicht auf Elsaß-Lothringen und Eupen-Malmedy, zu einem Beweis französischer Großmut umstempeln. Auffallend war, daß die französische Regierung auf einmal auf den möglichst baldigen Ein­tritt Deutschlands in den Völkerbund sich ver­steifte, während er bisher von französischer Seite entschie­den abgelehnt worden war. Das war offenbar das Er­gebnis der in der Zwischenzeit eifrig.zwischen London und Paris geführten Sonderverhandlungen. Kurz und gut, es kam dann zur berühmten Konferenz in Locarno, wo der

Sicherheitsvertrag und was drum und dran hängt, zum SV. Geburtstags Chamberlains, gegen den Auftrag des Reichs­kabinetts, aber auf das Drängen Chamberlains von den deutschen Unterhändlern Luther und Stresemann unter­zeichnet wurde. Dieser Umstand und sachliche Nichtüber­einstimmung mit dem Vertragsinhalt veranlaßte sodann die deutfchnationalen Reichsminister Schiele, von Schrieben und Neuhaus, ihre Aemter niederzulegen, womit zugleich die deutschnatl. nale Reichstagsfraktion au» der Regierungskoalition austrat. Kurz darauf trat auch der dem Zentrum angehörige Justizminister und Minister für die besetzten Gebiete zurück mit der Begründung, er könne die Unterschrift unter den Locarno-Vertrag nicht mit ieinem Gewissen vereinigen. Das Reichskabinett war nun gerade um die Halste verringert, dasRumpfkabinett" wollte aber noch den Locarno-Vertrag unter Dach und Fach

bringen, ehe es die Folgerung dieses Zustands zog, und am 1. Dezember wurde in London der Vertrag unterzeichnet, nachdem ihn der Reichstag mit einfacher Mehrheit gebilligt hatte. Aus diesem Grund wird der Vertrag von manchen für ungültig erklärt; denn da er im Zusammenhang mit dem Eintritt in den Völkerbund eine Verfassungsänderung in sich schließe, hätte er mit Zweidrittelmehrheit angenom­men werden müssen. Das englische Unterhaus und das ist bezeichnend nahm den Vertrag fast einstimmig an. Am 10. Dezember übergab Dr. Luther dem Reichspräsiden­ten das Rücktrittsgesuch des Kabinetts und seitdem wird über die Neubildung einer Regierung bzw. einer tragfähi­gen Regierungskoalition des Reichstags verhandelt, jedoch haben sich alle Anläufe dazu bis jetzt zerschlagen, namentlich ist die Wiederherstellung derGroßen Koalition von Strese­mann bis Scheidemann" an dem Widerstreit der Deutschen Bolkspartei und der Sozialdemokratie gescheitert. Im Hin­blick auf die äußerste Linke der Kommunisten möchte die So­zialdemokratie eine Verbindung ihrerseits auch mit einer li­beralen Rechtspartei vermeiden. Niemand weiß noch, was werden soll, bis am 12. Jan. der Reichstag wieder Zu­sammentritt, der übrigens außer der Regierungsfrage noch die überaus heikle Aufgabe des Reichsschulgesetzes zu lösen haben wird, eine Aufgabe, über die bei der tiefen Gegensätzlichkeit der Parteianschauungen in dieser Frage jede Koalition stolpern wird. Dagegen hat der Reichstag die höchst bedeutsame Finanzreform Schliebens und die Wiedereinführung der Getreidezölle, die seit 1919 aufgeho­ben waren, im Rabmen eines allgemeinen neuen Zolltarifs durch Annahme erledigt.

Um noch einmal kurz auf den Locarnovertrag zurück- zukommen, so ist festzustellen, daß über die Auslegung des Vertrags noch keineswegs eine Uebereinstimmung zwischen Deutschland aus der einen und den Verbündeten aus der andern Seite besteht, namentlich behauptete Cham­berlain im Unterhaus, der Vertrag verpflichte England zu gar nichts, er lasse ihm vielmehr bei etwaigen Streitfällen die freie Entscheidung- Aehnlich sprach sich der Italiener