Nr. 121

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtrbezirk Talw.

98. Jahrgang.

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Freitag, den 23. Mai 182«.

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4L Soldpfenntg ohne Bestellgeld. Schluh d« Anieigenannahm« L >hr »»rmtttagr.

Neueste Nachrichten.

Die deutsche Volkspartei wird die Verhandlungen über die Regierungsbildung wieder in Fluh bringen. Heute vor­mittag finden erneut Verhandlungen zwischen den Frak­tionen der Deutschnationalen, des Zentrums, der Demo, traten, der Bayrischen Bolkspartei und der Deutschen Volkspartei statt.

Der zukünftige französische Ministerpräsident Aerriot er­klärt sich für eine offene Politik des wahren Friedens.

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Me belgischen Minister Theunis und Hymans bekunden »ine völlige Uebereinstimmung mit Mussolini.

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Mn englischer Schriftsteller stellt i« sachliche« Ausführuu- gen die Mitverantwortlichkeit Englands für die Zu­stände in der Pfalz fest.

Der preuhische Gesandte in München hat wegen des Pri- vatbriefs des bayrische« Innenministers Dr. Schweyer au die deutschhauuovcranische Partei Protest erhoben.

Die Deutsche Bolkspartei fordert im braunschweigische«

< Landtag die Auslösung des Landtags.

Unter dem Loch!

Pfälzer Eindrücke.

Von einer angesehenen Persönlichkeit, die längere Zeit in der Pfalz weilte, wurden uns in liebenswürdiger Weise objektive Mitteilungen über die dort gewonnenen Ein­drücke gemacht, die im unbesetzten Gebiet gelesen zu wer­den verdienen.

Die Franzosen fühlen sich natürlich durchaus als die Herren !jdes Landes, das sie bis in die kleinsten Kleinigkeiten hinein wie »ine Kolonie verwalten. Sie haben es auch nicht unterlassen, den Städten ein möglichst französisches Gepräge anfzudrücken. So haben die Strassen alle französische Namen bekommen, die deutlich sichtbar sind, während die deutschen Strassen- bezeichnungen in kleinerer Schrift angebracht sind. Auch be­gegnet man allenthalben angebrachten französischen Plakaten und Reklamen. In manchen Städten, die besonders stark mit Desatzungstruppen belegt sind, ist jeder zweit« Mensch, der einem auf der Strasse begegnet, ein Soldat dergrossen" Armee. Kein ^Wunder, dass auf dem Pfälzer Volk ein beklemmender Druck , Lastet. Die chm angeborene Fröhlichkeit ist verschwunden. In der Öffentlichkeit begegnen sich Leute, die sich nicht näher ken­nen, mit Misstrauen, besonders in den Eisenbahnzügen herrscht «Schweigen. Denn ein unvorsichtiges Wort kann Gefängnisstra- , fen oder doch wenigstens Verbannung aus der Heimat nach sich ziehen. Man hat schon so traurige Erfahrungen gemacht. Leider fehlt es nicht an Spitzeln, Verrätern und Denunzianten. «Alle öffentlichen Versammlungen, ja sogar die harmlosesten und unpolitischsten Vereine sind anmeldepflichtig.

Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, wenn die Pfäl­zer seelisch sehr deprimiert sind. Irgend eine freie Meinungs­äusserung ist unmöglich. Allein, sie haben etwas gelernt, was ^man rechts des Rheins noch nicht genügend kennt, nämlich elasti­schen Widerstand, der sich nirgends greifen lässt, aber überall sich fühlbar macht. Zwangsjacken kann man nur dem Körper, dem äusseren Leben anlegen, aber umso stärker bäumt sich gegen ein« solche unnatürliche Frerheitsberaubung der Geist auf; und immer hoi noch der Geist über seelenlose brutale Gewalt den Sieg davongetragen. Ist es schon der französischen Kulturpro- 'paganda trotz aller raffinierten Schliche nicht gelungen, die Pfälzer Seele zu umgarnen und einzufangen, so wird das seit >Poincares Regime ein geleitete System des Zwangs und der i Vergewaltigung noch weniger verfangen. Wie Poincare das < deutsche Volk rechts des Rheins wie kein anderer Lehrmeister zu patriotischem Fühlen und Denken erzogen hat, so trifft das in noch viel höherem Masse auf di« Pfalz zu.

Nur eines sollte man hier im unbesetzten Gebiet von unseren Pfälzer Brüdern lernen: s Weniger laut spreche«,

, denn auch bei uns gibt es Spitzel genug; aber umso intensiver ..daran denke«. Für die sauten Kundgebungen und Proteste

bei uns müssen die im unbesetzten Gebiet wehr- und schutzlos den vielfarbigen Trägern französischer Kultur Preisgegebenen noch mehr Fußtritte und Demütigungen hinnehmen, und dies sollte man ihnen wenigstens nach Möglichkeit ersparen.

Ulm er Abendpost.

Zur RegieniWMW iw MH.

Neue Verhandlungen zur Regierungsbildung.

Berlin, 22. Mai. Das Büro der Deutschen Volkspartei teilt mit,: Nachdem auf Veranlassung der Deutschen Bolkspartei die gestern stattgchabten Verhandlungen über die Regierungsbil­dung ergebnislos verlaufen find, hat nunmehr die Fraktion der Deutschen Volkspartei durch ihren Vorsitzenden Dr. Scholz die Initiative ergriffen, um angesichts der Wichtigkeit die besonders dringlichen Verhandlungen wieder in Fluss zu bringen. Nach vorhergehender Besprechung mit den in Frage kommenden Par­teien wurde vereinbart, dass die Fraktionen der Deutfchnatio- nalen, des Zentrums, der Demokraten und der Bayerischen Volkspartei und der Deutschen Volkspartei am Freitag vormit­tag um 10 Uhr zu erneuten Verhandlungen über die Regierungs­bildung im Reichstag zusammentreten.

Di« rheinische Zentrumspattei für Fortsetzung der seitherige» Aussenpolttik.

Berlin, 22. Mai. Nach einer Blätterelmdung aus Köln wurde auf einer gestern abgehaltenen Konferenz der Vertrauensleute, Dorstandsmitgliederusw. der rheinischen Zentrumspattei «ine Entschließung einstimmig angenommen und telegraphisch an den Reichskanzler gesandt, in der es heisst: Die Wählerschaft des rheinischen Zentrums erwartet, dass die Zeutrumsfraktion ins­besondere die bisherige Außenpolitik beibehält und für jene Politik eine Mehrheit sucht.

Di« Industrie- und Handelskammer Aachen für Annahme des Sachverständigengutachtens.

Berlin, 23. Mai. Rach einer Meldung der ,IZoss. Ztg." aus Aachen, hat die dortige Industrie- und Handels­kammer an den Etaatsminister a. D. Wallraf als dem Führer der rheinischen Deutschnationalen folgendes Tele­gramm gerichtet: Industrie und Handel Aachens, vertreten durch die Handelskammer, ermatten von der Deutchnatio- nalen Bolkspartei, daß sie das Sachverständigengutachten unbedingt annimmt, um unabsehbares Unheil von Rhein und Ruhr und dem ganzen deutschen Vaterlande abzu­halten.

Zum Streik im Bergbau.

Eingreife« der Micum in de« Streik.

Berlin, 23. Mai. Blättermeldungen aus Essen zufolge­ist den Zechen im Ruhrgebiet ein Schreiben der Micum zugegangen, daß pch die filr Mai fälligen Reparations­lieferungen der Zechen durch den gegenwärtigen Kamps im Ruhrbergbau nicht vermindern. Infolgedessen habe der Präsident der Micum angeordnet, daß die Lagervorräte der Zechen bis zur Wiederaufnahme der Kohlenförderung plombiert würden. Während dieser Zeit dürsten die Zechen den Lagern keine Kohlen weder zum eigenen Gebrauch, noch zum Versand ohne Ermächtigung der Micum entneh­men. Die Micum habe weiter angeordnet, daß die Lager­vorräte zwecks Reparationslieferung verladen werden. Sollte dies seitens der Zechen nicht geschehen, so werde die Micum die Verladung durch eigene Mannschaften vorneh­men lassen.

Berlt«, 23. Mai. Wie dieVoss. Ztg." aus Bochum meldet, mußten aus fast der Hälfte der Ruhrzechen die Not- standsarbeiten eingestellt werden.

Wie die Blätter weiter melden, ist die Kampfstimmung der Bergarbeiter trotz der wochsenden Not noch stark. Eine Konferenz sämtlicher Funktionäre des Bezirks Bochum des Bergarbeiterverbands stellte sich voll hinter die Beschlüsse der Ruhrrevierkonferenz und betonte ausdrücklich, daß die Bergarbeiter gewillt seien, den Kampf filr die grundsätz­liche 7- bezw. 8-stündige Schicht bis zum Weißbluten zu führen.

Esse«, 28. Mai. Zu der Blättermeldung, dass die beteiligten Organisationen des Ruhrbergbaus von dem Reüchskomm-issar

Mehlich zu weiteren Verhandlungen am 23. Mai eingeladen worden seien, wird mitgeteilt, dass es sich dabei um di« Anhör­ung der Parteien handelt, da nach der Verordnung über das Schiedswesen die für die Entscheidung zuständige Stelle ent­weder selbst oder durch eine von ihr beauftragten Stelle die Parteien vor der Entscheidung zu hören hat.

Königshütte, 22. Mai. Gestern ist der erste Hochofen aus­geblasen worden, während ein zweiter gedämpft gehalten wird.

Opferwoche für die arbeitslose» Bergleute.

Dortmund, 22. Mai. Durch Plakate werden heule Aufrufe zu einer Opferwoche für die arbeitslosen Bergleute verbreitet. Von einigen Antcrhaltungsftätteu werden Wohltätigkeitsdar- bietungen veranstaltet, deren Gesamteinnahmen den notleiden­den Familien zugesührt werden sollen. Für den Aufruf zeichnen der Vorstand der Internationalen ArbeiterhUfe, sowie die Ze­chenbetriebsräte.

Zur Reparationsfrage.

Der zulimstige Präsident Herriot zur Fiuauzpolitik des neue« Kabiuetts.

Paris, 22. Mai. Der Abgeordnete Herriot greift in einem Artikel der .Information" in den Streit der französischen Par­teipresse um die Finanzpolitik des künftigen Kabinetts ein. Er weist die Angriffe der Rechten zurück und schließt mit einer Art Aufruf an das Ausland. Gewiss, erklärt er, wollen wir dis Rechte Frankreichs verteidigen und ihm sein« Reparationen sichern, aber wir wellen auch, dass jedes Volk leben kann. Wir wollen den Frieden. Hört also nicht auf jene Reaktionäre in Frankreich, Leren Politik geraden Weges in den Krieg führt. Helft nus in unserem Kampf gegen die Verleumdung, helft uns bek unseren Anstrengungen, das wahre, wohlwollende und fried­liche Antlitz Frankreichs zu enthüllen. Wir schwören es euch, das wcchre Frankreich spricht nicht aus großen Zeitungsartikeln, dl« den Hass auf der Stirn geschrieben tragen und gegen jeden so­zialen Fortschritt eine Barrikade des morschen Franken aufrich- ten. Freunde des republikanischen Frankreichs, der Demokratie und des Friedens! wo ihr auch seid, helft uns und gebt euch nicht zu dem Manöver gegen unsere.Währung her, dem die De­faitisten des Franken in Frankreich selbst Vorschub leisten. Der Feldzug gegen den Franken ist nur ein erbärmliches politisches Manöver.

Besprechung Mussolinis mit Macdonald?

London, 22. Mai. Der diplomatische Berichterstatter desDaily Telegraph" schreibt, in London sei die Ansicht verbreitet, daß eine private Zusammenkunft zwischen Mus- folini und Macdonald ähnlich der geplanten Zusammen­kunft zwischen Macdonald und dem Nachfolger PoincarLs zu Pfingsten stattfinden werde.

Ausland.

Debatte über di« Arbeitslosenpolitik.

London, 23. Mai. Im Unterhaus hat gestern bei der Einbringung des Voranschlags des Arbeitsministeriums durch den Arbeitsminister Shaw die mit griHer Spannung erwartete Debatte über die Arbeitslosenpolitik der Regie- uug begonnen. Shaw sagte u. a., die internationale Lage sei bei dem Amtsantritt der Arbeiterregierung heikel und schwierig gewesen. Das Prestige Großbritanniens sei ge­ringer als seit Jahrhunderten gewesen. Mohammedaner und Hindus hätten sich im Widerstand gegen England ver­einigt. Wenn nicht die englische Baumwollindustrie wie­derhergestellt werde, könne der englische Handel nicht ge­deihen. Ebenso müßten vollkommen neue Ausfuhrindu- strieen entwickelt werden, oder die Leute, die Englands Feinde geworden seien, müßten zu Freunden gemacht wer­den. Macdonald habe das britische Prestige in der Welt erhöht. (Lautes Lachen bei der Opposition.) Es könne nicht erwartet werden, daß die Regierung in wenigen Monaten die riesigen Fehler ihrer Vorgänger im Osten wieder gut machen Enne. Sie hoffe jedoch, daß sie durch ihre Politik, die zur Befreiung Europas führe, in der Lage sein werde, die Türkei zu befriedigen und die britischen Märkte wieder herzuftellen. Der internationale Frieden sei die Grundlage des Handels. Die Regierung habe in ihre Innen- und Außenpolitik Vertrauen und Sicherheit geschaffen^ sodatz