Zusammenarbeit mit Partei und Staat zu höchsten Leistungen befähigen und sie damit instandsetzen, im wahren Geist des Schöpfers gemeindlicher Selbstverwaltung, des Reichsfreiherrn vom Stein, mitzuwirken an der Erreichung des Staatszieles, in einem einheitlichen, von nationalem Willen durchdrungenen Volke die Gemeinschaft wieder vor das Einzelschickfal zu stellen!"
In diesem Gedanken liegt zugleich auch die Tatsache verwurzelt, daß die Gemeinde, die die Erundzelle des neuen Staates darstellt, auch in wirtschaftlicher Hinsicht kein Eigenleben für sich mehr führt, und für sich selbst nichts zu erwirtschaften sucht, sondern nur die eine Verpflichtung kennt, dem Wohl des ganzen Volkes zu dienen. Das bedeutet, das; alle Erträge an Steuern und Abgaben, die die Bürger an die Gemeinden zahlen, der Allgemeinheit wieder zufließen. Hierbei ist zu bemerken, daß die Gemeinden nur noch bezüglich derjenigen Versorgungsanstalten selbständige Unternehmer sind, die von Privatunternehmern nicht geführt werden können, so daß sie also keineswegs mehr wie früher einmal, als Konkurrenten der freien Wirtschaft austreten.
Welche gewaltige Rolle die deutschen Gemeinden daneben als Auftraggeber der Wirtschaft spielen, davon gibt die Ausstellung mit den verschiedenen Zahlenbeispielen einen Begriff, der jede Erwartung llbertrifst. Unmittelbare Aufträge vergaben die Kümmereiverwaltungen an die Privatwirtschaft im Rechnungsjahr 1933/34 im Werte von einer Milliarde und 839 Millionen RM. Diese enorme Summe setzt sich zusammen aus 1,291 Milliarden Sachausgaben und 548 Millionen RM. für Neubauten. Die letzte Zahl besagt nicht etwa, daß die Gemeinden selbst als Auftraggeber für Neubauten auftreten, sondern der Bauwirtschaft durch geldliche Unterstützung beim Wohnungsbau ihre Förderung angedeihen lassen.
Um die bedeutsame Verkettung der deutschen Gemeinden mit unserer Wirtschaft erkennen zu lassen, braucht man nur einige Tatsachen sprechen zu lassen. Es ist zum Beispiel interessant zu erfahren, daß mindestens 4 Milliarden RM. im Verkehrswesen der Gemeinden angelegt sind, was etwa einem Siebentel unseres Volksvermögens enispricht. Die gleiche Summe ist als Anlage in der Wasserversorgung der deutschen Gemeinden vorhanden. Von den 139 gemeindlichen Straßenbahnen befahren allein die 3000 Berliner Straßenbahnwagen täglich eins Strecke von 938 Kilometer. Die Berliner Verkehrsgesellschaft muß für die Uniformbeschaffung ihrer 15 000 Verkehrsbeamten jährlich nahezu 2 Millionen RM. aufwenden. Täglich müssen in der Reichshauptstadt die Straßen gereinigt, unterhalten und ständig erneuert werden, deren Gesamtlänge von 4064 Kilometer die Entfernung von Berlrn nach Bagdad ausmacht. 9000 Firmen find beim Beschaffungsamt Berlin für Lieferungen zu- zelassen, allein für die Cchuhbeschaffung der uniformierten Beamten und der Hilfsbedürftigen sind 4800 Schuhmacher tätig. Diese Aufzählung ließe sich noch beliebig ergänzen, aber schon die gemachten Andeutungen genügen, um zu zeigen, welch bedeutsamer Arbeitsbeschaffer die deutschen Gemeinden sind. Gerade in der Gemeinde, von denen jede eine Erundzelle des Staates darstellt, bietet sich dem Einzelnen die beste Möglichkeit, zu seinem Teil für die Gemeinschaft zu wirken und damit dem Wohle des Pollsganzen zu dienen !
Erscheinungsformen
des Gelenkrheumatismus
Eine Infektionskrankheit — Herzleiden im Gefolge Von Helmuth Zindler
Der Gelenkrheumatismus wird heute als eine Infektionskrankheit angesehen, obwohl sein Erreger nicht sicher bekannt ist. Wahrscheinlich gehört er zu den Erkrankungen, die durch eine besondere Streptokokkenart erzeugt werden. Sein Erscheinungsbild ist außerordentlich wechselnd; er verdient aber besonders deswegen besondere Aufmerksamkeit, da er oft überaus schwerwiegende Folgen hat, die das Schicksal eines Menschen noch nach Jahren bestimmen können. Besonders bei Kindern und Jugendlichen muß er daher unbedingt erkannt werden, damit sie weiterhin genügend beobachtet werden, wenn sie die Krankheit einmal durchgemacht haben.
Gerade bei Kindern ist die Diagnose aber oft deswegen erschwert, weil die Eelenkerscheinungen, die beim Erwachsenen so sehr charakteristisch sind, im jugenlichen Alter sehr flüchtig sein können. Es ereignet sich häufig, daß der wegen Fieber und Gelenkschmerzen herbeigerufene Arzt an den Gelenken des Kindes keinerlei Veränderungen mehr vorfindet, da inzwischen einige Stunden vergangen sind, lieber die Schwere der Krankheit besagt das aber gar nichts; der Infekt steckt im Körper und ist immer ernst zu nehmen!
Die Anfälle wiederholen sich häufiger — im Verlauf der Erkrankung wird in einem Hohen Prozentsatz das Herz mit befallen. Es kommt zu einer Entzündung der Herzklappen, die durch die im Körper kreisenden Erreger ver- ! ursacht wird. Dies ist die gefürchtete Komplikation des Leidens. Spätere Herzfehler sind in sehr häufigen Fällen auf einen überstandenen Gelenkrheumatismus zurückzuführen.
Die Entstehung des Herzleidens ist nicht mit absoluter Sicherheit zu vermeiden, da es ja in solchen Fragen immer sehr auf die Natur des Patienten ankommt. Wir haben aber heute ein sehr zuverlässiges Verfayren, um festzustellen,
^ ob der Infekt schon überwunden ist, oder ob zum Beispiel ein erkranktes Kind noch schonungsbedürftig ist und durch Bettruhe vor weiteren Verschlechterungen geschützt werden muß. Es ist die Blutsenkungsgeschwindigkeit, die gerade beim Gelenkrheumatismus die zuverlässigsten Schlüsse auf - die jeweilige Schwere des Zustandes erlaubt. Solange sie beschleunigt ist, wird man dem Kranken absolute Schonung anraten müssen, auch wenn er sich bereits sehr gebessert .. fühlt. Auf diese Weise können schwerere Schäden am Her- k zen oft vermieden werden.
/ Eine andere eigenartige Komplikation des Eelenkrhen- j matismus ist besonders bei Kindern die Entstehung des 1 Veitstanzes Es ist das die hauptsächlich Mädchen be- L fallende Krankheit, bei der unwillkürliche Bewegungen in U oft schneller Folge ausgefiihrt werden. Der Zustand klingt I nach einiger Zeit wieder ab und gibt sich damit als eins
1 vorübergehende, mit auf dem Infekt beruhende Störung
! des Nervensystems zu erkennen. Diese Krankheit hat selbstverständlich nichts mit dem erblichen Veitstanz zu tun, der sich erst im höheren Alter entwickelt und eine der schweren, unter das Gesetz fallenden Erbkrankheiten ist Der kindliche Veitstanz ist oft das einzige Zeichen, daß ein Gelenkrheumatismus Vorgelegen hat und gibt so wieder einen Anlaß zu besonderer Beobachtung des Herzens. Auch hier gibt die Senkungsreaktion wieder Aufschluß über die jeweilige Phase der Erkrankung.
Auch ganz typische Hauterfcheknungen, besonders angeordnete Rötungen weisen den Arzt zuweilen auf die Erkennung eines Gelenkrheumatismus, der eben trotz seines Namens nicht immer aus den Eelenkerscheinungen zu ermitteln ist.
In jedem Falle wird man bei dem Leiden eine Eintrittspforte der Erreger suchen. In vielen Fällen Handel: es sich dabei wie bei anderen Infekten um die Mandeln, auch sind es oft kariöse Zähne. Die Anfälle kehren manchmal so lange wieder, bis man den Herd ausgemerzt hat. Es sind auch Fälle bekannt, wo der Gelenkrheumatismus nach der Operation des Blinddarms geheilt wurde, so daß der Herd wohl dort zu suchen war.
Der Gelenkrheumatismus tritt selten vor dem achten Lebensjahr auf. Er ist sorgfältig von anderen Formen des Rheumatismus zu trennen, die im Kindesalter noch chronischer verlaufen, aber wenigstens für das Herz nicht so gefährlich sind.
Sorgfältige Pflege bei echtem Gelenkrheumatismus und Beobachtung nach der Heilung müssen die Entstehung schwerer Schäden zu verhüten juchen!
Geschwollene Füße
Geschwollene Füße sind ein überaus weitverbreitetes Leiden. Bevor inan an eine Behandlung denkt, muß stets die Feststellung der Ursache oorausgehen. Am häufigsten ist ein Platt-Senk-Spreizfuß die Veranlassung zu einer Schwellung des Fußes. Aber es kommen auch nach viele andere Möglichkeiten in Frage. Vor allem Entzündungen der Weichteile, der Knochen und der Gelenke. Krampfadern, Arterienverkalkung, und schließlich bei doppelseitigen Schwellungen, Herz- und Nierenerkrankungen. Schwellungen, die durch einen Spreizfuß entstehen, beschränken sich gewöhnlich auf die Gegend des Fußrückens. Beim Senk-Plattfuß ist meist der ganze Fußrücken und die Gegend beider Knöchel, beim Knickfuß vor allem und zuerst die Gegend des äußeren Knöchels geschwollen. Das Hauptmittel zur Beseitigung von Geienk- schwellungen, dis durch Veränderungen des Fußknochengerüstes bedingt sind, ist die Einlage. Eine Einlage erfüllt ihren Zweck jedoch nur, wenn sie dem Fuß seine richtige Formstellung zurückgibt. 2m allgemeinen wird hierfür eine eigens gearbeitete Einlage nötig sein. Außerdem müssen noch Fuß- und Krampfaderiibungen gemacht werden. Diese Maßnahmen können, wie unlängst Prof. Pitzen von der Orthopädischen Klinik Gießen ausführte, durch Hochstellen des Fußendes der Matratze, durch nächtliche feuchte Verbände, sowie Wechselbäder, Massage und Heißluft unterstützt werden. Schwellungen, die nicht allzu stark und nicht allzu alt sind, können aus diese Weise noch gut behoben werden. Sonst muß man dem Kranken Bettruhe verordnen, bis die Schwellungen beseitigt sind. Danach muß ihr Wiederauftreten durch einen elastischen Verband verhindert werden, der selbstverständlich nur von einem Arzt angelegt und kontrolliert werden kann. Die Patienten sollen mit diesem Verband möglichst viel gehen, weil das zu einer besseren Blutversorgung durch Selbstmassage der eingewickelten Weichteile führt. Für die Hebungen zur Verhütung von Krampfadern zwei Beispiele: 1. Hinlegen auf den Rücken, die ausgestreckten Beine anziehen, senkrecht in die Höhe stoßen, anziehen, ausstrecken. 2. Mit den senkrecht erhobenen Beinen Bewegungen machen wie beim Radfahren. Dieser Verband bleibt liegen, solange er vertragen wird. Gewöhnlich muß man ihn nach zwei bis drei Wochen ablegen oder durch Eummistrümpfe ersetzen. Besonders bei älteren Frauen findet man in der Knöchelgegend hartnäckige Verdickungen, die durch keine Behandlung zu beseitigen sind. Hier handelt es sich um Fettgewebepolster, die man nur chirurgisch entfernen kann. Schließlich ist noch eine Schwellung des Fußrückens zu erwähnen, die beim Tragen neuer Einlagen auftreten kann, wenn die Einlage den Fuß überkorrigiert. Durch eine Beseitigung dieser Ueberkorrektur läßt sich diese Schwellung leicht beheben.
Die inieNgenien Nkiierr von Amsierdam
4V8VV RM. für 2V8V Nager — Die geprellten Kammerjäger — Und was nun?
Alle See- und Hafenstädte pflegen unter der Rattenplage zu leiden. In Marseille hat man große Hunde angeschafft, um die Ratten jagen zu lasten. In Havre züchtete man eine mächtige Katzenart heran. In Antwerpen verlegt man sich auf Giftgas. In Amsterdam wollte man es mit allen modernen Bekämpfungsmitteln versuchen und versprach sich davon einen sehr großen Er- solg.
Leichten Herzens und voller Hoffnung bewilligten die Hafen- behörden und die Stavtverwaitnng vor zwölf Monaten einen Betrag von rund 40 000 RM. Dieser Betrag wurde an alle diejenigen Stellen weitergeleitet, die sich mit der Rattenbekämpfung befassen. Man verlangte nur eines: eine gelegentliche Mitteilung darüber, wie viel Ratten nun eigentlich erlegt worden seien. Man gab an, daß es genüge, die Zahlen abgerundet zu nennen. Dieses Moment ist zu berücksichtigen, wenn man heute die Rattenbilanz von Amsterdam zur Kenntnis nimmt. Denn auch jene Siegeszahl ist — nach oben abgerundet.
Im Laufe von zwölf Monaten sind nämlich genau 2000 Ratten erlegt worden. Darin sind alle Tiere mit eingerechnet, die irgendwo tot aufgefunden wurden. Manche darunter ist vielleicht sogar an Altersschwäche und nicht an irgend einem der Bekämpfungsmittel zugrunde gegangen. Eine ganz oberflächliche Prüfung dieser Bilanz ergibt also, daß jede getötete Ratte in Amsterdam rund 20 RM. kostet. Das dürften wirklich die teuersten Ratten sein, die jemals irgendwo in der Welt festgestellt oder erlegt wurden.
Die Hafenbehörden und die Stadtverwaltung sind empört und drohen, die Kammerjäger und anderen Persönlichkeiten, die sich mit der Bekämpfung der Rattenplage befassen, zur Rechenschaft zu ziehen und die Rückzahlung der so bereitwillig gespendeten Gelder zu verlangen. Gleichzeitig aber sollen ausländische Spezialisten zu Rate gezogen werden, um nun endlich einmal die wirklich wirksamen Mittel kennenzulernen, die den Ratten zu einem billigeren Preis den Garaus machen können.
Die Kammerjäger von Amsterdam versichern allerdings, daß auch die ausländischen Kammerjäger keinen größeren Erfolg zu verzeichnen haben werden. Man habe es bei den Amsterdamer Ratten mit einer Sorte zu tun, die sich im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte eine solche Intelligenz erwarben, daß weder Fallen noch Gifte diese gerissenen Riesenratten verleiten könnten, den Todesweg zu beschreiten.
Man hatte es mehrfach auch in Amsterdam mit Giftgasen versucht. Derartige Giftgase waren jedoch gefahrlos nur bei leerstehenden Gebäuden anzuwenden, da sonst die Giftgase sich auch in den lagernden Waren festsetzten und deren Zustand veränderten oder doch im ungünstigen Sinne beeinflußten. Nun aber haben Ratten ein äußerst seines Gefühl dafür, wo ihnen Gefahr droht oder wo für sie nichts mehr zu holen ist. Gewöhnlich räu
men sie Häuser und Lagerschuppen gleichzeitig mit Sen Möbeln oder der Ladung, so daß man in der Mehrzahl der Fälle in jenen durchgasten Häusern oder Lagerschuppen allerhöchstens tote Schaben, ein paar Wanzen und Spinnen vorsand — aber keine Ratten. Diese hatten sich längst in Getreidespeicher zurückgezogen, wo sie sich für die nächsten Wochen oder Monate sicherer fühlen konnten.
Wenn man berechnet, daß der durch die Ratten direkt und indirekt angerichtete Schaden in Amsterdam in die Millionen geht,
dann wird man begreifen, daß Summen von 40 000 RM. leichtherzig bewilligt wurden im Kampf gegen die Ratten. Wenn die Ratte dann in der Erlegung auf 20 RM. das Stück kam, lag es eben an ihrer Klugheit. Paul Richartz.
Anekdoten um Ampere
Zum Ivo. Todestag des großen Physikers am 10. Juni
Das „Wunderkind"
Ampere, der große französische Mathematiker u. Physiker, zeigte schon als Kind ein ausgesprochenes Verständnis für die Welt der Arithmetik. Sein Sinn für Zahlenbegriffe schärfte sich schon in frühester Jugend, daß er später oft im Scherz erklärt hat, er habe früher rechnen als sprechen gelernt. In der Schule hielt sich der kleine Andrs-Marie lange bescheiden im Hintergrund, bis der Lehrer seine überragende Begabung erkannte und bereitwilligst förderte. Er ließ besondere Rechenbücher für den gelehrigen Knaben kommen und weihte ihn verständnisvoll ein in die Grundlagen der mathematischen Wissenschaft. Aber es dauerte nicht lange, so mußte er zugeben, daß sein Schüler bei ihm nichts mehr lernen könne.
Vergessenheit
Beschäftigte sich Ampere mit einer wissenschaftlichen Frage, so konnte er sich in diese — nach seinem eigenen Ausdruck — mir einer begeisterten Versessenheit vertiefen, die ihn Zeit und Raum völlig vergessen ließ. Einst geschah es, daß seine Wirtschafterin ihm den Morgenkaffee in das Zimmer brachte. Zu ihrem größte» Erstaunen saß der junge Mathematiker, der sonst kein Freund des Frühaufstehens war, bereits am Schreibtisch bei verhängten Fenstern und brennendem Lampenlicht. Ungehalten über die Störung blickte er von seiner Arbeit auf, trat plötzlich ans Fenster und zog lächelnd die Vorhänge zurück. Er hatte sich die ganze Nacht hindurch so in ein Problem vertieft, daß ihm gar nicht der Gedanke gekommen war, die Nacht sei bereits verstrichen.
Seltsame Angewohnheit
Diese geistige Versunkenheit, mit der Ampore seinen Gedanken nachhing, wurde mit zunehmendem Alter immer stärker. Es konnte geschehen, daß er in Gesellschaft plötzlich mitten im Gespräch abbrach, vor sich hinstarrte und auf der Tischdecke oder den Tapeten Zahlenrechnungen ausführte. Kein Blatt Papier, keine Manschette und selbst kein Teller waren dann vor ihm sicher. So hat er auf einer Festlichkeit seine Tischdame einst schwer beleidigt, als er mitten in scherzendem Gespräch ihren Fächer ergriff und ihn selbstvergessen voller algebraischer Zahlen kritzelte.
Die Droschke als Wandtafel
lleber die Zerstreutheit des großen Gelehrten gehen viele Anekdoten. So spazierte er einst in tiefe Gedanken versunken aus der Straße. Er rechnete vor sich hin und blickte sich dabei hilfesuchend nach einer Schreibgelegenheit um. Da sah er vor sich eine große schwarze Tafel, zog ein Stück Kreide aus der Tasche und setzte seine Berechnungen fort. Plötzlich entfernte sich die „Tafel" vor ihm — es war nämlich das schwarze Verdeck einer Mietsdroschke — und zwang ihn, der Bewegung zu folgen. Ampere lief hinterher, ohne sich der seltsamen Lage bewußt zu werden, folgte dem immer schnelleren Tempo und — rechnete, bis der Kutscher schließlich den eigenartigen „Fahrgast" erspähte und das Gefährt zum Halten brachte.
Die Olympischen Spiele
Klarheit «m ein Wort
Endlich wird der „olympische" Sprachenwirrwarr geklärt! Alle in Betracht kommenden und vor allem die zuständigen Stellen find dahin übereingekommen, die in der ersten Au- gusthälfte in Berlin stattfindenden Olympischen Spiele so zu nennen, wie es ihnen gebührt, nämlich „11. Olympische Spiele 1936".
Der ganze Streit um die sprachliche Bezeichnung wäre nicht entstanden, wenn nicht schon bei der Wiederbegründung der Olympischen Spiele in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die unrichtige Bezeichnung „Olympiade" ausgekommen wäre. Tatsächlich verstand man im alten Griechenland den Zeitraum von vier Jahren zwischen zwei olympischen Festfeiern. Die Olympischen Spiele selbst hießen „Olympien". Nach deutschem Sprachgebrauch mutz es demnach heißen das Olympia und nicht etwa, wie man vielfach fälschlich sagen hörte, die Olympia. D:e Olympiaden-Rechnung oer Griechen ist nichts Ursprüngliches gewesen, sondern sie ist unter Festsetzung der ersten Olympischen Spiele auf das Jahr 776 v. Ehr. zur Zeit des Sokrates, also einige Jahrhunderte später, geschaffen worden. Die Festlegung auf das Jahr 776 ist übrigens rein wrll- kürlich, denn Olympische Spiele haben auch schon vorher stattgefunden. Man kam aber auf dieses Jahr, weil der Sophist Hippias von Elis, ein Zeitgenosse des Sokrates, ein Verzeichnis der Olympischen Sieger verfaßte, bei dem ihm dann die Namen Uber 776 heraus nicht mehr zur Verfügung standen. Schon im Altertum galt Hippias nicht^als besonders zuverlässig, wahrscheinlich hat er auch seinem Siegerkatalog ein wenig nachgeyolfen. Allgemein gebräuchlich oder gar volkstümlich ist die Olyimpaden-Nechnung nicht geworden.
Die Bezeichnung Olympiade für den Zeitraum der Olympischen Spiele war zwar bequem, aber wie man steht, falsch. Auch bei den wintersportlichen Veranstaltungen in Garmisch-Partenkirchen hat man nicht von einer Winterolympiade gesprochen, sondern von den 4. Olympischen Winterspielen. Daß freilich auf einigen Anschlägen und Werbeplakaten die Bezeichnung „Olympiade" zu lesen ist, läßt sich nun wohl kaum noch ändern, ist aber bestimmt kein Grund dafür, sie entgegen der nunmehr endgültigen Sprachregelung auch noch weiterhin zu verwenden. Da die Bezeichnung „Das Olympia" sowieso mit unserem Sprachgefühl nicht harmoniert, va wir allgemein daran gewöhnt sind, Worte, die auf ein A endigen, dem weiblichen Geschlecht zuzuweisen, wollen wir uns nun also Mühe geben, in Wort und Schrift ausschließlich von den 11. Oly m p l - schen Spielen zu sprechen. Es wird uns nicht allzu schwer fallen, umsomehr, als ja kein Mißverständnis über Wesen und Inhalt dieser großen weltsportlichen Ve:anuac- tung mehr besteht. Mögen daher die 11. Olympischen Spiele vor allem dem deutschen Spori die Erfolge bringen, die er sich erhofft!