"der Industrie infolg« der Wiederherstellung der Kaufkraft der Landwirtschaft Lohnbedingungen und eine Verbilligung der Produktion auf allen Gebieten automatisch zur Folge haben. Erfahrungsgemäß entstehe die größte Belastung des Verbrauchers immer durch den Rückgang der agrarischen und industriellen Produktion. Der Ernährungsminister erinnerte schließlich daran, daß ein aus monatelangen Beratungen hervorgegangene» Gutachten de» Reichswirtschaftsvats als sachliche Grundlage für die jetzige Regierungsvorlge betreffend die Agrarzölle diente. Das Problem liege nicht darin, wie man dem Volke für die allernächste Zeit möglichst billiges Brot verschaffe, sondern darin.
wie für die Zukunft Brot zu erträglichen und vor allem gleichbleibendrn Preisen gesichert werde« könne.
Die Beantwortung dieses Problems könne nur in der heutigen Eesetzesvorlage gefunden werden. Jede andere Regierung werde freiwillig oder unfreiwillig sehr bald vor derselben Fmge stehen und zwangsläufig zu derselben Antwort kommen, die zwar sehr unpopulär, deswegen aber nicht weniger notwendig sei. Es handle sich bei der Vorlage um die unerläßliche Schaffung eines Provisoriums aus reinen Aweckmäßigkeitsgriinden, dessen sofortige Vorlage aus ernährungspolitischen und handelspolitischen Gründen unerläßlich sei.
Kleine Chronik.
Das amerikanisch« Kinderhilfswerk.
Der Leiter des „Amerikanischen Komitees für das Kinder- '-werk in Deutschland", General Henry T. Allen, erklärt, die iten des Ausschusses seien zum Abschluß gebracht worden,
. sich di« Lage in Deutschland gebessert habe und mit der baldigen Wiederkehr normaler Zustände gerechnet werden könne. Die Quäker hätten noch Vorräte, die bis zum Ende des Sommers reichten und aufgebraucht werden sollen. Der Ausschuß hat etwa 5 Millionen Dollars gesammelt und nicht selten bis zu -L OiO lXIÜ Kinder täglich mit Mahlzeiten versehen.
Aus Stadt und Land.
Lalw. den 16. Juli 1924.
Ausstellung über Erundschularbeit.
Die Landesanftalt für Erziehung und Unterricht hat in Verbindung mit ertlichen Schulleitungen in Nagold im Lehrerseminar in Nagold eins reichhaltige Ausstellung von Erundschularbeiren vorbereitet, die voraussichtlich am Freitag, den 18. Juli 1924 abends 6 Uhr durch den Vorstand der Landcsanstalt f. E. u. U. Herrn Reg.-Rat Eatz- mann aus Stuttgart eröffnet werden wird. Die Ausstellung ist für den allgemeinen Besuch geöffnet vom Sonntag den 20. Juli bis Sonntag, den 27. Juli je einschließlich und zwar je mittags von 2 bis 6 Uhr, an den beiden Sonntagen außerdem von 11 bis 1 Uhr. Für regelmäßige, sachkun-ige Führung du?H "die"Ausstellung ist gesorgt. Der Eintritt ist frei.
Die Sonderbehandlung Württembergs.
Der Württ. Eemeindetag schreibt:
In einer Zuschrift hat kürzlich der Württ. Gemeindetag auf die Absicht der Reichsfinanzverwaltung, den Gemeinden den Reichssteuereinzug zu entziehen, hingewiesen. Unterdessen haben die Gemeinden, welche zu Beginn dieses Jahres an Stelle der ausgehobenen Ortssteuerämter den Reichssteuereinzug übernommen haben, von den Finanzämtern tatsächlich die Mitteilung erhalten, daß die Entziehung auf 1. Oktober durchgeführt werden soll. In der Regel soll dann die Steuerentrichtung direkt an die Finanzkasse erfolgen. Daneben sollen Geld- anstalien, wie Banken, Sparkasien, Darlehenskassen usw. als örtliche Annahmestellen zugelasien werden. Diesen
wird aber keine Entschädigung Aus der Reichskasi« zugestanden, ste müssen sich vielmehr mit einer von dem Zahlungspflichtigen zu entrichtenden Vergütung begnügen, welche sich nach der Zahlkartengebühr für den Betrag der Einzahlung benutzt. Dagegen haben die Annahmestellen schwerwiegende Haftverbindlichkeiten einzugehen.
Es ist selbstverständlich, daß unter solchen Umständen niemand bereit sein wird, das unangenehme Geschäft des Steuereinzugs zu übernehmen. Die Zahlungspflichtigen wären deshalb wohl ausschließlich auf den direkten Verkehr mit dem Finanzamt angewiesen. Die großen Nachteile, welche damit für die Bevölkerung des Landes verbunden wären, liegen auf der Hand. Die Unzuträglichkeiten würden sich in einem auf die Dauer unhaltbaren Maß häufen. Die württembergischen Steuerzahler haben aber allen Grund, eine weitere Erschwerung der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten mit Entschiedenheit zurückzuweisen, nachdem in Württemberg die Ortssteuerämter beseitigt wurden, während in Bade« und Bayern das Reich die gleichen Einrichtungen heute noch' unterhält. Es kann nicht nachdrücklich genug verlangt werden» daß die nachteilig« Ausnahmebehandlung unseres Landes durch die Reichsfinanzverwaltung jetzt aufhört und den Bedürfnissen des schwäbischen Volkes in gleicher Weise Rechnung getragen wird, wie dies anderwärts auch zugestanden wird.
Der Württ. Eemeindetag hat das Staatsministerium dringend gebeten, mit alle« Mittel« darauf hinzuwirren, daß di« Enthebung der Gemeinde« von der Besorgung de» Steuereinzugs als Hilsskasie nicht zur Durchführung ge^ bracht wird und an der an sich unzureichenden Vergütung von ü.75 v. H. keine Abstriche gemacht werden.
Der neue württ. Gesandte in Berlin.
(STB.) Stuttgart. 15. Juli. Dr. Bosler reist, wie wir erfahren, heute abend noch nach Berlin, um seinen neuen Posten morgen zu übernehmen.
Der neue württ. Gesandt« in Berlin, Dr. jur. Otto Bosler, wurde am 23. März 1872 in Stuttgart geboren. Nach Erledigung der üblichen Gymnasialbildung widmete er sich von 1891 bis 1895 dem Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen, Berlin und Leipzig. Im Juli 1895 erwarb er sich an der juristischen Fakultät in Güttingen den Doktorgrad. Nachdem er im Frühjahr 1899 die zweite Dienstprüfung bestanden hatte, war er zunächst als Anwaltsstellvertreter und dann bis I960 als Hilfsarbeiter bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart tätig. Im November 1900 wurde er stellvertretender Amtsrichter beim Amtsgericht Stuttgart-Stadt und bereits am 26. November des gleichen Jahres Kollegialhilfsarbetter bei dem Steuerkollegium, Abteilung für direkte Steuern. Am 4. November 1901 wurde er bei der gleichen Behörde etatsmäßiger Kollegialassessor, Am 25. Mai 1903 erfolgte di« Ernennung zum Obersteuerrat bei derselben Behörde, Am" wurde er -zunn Oberverwal
tungsgerichtsrat beim Verwaltungsgerichtshof ernannt. Am 6. Mai 1912 erhielt er die Stelle eines Ministerialrats im Finanzministerium. Seit 4. Dezember 1919 war er Abteilungspräsident im Landesfinanzamt, Abteilung für Besitz- und Verkehrssteuern.
Stuttgart, 15. Juli. Das Staatsministerium hat die stv. Reichsratsbevollmächtigten Regierungsräte a. g. St. Drück und Schlick bei der Württ. Gesandtschaft in Berlin je zum Oberregierungsrat daselbst ernannt.
Wetter für Donnerstag und Freitag.
Für Donnerstag und Freitag ist bei Fortbestand des Hochdrucks trockenes, heiteres und warmes, jedoch zu vereinzelten Gewitterstörungen geneigtes Wetter zu erwarten.
»
Bad Teinach, 16. Juli. Nach zweijähriger Pause soll Vas Jakobifest mit Hahnentanz wieder abgehalten werden. Hierzu
Ist Mm erflenmale wieder seit 19 Jahren der alt« Festplatz, der schattig« Li-ndenplatz zur Verfügung gestellt. Der Festausschuß ist jetzt schon bemüht, den Tag zu einem richtigen Volksfest zu gestalten. Vor allem sollen schmucke Trachten im Festzuge nicht fehlen. Für jede originelle Tracht wird ein« Prämie gewährt. Auch soll das früher so beliebte Eselswettrennen wieder stattfinden.
(STB.) Pforzheim. 15. Jult. Der 42 Jahre alte, aus Karlsruhe gebürtige und hie wohnhafte Goldschmied Philipp Wacker wurde wegen Blutschande zu 2 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt. Die gleiche Strafe erhielt der 36 jährige Ausläufer Kintermann aus Brötzingen vom Schöffengericht zudiktiert, da auch er sich an seiner eigenen Tochter vergangen hat. Gegen zwei 21 Jahre alte Burschen wurde wegen versuchter Notzucht auf 8 bzw. 6 Monate Gefängnis und Ehrverlust erkannt.
(STB.) Pforzheim, 15. Juli. Der Reisende Adolf Eißler aus Tübingen und der Kaufmann Heinrich Haffmann aus Oberdorf OA. Neresheim, die schon erheblich vorbestraft sind, fingen in einer hiesigen Wirtschaft, wo sie sich übel aufgeführt hatten, Händel an und verursachten größeren Sachschaden. Beide erhielten Gefängnisstrafen von 3 Monaten.
(STB.) Kornwestheim, 15. Juli. Der 23 Jahre alte ledige Hilssschaffner Emil Häderle von Reutlingen wurde von einer ablaufenden Wagengruppe überfahren und fort getötet.
Ulm, 15. Juli. Heute nacht kurz nach 2 Uhr brach in dem am Blaubeurer Tor gelegenen Lagerhaus Mündler Feuer aus, dem in kurzer Zeit das Gebäude samt den großen darin aufgestayelten Vorräten an Oel, Fett, Mehl und Paraffinkerzen vollständig zum Opfer fiel. Es war nicht daran zu denken, das brennende Gebäude zu retten, da die in Brand geratenen Oel- und Fettvorräte dem Feuer eine zu willkommene Nahrung boten und eine derartige Hitze verbreiteten, daß die Feuerwehr sich darauf beschränken mußte, das daneben stehende gefährdete Lagerhaus vor den gierigen Flammen zu schützen. Der Schaden auswärtiger Firmen ist ganz beträchtlich. Die Brandursache ift bis jetzt noch nicht bekannt. ^
Kleine Nachrichten aus Württemberg.
Der 54 Jahre alte Georg Junger von Haslach bei Herren, berg ließ sich in selbstmörderischer Absicht vom Abendschnellzug überfahren. Der Kopf wurde vollständig vom Leibe getrennt und Arme und Beine zerschmettert. Der Tote, der geistig nicht ganz zurechnungsfähig war, hinterläßt eine Frau und 5 Kinder im Alter von 12—22 Jahren. — Stuttgarter Jäger fanden vorgestern früh in einer dichten Tannenkultur des Staatswaldes zwischen Vaihingen und Rohr 2 menschliche Skelette. Es handelt sich wohl um ein wohnsitzloses Paar, das nach Art fahrender Leute Bettstücke, einen Reisejack u. a. mit sich führte und schon letzten Herbst Selbstmord durch Erschießen begangen zu haben scheint. — Der Schmisdmeister Graser von Oberschmeien trank nach dem Genuß von Stachelbeeren noch Bier, worauf sich sofort große Schmerzen einstellten. Nach zwei Tagen war der rüstige, kaum 30jährige Mann eine Leiche, — An der „Fuchs- hälde" bei Ncckarsulm ist ein Mann ertrunken, ebenso im Ebni- see ein Herr von Stuttgart. — Beim Feurrbacher Tunnel legte sich ein Kaufmannslehrling auf die Schienen, um sich überfahren zu lasten: er wurde aber vom Zug zur Seite geworfen und von Bahnbe-amten mit lebensgefährlichem Schädelbruch aufgefunden. — Bei der Ortsvorsteherwahl in Nenningen O.A. Geislingen erhielt von 5 Bewerbern Verwaltungskandidat Schmid- Eöppingen 178 Stimmen und wurde damit gewählt, — Einige Knaben von Benningen O.A. Ludwigsburg wetteiferten im Besteigen eines elektr. eisernen Leitungsmast miteinander. Ein Ojähriger Knabe stürzte, vom elektrischen Strom getroffen, aus 10 Meter Höhe tot ab.
tvar Probejahr der Dolorer Renslbi.
2s s Roman von Fr. Lehne.
Urheberschutz durch Stuttgarter Romanzentralr T. Acker» mann, Stuttgart.
^ „Dolores —", rief er schmerzlich, „du weißt nicht —"
' Sie machte eine Bewegung, die ihm das Wort kurz ab- 'schnitt.
Da griff er nach feiner Mütze, verneigte sich stumm und ging nach der Tür.
Hochaufgerichtet, die Lippen fest aufeinander gepreßt, sah sie ihm nach.
Er wandte sich noch einmal zögernd um — doch wie ein Bild ohne Gnade, wie eine Richterin, mit starrem Blick, stand ste da.
Nun wußte er mit grausamer Deutlichkeit: es ist alles
Lorbeil-—7-^-^
^ Zweiter Teil.
^ 12 .
^ „Nein, Mutter, es tut mir leid — aber unser Schaufenster gefällt mir noch immer nicht." s
Der Gärtner Westermann trat von der Straße wieder sin den kleinen Laden herein, in dem es warm und würzig duftete.
„Mir auch nicht, Vater! Woran eS nur liegt — ich gebe mir doch die größte Mühe!" entgegnete Frau Westermann betrübt, während sie aus dem Schaufenster heraustrat, in dem sie allerlei geordnet.
„Na, ja, Mutier, ich kann es ja auch nicht besser als du! Aber man siehts doch, wie es bei den andern ist, und wir haben doch die schönsten Blumen in der Stadt, wie die Frau Oberbürgermeister sagt! Vielleicht macht es Richard bester, wenn er am Abend kommt!"
Die ziemlich umfangreiche Frau Westermann ließ sich seufzend auf einen Stuhl nieder, die Hände im Schoß über der blauen Lxinen schürze gefaltet. '
„Das Schaufenster macht doch so viel aus, wo wir hier an der Hauptstraße sind — die vielen, teuren, frischen Schnittblumen fehlen eben, und die Konkurrenz vom Holz- ner merkt man empfindlich! Der hat zwei Fräuleins, die dekorieren die Schaufenster und sind mit allem neumodischen Kram vertraut, die eine ist aus Berlin! Da wird dann mehr gekauft — und dann verstehen sie, den Herren schöne Augen zu machen."
„Und du nicht mehr, Mutter!" sagte der graubärttge W-sterrnann mit einem schwachen Versuch, zu scherzen. Gutmütig klopfte er seiner Frau auf den Rücken und drückte ihr die Hand.
. „Lasse man gut sein. Alte! Ein Fraulein muß doch wieder her; es geht nicht anders! Dann hast du es auch leichter; es ist zu viel für dich, der Laden und der Haushalt!"
„Ich wollte das Geld gern sparen, was so'n Laden- räulein kostet — an unserer Martha, so jung sie ist, Hab' ch ja im Hause 'ne ganz gute Hilfe." „ . ^
„Aber die vier Wochen jetzt, so lange Fraulern Muda ort ist, sind dir doch recht sauer geworden, ich merke es >ir Wohl an, und dre Jüngste bist du auch nicht mehr, M'.ttei-. biM nun olles nichts. Ich muß eS doch mal
n die Zeitung setzen."
„Vielleicht geht es noch, Vater! Jetzt, Mitte Novem- >er ist stille Zeit!" ^ ^
„Das glaubst du Wohl selbst nicht, Mutter! Hast ge- tern erst gesagt, daß es nun losgeht mit den Gesellschaf- cn! Totenfest ist bald — wie lange dauert es, ist Werh- rächten!"
„Aber die Jungens kosten doch so viel.
„Die können sich einrichtenl Erst mußt du jetzt cm sich denken! Der Fedor braucht Sonntags nicht in Lackschuhen und bunten Strümpfen herumzulaufen, und jeden Lag 'ne andere Krawatte!" knurrte Westermann. -
„Gott, er ist jung, Vater!" entschuldigte die Mutter. „Du hast ihn schön verzogen! Der Richard ist doch nicht so!"
„Nun ja, Vater, der Richard hat doch immer mit dir im Garten gearbeitet, da braucht er nicht so fein angezogen zu sein wie Fedor, der in dem vornehmen Buchladen ist!"
„Schnicksschnack, was der dir eingeredet hat — wir müssen eben noch 'ne Hilfe haben; der Richard fehlt mir auch, wo er jetzt beim Militär ist."
Frau Westermann seufzte.
„Ja, die Jungens, was die kosten! Gut, daß der Fedor wenigstens nicht Soldat zu werden braucht."
„Mutter, schäme dich, so was zu sagen!" entrüstete sich der Gärtner, „das ist kein richtiger Mann, der nicht Sol- dat war! Mir tut's leid, daß sie den Fedor nicht genom- men haben — das Doppelte würd ich gern ausgeben, wär er'sl"
„Jst's mit dem Richard denn nicht ein wahrer Staat? sie ist sein Hauptmann mit ihm zufrieden — der beste oldat in seiner Kompagnie ist unser Richard, hat mir auptmann Bruckhofs doch selbst gesagt! — Na, Wt^ lst's wohl ganz vergessen, was für'n forscher Kerl iw ar? Hattest dich ja nur ins zweierlei Tuch vergafft! 1 >er Kerl, der darin steckte, war dir Nebensache — gut- lütig lachte er, und seine Frau mußte mit Anstimmen.
Auf das Inserat von Gärtner Westermann hatten sich var verschiedene Bewerberinnen vorgestellt; doch Wester- ianns hatten sich nicht recht entschließen können; achtzig is hundert Mark, die verlangt wurden, waren ihnen zu rel — sie rechneten hin und her.
Einige Tage darauf kam ein junges Mädchen in dm jaden, das einen Veilchenstrauß wünschte. Wahrend sie