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Samstag, den 29. März 1930

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Jahrgang 102

Die Neubildung der Reichsregierung

' Dr. Brüning versucht ein Kabinett ohne koalilionsmäßige Bindung zu bilden

Der Auftrag des Reichspräsidenten.

TU Berlin, 29. März. Der Reichspräsident hat gestern de» Fraktionsvorsitzendcn des Zentrums, Dr. Brüning, mit der Neubildung der Reichsrcgicrnng beauftragt.

Die amtliche Mitteilung über die Betrauung Brünings lautet: Der Herr Reichspräsident empfing gestern vormittag den Neichstagsabgeordn. Dr. Brüning und erteilte ihm den Auftrag zur Neubildung -er Neichsregierung. Hierbei brachte der Herr Reichspräsident zum Ausdruck, daß es ihm ange­sichts der Schwierigkeiten der parlamentarischen Lage nicht zweckmäßig erscheine, die künftige Reichsrcgicrnng ans einer koalitionsmässigen Bindung aufzubauen. Dr. Brüning hat den ihm in dieser Form erteilten Auftrag angenommen.

Beginn der Verhandlungen über die Regierungsbildung.

Der Abgeordnete Dr. Büning empfing im Reichstag im Laufe des Frcitagmittag nacheinander den Reichskanzler Hermann Müller- Franken und Dr. Breitscheid, den NeichSivehrminister Groener, die Leiden Abgeordneten Keudell und Treviranus von der Christlichnationalen Arbeitsgemeinschaft, den Abgeordneten Schiele lDeutsch- national) und den Neichsernährungsininister Dietrich. Dr. Brüning empfing dann im Laufe des Nachmittags den Führer der Wirtschaftspartei, den Abgeordneten Drewitz. Weitere Besprechungen hatte Dr. Brüning mit dem Führer der Deutschen Volkspartei, Dr. Scholz, mit den Ministern von Guörard, Dr. Wirth, Stegerwal-, ferner mit dem Staatssekretär von Schubert.

Dr. Brüning setzte am Freitag abend seine Verhandlun­gen über die Bildung der neuen Negierung fort. Die Be­sprechungen haben mit einer langen Unterredung mit dem deutschnationalcn Abgeordneten Schiele ihren Abschluß ge­funden. Schiele hat die Uebernahme des Reichsernährungs- m'nisteriums angenommen unter der Voraussetzung, daß ihm die Möglichkeit zu sachlicher Arbeit gegeben wird. Er könne allerdings nur in einem Kabinett arbeiten, das die Bedeutung des deutschen Ostens in vollem Umfang erkenne und anerkenne. Wie die Telegraphchiunion weiter erfährt, ist dem volksparteilichen Parteiführer Scholz von Brüning die Vizekanzlerschaft angeboten worden. Scholz hat, wie ver­lautet, zugesagt unter der Bedingung, baß sowohl Cu rtius als auch Moldenhauer im Kabinett verbleiben. In die­sem Zusammenhang ist für hente vormittag eine Besprechung Brünings mit den beiden bisherigen volksparteilichen Mini­stern vorgesehen. Für den Fall, daß der Abg. Schiele das Ernährungsministertum erhält, ist dem Abgeordneten der

Wirtschaftspartei Bredt das Jnstizministerinm zugesagt worden.

Zu -er auf heute vertagten Entscheidung der Kabinetts­bildung wird noch bekannt, daß Schiele neben den bereits gemeldeten Forderungen für seinen Eintritt in die Regie­rung eine Reihe von Bedingungen gestellt hat, die nicht nur auf dem Gebiet der Landwirtschastshtlfe liegen, sondern auch, wie man annimmt, die Politik -es Neichsaußenministers Dr. Cnrttns gegenüber Polen betreffen. Alle diese Dinge sollen in der Besprechung, die Brüning für heute mit Schiele und Curtius anberaumt hat, behandelt werden. Die bedingungs­weise Annahme des Ernährungsministeriums durch den üentschnationalen Abgeordneten und Lanöbundführer Schiele ist, wie aus deutschnationalen Kreisen verlautet, ein Schritt, der die deutschnationale Fraktion nicht bindet.

Auch für die anderen Ministerien steht die endgültige Be­setzung noch nicht fest. Es scheint, daß die Minister Dr. Wirth, Grüner und Schätze! auch im neuen Kabinett verbleiben. Für das Innenministerium wird neuerdings der bisherige Er­nährungsminister Dietrich genannt, für das Arbeitsmini­sterium Verkehrsminister Stegerwald, für das Wirt- schaftsminMerium der volksparteiltche Abgeordnete von Raumer.

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Eine zuverlässige Prognose über daS Ergebnis der Ver­handlungen Brünings läßt sich, wie die »Germania" be­richtet, noch nicht feststellen. Es sei denkbar, daß sich von der Rechten Kräfte fänden, die bereit seien, km staatspolitischen Sinn des von Brüning angestrebten Kabinetts mitzuwirken. Ebenso bestehe aber auch die Möglichkeit, baß sich im Lauf der Besprechungen aus der Mitte heraus andere Kombinationen ergeben, um die Aufgaben zu erledigen, an denen das Kabinett Müller gescheitert sei.

Ei» Aufrnf des Vorstandes der SPD.

Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei veröffent­licht im »Vorwärts" einen langen Aufruf, in dem der Ver­sucht gemacht wird, die Haltung der sozialdemokratischen Neichstagsfraktion bei den Finanzverhandlungen zu recht- fertigen und der Deutschen Volkspartei die Schuld an dem Sturz des Kabinetts Müller zuzuschieben. Es wird darauf hingewiesen, daß die Sozialdemokratie nicht an der Arbeits­losenversicherung rütteln lasse. De« Kampf, de» die Sozial­demokratie i« der Negierung geführt habe, werde sie auch außerhalb der Regierung sortsetze«.

Ein Moratorium für den deutschen Osten

Forderungen zur Behebung der großen Landwirtschaftsnot

TU. Berlin, 29. März. Dr. Hugenberg, Dr. Schiele und Dr. Oberfohren haben im Reichstag eine Inter­pellation etngebracht, in der ein Moratorium für den Osten gefordert wird.

In der Interpellation heißt es u. a.: Der Znfammenbrnch der Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse hat ganz allge­mein» besonders aber in der Provinz Ostpreußen, Pommern, Grenzmark, Posen-Westpreußen, Brandenburg, Oberschlesien, Niederschlesien und Mecklenburg sowie den angrenzenden Gebieten zu «nhaltbare» Verhältnissen geführt. Di« bisheri­gen Anforderungen von seiten der öffentlichen Hand an Steu­ern und anderen Lasten haben die landwirtschaftlichen Be­triebe restlos erschöpft und besonders im Osten erhebliche Eingriffe in die Substanz in einem Umfange erforderlich ge­macht, baß eine ordnungsmäßige Bewirtschaftung i« -er Mehrzahl der Fälle nicht mehr gegeben ist. Nachdem die Interpellation die Hilfsaktion der Reichsregierung als un­zulänglich bezeichnet, wird die Frage gestellt, ob die Neichsregierung endlich bereit sei, eine durchgreifende Hilfs­aktion besonders für den deutschen Osten im Sinne der For­derungen des Reichspräsidenten durchzuführen und insbe­sondere folgenden Forderungen zu entsprechen:

1. Vorlage eines besonder« Notgesetzes durch bas dem Osten bis zur Wiedererlangung der immer wieder ver­sprochenen Lebensgrundlage ein Zahlnngsansschnb ge­währt wird.

L Vorlage eines besondere» Gesetzes über ei» Vergleichs­verfahren bei landwirtschaftlichen Betrieben, das im Falle von Zahlnngsstocknngen vor Einleitung von Zwangsver­waltungen oder Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen ein außergerichtliches »der ge­richtliches Vergleichsverfahren verschreibt. Daz«

». Bereitstellung von jährlich mindestens 209 Million-« Reichsmark für den Oste« ans die Dauer von 5 Jahre« ,«r Senkung der Zinse« ans Reichsbankdiskont, znr Schaffung eines BetrkcbserhaltnngsfondS für Betriebe

aller Größe«, zur Fortsetzung der Umschuldung und zur Regulierung der Sreditverhältniffe.

1. Die Durchführung der Hilfsmaßnahme« in die Hände der Provinz «ud der landwirtschaftliche« Bernfsver- tretnug z« lege«.

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Das Gaststätten-Gesetz im Reichstag

TU Berlin, 29. März. Im Reichstag «mrd« am Kre'tag der Rotha « Khalt» der die Regierung ermächtigt» für di« Monate April bis Juni bis z« einem Fünftel der Ansätze für 1929 anszngeben, entgültig verabschiedet. Das Hans setzte dann die zweite Beratung des Gaststättengesetzes fort.

Abg. Köster iWP.) erinnerte an die früheren Versuche, den BedürfnisnachweiS für die Schankkonzessionen einzu- sühren. Gegen diesen Versuch habe sich schon der frühere Reichspräsident ESert, damals Gastwirt und Mitglied der Bremer Bürgerschaft, gewandt. Gegen die weiteren Bestim­mungen des Gesetzes legte er Verwahrung ein. Abg. Spar-" rer (Dem.) warnte davor, die Konzessionen nur nach dem Bedürfnis zuzulassen. Verfehlt sei eine schematische Rege­lung -er Polizeistunde. Man müsse auf ortsübliche Ge­bräuche Rücksicht nehmen. Die zeitweise Trockenlegung an Lohntagen würde zu wirtschaftlichen Schädigungen führen. Besser wäre eine Beschränkung des Verbots auf einige be­stimmt« Stunden. Hoffentlich wetde das Gesetz noch von die­sem Reichstag verabschiedet. Abg. BickeS lDVP.) wies darauf hin, daß das Gesetz auch gesundheitlich« und ethische Ziele habe. Es solle alS brauchbares Mittel im Kampf gegen den Mißbrauch geistiger Getränke nnd zum Schutz der Fu­gend vor den Gefahren des AlkoholmißbrauchS dienen. Die Todesfälle, die auf übermäßigen Alkoholgenuß zurückzufüü- ren seien» seien geringer geworden. In Nordamerika lei trotz brr Trockenlegung die Zahl der Todesfälle mehr als dreimal so hoch. Das deutsche Volk sei gesund und nüchtern. Zu begrüßen sei das Verbot deS Branntweinausschanks auf

Tages-Spiegel

Der Reichspräsident hat den Fraktionsvorsitzendcn des Zen­trnms» Dr. Brüning, mit der Kabinettsbildung beanftragt.

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Die Bildung des Kabinetts Brüning, welches vom koalitionS» mäßiger Bindung frei sei« soll, ist «och nicht abgeschlossen. Die Entscheidung wird heute falle».

Der Landbnndführer Schiele ist bereit, in das Kabinett ei«, -»treten, wen» er Garantie« i« der Ostpolitik erhalt.

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Die Dentschuationale Reichstagsfraktion ist -er Auffassung» daß «nr dnrch Renwahleu znm Reichstag «in Ausweg ans der nun entstandene» politischen Lage gesunde» wird.

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D«r Reichstag hat gestern de« Rotetat verabschiedet und sich bis nach der Bildung der neue« Negierung vertagt.

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Di« dentsch-franzSfische« Saarverhandlungen waren in letz­ter Zeit ins Stocke« gerate«. Die Führer der beiderseiti­gen Abordnungen haben nun in einer Unterrednng be­schlossen, di« Verhandlnuge« nunmehr in beschleunigtem Tempo sortznführen.

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Ans dem Arbeitsmarkt macht sich ein« stärkere Entlaftnng be­merkbar. Die Gesamtzahl der Arbeitslosen ist «m 88 999 gefalle«; sie beträgt zurzeit «och 9,2 Millionen.

Turn- nnd Sportplätzen. Mit der Relationszahl und dem Reklameverbot könne die Trunksucht nicht bekämpft werden. Der Redner erbat eine Regierungserklärung, wonach die für die süddeutschen Realrechte vorgesehene Frist erst drei Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ablaufen soll. Abg. D. Dr. Kahl lDVP.) sieht den großen Ernst des Problems in dem engen Zusammenhang zwischen Alkoholismus und Verbreche». Die Zeit, wo Trunkenheit einfach als mildern­der Umstand galt, ist zum Glück vorüber. Mit vollem Recht hat der Ausschuß im neuen Strafgesetzentwurf die Bestim­mungen über Trunkenheitsverbrechen sehr scharf gefaßt.

Darauf wurden die Verhandlungen abgebrochen.

Bertaguug des Reichstages bis znr Renbildnng der Regierung.

Der Aeltestenrat des Reichstages beschäftigte sich am Frei­tagnachmittag mit der durch den Regierungswechsel geschaffe­nen parlamentarischen Lage. Er beschloß, an den Dispositio­nen für die Frettagsttzung festzuhalten, also den Nothaushalt und das Schankstättengesetz zu erledigen. Im übrigen wurde der Reichstagspräsident ermächtigt, den Tag der nächsten Sit­zung festzusetzen, die stattfinden soll, sobald die neue Regierung ihre Erklärung vor dem Reichstag abgeben kann. Man rechnet damit vom Dienstag ab, so daß Samstag und Mo^ tag von Vollsitzungen frei bleiben.

Die Poungplandebatte in Paris

TU. Paris, SS. März. Die französische Kammer setzte ge­stern di« Beratungen über die Ratifizierung des Doung- planes fort. Der Abg. DuboiS betonte» daß der Uoung- plan Frankreich nur ein Zehntel seiner Forderungen ein- bringe. Er wandte sich dann gegen die Rheinlandräumung und -te Ratifizierung -eS UoungplaneS überhaupt. Der ehe­malige Ministerpräsident Herriot warf Tardieu vor, im Haag Artikel 4S0 des Versailler Friedensvertrages sSank- tionen) aufgegeben zu haben, was zu wiederholten Ausein­andersetzungen zwischen ihm und dem Ministerpräsidenten führte. Der Redner erklärte sodann, baß der Dawesplan sehr gut funktioniert habe und Frankreich SS Milliarden Franken einbrachte. Tardieu wies darauf hin, baß nicht die Regierung Herriot, sondern PoincarS den Dawesplan ange­nommen habe, woraus sich ein erneuter Wortwechsel zwischen ihm und Herriot ergab. Herriot erklärte, daß im Haag sämt­liche Bürgschaften für die Durchführnng der deutschen Re­parationen falle« gelassen worden feie«.

Wiederaufleben des Genfer Protokolls

Dt« Befriedigung Frankreichs anf der Londoner Konferenz.

TU London, 29. Mär». Ueder die politischen Verhandlun­gen znr Befriedigung der französischen Garaatiewünsche er­fährt der Vertreter der Telegraphennnion zuverlässig, daß das Bestreben dahin gehtz das Genfer Protokoll von 1924 wieder auflebe« z« lasse«. De« zwischen dem englischen nnd französischen Standpunkt bestehenden antzerordenttichen Schwierigkeiten sucht «au dadurch aus dem Wege zu gehen, daß et« allgemeiner Pakt festgesetzt werden soll, der England i« Kak einer Sriegsdrohnng »der im akute» Kriegsfall verpflichten würde, an finanzielle« nnd wirtschaft­liche« Sanktionen teilznnehme«, während jede Erwähnung militärischer »der maritimer Sanktionen vermieden »erde» soll.