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Fernruf 479
Mittwoch de« 21. August 1S35
Fernruf 479
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70. Jahrgang
Führt Mars das Regiment?
Zum Fiasko der Pariser Konferenz — Vor der Schicksalsstunde des Völkerbundes
NSK. Nachdem der Völkerbund ebensowenig wie die von ihm beschlossene Pariser Konferenz in der Lage waren, den seit Monaten drohenden italienisch-abessinischen Kriegsausbruch zu verhindern, hat man sich nunmehr auf die direkte diplomatische Verständigung zurückgezogen und hofsr, voller Verzweiflung und Unruhe das Verhängnis im letzten Augenblick zu verhindern. Man klammert sich in Paris und London wie ein Ertrinkender an den Strohhalm der persönlichen Fühlungnahme und Aussprache zwischen den Staatsmännern. In diesem Augenblick höchster Spannung, die wie ein unheimliches Gewitter über den Regierungshauptstädten der interessierten Länder lastet, sieht man in der direkten Politik von Kabinett zu Kabinett den letzten Ausweg aus der wohl kaum noch vermeidbaren Katastrophe In dieser größten Not beschreitet man also einen Weg, den das Deutschland in der allgemeinen Außenpolitik als den einzig richtigen erkannt Hai und vorbildlich gegangen ist. Ob es jetzt.allerdings nicht zu spät ist, vermögen wir im Augenblick nicht zu entscheiden. Der Beweis aber ist eindeutig erbracht worden, daß die Politik der großen Konferenzen ein nicht wieder gutzumachendes Fiasko und damit ihre Liquidierung erfahren hat.
Selbst in London und Paris sind sich die politischen Kreise allmählich darüber im klaren, daß das Ende des Völ- kerbundeskau in nochzuverhindern sein dürste. Es wird zwar noch eine leise Drohung mit diesem Instrument an die Adresse Roms gerichtet und angedeutet, daß, wenn Italien in der Erledigung seines Konfliktes mit Abessinien nicht auf die kriegerische Auseinandersetzung verzichtet, gegebenenfalls Maßnahmen erforderlich sein werden, die nicht gerade zu seinem Vorteil beitragen könnten. Wir können uns nicht denken, daß Mussolini in seiner Haltung verharren würde, wenn er die verkappten Warnungen übermäßig ernst nähme. Schließlich ist er ein Staatsmann, der die Genfer Atmosphäre erlebt und auch im übrigen die europäische Politik der letzten Jahre zur Genüge kennengelernt und mitgemacht hat.
Die Nervosität ist denn auch an all den Stellen, die noch irgendwie an das Wunder einer kollektiven Friedenssicherung nach Genfer Muster glauben, außerordentlich groß und zeigt, daß die Nachkriegspolitik nicht nur in einer ernsten Krise schwebt, sondern darüber hinaus vielleicht sogar ein Wendepunkt der zwischenstaatlichen Politik zu erwarten ist. Der Zusammenbruch und das Fiasko der Pariser Verhandlungen sind ein unwiderlegbarer Beweis dafür, daß der Völkerbund weder seine Sendung klar erkannt, noch ihr je zu Anerkennung und Erfolg verholfen hat. Man kann in einem internationalen Gremium niemals die Meinungsverschiedenheiten, die zwischen zwei Staaten ausgebrochen find, in einer Art beilegen, wie es der Völkerbund in entscheidenden Fragen immer und immer wieder unvollkommen und häufig verhängnisvoll getan hat. Es geht eben nicht, daß sich zwei oder mehrere Mächte vorher Uber den Gang der Verhandlungen einig werden und dann dem einen oder anderen Partner des Konfliktfalles eine Alternative zu Füßen legen, der er stch zu fügen hat, ganz gleich, ob sie seinen Interessen und staatspolitischen Notwendigkeiten gerecht wird oder nicht. Das ist die Art kollektiver Politik, die niemals zur Befriedigung, immer aber zu Unsicherheit und Friedensstörung führen mutz.
, Es ist doch nicht so, daß England und Frankreich aus glühendem Idealismus allein eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Rom und Addis Abeba durch mehr oder weniger geschickte Vermittlungsversuche zu verhindern trachten, sondern es spielen dort auch noch Interessen mit, die über die eigentlichen italienisch-abessinischen Streitpunkte hinausgehen. Hinker jedem Krieg pflegen wirtschaftliche Dinge eine häufig nur zu entscheidende Nolle zu spielen. And darüber hinaus ist Abessinien für England ein mindest eben so heißes Eisen wie für Frankreich, deren Kolonialgebiete Abessinien im Süden und Norden umschließen. Die Straße von Aden liegt in unmittelbarer Nähe und führt auf dem kürzesten Wege in die indischen Dominien. Es droht also an einer Stelle ein Krieg, die ein geographischer Mittelpunkt der britischen Kolonialpolitik ist. "Die Bodenschätze Abessiniens, die zum größten Teil noch nicht gehoben sind, sind schließlich ebenfalls ein Faktor, den man den Italienern in London und Paris auch nicht gerade ahne innere Widerstände in die Hand spielen möchte. Und ferner durfte das Rassenproblem nicht ganz nebensächlicher Natur fein, da die farbigen Völker sich immer mehr gegen die Oberherrschaft der weißen Rasse aufzulehnen beginnen. England aber rst ein Herr über die verschiedensten Rassen.
Man sieht also, daß ein italienisch-abessinischer Krieg bei näherer Betrachtung gar keine so belanglose Angelegenheit ' ist, wie man zunächst schlechthin meinen möchte. Es platzen hier außerordentlich viele und delikate Interessen auseinander, zumal man noch nicht weiß, ob nicht auch eine große Weltmacht des Fernen Ostens im Hintergründe irgendwelche Ambitionen verspürt, die noch ungeahnte Möglichkeiten offen lassen. Italien jedenfalls scheint das Gefühl zu Laben.
England und Frankreich sowie oamir dem Völkerbund Paroli bieten zu können, sonst würde man sich vermutlich im Quirinal nicht auf das abessinische „Abemeuer" so versteifen, wie es zweifellos den Anschein hat. Die Kriegsvorbereitungen sind auf beiden Seiten heftig im Gange und haben in den letzten Tagen eine weitere Steigerung erfahren, die ernsteste Besorgnisse rechtfertigen. Die Frage, ob Mars in jenem heißen abessinischen Winkel Afrikas das Regiment führen wird, ist akuter denn je geworden. Auf beiden Seiten der Gegner herrscht eine Stimmung und eine geistige Verfassung, die die besten Voraussetzungen zur Mobilisierung und Kriegserklärung geschaffen hat. Angehörige anderer Völker stellen stch Abessinien zur Verfügung, um auf der Seite des Negus zu kämpfen und dadurch unzweideutig zum Ausdruck bringen, baß sie gegen das weitere Eindringen einer europäischen Macht in den schwarzen Erdteil entschieden Front machen. Für die europäischen Staatsmänner steht die Uhr auf fünf Minuten vor Zwölf. Jede Sekunde kann das Kriegsgewitter losbrechen und dort Flammenzeichen zum Himmel senden, die über das eigentliche Kriegsgebiet hinaus ihre aufrührerische Wirkung unter Umständen nicht verfehlen.
Die Diplomaten an der Themse, der Seine und am Tiber, vielleicht sogar am Genfer See, haben eine Vecant- worrung von ungeheurer Schwere, über die sie sich im klaren sein müssen, wenn sie einst vor der Kritik der Geschichte bestehen wollen. Nicht nur die Interessen der feindlichen Parteien, sondern auch die Sicherheit Europas und darüber hinaus des Weltfriedens stehen auf dem Spiel. Die Geschichte hat Beweise genug dafür geliefert, wie ein einziger Funke ein Pulverfaß zur Entzündung bringen und einen Weltenbrand entfachen kann. Die 'amtierenden Diplomaten der Gegenwart sind noch lebende Zeugen eines Weltkrieges, der fast einen ganzen Erdteil wirtschaftlichen und sozialen Erschütterungen ausgesetzt hat, unter denen die Welt und die Menschheit noch heute leiden. Wenn sie dort unten in Abessinien Mars das Kriegsbeil in die Hand drücken, dann mögen sie stch der Tragweite ihrer politischen Entschlüsse für die beteiligten Völker beizeiten bewußt sein.
Dr. W. Bastian.
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Hake 4 zerstört — 2 Todesopfer
Die Ausstellungsleitung gibt folgende Verlautbarung bekannt: Nach einer Besprechung mit Reichsminister Dr Göbbels beschloß kurz vor Mitternacht die Ausstellungsleitung die
ununterbrochene Fortführung der Ausstellung in de» Hallen 1 und 2,
in denen der Volkssender arbeitet, sowie die Weiterführung der Jndustrieschau in sämtlichen anderen, durch das Feuer gänzlich unbeschädigt gebliebenen Hallen. Lediglich die Jndustrieschau in Halle 4 erfährt eine kurze Unterbrechung und wird mit allen Kräften in kürzester Zeit wieder hergestellt sein. Die Vorführungen des Volkssenders und die Abenddarbietungen gehen programmäßig weiter.
Der Reichssendeleiter Hadamowsky teilt mit: Die Fernsehhalle der Rundfunkausstellung, die neben der ausgebrannten Halle 4 liegt, ist während des Brandes am Montag abend mit Hilfe des Arbeitsdienstes vorsorglich geräumt worden.
Kurze Tugesuberstcht
Das große Brandunglück auf der Berliner Funkausstel- lung, dem die Halle 4 zum Opfer fiel, hat zwei Todesopfer gefordert.
I» der Besichtigung der Ausstellung ist keine Unterbrechung erfolgt; auch die Fernsehanlage wurde wieder in Betrieb gesetzt und die Sendungen des Volkssenders fortgeführt.
In der Hermann Göring-Straße in Berlin stürzte eine Tunnelstrecke der S-Bahn, die noch im Vau ist, auf einer Strecke von 5V Meter ein. Eine Anzahl Arbeiter wurde verschüttet.
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An der Wiege des Reichsarbeitsdienstes, in Kühnau in Anhalt» fand zur Erinnerung an die Verkündung der Idee des staatlichen Arbeitsdienstes vor drei Jahren durch Oberst a. D. Hierl eine Feierstunde statt.
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In London herrscht fieberhafte Tätigkeit, um die Mitglieder des Kabinetts zu einer Sitzung am Donnerstag einzuberufen. Der Kabinettsrat trifft die Vorbereitung für die Völkerbundssitzung, daneben prüft er die Frage, ob die Wasfenausfuhrlizenz für Abessinien erteilt werden soll.
In Paris ist der Schiedsgerichtsausschuß zur 2. Sitznnx zusammengctreten uns hat den Griechen Politis zum 5. Schiedsrichter gewählt.
Nach der Beschränkung des Brandes auf Halle 4 und nachdem einwandfrei feststand, daß eine Gefährdung weiterer Ausstellungshallen nicht mehr zu befürchten war, fand in der Fernsehhalle eine Besprechung der Aussteller statt. Es wurde beschlossen, noch um Mitternacht mit der Wiedereinrichtung der Fernseh st raße zu beginnen.
Großer Sachschaden
Gegen 22.30 Uhr war jede Gefahr der weiteren Ausdehnung des Feuers an der Brandstätte im Ausstellungsgelände gebannt, so daß man einen Ueberblick über den Schaden gewinnen konnte. Die Halle 4 ist vollkommen niedergebrannt. Das Gebäude war bereits ungefähr eine Stunde nach der Entstehung des Brandes zum Teil in sich zusammengestürzt. Gegen 23 Utz^ konnten die letzten Reste der Umfassungsmauer, die auf der einen Seite einer ungeheuren Hitze ausgefetzt waren, während sie auf der anderen Seite ununterbrochen von dem kalten Löschwasfer überflutet wurden, nicht mehr standhalten. Es bildeten sich Risse und bald krachten die Mauern mit großem Getöse zusam- m e n.
Gerade in Halle 4 hatten die führenden deutschen Firmen ihre Geräte zur Schau gestellt. So sind die Stände der Firmen Siemens, Telefunken, AEG., Mende, Seibt usw. zum größten Teil zerstört worden. Auch die Reichspost hat einen großen Schaden zu beklagen. Ferner sind die beiden Ultrakurzwelken- s e n d e r, die das Fernsehprogramm sandten, durch die Flammen sowie durch herunterstürzende Balken vernichtet worden. Auch der alte Rundfunksender Witzleben, der in der ersten Zeit des Rundfunks mit 4 Kilowatt für Berlin arbeitete, ist den Flammen zum Opfer gefallen. Er stand im ersten Stockwerk betriebsfertig als Notfender, für den Fall, daß der Tegeler Sender einmal aussetzte oder ausgcschaltet werden mußte.
Die ganze Umgebung des Ausstellungsgeländes, sowie das Gelände selbst gleichen einem Heerlager. Hunderte von Kraftfahrzeugen flehen in Len Straßen, riesige Menschenmengen umlagern die Brandstätte. Trotzdem herrscht, nachdem SA, und SS.. Arbeitsdienst Reichsheer und ein Teil der Technischen Nothilfe eingegriffen haben, eine mustergültige Ordnung.
Die Räumungsarbeiten
Während noch ununterbrochen in das rauchende und zusammengebrochene Trümmerfeld der Halle 4 der Ausstellungshallen am Kaiserdamm Wasser gegeben wird, um die Schuttmassen abzulöschen, trefsen bereits kurz nach 3 Uhr nachts die ersten Helfer für die Aufräumungsarbeiten ein. Eine Pionierkompagnie wurde noch in der Nacht alarmiert und aus dem etwa 60 Kilometer entfernt liegenden Zossen nach dem Berliner Westen geschafft. Gleich nach ihrem Eintreffen traten sie in Tätigkeit und leisteten in mehreren Stunden angestrengtester Arbeit kaum Glaubliches.
Unter sachgemäßer Führung gingen sie dem Trümmerfeld zu Leibe, das zunächst vollkommen heruntergerissen wurde. Immer noch ragten angekohlte, zum Teil 10 Meter hohe Balkenteile in die Luft und bildeten eine Gefahr für die aufräumenden Mannschaften. Zunächst wurden diese Stümpfe niedergerissen und gleich auf einen Haufen am Rande der Halle aufgeschichtet.
Da die Mauerfront der Halle 4 zur Straße hin sich als zu standhaft erwies, wurden gegen 7 Uhr di« Arbeiten zunächst eingestellt und Material zur Sprengung dieser Mauer herbeigeschafft. Eine lange Kette Lastkraftwagen sammelte stch am Ausstellungsgelände. Wagen für Wagen fuhr an der Halle 4 auf und wurde zunächst von den Pionieren beladen. Kurze Zeit darauf rollten die ersten mit Schutt. Balken und traurigen Ueber- resten der schönen Jndustrieschau beladenen Wagen durch die Halle 5 zum Ausstellungsgelände heraus nach einem in der Nähe gelegenen Sportplatz, der behelfsmäßig als Schuttabladeplatz benutzt wird.
Auch am Funkturm-Restaurant haben bereits in der Nacht die Aufräumungsarbeiten begonnen, die sich allerdings etwas schwieriger gestalteten, da die Brandstelle etwa SO Meter über der Erde liegt.
Die anderen, gestern zum Teil vorsichtshalber geräumten Hallen waren jetzt wieder in Ordnung gebracht. Sie liegen schon aufgeräumt da. Die ersten Aussteller trafen alsbald ein, um ihre Erzeugnisse neu aufzubauen. Von draußen ist nur nach der Ostseite hin die Wirkung des Brandes zu spüren; von den anderen Seiten aus bemerkt man nichts von dem Riesenbrand, der gestern seine verheerene Wirkung ausübte.
Rundfunkausstellung wieder eröffnet
Die 12, große Deutsche Rundfunkausstellung ist Dienstag morgen 9 Uhr zu gewohnter Stunde wieder geöffnet worden. Draußen hatte sich wie an früheren Ausstellungstagen bereits wieder eine nach Hunderten zählende Menge eingesunden, die auf die Oeffnung wartete. Kurze Zeit nach der Oeffnung waren die freigegebenen Hallen bereits wieder von einer mehrtausendköpfigen Besucherzahl belebt.
Gegen ausländische Lügennachrichten
Im Rahmen der S. Volkssendung nahm Reichssendeleiter tz a- damowsky das Wort, um stch mit ausländischen Lllgennach- richten über die Rundfunkausstellung auseinanderzusetzen. Er führte dabei «. a. aus: In anderen Ausstellungen muß man draußen Reklame machen, damit das Volk sie besucht. Wir hatten für beute vormittag und für Mittwoch vormittag die Aus-