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Nummer 86

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Druck, Verlag u. verautm. Schriftleitung: Theodor Sack, BUdbad t. Sch«.» Wilhelmstr. St, Tel. 47i. Bohnung: Billa Hubertu»

Fernruf 479

Donnerstag den 11. April 1935 Fernruf 47 s

70. Jahrgang

Stre

sa, ein 3 mi

Deutschlands klarer Weg zum Verhandlungssrieden Von Fr Unger-Hartung.

In Deutschland braucht man nicht den Atem anzuhalten, wenn man den Blick auf Stresa richtet. Mag England, wie mitgeteilt wurde, mit 15, Frankreich mit 20 und Mussolini gar mit 25 hohen Beamten und Sachkennern dort antreten, um die Bedeutsamkeit der Stresa-Verhandlungen zu unter­streichen! Deutschland tut das nichts! Stresa ist eine innere, eine häusliche Angelegenheit der Mächtegruppe um den Versailler Eewaltvertrag. Sie kann beschließen, daß Ver­sailles mit Gewalt durchgesetzt werden soll. Sie kann zum andern zu der Entscheidung kommen, daß eine echte allge­mein-europäische Ausgleichs- und Friedenspolitik eingelei­tet werden muß. Abseits von Versailles! Mehr! In der ge­nau entgegengesetzten Richtung! Eine Gewaltpolitik, die den Krieg bedeuten würde, einen Krieg gegen die deutsche Gleichberechtigung, die Hitler dem deutschen Volke mitküh­nem Griff herunter aus dem Himmel" holte, kann bei den Völkern Europas nicht mehr volkstümlich gemacht werden, selbst wenn die verantwortlichen Staatspolitiker sich mit den Waffen gegen die einfachsten Lebensrechte Deutschlands wenden möchten. Stresa bleibt also kein anderer Weg üb­rig, als die nachträgliche Anerkennung der militärischen deutschen Gleichberechtigung, die eine Tatsache geworden ist und für die Zukunft die vorurteilsfreie bedingungslose Gleichberechtigung Deutschlands auf allen Gebieten, ins­besondere aber auch am Verhandlungstisch über die Neuge­staltung der gesamteuropäischen Politik, bedeutet.

Stresa ist also nichts anderes als der BeZehl für Italien, Frankreich und England: Kehrt marsch! Jeder von uns, der einmal im Frieden oder im Kriege Soldat gewesen ist, weiß, welches Unbehagen für eine marschierende Truppe mit diesem Befehl verbunden ist, se länger der Marsch schon dauerte und je stärker er Körper und Nerven anspannte und erschöpfte. Gerade wenn man seine Kräfte schwinden fühlt, will man nicht aus dem Trott gebracht werden. Man sieht seinem Vordermann auf die Hacken, sieht, wie sie sich im Gleichmaß heben und ein Stück vorangesetzt werden, im­mer weiter, immer weiter, und läßt sich von den Schritten des Vordermannes sozusagen mitziehen. Und dann kommt der Befehl, der den Mann aus dem bequemen Trott her­ausreißt, ruckartig, ihn zum Drehen zwingt, also zu einer Anstrengung, und der ihm außerdem noch das Gefühl auf­nötigt, daß man vielleicht in der verkehrten Richtung mar­schiert ist, zurück muß und auf einein anderen Wege noch einmal von vorn anzufangen hat. Das alles macht sich der marschierende Soldat natürlich nicht in allen Einzelheiten klar, aber es ist das Gesamtgefühl, das ihn beunruhigt, nervös macht, erbittert, verstimmt, so daß er sich im gün­stigsten Falle mit einem echten Soldatenfluch Lust schasst, aber... sich dann doch ins Unvermeidliche fügt.

Das ist die Aufgabe von Stresa für die dort Versam­melten. Das geht also nicht ohneFlüche" ab, wenn man sich eben nicht zu einer Meuterei gegen den naturnotwen­digen Ablauf der Geschichte entschließen will, jener Welt­geschichte, die sich ächzend und knarrend, völkerverwirrend und völkermordend dreht, seitdem man ihr in Versailles in die Speichen gegriffen hat. Es wird beiFlüchen" bleiben, das heißt also bei einer Schimpf- und Velästigungskano- nade der internationalen Öffentlichkeit gegen Deutschland und vielleicht auch gegen seinen Führer. Das alles läßt uns kalt, bringt uns nicht mehr aus der Ruhe, weil wir heute wißen, daß der Marsch der Leute von Stresa auf der Straße des Beute- und Vernichtungsvertrages von Versailles, auf einem Irrwege, der Deutschland ins Elend führen sollte und die ganze Welt mitriß, so furchtbar lange gedauert hat.

Wir haben nicht nur Ruhe, sondern wir sind unserer Sache so sicher, daß wir für den zu erwartenden Lärm von Stresa sogar Verständnis haben, ebensolches Verständnis wie für das Brummeln des zum Kehrt gezwungenen Sol­daten. Nur eins werden wir uns nicht bieten lassen, eine neue Schuldlüge. An dem welthistorischen Tag der Wieder­gewinnung der allgemeinen Wehrpflicht durch Deutschland, dem unvergeßlichen 16. März 1935, brach nicht Deutschland irgendeinen Vertrag. Es war da gar nichts mehr zu bre­chen. Wenn man vom Brechen und Zerreißen sprechen will, dann kann man, um im Bilde zu bleiben, höchstens er­klären, daß Adolf Hitler die Fetzen des Versailler Gswalt- ""trages den Vertragsgegnern Deutschlands, die ihn selbst gebrochen und zerrissen hatten, mit peinlichem Achselzucken warf. Mit peinlichem Achselzucken, denn ^eutlchland will den Frieden, wollte auch die Abrüstung, hat sie vollzogen in einem Grade, der durch die Veaufstch- Ä2"^«"bschusse der Gegenseite und von Feldmarschall Foch dokumentarisch als restlos und vollkommen bezeichnet worden ist. Aus den Abrüstungswünfchen der Völker ist geworden, weil die Staatsmännerwelt außerhalb Deutschlands den Versailler Eewaltvertrag man darf schon sagen ruchlos brach durch Nichterfüllung der Ab- rustungsverpflichtungen im Stile Deutschlands und durch eine neue phantastische Hochrüstung zur ewigen Sicherung der Versailler Sklavenketten. Deutschland hat sie beiseite- geschoben und wird sie niemals wieder ausnehmen.

MU!»is AorWUe ßr Stress

Italienische Frontstellung für die kommende Konferenz

Die offene Frage der Europapolitik bildet heute nicht mehr jo sehr England, als vielmehr Italien. Man hat. bevor Sir John Simon und Eden ihre Reise antraten und noch während der Exkursion gen Osten viel herumgeraten, in welche Wagschale das Londoner Kabinett das Schwer­gewicht seiner Stimmen legen würde. Dabei ergab sich, daß vor dem Abflug in London namentlich die französische Presse ganz genau wissen wollte, England sei für die unverän­derte und ungeteilte Annahme der Vorschläge des Londo­ner Communiques vom 3. Februar und insbesondere sei es natürlich für die Durchsetzung des Ostpaktes. Noch ehe Herr Eden die letzte Etappe seiner Heimreise zurückgelegt hatte, mar man sich so ziemlich in aller Welt, nur Sowjetrutzland ausgenommen, darüber einig, daß der Ostpakt tot sei, daß England sich überhaupt nicht im Sinne eines starren Ent­weder-Oder zu entscheiden beabsichtige, sondern daß es seine voiitische Aufgabe nach wie vor und nun vielleicht erst recht in einer vermittelnden Haltung zwischen den auseinander­gehenden Auffassungen erblicke. Das ist nach den letzten Meldungen aus London auch heute noch die Ansicht der Kabinettsmehrheit, die auf jeden Fall gegen eine Verhär­tung der gespannten Situation durch die Bildung neuer Bündnisse und eine Einkreisungspolitik gegen Deutschland eingenommen ist.

Die Haltung Italiens auf der bevorstehenden Kon­ferenz in Stresa ist im Augenblick weniger klar umrisfen, obwohl, im Gegensatz zum englischen Kabinett, von Nom aus den anderen beiden Verhandlungspartnern bereits Vorschläge vorgelegt wurden. Säe sind vorläufig allerdings wenig konkretisiert, umreißen nur in allgemeinen Linien die von Italien angestrebten Ziele und klingen zwar forsch und beinahe alarmierend, aber wenn man sie sich genau be­sieht, behält man wenig Faßbares in der Hand. Es scheint, daß Mussolini, der ja allein den politischen Willen Italiens repräsentiert, erst in Stresa selbst seine Karten offen auf den Tisch legen wird. Die Mitteilungen, die er Frankreich und England machen ließ, haben wohl mehr den Zweck ge­habt, diese beiden Mächte zu einer deutlicheren Stellung­nahme zu veranlassen, damit er dann unter Berücksichti­gung der in Paris und London erkennbar gewordenen Rich­tung seine diplomatische Operationen in Stresa endgültig festlegen kann. In der Stille von Rocca delle Laminat« wird er das Echo seiner Vorschläge abwarten und dann seine Entschlüsse fassen.

Sicherlich hat sich eine sehr starke Annäh erungzwi- schen Italien und Frankreich vollzogen. Es ist mindestens Herrn Flandin angenehm, daß Mussolini als Antwort auf die Erklärung der deutschen WehrhoheitTa­ten" der anderen drei Mächte in Vorschlag bringt. Ob Herr Laval der gleichen Meinung ist, darf vielleicht noch bezweifelt werden. Im Hintergründe der LavalschenSi­cherheitspolitik" steht doch immer noch der leise Wunsch, irgendwie eine direkte Verständigung mit Deutschland zu­stande zu bringen. Ob der Weg dazu noch offen bliebe, wenn die Mussolinischen Vorschläge in dem Sinne ver­wirklicht werden, der zum Teil aus ihnen herausgelesen worden ist, erscheint fraglich. Auch in England empfindet man bei dieser Aussicht einige Besorgnis. Mussolini will in Stresa vor allem die Festlegung einer gemeinsamen Hal­tung der drei Mächte für die bevorstehende Völkerbunds­ratstagung, in der der französische Antrag zur deutschen Wehrpflichterklärung behandelt werden wird. Er will wei­ter, daß man sich über ein englisch-französisch-italienisches Abkommen unterhalten soll. eine Wideritandslinie

Kurze Tagesüberstcht

Die Hochzeit des preußischen Ministerpräsidenten Eöring in Berlin fand unter Teilnahme des Führers als Trau­zeuge und unter jubelnder Begeisterung der Bevölkerung statt.

Im März ist die Zahl der Arbeitslosen im Reich um 415 VVV zurückgegangen.

Am Donnerstag beginnt in Stresa die Konferenz zwischen Mussolini, Flandin und Macdonald und deren Außenmini­ster über die europäischen Fragen. Mussolini und die fran­zösische Vertretung ist bereits dort eingetrojsen, die Eng­länder folgen Donnerstag früh nach.

Noch vor der Konferenz von Stresa haben Frankreich und Rußland einen Vertrag vorbereitet, der ein politisches und militärisches Zusammengehen vorsieht.

Zwei Mittäter an der Ermordung Horst Wessels wurden in Berlin hingerichtet.

gegen das, was erneue deutsche Vertragsverletzungen" nennt, festgelegt und das Programm einer allgemein-euro­päischen Regelung im Sinne des Communiques vom 3. Fe­bruar entworfen werden soll. Mussolini rückt ferner das Problem der österreichischen Unabhängigkeit und ihres Schutzes gegen Eingriffe einer fremden Macht wieder in den Vordergrund und will schließlich die Frage der Auf­rüstung Oesterreichs, Ungarns und Bulgariens behandelt wissen. Man wird in der recht egoistischen Sorge um Oester­reich den Kern der italienischen Vorschläge sehen müssen. Nach all dem Herumtasten in den letzten anderthalb Jahr­zehnten kühles und zeitweise sogar gespanntes Verhält­nis zu Frankreich, aggressive Haltung Jugoslawiens gegen­über, Aktivität in der Adria wird nun mit einem Male die ganze Stoßkraft auf die Sicherstellung der angeblich bedrohten Unabhängigkeit Oesterreichs gerichtet. Um dieser Politik willen versöhnt sich Rom mit Belgrad, sucht es An­lehnung an die Tschechoslowakei und anscheinend auch an Polen und sind vor allem die Fäden nach Paris eng und fest geknüpft worden. Wie ein Gespenst ist in italienischen Au­gen an der Brennergrenze das neuerstarkte Deutschland aufgetaucht. Wird Mussolini in Stresa die anderen beiden Mächte für seine ganz einseitig zugespitzte Politik gewinnen können? Im französischen Konzept steht zwar auch der Nichteinmischungspakt. Aber unter dem Druck der sowjet- russischen Freundschaft hat man sich die Rangordnung der zu erreichenden politischen Ziele in Paris doch etwas an­ders vorgestellt. Und England? Dort kommt man immer weiter von der Idee der Regionalpakte ab, nachdem man seststellen konnte, welche gewichtigen Bedenken gegen sie im einzelnen zu erheben sind, und London, dem an der Ge­samtbefriedung des Erdteils liegt, stellt sich heute vor, daß eine generelle Regelung der europäischen Fragen möglich sein müßte, selbst wenn darüber die mit den Regionalpak­ten verfolgten Sonderziele zurücktreten sollten. Die Ansatz­stellen sucht man im Völkerbundsstatut.

Auf jeden Fall ist die Situation nicht so, daß die von Mussolini angestrebte Festlegung einer gemeinsamen Hal­tung der drei Mächte nun gerade auf der italienischen Li­nie sehr leicht herbeizuführen sein wird.

MuWini auf der 3sa!a Bella

Stresa, 10. April. Am Mittwoch mittag traf Mussolini in einem Wasserflugzeug über dem Lago Maggiore ein. Lin Motor­boot legte sofort bei dem Wasserflugzeug an und brachte Musso­lini auf die Insel. Die Stunde der Ankunft war geheimgehalteu worden, doch hatte sich das Gerücht von der bevorstehenden An­kunft schon vorher verbreitet. Der Aufmarsch der Faschisten- organisation, vor allem der Marinebalilla, und die verstärkte Absperrung waren ein sicheres Zeichen hierfür. Abends traf sie französische Delegation unter Führung von Flandin und Laval ein, während die englische Delegation erst am Donnerstag früh erwartet wird.

War MWmd gefördert hat

Unterhaus-Erklärung Sir John Simons über die Europa-Rundfahrt

London, 10. April. Unter großer Aufmerksamkeit der Abgeord­neten verlas Außenminister Sir John Simon im Unterhaus die am Vortage vom englischen Kabinett festgelegte Erklärung über das Ergebnis der Reisen Simons und Edens nach den ver­schiedenen europäischen Hauptstädte.

Simon, der sich unter dem Beifall des Hauses erhob, er­klärte:Der

sogenannte Ostpakt

war zuerst von dem verstorbenen Barthou im vergangenen Som­mer vorgeschlagen worden; er war Gegenstand einer Unterhaus- Aussprache vom 13. Juli. Reichskanzler Hitler hat klar zum Ausdruck gebracht, daß Deutschland ni-bt gewillt lei. einen Ostpakt zu u n t c r z e i che .7, der Deutschland m gegenseitiger Unterstützung verpflichten würde. Insbesondere ist Deutschland nicht bereit, einen Pakt gegenseitiger Unter­stützung mit Rußland einzugehen. Andererseits wurde erklärt, daß Deutschland einen Nichtangriffspakt zwischen den an osteuropäischen Fragen interessierten Mächten begünstige, der eine Konsultation für den Fall eines drohenden Angriffes vor­sehen würde. Der Kanzler Hitler ist ferner unter den gegen­wärtigen Voraussetzungen nicht dazu bereit, die Einbeziehung Litauens in irgend einen Nichtangriffspakt in Aussicht zu neh­men. Die Deutschen schlugen weiter vor, daß, falls trotz dieses Nichtangriffspaktes und trotz der Konsultation Feindseligkeiten zwischen zwei vertragschließenden Parteien ausbrechen sollten, die anderen Unterzeichner den Angreifer in keiner Weise unter­stützen sollten. In einem anderen Zusammenhang verweilte Hitler jedoch bei der Schwierigkeit der Bestimmung des Angrei­fers. Ueber seine Ansicht für den Fall befragt, daß die eine oder andere Gruppe von Vertragschließenden unter sich ein Ab­kommen gegenseitiger Unterstützung abschließen, erklärte der Reichskanzler, daß dieser Gedanke nach seiner Meinung gefährlich und anfechtbar sei, da er darauf hinauslaufen würde, Sonder­interessen einer Gruppe im Rahmen des weiteren Systems zu schaffen.