Nr. 104

98. Jahrgang

mts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

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Neueste Nachrichten.

Der Reichskanzler De. Marx fordert das deutsche Volk auf, alle Sonderinteressen bei der Wahl hintanzustellen und nur nach großen Gesichtspunkten zu wählen, damit Deutschland nicht schweren Erschütterungen ausgesetzt werde.

von zuständiger Seite verlautet, daß bis jetzt keines der deut­schen Mitglieder der Organisationskomitees nach Paris abge» reist ist.

Der Bericht des Generals Dawes, den dieser in einer Unter­redung mit Präsident Eolidge und weiteren Regierungskreisen erstattete, soll günstig ausgenommen worven sein.

Ser ReWkauzler zu de« Wähle«.

Berlin, 3. Mai. Der Reichskanzler Dr. Marx gewährte dem Vertreter derGermania" eine Unterredung, in der er u. a. folgendes ausführte: Mit Bedauern mutz ich feststellen, dah kaum je einmal in Deutschland ein Wahlkampf innerlich so unwahr und unwahrhaftig, so klein und gekäsfig geführt worden ist wie dieser, der am 4. Mai seinen Abschluß findet. In allen Wahl­reden, die gehalten, und in allen Wahlartikeln, die geschrieben worden sind, konnte ich auch nicht einmal feststellen, daß dem deutschen Volk ein anderer Weg zur Rettung und in die Frei­heit gewiesen worden wäre als der Weg, den di« Reichsregie- rung pflichtbewußt gegangen ist und den nach meiner tiefsten Ueberzengung das deutsche Volk weiter gehen mutz, wenn es nicht auf das Letzt», da« ihm geblieben ist, aufs Spiel setzen will. Zu einer befriedigenden Lösung unserer i.inersivkitis-yen Fragen und Schwierigkeiten werden wir erst wieder gelangen, wenn wir in der Außenpolitik und in der Reparationsfrage feste und* klare Verhältniess geschaffen haben. Wer sich um diese Wahrheit drücken zu können, glaubt, wird dem deutschen Volke niemals nützen und die Verwirrung nach innen und außen nur immer größer machen, zum Schaden des Vaterlandes. In letzter Stunde noch möchte ich das deutsche Volk an seine hohe Pflicht erinnern, am 4. Mai alle Sonderinteressen, die in der erschreckend großen Zahl der Kreiswahlvorschläge einen beschämenden Ausdruck ge­funden haben, zurückzustellen und nur nach den großen Gesichts­punkten, um die am 4. Mai gestritten werden soll, seine Stimme abzugeben. Der wählt nicht deutsch, der sich am 4. Mai durch die Aufwertungsfrage, den Beamtenabbau oder den Steuerdruck be­stimmen läßt, nur der wählt deutsch, der sich bei seiner Stimm­abgabe bewußt ist, daß es um die Rettung des Vaterlandes und um den Wiederaufstieg unseres Volkes geht. Wer am 4. Mai seine Wahlpflicht nicht erfüllt, handelt wie ein Deserteur, der vor der Schlachtfront feige zurückweicht. Wer am 4. Mai durch seine Schuld nicht wählt, vergeht sich am allerschwersten an sei­nem Volke und seinem Vaterland und ist nicht wert, ein Deut­scher zu sein. Gerade weil die extremen Parteien rechts und links alle ihre Wähler in die Wahllokale treiben werden, darum ist es dringend notwendig, daß auch die Mittelparteien wenn nicht zu 100 Proz., so doch zu SO Proz. vernünftige Deutsche an die Urne bringen. Geschieht das, so besteht die sichere Gewähr, daß Deutschland nicht neuen schweren Erschütterungen ausgesetzt wird und daß das Werk der Rettung und der Wiederaufstieg unseres Volkes in Ordnung und Ruhe fortgefiihrt werden kann. Unzulässige deutschnationale Wahlbeeinflussung in Anhalt Berlin, 2. Mai. Wie aus Dessau gemeldet wird, hat der Landesverband Anhalt dex Deutschnationalen Dolks- partei eine Ehrengabe von 150 Rentenmark für diejeni­gen anhaltischen Gemeinden ausgesetzt, welche die besten Wahlergebnisse auftveisen, und zwar in dem Sinne, daß die Wahlbeteiligung am stärksten und die Stimmabgabe für die Deutschnationale Volkspartei am größten ist. Das anhaltische Staatsministerium hat daraufhin eine Verord­nung erlassen, in der es erklärt, daß das Verhalten der Deutschnationalen an den durch das Strafgesetzbuch ver­botenen Stimmenkauf grenze und daß wegen solcher uner­laubter Wahlbeeinflussung die Wahl für ungültig erklärt werde. Der Gemeindevorsteher, der die Bezahlung an­nimmt, mache sich einer Amtspflichtsverletzung schuldig und werde im Disziplinarwege zur Verantwortung gezogen.

Wahlfreiheit nach französischer Auffassung. Mannheim, 2. Mai. Zu einer Meldung des Pariser Korrespondenten derKöln. Volkszeitung" in Nr. 323, die Üch mit den Wahlen im besetzten Gebiet beschäftigt und die

behauptet, Frankreich habe bisher alles getan, um die Freiheit im besetzten Gebiet vollkommen zu gewährleisten, werden wir von zuständiger Stelle darauf hingewiesen, daß diese Meldung den Tatsachen nicht entspricht. Aus dsr großen Anzahl von Fällen, die beweisen, wie die Be­satzungsbehörden, insbesondere der französische Provinz­delegierte für die Pfalz, General de Metz, die zugesicherte Wahlfreiheit auffassen, seien folgende herausgegriffen: Das bayrische Landtagswahlgesetz und die Landeswahlord­nung sind bis heute zu ihrem Vollzug im besetzten Gebiet von der Interalliierten Rheinlandkommission noch nicht genehmigt, obwohl beide schon vor Wochen der Rheinland- kommisfion vorgelegt und um ihre schnelle Behandlung ge­beten wurde. Die Wahlen zum bayrischen Landtag werdeii daher von der Vesatzungsbehörde nur geduldet und ent­behren auch nach Ansicht der Rheinlandkommisston der Rechtsgrundlage. Außerdem verweigert die Besatzungs­behörde einer großen Zahl in den Gefängnissen schmachten­der politischer Gefangenen die Ausübung ihres Wahlrechts mit der Begründung, in den Gefängnissen seien keine poli- tischen Gefangenen mehr vorhanden, mit anderen Worten: Die Gefangenen aus der Zeit de» passiven Widerstandes und der Separatistenherrschwft werden von den Franzosen gewöhnlichen Verbrechern gleichgestellt, denen das Wahl­recht nicht zusteht. Dem Abgeordneten Burger, Kandidat der vereinigten Nationalen Rechten wurde erst in letzter Stunde die Einreiseerlaubnis bewilligt, so daß er vor seiner Wählerschaft nicht sprechen konnte. Der Landrat Minges aus Großfischlingen, gleichfalls Kandidat der Ber­einigten Nationalen Rechten, wurde am Ostersonntag ohne Begründung auf der Landstraße verhaftet und befindet sich zurzeit im französischen Militärgefängnis in Landau.

Tatsachen obiger Art, die ein schweres Schlaglicht auf die Auffassung der französischerseits üblichen Begriffe der Wahlfreiheit werfen, können noch in beliebiger Zahl auf­geführt werden. Die oben erwähnten seien nur heraus­gegriffen, um zu zeigen, daß die Meldung derKölnischen Volksztg." falsch ist und der Wirklichkeit nicht entspricht.

Zur Reparationsfrage.

Die deutschen Sachverständige« noch in Berlin.

Berlin, .2. Mai. Entgegen anders lautenden Meldungen ver­lautet von zuständiger Stelle, daß keines der deutschen Mit­glieder der Organisationskomitees nach Paris abgereist ist.

Der Pariser ,Matin" glaubt wissen zu können, daß der Um­fang der Debatte, die heute in Thequers zwischen den belgischen Ministern Theunis und Hymans und den beiden englischen Mi­nistern Macdonald und Snowden beginnen wird, möglicherweise beschränkt worden sei, da niemand mehr einen Einwand gegen die Beibehaltung französischer Garnisonen im Ruhrgebiet erhebe (?I) und andererseits das in Geltung befindliche Regime der Ausbeutung neu geregelt werde, sobald die zur Durchführung des Eachverständigenplanes erforderlichen Gesetze vom Reichs­tag angenommen seien. Aber di« dornig« Frag« der rheinischen

Eisenbahnen erfordere eine Lösung die nicht sehr leicht zu fin­den sei. Die 10000 französischen und belgischen Eisenbahner müßten jedenfalls in der Lage sein, der Verkehr aus drei oder vier für die Truppen unerläßlichen Strecken zu sichern. Bom fi­nanziellen Standpunkt aus erschwere deren Gegenwart die Tä­tigkeit der Industrie ebensowenig wie die der französischen Sol­daten in Essen; doch müsse eine Regelung Zustandekommen, da­mit sie und die leitenden französischen Beamten in der Lage seien, die Zufuhren fiir die französischen Truppen zu sichern, die man nicht dem guten Willen der Deutschen überlassen könne.

Zu der Note über die angeblichen Geheimorganisationen im besetzten Gebiet läßt sich dasBerliner Tageblatt" aus zuver­lässiger Quelle noch melden: Unter den drei Besatzungsmächien England, Frankreich und Belgien bestanden Meinungsverschie­denheiten über die Absendung der Not«. England erhob dagegen Widerspruch, daß di« Note vor dem 4. Mai an die deutsche Re­gierung gesandt würde, weil er befürchtete, daß die rechtsradi­kalen Element« in Deutschland so neu« Antrieb« erhalten könn­ten. Belgien stand anfangs auf der Seit« Englands, soll jedoch am letzten Sonntag dem Standpunkt Frankreichs beigetreten sein. Deshalb soll di« Note noch vor den Reichstagswahlen nach Berlin gesandt worden sein. <

Loucheurs Entwurf eine» deutsch-sranzöfifche»

^ Handelsvertrags.

Paris, 2. Mai. Rach demMatin" hat der Ministe» Loucheur dieg roßen Linien für ein franzöfisch-deutfches Handelsabkommen entworfen. Dieses Abkommen soll bi« im Januar nächsten Jahres fälligen Abmachungen ersetzen, die kraft des Versailler Vertmgs zur Regelung -er wirb- schastlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Elsaß- Lothringen getroffen worden waren. DerMatin" hebt hervor, daß, wenn die französische Regierung sich rechtzei- tig an den Völkerbund gewandt hätte, der bisherig« Zi^ stand hätte verlängert werden können.

Erklärungen von Baldwin und Curzo«.

London, 2 . Mai. Der konservative Führer Baldwin erklärte: Die konservative Partei sei bereit zur Teil­nahme an einer Konferenz über die Beschränkung der Rü­stungen, könne aber nicht eine Schwächung der Verteidi- gungsstreitkräste zulassen. Die Konservativen seien für strikte Ausführung der Friedensverträge und würden den Völkerbund zum Angelpunkt der Außenpolitik machen. Lord Eurzon erklärte in einer Rede: Die Konservativen bereiteten sich auf einen neuen Kampf vor, der jetzt nicht mehr hinausgefchoben werden könne. Die sozialistische Re­gierung habe die Arbeitslosigkeit durch die Abschaffung der Mac Kenna-Abgabe vergrößert. Weder Baldwin noch er selbst würden sich einer nationalen Außenpolitik irgend­einer britischen Regierung widersetzen. Hinsichtlich der eng­lisch-russischen Konferenz sagte Eurzon, die britische Regie­rung hatte im Foreign Office eine Konferenz mit Vertre­tern der grausamsten und blutigsten Regierung ab, di« Europa je gekannt habe. Die russische Regierung wolle Geld haben und des englischen Geldes wegen seien di« Russen nach England gekommen. Die gesamte Politik und alle grundlegenden Ansichten der Sowjetregierung seien unvereinbar mit dem fortschrittlichen Leben eines zivili­sierten Volkes. Zum Schluß sagte Eurzon, die Konserva- tiven seien die stärkste Partei im Unterhaus und ein wich­tiger Teil der liberalen Pattei im Unterhaus und im Lande scheine den Wunsch nach einem Anschluß an die Kon­servativen zu hegen.

Günstige Aufnahme des Dawes-Berichts i« Amerika.

Paris, 2. Mai. Der Havaskorrespondent in Washin> ton erfährt von autorisierter Seite, die in Beziehungen zum Schatzamt steht, daß in Regierungskreisen der Bericht, den General Dawes in feinen gestrigen Unterredungen mit Präsident Eoolidge, Staatssekretär Hughes u. Staats­sekretär Mellon erstattet ha, günstig ausgenommen werde. Der General habe, was den Erfolg des Sachverstündigen- planes anlange, seinem Opimismus Ausdruck gegeben und die Hoffnung ausgesprochen, daß er im wesentlichen ange­nommen würde. ^ v-