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Nr. 210

Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsLezirk Calw.

S8. Jahrgang.

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Stimstag, dc» K. September 1921.

Die Aussprache vor dem Völkerbund.

Die Antwort Herriols an Maedonald.

»«>»: In drk, Etadt mit TiZgerlohn <0 Goldptennl» wichenMch. Postbezug»»»!»

ioldplennig ohne Bestellgeld. Schluß der Anzeigenannahme 8 Uhr vormittag«.

Neueste Nachrichten.

Herriot nahm in seiner Rede im Völkerbund den Schiedsgerjchts- gcdanlen auf, legte aber im Gegensatz zu Mardonald den geätzten Nachdruck auf den Earantiepatt.

Genf, 6.- September. (WTB.) Der gestrige Vcrhand- lungstag der Völkerbundsversammlung hat in der Sicher­hetts- und Garantiepaktsrage, die durch die gestrige große Rede Macdonalds aufgeworfen wurde, bereits wichtige Präzisierungen und Anregungen gebracht. Macdonald hatte seine gesamten Vorschläge aus das Schiedsverfahren eingestellt. Herriot, der dem Grundsatz des Schiedsverfah­rens zustimmte, forderte als notwendige Ergänzung volle Sicherheit, d. h. militärische Sicherheit. Die meisten ande­ren Redner (Salandra, Benesch und Theunis) stimmten ihm zu. Parmoor bekämpfte auf das stärkste den Gedanken militärischer Sanktionen, erklärte sich aber mit wirtschaft­lichen und finanziellen Sanktionen einverstanden. 3 we­sentliche Punkte stehen also zu Debatte:

1. Schiedsverfahren,

2. wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen,

. 3. militärisch« Sanktionen.

Heber die ersten beiden Punkte sind sich alle einig, nur gegen den 3. Punkt erhebt England Widerspruch. Nach­dem die 6 Redner, die noch heute in dieser Frage sprechen sollen, ebenfalls zu den 3 Problemen sich geäußert haben, wird der 3. Ausschuß der Versammlung, der die Frage der Rüstungsbeschränkungen zu bearbeiten hat und dem das gesamte Material zugeht, eine Ueberbrückung der Kluft finden müssen, die zwischen den Anhängern u. Gegnern der militärischen Sanktionen klafft. Dabei geben sich offenbar die ersten der Hoffnung hin, daß es gelingen wird, den Widerstand der Gegner militärischer Zwangsmaßnahmen zu brechen um so auch wesentl. Teile des alten Garantiepaktcs zu retten. Man glaubt in der Tat, daß den vielen Ein­wänden gegen den Garantiepakt dadurch die Spitze abge­brochen werden kann, daß ihm nunmehr das Schiedsver­fahren angegliedert wird. Allerdings wird der 3. Aus­schuß nicht allein zu entscheiden haben. Dem Vorschlag Mac­donalds folgend, den der holländische Außenminister Kar­nebeek noch besonders vertiefte, wird die Kommission ein­mal auf das Grundgesetz des Völkerbundes zurürkgreifen müssen. Im Pakt sollen nach der Ansicht der englischen Redner die Quellen des künftigen Schiedsverfahrens ge­funden werden. Andererseits läßt auch Macdonald durch- blicken, daß verschiedene Schiedsverfahren in Frage kom­men können, die, wie auch der Völkerbundspakt, verschie­dene Arten Vermittlungsverfahren bei internationalen Streitigkeiten vorsehe. Alle diese Fragen erfordern eine Prüfung durch den ersten Ausschuß der Versammlung, den zaristischen Ausschuß. Ebenso wird auch der besondere Aus­schuß, der den politischen allgemeinen Fragen gilt, ein wichtiges Wort mitzusprechen haben. Bis die Völkerbunds­versammlung endgültige Vorschläge den Negierungen unter­breiten kann, ist also noch ein längerer Weg zurückzulegen, der noch über zahlreiche Möglichkeiten führt, vom reinen Schiedssystem der Engländer bis zum verbesserten Garan­tiepaktsystem, das Venesch anzustreben scheint. Ein grund­sätzliches Ergebnis jedoch dürfte vorläufig feststehen, wel­ches auch das künftige System sein wird: Dem Schi^sver- fahren soll die Rolle eingeräumt werden. Die Frage, um die sich alles dreht, ist jedoch die, wie der Schiedsgcdanke praktisch verwirklicht wird, wie er sich als solcher durchsetzt odar wie weit er durch ein militärisches Bündnis, oder Sanktionssystem gelähmt wird.

Herriots Programmrede.

Genf, 5. Sept. Die heutige Sitzung der Völkerbundsversamm- lung wurde um 10.40 Uhr eröffnet. Der Andrang zum Saal und zu den Tribünen war sehr stark. Auch vor dem Versammlungs- gebäude stand eine Menge Neugieriger, welche Herriot bei sei­ner Ankunft mit Sympathiekundgebungen begrüßte. Der Präsi­dent der Versammlung erteilte Herriot das Wort. Als er die Rednertribüne bestieg, brachen Versammlung und Tribünen in nicht endenwollende Ovationen aus. Die Delegierten erhoben sich von den Plätzen und klatschten minutenlang Beifall. Herriot stimmte im ersten Teil seiner Rede dem Schiedsgedanken zu, den gestern Macdonald vorgetragcn hatte und dem er selbst im Lon­doner Abkommen zum Durchbruch verholfen habe. An die Kri- tiken, die an dem Garantiepaktsentwurf geübt wurden, vor allem an der Feststellung des angreifenden Staates, anknüpfend er­klärt« er, daß der Schiedsgedanke hier gerade verwirklicht wer­den müßt«. Di« Völker mühte» sich daranf einige«!, «k» «Hgrei-

sendcn Staat denjenigen zu betrachten, der das Schiedsverfahren bei einem Konflilt nicht anuin.mt. Dies-: Erklärung wurde mit stürmischem und anhaltendem Beisall ausgenommen. Wenn Frankreich auch bereit sei, den Schiedsgedanken inmden Mittel­punkt des nationalen Lebens zu stellen, so verlangen doch Ofscn- heit und Aufrichtigkeit fcstzustellen, daß das Schiedsverfahren notwendig, aber nicht ausreichend sei. Das Schiedsverfahren dürfe keine Falle für gutgläubige Völker sein und die Loyalität aller Staaten, auch der kleinsten, müsse durch Sicherheiten ge­schützt werden. Nur in der Verbindung von Macht und Gerech­tigkeit, erklärte Herriot unter dem Beifall der Versammlung, an rin Wort von Kasckal anknüpfcich, liege die Lösung. Er er­innerte an das Beispiel Belgiens und erklärte, es dürfe nicht wieder Vorkommen, daß Bürger von Staaten, die nur den Frie­den wollen, vier Jahre laug auf die Rückkehr in ihre Heimstätten harren müssen.

Mit dem Plan einer allgemeine« Abrüstungskonferenz er­klärte er sich einverstanden. Aber diese Konferenz dürfe nicht ohne oder gegen den Völkerbund arbeiten. Was Deutschland be­treffe, erklärte Herriot, dah er ansrichtig z« sprechen wünsche. Frankreich habe den zerstörenden Militarismus bekämpft, der in einer öffentlichen Parlamentssitzung mit dem Wort:Rot kennt kein Gebot!" protlamiert wnrdr. Frankreich wolle aber nicht das Elend Deutschlands. Es kenne keinen Hatz und lebe nicht vom Hatz. Es hafe Beweise feines Bersöhnungswillens gegeben. In­zwischen habe Deutschland, mit dem Frankreich in London in direkte Beziehungen trat, sr«i sein« Bereitwilligkeit erklärt, seine Verpflichtungen inne zu halten. Was die Frag« des Eintritts in den Völkerbund angeht, so gebe es keine Ausnahme und Bor­zugsbehandlung. Maßgebend seien die Artikel 1 und 8 des Völ- kerbundspaktcs. Die Regeln des Paktes sind ewiges Gesetz, dem wir folgen müssen. Nach Worten des Dankes für die amerika­nische Mithilfe und der Hoffnung weiterer Mitarbeit Amerikas sprach Herriot auch den Wunsch aus, daß eine Annäherung Ruß­lands an die internationale Zusammenarbeit erfolge, wobei er das Unglück dieses Landes betonte und auf die Stimmen des Hasses hinwies, die aus ihm oft herüberschallten, welch« Frank­reich aber nicht mit Haß erwidere.

Seine

Vorschläge zur Abrüstungs- und Sicherheitsfrage faßte er in folgenden Worten zusammen: Schiedsverfahren, Si­cherheit und Entwaffnung bilden ein zusammengehöriges Gan­zes. In Uebereinstimmung mit Karnebeek sieht auch Herriot im Pakt die Grundlage der zu verwirklichenden Aufgabe, vor allem in Artikel 8, der die Abrüstungs- und Eicherheitsfrage aufwirft. Die amerikanischen Vorschläge über ein Earantiepaktprojekt, das auch dem Schiedsverfahren große Bedeutung beimesse, seien ebenfalls der Beachtung wert. All« diese Fragen feien fn Kom­missionen zu prüfen, aber besser nicht in besonderen Kommissio­nen, wie Macdonald sie anregt, fnodern von den regulären Or­ganen des Völkerbunds. Auf den drei Säulen Sicherheit, Schiedsverfahren und Abriistnng müsse, so schloß Herriot, nach­dem er noch einmal in begeisterten Worten dem unentwegten Friedenswille» Frankreichs Ausdruck verliehen hatte, der künf­tige Tempel ausgcbaut werde«, au dem wir im Völkerbund arbeiten.

Die Rede Herriots wurde mit stürmischem, immer wieder neu einsetzendem Beifall ausgenommen, der sich noch lange fortsetzte, als er bereits seinen Platz wieder cingenomnlen hatte. Nach Herriot ergriff der Führer der italienischen Delegation, Ca- landra, dos Wort.

Theunis und Benesch für den Garantievertrag.

Genf, 5. Sept. Der belgische Ministerpräsident Theunis, der als erster Redner in der heutigen Nachmittagssitzung der Völker- bundsversammlung sprach, forderte nachdrücklich, daß die Völker Sicherheit erhalten. Er sagt«, Belgien war seit Jahrhunderten der Schauplatz der europäischen Kriege. Der moderne Krieg mit feinen furchtbaren Zerstörungen ist eine erhöhte Gefahr für Bel­gien, das feit dem letzten Kriege noch unter einem ständigen Alp­druck lebt. Belgien ist ein ausnehmend friedliebender Staat, aber Belgien braucht kür den Friede« Sicherheiten, und zwar

wirklich« Sicherheiten, nicht nur aus dem Papier.

Der englische Ministerpräsident wies darauf hin, daß das Lon­doner Abkomme» eine Entspannung brachte. Ich kann nur mit Herriot hoffen, daß wir auf diesem Wege sortschreiterr. Zu dem Echiedsvorschlag Macdonalds und zu Herriots Zustimmung kann ich versichern, daß Belgien, wenn die Großmächte vorangehen, MW keW.iel.lolgen chird. Mer. MlAe. zSKge.Mche. «BWeA.

Frankreich scheint auf einen Kompromiß mit England hinzu- arbeiten.

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I der Ncchnriitagsfitzung des Völkerbundes sprachen am Freitag Theunis und Venesch im wesentlichen im Sinne der Ausfüh­rungen Herriots.

DemPetit Journal" zufolge soll am Sonntag eine gemeinsame Sitzung der französischen und britischen Delegation in Eens stattfinden.

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Die Reichsregicrung teilt amtlich mit, daß am nächsten Montag die abschließend« Geaeralinspektio« des deutschen Rüstungs- zustandes beginnt, und mahnt die Bevölkerung zur Besonnen­heit. Die Generalinspektion der deutsche« Abrüstung erstreckt sich vorerst auf dir Fabriken «nd die höheren Kommandostellen des Reichsheeres.

Die Verhandlungen über die Soldanleihe «erde» Mitte Sep­tember beginnen.

wenn ein Staat heimlich rüstet und seine Verpflichtungen hin­sichtlich des Schiedsverfahrens zerreißt? Zweifellos steht das Recht über der Macht, aber die Macht muß im Dienste des Rechts stehen. Der Pakt sieht Sanktionen, und zwar auch mili­tärische vor, und in Artikel 10 ein« Verpflichtung, die territo­riale Unversehrtheit und Unabhängigkeit seiner Mitglieder zu gewährleisten. Diese Bestimmungen müßten loyal interpretiert werden «nd dabei ist Artikel 8, der sich ganz kategorisch aus­spricht, zu beachten. Theunis erinnert an die Ereignisse vor 10 Jahren und hofft, daß im Fall« neuer Angriffe wieder wie damals das Weltgewissen mobilisiert würde. Aber wenn Bel­gien seinen militärischen Schutz, der Mein eine Invasion aushält, verringern solle, so dürfe man nicht über Sicherheitsga-rantien mit ihm feilschen. Theunis verteidigte di« im Garantiepakts­entwurf vorgesehenen Sondevabkommen, die, in den Rahmen des Völkerbundes eingrfügt, der Kontrolle des Rats unterstellt wer­den. Der belgische Ministerpräsident schloß mit dem Ausdruck des Vertrauens in die Arbeiten der Völkerbundsversammlung.

Im weiteren Verlauf der Nachmittagssitzung ergriff der tschechoslowakische Außenminister Benesch das Wort, um zu­nächst in seiner Eigenschaft als Berichterstatter für die Abrü­stungsfrag« einen Ueberblick über die Vorgeschichte des Garan­tiepaktentwurfs des Völkerbundes zu geben. Benesch versicherte dann, daß auch er Anhänger des Schiedsverfahrens sei, daß aber der Weg schwierig und heikel fei und einer sorgfältigen Vorbe­reitung bedürfe. Falls die großen Staaten das obligatorische Schiedsverfahren annehmen würden, würde das ein Glück für die kleinen Staaten sein.

Die Sonderabkommen würden aber bestehen bleiben. Man könne sie nicht abschaffen. Der beste Weg sei daher, sie durch den Völkerbund kontrolliere« lassen zu könnt».

Benesch sprach Herriot seinen Dank für die Worte zu Gunsten der kleinen Staaten aus. Auf die Worte Macdonalds, wonach trotz aller Verträge di« kleinen Staaten durch den Krieg ver­schwinden würden, «ntgegnete Benesch, indem er an die Eeburts- stunde der neuen Staaten erinnerte, die sich damals zum Schutze ihrer Unabhängigkeit zufammenschlossen. Wären gewisse Revol­ten und Putsche gelungen, so wäre heute niemand mehr in der Lage, über das Schiedsverfahren und die Abrüstung überhaupt zu diskutieren. Nachdem Benesch nochmals nachdrücklich die Sanktionen gerade für den Fall eines Bruches des Schiedsab- kommens als notwendig bezeichnet hatte, bedauerte er, in seiner Eigenschaft als letztjähriger Berichterstatter für den Earantie- paktentwurf, dessen Ablehnung durch zahlreiche Staaten und ver­teidigte nochmals die Erundzüge des Entwurfes, um dann zu erklären, daß er im Interesse der Sache sich von jeder doktrinären Auffassung freihalte und an der Formulierung des endgültigen Systems Mitarbeiten werde. Er formulierte die Aufgaben des Völkerbundes in der nächsten Zeit folgendermaßen:

1. Der Ausbau eines neue« Systems auf Grund verglei­chender Studien übe» Bölkerbundspakt, den Earantiepatt» rntwurs und Entwände der Regierungen und alle anderen Vorschläge and Dokument«, di« noch vorliegeu können.

L. Parallel damit die Vorbereitung eine» Plane» für di« allmählichen RLftnngsbeschrSuknngen.

S> Da» Studium der Frage b,, Abbaus vrd der Klausefi

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