die jeweils besten Sechs gewerrer werben, uns zwar rn vanver- wertung. Die Uebungen, die für unsere deutschen Turnerinnen zum Teil neu sind, werden nicht leicht sein, die Barren mit ungleichen Holmen mutzten sogar extra angeiertigt werden, da selbst unsere Männerbarren nicht so hoch sind. Der obere Holm am Olympiabacren für Turnerinnen ist 2.20 Meter hoch! Auch der Schwebebalken findet als Turngerät erstmalig Eingang in die Olympischen Wettkämpfe.
Erwartungsvoll sieht man auch den gymnastischen Gemein- schaftsübungen entgegen, sür die sich Deutschland unter Reichsfrauenturnwart Loges-Hannover in den letzten Jahren ein junger deutscher Stil herausgebildet hat, der von der heute in vielen Ländern geübten schwedischen Gymnastik abwcicht. Die junge deutsche Gymnastik will nicht die Glieder des Körpers einzeln im turnerischen Freiübunasstil herausbildcn. sondern sie will das Eesiihl der natürlichen Körperbewegung und Körperhaltung rhythmisch veredeln.
Bei den Olympischen Spielen werden 800 Turnerinnen aus Berlin, Bremen. Hamburg und Hsnrrove' oen ^u.,Mi>:;chcu Eüor« tanz und die Frauengymnastik zeigen, die unter diesen Grundsätze» <N-t:-'.r,;d>.>N sind.
Dr. Ilse B u r e s ch - R i e b e.
Der Gast
Von K. Hofer
Seit Wochen war in dem hübschen Haus am Hang von dem erwarteten Besuch die Rede, von welchem Frau Ulrike eine anregende Abwechslung in ihrem gleichförmigen Leben erhoffte.
Seitdem ihr Mann im Kriege durch eine Schußverletzung das Augenlicht eingebüßt hatte, war unmsrklich, aber unaufhaltsam eine Wandlung in ihm vorgegangen. Daß dieses Unglück tiefgreifend sein Innenleben bestimmen und wandeln würde, hatte sie gewußt, und ihr Leben seither war eigentlich nur ein Bemühen gewesen, ihm das Entsetzliche tragen zu helfen. Es war nicht so sehr Mitleid, als vielmehr die Erkenntnis gewesen, daß er jetzt in seiner Hilflosigkeit ihrer Liebe doppelt bedürfe, die ihr Kraft gegeben hatte, immer fröhlich und unbekümmert zu scheinen.
Nie sprach er ein Dankeswort und doch wußte sie, wie ihn die zarte Sorgfalt rührte, mit der sie alles von ihm fernhielt, was ihn die ganze Schwere seines Schicksals hätte empfinden lassen können. Obgleich man ihr Eheleben nicht eigentlich unharmonisch nennen konnte, hatte sie oft das Gefühl einer ständig wachsenden Entfremdung. Das trat besonders an den Abenden in Erscheinung, wenn sie ihm aus philosophischen Büchern vorgelessn hatte, die ihr ebenso spitzfindig wie nichtssagend erschienen und gegen die sich illr unbekümmerter Glaube an Gott und die Abhängigkeit alles Erdengeschehens von seinem Willen auflehnte. Dann konnte er Stunden hindurch unbeweglich sitzen, mit einem selillm beseelten Ausdruck in dem erloschenen Blick. Auch für illn versprach sie sich von dem Besuch dieses Kriegskamerad n Reinhold, von dem er oft erzählt und geschwärmt hakte, eine günstige Beeinflussung seines neuerdings oft grüblerischen Wesens.
Am Erkerfenster stehend, sah sie ins Tal hinunter, und sie verstand nicht, warum der Gedanke an den Besuch des Fremden sie nicht nur mit freudiger Erwartung, sondern auch mit leiser Unruhe erfüllte. Dieses unerklärliche und törichte Gefühl einer rätselhaften Beklommenheit steigerte sich ins Unerträgliche, als sie ihren Mann in Begleitung eines hochgewachsenen Herrn in hellgrauem Mantel langsam den Weg heraufkommen sah. Sie hatte doch alles sür die Aufnahme des Gastes vorbereitet? Oder war es die Furcht, der Fremde könne durch eine achtlos hingeworfene Bemerkung herbeiführen, was sie so lanae zu vermeiden a,'- wutzt hatte: ein Gespräch über das Leiden ihres Mannes?
Er führte wie immer den Schäferhund an der Leine und ging den wohlbekannten Weg so sicher wie sein Begleiter, der den Hut in der Hand trug, von Zeit zu Zeit stehen blieb und den Blick über die Landschaft schweifen ließ.
Frau Ulrike ging erst die Truvpe hinab, als die Männer durch das Gartentor traten. In der Diele trat sie ihnen in einfachem Hauskleid entgegen, begrüßte ihren Mann mir dem gewohnten Kuß und reichte dem Gast zum Willkommen die Hand. Aber das Lächeln, das ihn willkommen hieß, erstarb auf den Lippen, als sie ihm ins Gesicht blickte. Und auch er sah sie mit ungläubigem Erstaunen an und brcMlle nur mühsam ein paar Worte der Begrüßung hervor. M't hastiger, ungeschickter Bewegung nahm sie ihrem Mann dm Mantel aus den Händen. „Laß doch!", wehrte er verwundert ab. „Du weißt doch, daß ich mich ganz gut zurechtfin? >"
Jetzt nur einen Augenblick allein sein, bis der erste Ansturm der Ueberraschung vorüber war und sie sich wieder llr der Gewalt hatte! So war sie froh, daß ihr Mann verschlug, er wolle den Freund zunächst auf sein Zimmer führen. Sie könne inzwischen für das Abendbrot sorgen.
Es war fast dunkel geworden, als das Mädchen den Tuch im Arbeitszimmer ihres Mannes hergerichtet hatte. Sie ging, um nachzusehen, ob nichts vergessen worden wäre und schaltete das blendende Licht des Kronleuchters aus.
Während des Essens bemerkte sie, daß er sie einige Male verwundert betrachtete und daß ihre Unbefangenheit ihn sichtlich verwirrte. Offen und ungezwungen erwiderte sie seinen Blick, bis er sich mit einer merkürdig unsicheren Bewegung über die Stirn strich. An dieser Bewegung alllln hätte sie ihn erkannt, obgleich sie sich nur ein einziges Mal im Leben begegnet waren.
Dann saß man zusammen und die Männer tauschten Erinnerungen aus an die Jahre, da sie im Grauen der Schl- )t unzertrennliche Kameraden gewesen waren und eins Freundschaft sie verbunden hatte, die stark genug schien, alle Stürme des Lebens zu überdauern. Die Namen, die genannt wurden, waren Frau Ulrike vertraut. Die Erlebnisse, die da erzählt wurden, kannte sie. Ihr Mann Halle oft davon erzählt. Nur eines hatte er verschwiegen: daß er sich zu der Patrouille, auf der ihn die Kugel getrost m hatte, die ihm das Augenlicht raubte, freiwillig gem st et hatte. Und daß diese Patrouille den Zweck gehabt ha seinen Freund Reinhold, der verwundet im Zwischengelünde lag, zurückzubringen.
Das Auge des Blinden schien in unendliche Fernen zu sehen, aber in den Blicken des anderen lag nur gem-' 1e Ruhelosigkeit, als er sagte: „Sicher hatte all dieses F': c- bare einen Sinn. Wir hatten vergessen, daß Opserkn n und seine Pflicht tun erst den Menschen zum Menst:n macht. Aber es ist hart zu wissen, daß sich Menschen für uns geopfert haben, die wertvoller sind als wir selber..."
„Wo gibt es einen zuverlässigen Maßstab für den Wert oder Unwert eines Menschen?" fragte der Blinde.
„Dieser Maßstab", widersprach Reinhold, „ist seine Fähigkeit, andere glücklich zu machen. Ich habe als Künstler gestrebt und glaubte erreicht zu haben, was mir als Ziel vor- jchwebte. Ich bin ruhelos durch Europa gewandert und habe
die schweigende Heide gemalt. Die eintönige Pußta und die unendliche Steppe. Sie schienen mir ein getreues Abbild des menschlichen Lebens zu sein. Ich weiß nichtstob sie es sind, aber ich weiß, daß meine Erfolge mir niemals volle Befriedigung gewähren können. Denn als Mensch bin ich einsam und arm geblieben..."
„Du hättest heiraten sollen, Werner."
Der Maler schüttelte den Kopf. „Ich habe die fixe Idee, daß jeder Mensch nur einen einzigen Menschen wahrhaft glücklich machen kann. Dieser eine Mensch ist mir versagt geblieben, obgleich ich ihn gefunden hatte. Wenn ich erzählen darf..
Er sah Frau Ulrike gespannten Blickes an. Aber sie nickte ruhig und ihre Gedanken schienen andere Wege zu gehen.
„Es war kurz vor dem Ausbruch des Krieges. Ich weilte einige Tage in Düsseldorf. An einem Sommertag wurde ich auf der Straße von einem heftigen Gewitterregen überrascht und flüchtete in eine in der Nähe gelegene Gemäldegalerie. Und dort habe ich die Frau zum ersten und einzigen Male gesehen, von der ich heute noch glaube, daß sie mir alles hätte geben und sein können, was mir das Leben versagt hat. Sie war in die Betrachtung eines Madonnenbildes versunken und beachtete mich nicht. Sie hatte übrigens dasselbe blonde Haar wie Sie, gnädige Frau..."
Frau Ulrike reichte gerade ihrem Manne ein brennendes Zündholz hin. „Wirklich?" saate sie und konnte doch nicht ganz verhindern, daß ihre Hand ein wenig zitterte.
„Ein Zufall verschaffte mir Gelegenheit, mit ihr bekannt zu werden, und ich muß sagen, es war ein unbeschreibliches Gefühl, so plötzlich dem Menschen gegenüberzustehen, der in jeder Hinsicht dem Jdealbilde glich, das ich mir von der Frau gemacht hatte. Ich könnte noch heute das Gespräch wiedergeben, das wir geführt haben und das mir die Gewißheit gab. daß sie nicht nur ein schöner, sondern auch ein feiner, kluger und gütiger Mensch war. Wir verabredeten ein Wiedersehen, aber in dem Augenblick, als sie mich vergeblich erwartete, schwebte ich zwischen Leben und Tod. Am Tage nach der Begegnung war ich an einer heftigen Lungenentzündung erkrankt. — Ich habe alles aufgeboten, sie wiederzufinden, sie zu vergessen. Beides ist mir nicht gelungen ..." '
„Und wenn Sie ihr doch eines Tages wieder begegneten?" fragte Frau Ulrike mit klopfendem Herzen.
Werner Reinhold blickte nachdenklich auf seine. Hände. „Ich weiß nicht, was ich tun würde. Der Fall ist so unwahrscheinlich. Vielleicht ist sie gestorben... Aber wenn sie meinen Lebensweg noch einmal kreuzte... nun, ich glaube, es käme alles darauf an, ob sie in ihren jetzigen Lebensumständen glücklicher ist, als ich sie hätte machen können."
Eine lange Pause entstand. Bis der Blinde das Schweigen brach.
„Ich weiß doch nicht recht", sagte er, „ob du als sicher annehmen darfst, daß diese Frau dein Lebensglück gewesen wäre. Gefühle können trügen und Eindrücke täuschen. Es erscheint mir ein wenig gewagt, sich nach einer solch flüchtigen Begegnung ein Urteil über einen Menschen bilden zu wollen. Ich meine, es wäre menschlicher und männlicher, nach neuen Wegen zum Glück zu suchen, statt sein Leben an unfruchtbare Erinnerungen zu verlieren. Echtes Glück wird jedem nur so viel zuteil, als er sich erkämpft. Ich glaube, du wirst es finden, sobald du ernstlich danach suchst!"
Frau Ulrike erfaßte die Hand ihres Mannes und hielt sie fest in der ihren. „Ich glaube das auch", sagte sie leise. „Und ich wünsche es Ihnen von Herzen."
Der große Bluff!
Von Karl Waldemar
Bankdirektor Marion lachte. Zufrieden zündete er sich eine frische Zigarre an. Die Börsenkurse hatten wieder angezogen.
Es klopfte an seiner Tür. Er rief: „Herein!" —
„Smith" las er auf einer Karte, die der Bote überbrachte.
„Smith — Direktor von der City-Bank in Chikago? Ein Kollege also? Lassen Sie ihn herein!"
Ein langer, hagerer Mann im schwarzen Rock trat ein und begrüßte ihn. Er bot ihm Platz, dann eine Zigarre an und fragte nach seinen Wünschen.
„Mein lieber Herr Kollege", fing der Fremde an. „Ich habe ein großes Geschäft mit Ihnen vor. Die Konjunktur ist günstig. Hauptsache, daß uns niemand stört."
„Nichts zu befürchten. Das ist mein Privatkontor. Doch ich will noch die Tür verriegeln. Aber stellen Sie doch Ihren Koffer ab. Sie können ihn doch nicht ewig in der Hand behalten."
„Vorläufig nicht — denn er enthält sehr hohe Werte."
„Nun also — womit kann ich dienen?"
„Ich brauche dringend hunderttausend Dollar. Die sollen Sie mir leihen. Hier sind die Garantien." Mit einem Ruck öffnete er den Koffer.
„Da sehe ich nur Pakete. Was enthalten sie?"
„Jedes ein Kilo Dynamit — und 25 sind es. Ihr Inhalt reicht dazu, das ganze Vantgebäude in die Luft zu sprengen!"
Der Vankdirektor wurde blaß. Er starrte auf die Reihen der Pakete, die alle mit der Aufschrift „Dynamit" gezeichnet, waren.
„Was soll ich damit anfangen, Herr?" erhob er sich nervös.
„Halt, sitzen bleiben!" schrie sein Gegenüber. „Entweder zahlen Sie mir die Summe — oder diese Ladung hier zerreißt uns beide in Atome.
„Also ein gemeiner Gaunertrick, schnell hunderttausend Dollar zu verdienen?"
„Auf geradem Wege dauert's mir zu lange."
„Nun gut — mein Sekretär wird Ihnen sofort —"
„Bleiben Sie sitzen, sonst —" drohend erhob er den Koffer.
„klm Gotteswillen nicht", fiel ihm der Vankdirektor in den Arm. „Sie sollen ja das Geld erhalten. Ich habe noch von gestern diese Summe im Tresor. Sie erlauben doch?" Schnell ging er an den Geldschrank, entnahm daraus ein Bündel neuer Banknoten und händigte sie dem Fremden ein. „Hier — bitte zählen Sie nach."
„Nicht nötig, Mister Marion, — Ihnen glaube ich das auch so."
Mit Schmunzeln steckte er das Geld in seine Tasche und schüttelte dem Direktor warm die Hand. „Mein Auto wartet unten. Aber sorgen Sie, daß mir niemand folgt — ich werfe ihm sonst den Koffer vor die Füße."
„Mein Wort darauf — es wird Ihnen niemand folgen."
„Adieu, verehrter „Herr Kollege". Es war mir ein Vergnügen!"
„Offen gesagt, mir auch", entgegnete lächelnd der Direktor.
Der Fremde riegelte die Türe auf und war im Augenblick verschwunden.
Marion rief ins Tslevbon: ..Vortier, wenn der Mann im
schwarzen Anzug nochmals wiederkommt, so lassen Sie iM sofort verhaften."
Die Seitentür ging auf und eine schöne Frau, sehr elegant, trat ein.
„Nun, Edward, bist Du fertig? Wir wollten doch zur Ausstellung."
„Ja, teure Gattin, setze Dich zuerst, ich will Dir nur erzählen, was eben vorgefallen ist."
Kaum hate er geendet, als sie ängstlich fragte: „Und du hast ihm das Geld gegeben?"
„Was blieb mir weiter übrig: hunderttausend Dollar in einzelnen Tausendern."
„Um Himmelswillen — Edward! Edward!"
„Nun tröste Dich — die Scheine waren falsch!"
„Was sagst Du — falsch-?"
„Ein jeder trägt das Wasserzeichen: Vorsicht — gestohlen!"
„Wo hast du sie denn her?"
„Für solche Fülle eigens anfertigen lassen. Sobald der Mann den ersten Schein ausgibt, fängt er sich in der eigenen Falle!"
Sich vor Lachen schüttelnd, bestiegen sie das Auto.
iv Gebote fiir den SommMiWer
1. Erwarte in der Sommerfrische keine getreue Kopie Deiner heimischen Umgebung und Verhältnisse.
2. Erkläre nicht allen, die es hören und die es nicht hören wollen, daß bei Dir zu Hause alles viel besser sei!
3. Drücke lieber ein Auge zu, als Dir durch ständige Beanstandungen und ständigen Aerger die Ferieniage zu verderben.
4. Wiege Dich nicht in dem Wahn, daß Du der einzig wichtige Gast in der Sommerfrische seist und sich schließlich alles nach Dir richten müsse.
5. Wenn Du nachts um ein, zwei Uhr oder noch später nach Hause kommst, denke daran, daß andere Leute schlafen wollen. Lautes Abschiednehmen, Lachen und Gesangsvor- träge sind um diese Zeit wenig beliebt — bei den andern!
6. Man kann Schuhe auch ohne Gepolter vor dis Türe stellen. Falls Dir dies nicht gelingt, befördere wenigstens beide gleichzeitig hinaus, sonst kann Dein Nachbar oder lln- terwohner nicht einschlafen, weil er auf den zweiten Stiefel wartet.
7. Es ist nicht unbedingt nötig, daß Du morgens auf dem Balkon mit Deiner Gattin hüusllche Szenen ciusjährst oder ihr den Leitartikel der Zeitung laut vorliest. Gönne anderen die Morgenruhe!
8. Verlange von den Angestellten des Hotels oder der Pension keine unnötigen Leistungen. Bedenke, daß die Zeit Deiner Erholung für sie die Zeit der schwersten Arbeit ist.
9. Kartenspielen ist nicht das Wesentlichste angesichts berühmter Aussichtspunkte!
10. Bringe in die Sommerfrische gute Laune und den Willen mit, Dich auf alle Fülle gut zu erholen und die Ferien zu genießen. Dann wird die Sommerfrische auch von Erfolg begleitet sein!
Anekdote von Hermann Neumann- Hörde
Man schrieb das Jahr 1869. Eines Morgens trat ein französischer Offizier in die Werkstatt des Schuhmachermeisters Wibbelt und bestellte bei ihm ein Paar Stiefel aus Juchtenleder, mit einer genauen Angabe der Beschaffenheit. Danach waren sie mit einem breiten Nahmen zu versehen, der Sporenansatz von genau einem Zentimeter Breite und die Kappe inwendig mit einer doppelten Wandung feinsten Ziegenleders auszüfüllen. Die Schäfte durften nicht höher als 38 Zentimeter sein, über den Enkeln genau drei Falten werfen und am oberen Ende als Abschluß einen schmalen Streifen weißen Ziegen- oder Schafsleders tragen. Der Meister schüttelte lächelnd den Kopf, sagte aber nichts. Er bat den fremden Herrn, auf einem Schemel Platz zu nehmen und schob gleichzeitig einen weiteren kleineren hinzu, damit der Franzose seine Füße draufstelle. Der Offizier wunderte sich, daß sich der Meister beim Maßnehmen nicht so tief bücken wollte, und sagte etwas erbost: „Ihr Deutschen scheint nie den richtigen Respekt vor eurem Herrn zu bekommen."
„Doch", erwiderte der Meister unerschrocken, „für unseren wahren Herrn wohl. Was wir nie bekommen, sind weiche Nacken."
Dabei flog ein spöttisches Lächeln über seinen Mund. Der Franzose nagte an seiner Unterlippe, erwiderte aber nichts. Er war sichtlich benommen und ging, als das Maßnehmen beendet war, schweigend und mit gerötetem Kopf hinaus.
Am anderen Tage erschien er wieder und fragte nach seinen Stiefeln. Natürlich waren sie noch nicht fertig. Das wäre auch nicht so schlimm; er habe es sich nämlich anders überlegt. Der Rahmen sollte etwas breiter werden, als er gestern gewünscht habe. Der Meister versprach es.
Am nächsten Tage erschien der Offizier jedoch wieder und sagte, daß er es sich nun wieder anders überlegt habe. Er wolle doch lieber nicht den ganz breiten Rahmen nehmen, sondern den erstmalig angegebenen.
„Ja", sagte der Meister, „ich will ihn wieder schmaler machen, wie Ihr es wollt."
Dann vergingen zwei Tage, an denen der Franzose nicht in der Werkstatt des Meisters erschien. Am dritten kam er wieder und hatte eine neue Aenderungi Er wünschte in die Schäfte nicht drei, sondern vier Falten gelegt. Der Meister verzog keine Miene, sondern sagte: „Vier Falten? Ja, ich werde Euch vier Falten hineinlegen, wie Ihr es wollt."
Wieder vergingen einige Tage. Dann erschien der Franzose von neuem. Der Meister stellte ihm die fertigen Stiefel hin. Der Offizier besah sie sich genau. Sie waren wunderbar gearbeitet. Aber er wußte doch etwas daran auszusetzen. Der weiße Streifen oben wäre etwas zu breit, er wünschte ihn etwas schmaler.
„Wie Ihr wollt", sagte der Meister Wibbelt und verzog keine Miene.
Am anderen Morgen holte der Franzose dann endgültig die Stiefel ab. Sie gefielen ihm ausnehmend gut. Als er seine Schuld bezahlte, sagte er: „Ich wundere mich nur immer, wo ihr Deutschen eure Langmut hernehmt. Diese Stiefel habe ich nun mutwillig viele Male verändern lassen, und sie sind trotzdem herrlich gearbeitet. Wie konntet Ihr das nur?"
Da lächelte der Meister: „Ich will Euch die Wahrheit sagen: Ich habe sie nicht ein einziges Mal verändert. Es ist nämlich Meisterarbeit, und die läßt sich nicht verändern." Lagte es und kehrte sich stolz wieder seiner Arbeit zu.