Nr. 122 .

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Amt«- »xd Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

98. Jahrgang.

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Samstag, den 21. Mai 1921.

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Neueste Nachrichten.

Die Verhandlungen der aPeteifiihrer zur Regierungsbil­dung im Reiche haben gestern stattgesunden und «»erden heute «»eitergeführt.

Die Stadt Diisteldof wird durch Wegnahme weiterer Woh­nungen aufs schwerste drangsaliert.

In der Reichsbankstelle Ludwigshafen beschlagnahmten die Franzosen im Auftrag der französischen Eisenbahnregie über eine halbe Million Mark.

Die französische Kammer tritt am 1. Juni zum ersten Mal zusammen.

Die Konservativen haben im englischen Unterhaus bei ihrem Vorstoß gegen die Regierung eine Niederlage er­litten.

Im Ruhrbergbau ist noch keine Einigung zustande­gekommen.

Vom 1. Juni an sollen die ganz unzulänglichen Beamten­gehälter im Reich allgemein erhöht werden.

Regierungsbildung im Reich.

Die Besprechung Lebr die Frage der Regierungsbildung, zu der die deutsche Volkspartei auf gestern eingeladen hatte, hat stattgefunden und ist nach vierstündiger Dauer abgebrochen.wor­den, um heute wieder fortgeetzt zu werden. Beteiligt haben sich an Leg Besprechungen die Deutschnationalen, die deutsche Volks­sportes, die Demokraten, das Zentrum und di« bayerische Volks­partei. Aus den Verhandlungen verlautet nichts Bestimmtes, die beteiligten Parteien scheinen Wert darauf zu legen, daß di« OeffentlichkNt von dem Verlauf der Verhandlungen nichts er­fahre. Immerhin scheinen die Verhandlungen nicht ergebnislos verlaufen zu sein, da die Teilnehmer die Beratungen heute wie­der aufnehmen. Es scheint, daß die Personenfrage nicht behan­delt wurde, sondern daß sich die Beratungen lediglich auf die sachlichen Probleme beschränkt hat. Nach den Nachrichten» die durchgesickert find, sei bei allen beteiligten Parteien das Bestre­ben unverkennbar gewesen, zu einer Einigung zu kommen und eine gemeinsame Lösung zu finden. Eine Kanzlerschaft Tirpitz, die übrigens im Ausland« eine Ablehnung erfährt, scheint nicht mehr in Frage zu kommen, eine Kandidatur Bülow trug von vornherein den Stempel eines unmäßigen Geredes. Bemer­kenswert ist noch, daß die Verhandlungen um 12 Uhr eine kurze Unterbrechung erfuhren, da di« Vertreter des Zentrums ein« interne Besprechung über einen von den Deutschnationalen zu dieser Zeit vorgebrachten Punkt für notwendig hielten. Unmit­telbar nach der Beendigung der Beratungen trat die Zentrums- fratkion zu einer besonderen Sitzung zusammen. Aus verschie­denen Beobachtungen zu schließen, scheinen sich nähere Zusam­menschlüsse der Deutschnationalen mit der Volkspartei und dem Zentrum anzubahnen. Jedoch gibt es bis jetzt nur Vermutun­gen und jeder Tag kann neue Ueberraschungen -ringen. Tin« vollständige Klärung hat noch nicht stattgefunden und man steht noch nicht, welche Parteien sich zur llebernahme der Regierung entschließen werden. ! ,

Verhandlung«« der Parteiführer.

Berlin, 23 . Mai. Wie aus parlamentarischen Kreisen verlautet, traten auf die Einladung der Deutschen Volks- Partei im Reichstag die Parteiführer des Zentrums, der Demokraten, der Deutschnationalen Volkspartei, der Deut­schen Volkspartei und der Bayrischen Bolkspartei zu er­neuten Besprechungen zusammen. Die Verhandlungen fan- den unter dem Vorsitz des Abg. Scholz statt. Von den Deutschnationalen waren erschienen der Abg. Hergt, der jedoch die Sitzung bald wieder verließ, ferner die Abge­ordneten Wallraf, Schultz-Bromberg, Graf Westarp und Behrens, von de Deutschen Volkspartei Scholz, Dr. Tur- tius und Keubkes, vom Zentrum Stegenoald, Dr. Peter Spahn, Giesberts und Becker-Arns-erg, von den Demo- Daten Vogt, Keinath und'Erkellenz und von der Bayrisch?«

Bolkspartei Einminger. Die Nationalsozialistische Frei­heitspartei wurde zu den Besprechungen nicht zugezogen. Auch der Anregung, Tirpitz zu den Verhandlungen zuzu­ziehen, wrde nicht Folge gegeben. Persönliche Fragen wur­den in der Erörterung nicht berührt. Die Verhandlungen dauerten bis 12fl Uhr und wurden dann durch eine kurze Pause unterbrochen. Sie bewegten sich nur auf sachlichem Gebiete. Der Erörterung werden weitere folgen. Von den Mittelparteien wurde der Anschauung Ausdruck gegeben, daß das Sachverständigengutachten eine Grundlage für die Lösung des Reparationsproblems bilde und daß auf die­sem Fundament weiter gearbeitet werden müsse.

Berlin, 23. Mai. Die Verhandlungen der Parteiführer unter dem Vorsitz des Fraktionsvorstands der Deutschen Volkspartei, Scholz, wurden um 2 Uhr für heute abge­schlossen. Nach einem darüber ausgegebenen Bericht fand eine eingehende Besprechung über die sachlichen Grund­lagen einer gemeinsamen Regierungsbildundg statt. Die Personenfrage wurde offen gelassen. Den Besprechungen lag eine von der Deutschen Volkspartei herrührende, n,1t den anderen Parteien besprochene Ausarbeitung zugrunde. Die Verhandlungen wurden allgemein als vertraulich be­zeichnet. Sie werden am Samstag Vormittag im gleichen Kreise fortgesetzt.

Die Reichskanzlerschaft v. Tirpitz im Ausland unsympathisch

Hag, 23. Mai. Zu den Nachrichten über die Besprechun­gen zwischen den Deutschnati. ral-m und den Mittelpar­teien und den Berliner Meldungen über die von den Deutschnationaken aufgestellte Kandidatur v. Tirpitz für die Reichskanzlerschaft schreibt dasAllgemeen Handels­blad", eine deutsche Negierung unter Leitung d. Tirpitz könne im Ausland kaum auf Sympathie rechnen. Seine politische Vergangenheit lasse den Admiral als wenig ge­eignet erscheinen, zum politischen Leiter Deutschlands in eine mAugenblick, wo Vertrauen und internationale Zu­sammenarbeit das Wichtigste seien.Hed Vaterland" meint, die Deutschnationalen hätten durch den Vorschlag v. Tirpitz eine glückliche Hand gezeigt, da er zweifellos einer der bedeutendsten Köpfe und dabei gemäßigt sei. Das Blatt bedauert im übrigen, daß die Parteirücksichten bei der Bildung des Kabinetts über das Nationale gestellt würden.

Besprechungen der Bayerischen Bolkspartei.

München, 21. Mai. Die Landtagsstaktion der Payer. Volks- partei trat gestern nachmittag zu ihrer konstituierenden ersten Fraktionssitzung zusammen. Bei der Wahl des Fraktionsvor- fitzenden wurde Eeh.-R. Dr Held wieder zum ersten Fraktions- Vorsitzenden gewählt. Er erstattete einen Bericht über di« poli­tische Lage, bei dem die Frage der Bildung einer neuen Koali­tion und die der Regierungsbildung im Vordergrund standen. Daran schloß sich «ine Aussprache, die heute vomitta« fortge­setzt werden wiü>.

Zur Reparationsfrage.

Reue Anforderung«» der Francs««.

Berlin, 23. Mai. Wie den Blättern mitgeteilt wird» haben die Franzosen in Düsseldorf neue Anforderungen aus die Räumung von Privatwohnnngen von Angestellten des Finanzamtes gestellt. Die Wohnungen müssen bis morgen Abend geräumt sein. Die betroffenen Familien müssen vor- läufig in Schulräumen untergebracht werden. Schon jetzt sind in Düssedors 14 Schulen mit insgesamt 262 Schulräu- men beschlagnahmt, 7410 Kinder sind nicht ausreichend be­schult. Ebenso liegen die Verhältnisse in Duisburg, Ruhr­ort, Solingen und anderen Städten.

Französisch« Einbrecher in der Reichsbankstelle Lndwtgshafen.

Ludrytgshasen, 23. Mai. (Drahtb. T.-U) Gestern erschien auf der hiesigen Reichsbairkstelle «in französischer Oberstleutnant mit verschiedenen Gendarmen. Sie erklärten aus Anordnung der Rheinlandkommtssion zu kommen. Die Eisen­bahnregie habe vergeblich eine Lnischädigungsforderung wegen Sabotageakten «intreiben wollen. Da die Summe nicht «langt werden könne, müsse süh die Regie nunmehr aU das Reich hal­

ten. Sie seien beauftragt, 1961 600 Franken zu beschlagnahmen. Der Vorstand der Reichsbankstellc machte den französischen Offi­zier darauf aufmerksam, daß die Gelder der Reichsbank keine Reichsgelder, sondern Privaieigentum seien. Es war aber aus­sichtslos, Widerstand zu leisten, da die Franzosen bis zu den Zähnen bewaffnet waren. Die Bankbeamten erklärten ausdrück­lich, nur d?r Gewalt zu weichen und Protest bei der Rheinland­kommission einlegen zu wollen. Es wurden darauf 53 000 Fran­ken und 5000 000 Mark beschlagnahmt.

Ein Engländer über de Metz.

London, 22. Mai. Der bekannte Publizist und Her­ausgeber derWeftminster Gazette", Hugh S. Spencer, berichtet in der WochenschriftThe Nation" über'die Ein­drücke seiner Reise durch die Pfalz und seines Besuches Lei General de Metz. Spencer bezeichnet die Taten der Sepa­ratisten sowie die Verwüstungen des Regierungsgebäudes in Speyer, dessen Wiederherstellung 100 OOO Goldmark ge­kostet hat, ferner die Vertreibung von 20 000 Bürgern von Haus und Hof als einen Rückfall in das barba­rische Zeitalter. Die weitere Anwesenheit der Se­paratisten in anderer Form, unter dem Namen derRhei­nischen Arbeiterpartei", führe zu Zwischenfällen, wie bei dem Bürgermeister Helfferich. Die Vertreibung der Sepa­ratisten sei die natürliche Folge der in der Bevölkerung herrschenden Unruhe gewesen und nicht bei General de Metz sei dies zu einer fixen Idee geworden das Werk der rheinischen Nationalisten. General de Metz suchte seine Ausweisungsbefehle Spencer gegenüber dadurch zu recht- fertigen, daß die Riickberufung der ^Ausgewiesenen nicht seine Sache wäre, sondern die der Interalliierten Rhein- landkommisfion. General de Metz meinte, Spencer habe als englischer Pressevertreter das Recht, ihn darüber zu befragen, da. in der Rheinlandkommisston nicht nur Dele­gierte PoincarSs, sondern auch solche des Königs van Eng­land säßen. Er fühle sich England gegenüber ebenso ver-) antwortlich wie gegenüber Frankreich. Dieser Hinweis des französischen Provinzdelegierten auf die englische Verant­wortlichkeit führt Spencer zu folgenden Schlußfolgerungen: Wir können also nicht beiseite stehen und sagen: Wae int der Pfalz vorgeht, geht uns nichts an. Die pfälzische Be­völkerung betrachtet uns als ihre Hoffnung."

Ausland.

Tschechische Hetze gegen deutsche Unternehmungen.

Wien, 23. Mai. (Drahtb. W.-N.)

Nach einer Meldung aus Prag hielt Dr. Kramarsch in der Generalversammlung de« Verbandes der tschechischen Industriel­len ein« Rede über die Lage in der Tschechei, in der er aus» führt«, der Staat brauche Unternehmungen, di« ihm treu und ehrlich dienten, unbedingt loyal seien und auf die der Staat im Ernstfälle zahlen könne. Diesen Anforderungen entsprächen je­doch einzelne Betriebe nicht, vor allem solche, die in deutschen Händen seien. Kramarsch sagte» es sei ihm gleichgültig, ob er deshalb als Chauvinist angesehen werbe; er nenne sogar Na­men. Di« Mitkowitzer Werke mit ihrer Germanifierungspolitik riefen nach Verstaatlichung. Die Gruben und Hütten seien von einer solchen kardinalen Bedeutung für den Staat, daß sie nur in verläßlichen, loyalen Händen sein dürsten.

Zn dem italienisch-tschechischen Abkommen.

Paris, 23. Mai. (Drahtb. W. B.)

Zu des italienisch-tschechischen Vertragsverhandlungen in Rom wird <m» Prag berichtet, an zuständiger Stelle wird er­klärt, das Mlienischtschechische Abkommen, dessen Abschluß ron den Leiden Staatsmännern ins Auge gefaßt sei, werde entspre­chend der von dem Völkerbund gebilligten Formel der regiona­len Verträge und im Einklang mit den ständigen Bemühungen der kleinen Entente, die Gewährleistung und, Organisierung des Friedens in Mitteleuropa gestalten. Ein derartiger Vertrag könne logischerwets« nur Fragen tm Zusammenhang mit dem Friedensvertrag zum Gegenstand haben, an denen die Ver­tragschließenden unmittelbar gemeinsa minteressieri seien. Der italienffch-tschechffche Vertrag wird also wahrscheinlich nur fra­gen. di« im Zusammenhang mit der Durchführung d-rseuigen Friedensverträge stehen, di« in Mitteleuropa das Statur der Ssterrrtchrschungarischen Nachfolgestaaten darftellcn enthalley» All« d-cs« Fragen seien, soweit der Vertrag von Trianon mH