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Nummer 95

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Fernruf 479

Mittwoch de« 24. April 1935

Fernruf 479

70. Jahrgang

MMtördienstzett und soziale DerhSltniffe

Die Erfahrungen des Heerespsychologen

Von Dr. Karl Rüttgers.

Unser Vaterland steht vor der Verwirklichung der All­gemeinen Wehrpflicht, und Hunderttausende junger deut­scher Männer hoffen, in die Reihen des Heeres ausgenom­men zu werden. Ganz selbstverständlich ist das nicht für jeden, wenn wir auch eineallgemeine" Wehrpflicht haben, denn oft zeigt sich eine Lunge zu schwach, ein Äuge zu kurz­sichtig oder hört ein Ohr zu schlecht... Zur Entscheidung über die FrageBrauchbar oder unbrauchbar" hat unsere Reichswehr in den vergangenen Jahren die sorgfältigsten Prüfungsverfahren herangebildet, stand sie doch vor der Aufgabe, aus den Millionen waffenfähiger deutscher Män­ner die kleine Zahl von einem Hunderttausend auszuwäh­len. Das mußten dann natürlich die besten und nach jeder Richtung Geeignetsten sein. So traten alle Mittel der mo­dernen Menschenkunde in den Dienst der Sache, und nicht nur über die gesunden Glieder und leistungsfähigen Sinne des zukünftigen Soldaten vermag man sich heute von vorn­herein ein Urteil zu schaffen, sondern auch über die charak­terliche Eignung des Mannes, über seine Fähigkeit, sich einzuordnen, zielstrebig und entschlußkräftig zu handeln oder Spezialleistungen als Funktechniker und Kraftfahrer zu vollbringen. Bei ihrer Arbeit kamen die Heeres­psychologen auch zu der Frage, wie sich die sozialen Ver­hältnisse auf die soldatische Tüchtigkeit auswirken. Laßt die ländliche Siedlung oder die Großstadt den besseren Krieger heranwachsen, sind Einflüsse des Berufes, der Heimatland­schaft, der Familie zu erkennen? Solche Fragen beantwortet zum erstenmal eine Untersuchung von Heinz Masuhr, und es zeigen sich dabei aufschlußreiche Tatsachen :

Die Landbevölkerung scheint im ganzen der Stadtbevöl­kerung soldatisch überlegen zu sein. Man teilte die Bewer­ber beim Reichsheer nach ihrer sozialen Herkunft in Grup­pen (Dorf, Landgemeinde, Klein-, Mittel- und Großstadt) und fragte: wie bewähren sich die einzelnen Gruppen in den Prüfungen die ihrerseits schon jahrelang an der Praxis erproht sind und im praktischen Dienst, über den die Ak­ten Auskunft geben? Das Ergebnis besagt, daß Dorf und Landgemeinde die Entwicklung soldatischer Qualitäten am besten fördern. Die Mittel- und erst recht die Großstadt zeigen sich in dieser Hinsicht in schlechterem Lichte. Man mag dies leicht aus dem gesünderen Leben auf dem Lande, aus der geringeren Nerven- und Seelenbelastung des Dorfle­bens erklären. Es ist kein inhaltloses Schlagwort, daß dis Großstadt Menschenfrißt", sie verbraucht wirklich die Le­benskräfte ihrer Einwohner rasch und läßt sie vielfach gar nicht zur Entwicklung kommen. Besonders bemerkenswert scheint, daß auch hinsichtlich spezial-technischer Leistungen dis Landbevölkerung günstiger heraustritt: Bei der Kraft­fahrt-Type zeigten die Soldaten von ländlicher Herkunft zwar anfangs eine gewisse Schwerfälligkeit in der Erler­nung des Wagenführens, erwiesen sich jedoch auf die Dauer als ruhigere und zuverlässigere Fahrer. Für die funk­technische Eignung ließen sich keine Unterschiede zwischen Land- und Stadtbevölkerung feststellen.

Und die Folgerung aus diesen Erkenntnissen? Keines­wegs sollen wir nun daran verzweifeln, daß wir auch un­sere Großstädte für den Heeresdienst so ausschöpfen könnten wie das Land. Es handelt sich um Unterschiede von etwa 10 v. H. In der betreffenden Statistik zeigten sich 24,8 v. H. der dörflichen Bewerber ungeeignet und 35 v. H. der großstädtischen. Und gerade im zukünftigen Volksheer soll doch möglichst jeder Mann tauglich sein und der Segnungen einer straffen männlichen Erziehung teilhaftig werden. So müssen wir also noch mehr als bisher die unwillkommenen Einflüsse des Stadtlebens ausgleichen, aus den Mietskaser­nen in ruhige, lichte Vororte ziehen und die jungen Men­schen regelmäßig hinausführen in die Natur, wo sie ihre Sinne schärfen, ihre Lungen weiten, ihre lärmgepeinigten Nerven entspannen können. Jugendverbände und Arbeits­dienst gewinnen so eine neue wichtige Beleuchtung.

Zu denken gibt auch das Verhältnis zwischen Familie, größe und soldatischer Eignung. Die Statistik zeigt nän lich, daß von je 100 Bewerbern beim Reichsheer, die ai einzige Kinder aufwuchsen, 43,8 als geeignet befunden ww E von 100 aus Familien mit 2 bis 9 Kindern dagege 52,5 und von 100 aus Familien mit mehr als 9 Kinder sogar 58,7. Man steht also deutlich: Je größer die Geschw sterzahl, umso eher können sich beim Heranwachsenden Me, schen die soldatischen Eigenschaften entwickeln. Und das i Nicht schwer zu verstehen. Das einzige Kind wird sehr o verwohnt und verzärtelt ganz unwillkürlich, denn ui das einzige bangt man bei jeder geringsten Gefahr natu: gemäß mehr, beim großen Haufen kann die Mutter ei, lach nicht zedes Kratzerchen beachten Das einzelne Kin raucht die materiellen Güter nicht mit Geschwistern zu te keU ^ h^r ^ufig Menschen, denen die Fähic

?M»ordnen und Kameradschaft zu halten, abgeh Mdlich. lehrt, die größere.Geschwisterzahl Leden einzelne

sunerbittlich, sich burchzusetzen, sich seiner Haut zu wehren ^und schwierige Lebenslagen zielstrebig zu meistern.

Nun ist allerdings nicht jedes einzelne Kind gleich übel daran. Es läßt sich leicht zahlenmäßig belegen, daß die auf dem Land Aufwachsenden von jenen Nachteilen nicht betrof­fen werden. Bilden doch die Kinder einer Dorfgemeinde beim Spiel eine einzige große Familie, in oer sich alle so­zialen Anlagen entwickeln können. Und vor allem nehmen auf dem Dorf die Eltern nicht Einfluß auf die kindliche Wahl des Spielkameraden, wie es in der Stadt die Ver­hältnisse immer wieder mit sich bringen. Aber auch hier haben wir ein gutes Mittel, um dem zukünftigen deutschen Soldaten Kameradschaftlichkeit und Eemeinsinn von Kin­desbeinen an beizubringen: Jungvolk und Hitlerjugend.

Wer ist WM?

Bestimmungen über die Tauglichkeit im Heeresdienst

Berlin, 22. April. Der VerlagOffene Worte", Berlin W. 35, gibt jetzt die amtlichen Bestimmungen über die Tauglichkeit im Heeresdienst heraus. Danach ist dem Untersuchten nach der ärzt­lichen Untersuchung das Urteil über seine Tauglichkeit bekannt zu geben. Um den hohen Anforderungen des Dienstes in der Wehrmacht zu genügen, sollen als tauglich nur die Unter­suchten bezeichnet werden, die kräftig gebaut, gut ent­wickelt und frei von solchen Fehlern sind, die die Gesundheit, die Beweglichkeit und Ausdauer beeinträchtigen. Geistige Frische und Regsamkeit, Sinn für Kameradschaft und Charakterfestigkeit, sowie erhöhte und gestählte Leistungsfähig­keit durch körperliche Ertüchtigung in den Jugendjahren sind, so heißt es in der Bestimmung weiter. Vorzüge, die in gewissen Grenzen einen Ausgleich für etwa vorhandene körperliche Fehler schaffen. Die Mindest große für den Dienst in der Wehr­macht beträgt 154 Zentimeter Wehrpflichtige und Freiwillige mit einer Körpergröße unter 160 Zentimeter werden jedoch nur eingestellt, wenn besondere Verhältnisse dies erfordern.

Das m il i t ä rz t li ch e Urteil hat zu lauten' Taug­lich (1 oder 2), bedingt tauglich, zeitlich untauglich, beschränkt tauglich, untauglich (für Wehrdienst), völlig untauglich. Ist der Untersuchte körperlich und geistig völlig gesund, von hin­reichender Größe und kräftigem Körperbau, ist er alstaug­lich 1" zu bezeichnen

Tauglich2": Werden bei dem Untersuchten stärkere Feh­ler festgestellt oder hat er eine Körpergröße unter 160 Zenti­meter, so ist er alstauglich 2" zu bezeichnen, sofern der übrige Befund nicht ein anderes Urteil bedingt.

Als tauglich 1 oder 2 sind auch Untersuchte zu bezeichnen, die an vorübergehenden Krankheiten leiden, die mit größter Wahr­scheinlichkeit bis zum Zeitpunkt der Einberufung behoben sind.

Bedingte Tauglichkeit wird durch Fehler und Ge­brechen begründet. Hierunter sind Fehler aufgeführt, die zwar die Gesundheit nicht beeinträchtigen, die Leistungsfähigkeit aber, wenn auch nicht erheblich, herabsetzen.

Zeitlich untauglich sind solche Wehrpflichtige und Freiwilligen, die in der körperlichen Entwicklung stark zurück­geblieben find, oder die infolge überstandener Krankheiten noch nicht wieder im Vollbesitz ihrer Leistungsfähigkeit sind oder die zurzeit der Untersuchung an heilbaren Krankheiten leiden deren Heilung bis zur Einberufung aber noch nicht mit Sicherheit er­wartet werden kann.

Kurze Tagesüberficht

Bei den Vertrauensratswahlen im Reich wurden im Durchschnitt 85,5 Prozent Ja-Stimmen abgegeben, in Württemberg 88,5 Prozent.

Mit dem 17. April ist ein neues Abkommen über den deutsch-schweizerischen Verrechnungsverkehr abgeschlossen worden, das eine Steigerung der deutschen Warenausfuhr bringt.

Der Präsident der Abrüstungskonferenz. Henderson. gab in einer Rede zu, daß man cs versäumt habe, das in den Friedensverträgen eingeschlossene Versprechen zur Abrü­stung gegenüber Deutschland, rechtzeitig einzulösen.

Das neue bulgarische Kabinett Toscheff genießt das be­sondere Vertrauen des Königs Boris. Die kürzlich verbann­ten Führer der volkssozialen Bewegung, Professor Zankoff und der frühere Ministerpräsident Eeorgieff, wurden frei­gelassen.

Das Erdbeben auf der japanischen Insel Formosa hatte größere Verluste an Menschen und Häusern im Gefolge als zuerst gemeldet Ein Teil des Katastrophengebiets

soll nun von W : bedroht sein.

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Der vorläufige Abbruch der französisch-sowjetrussischen Verhandlungen hat einen Sturm aus Laval ausgelöst. Kommunisten und Militaristen fordern in Paris den Rus« jenxgkt.

Beschränkte Tauglichkeit haben Untersuchte mit er­heblichen körperlichen Fehlern und Gebrechen, die die Leistungs­fähigkeit zwar herabsetzen, jedoch noch eine beschränkte dienst­liche Verwendung zulassen. Hierunter fallen auck> Untersuchte, die eine Hilfsschule besucht haben, sofern sie nicht aut Grund anderer Fehler alsuntauglich" odervöllig untauglich" zu bezeichnen sind.

Bei Beurteilung der Untauglichteit muß der Arzt prüfen, ob der festgestellte Fehler den Untersuchten nur für den Wehrdienst untauglich macht. Denn die Ergebnisse der militärärztlichen Un­tersuchungen sollen auch für andere Zwecke (z. B. Arbeitsdienst, allgemeine berufliche Verwendbarkeit) nutzbar gemacht werden können. Es ist hierbei von der Voraussetzung auszugehen, daß ein Untersuchter auch mit einem erheblichen körperlichen Fehler oder einer nicht heilbaren Erkrankung im bürgerlichen Er­werbsleben sehr gut noch eine voll leistungsfähige Arbeitskraft darstellen kann, auch wenn er den Sonderanforderungen des Dienstes in der Wehrmacht nicht gewachsen ist.

Als völlig untauglich sind Untersuchte zu bezeichnen, die infolge hochgradiger geistiger oder körperlicher Fehler und Gebrechen dauernd berufsunfähig sind oder nur unter beson­deren Voraussetzungen eine beschränkte berufliche Tätigkeit aus^ üben können. !

1. Heer

a) Infanterie: Wehrpflichtige und Freiwillige, die den Anstrengungen der Märsche gewachsen sind.

b) Artillerie: Schlankwüchsige, aber kräftige Wehrpflich­tige und Freiwillige.

c) Kavallerie: Wehrpflichtige und Freiwillige mit nicht zu hohem Körpergewicht. Das Gewicht soll 65 Kilo möglichst nicht übersteigen. Da das Gewicht mit Körpergröße eng verkop­pelt ist, soll die Größe 172 Zentimeter möglichst nicht über­schreiten. Kurzen Oberkörper und lange Beine wird man mei­stens unter den Bewerbern von schlankwüchfiger Form finden.

d) Pioniere: Muskelkräftige Wehrpflichtige und Freiwil­lige.Muskuläre" oderrunde Körperbauform". Untersuchte mit einer Körpergröße unter 165 Zentimeter sind nur in be­schränktem Maße zuzuteilen.

e) Nachrichtentruppen: Geistig geweckte Wehrpflichtige und Freiwillige mit guter und schneller Handschrift. Farben­schwache sind nur in beschränktem Umfange zuzuteilen.

f) Kraftfahrtruppen: Gewandte und geistig geweckte Wehrpflichtige und Freiwillige mit gutem Hör- und Sehvermö­gen und unbehinderter Nasenatmung. Farbenschwache und Bril­lenträger sind nur in beschränktem Umfange zuzuteilen.

g) Sanitätstruppen: Geistig rege und kräftige Wehr­pflichtige und Freiwillige. Berufliche Vorbildung ist weniger wichtig als Neigung zum Sanitätsdienst.

Ist ein Untersuchter zwar tauglich, aber auf Grund der vor­stehenden Sonderforderungen für eine bestimmte Waffengattung nicht geeignet, ist dies im Urteil zum Ausdruck zu bringen; z. B. würde das Urteil bei einem fehlerfreien Untersuchten von 180 Zentimeter Größe und Gewicht 72 Kilo lauten:tauglich 1 (nicht für berittene Waffen)".

2. Marine

Für die Wehrpflichtigen und Freiwilligen der Marine gelten hinsichtlich der allgemeinen körperlichen und geistigen Eigen­schaften die gleichen Bestimmungen wie für das Heer. Für ver­schiedene Dienstzweige werden mit Rücksicht auf den langjähri­gen Vorddienst und die Ausbildung an den hochentwickelten Anlagen der heutigen Kriegsschiffe Freiwillige gebraucht, die neben allgemeiner Gesundheit und kräftigem Körperbau in ei­ner Beziehung hervorragen: Seh- und Hörvermögen, geistige Regsamkeit und Ausdauer usw.

3. Luftwaffe

Bei der Luftwaffe sind die Anforderungen je nach der Ver­wendung verschiedenartig. Geistige Regsamkeit und gute Auf­fassungsgabe sind notwendig.

Das fliegende Personal soll möglichst eine Größe von 165 Zentimeter und nicht mehr als 190 Zentimeter haben. Farben- tüchtigkeit und normales Sehvermögen (ohne Glas) wird ver­langt. Die endgültige Auswahl des fliegenden Personals er­folgt erst nach eingehender Untersuchung in besonderen Flieger­untersuchungsstellen.

Für die Luftschutztruppen ist ebenfalls unbedingte Farben­tüchtigkeit und besonders gutes Seh- und Hörvermögen erfor­derlich. Brillenträger und Leute mit einer Größe unter 165 Zen­timeter sollen nur in besonderen Ausnahmefällen zugeteilt wer­den.

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Gesteigerte deutsche Warenausfuhr

Berlin, 23. April. Das Abkommen über den deutsch-schweize­rischen Verrechnungsverkehr vom 26. Juli 1934 nebst Zusatzver­einbarung vom 8. September 1934 ist durch ein neues Abkom­men über den deutsch-schweizerischen Verrechnungsverkehr vom 17. April 1935 ersetzt worden. Der Abschluß des neuen Abkom­mens ist mit. Rücksicht auf den Rückgang des Ueberschusses der