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Nummer 249
Fernruf 479
Donnerstag den 25. Oktober 1934
Fernruf 479
69. Jahrgang
Als vor knapp einem Jahre das Richtfest für den Völkerbundspalast in Genf gefeiert wurde, war es eine Feier ohne Festesfreude. Die Worte, mit denen Generalsekretär Ave- nol die Vauhandwerker und Gäste begrüßte, waren auf Moll gestimmt. Er sprach von den Tagen des Zweifels und der Prüfung, während deren das Richtfest stattfinde, und er meinte damit in erster Linie natürlich die politischen Schwierigkeiten, denen der Bund in zunehmendem Maße begegnete. Japan war ausgetreten. Daß Deutschland berechtigterweise eine immer kritischere Stellung im Völkerbunde einnahm, war damals schon erkennbar. Reichlich acht Tage später vollzog es ebenfalls seinen Austritt.
Aber zu den politischen Sorgen kamen schon damals finanzielle. In den Jahren der Völkerbundsbegeisterung war der Bau des Völkerbundspalastes beschlossen worden, und man glaubte damals,- bei seiner Planung nicht großzügig genug verfahren zu können. Das ergab denn auch ein Projekt, dessen Ausführung mindestens 26 Millionen Schweizer Franken kosten sollte, und inzwischen hat sich gezeigt, daß es mehr als 40 Millionen werden. Der Grundstein wurde noch in den Jahren des Optimismus gelegt. Dann aber kamen ernste finanzielle Sorgen. Namentlich seitdem die Wirt» schaftskrise auf der ganzen Welt lastete, stockten die Zahlungen der Vundesmitglieder. 1930 blieben ungefähr 20 Prozent der Solleinnahmen aus, 1931 waren es 30 Prozent und 1932 40 Prozent. Das Jahr 1933 scheint einen noch größeren Ausfall gebracht zu haben. Es gibt eine ganze Anzahl von Staaten, wie beispielsweise Albanien, Bolivien, Chile, China, Guatemala, Haiti, Honduras, Columbien, Cuba, Liberia, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, Salvador, Ungarn, Uruguay, die mit ihren Beiträgen schon seit Jahren im Rückstände sind. Manche von ihnen haben so gut wie überhaupt noch nichts bezahlt.
Daß sich daraus in Genf erhebliche finanzielle Schwierigkeiten ergeben haben, ist nicht zu verwundern. Der Etat des Völkerbundes ist recht sorglos und unbekümmert um die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Mitgliedsstaaten ausgestellt worden und obwohl die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben, daß die nach dem vorgesehenen Beitragsschlllssel veranlagten Zahlungen nicht eingehen, hat man nicht daran gedacht, dis Ausgaben entsprechend einzufchränken, um den Etat zu balanzieren. Im Gegenteil, man hat die Ausgaben immer wieder noch gesteigert, im Jahre 1932 beispielsweise, wo die Kassen des Bundes schon leer waren, die Zahl der drei Untergeneralsekretäre auf fünf erhöht und mit dieser Vermehrung natürlich auch den Veamtenftab entsprechend vergrößert. Der Gesamtausgabenetat übersteigt jährlich 31 Millionen Schweizer Franken. Allein das Sekretariat verschlingt jährlich etwa 17 Millionen. Mehr als 1000 Angestellte sind dort beschäftigt. Man kann sich von den Ausmaßen dieses Sekretariats und von den Papierbergen, die in seinen Kanzleien bewältigt werden müssen, eine Vorstellung machen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der neue Völkerbundspalast nicht weniger als 600 Vürozimmer haben soll. Die vielen aber, die vom Völkerbunde leben, werden recht anständig bezahlt. Der Generalsekretär erhält einschließlich Aufwandsentschädigung ein Jahresgehalt, das, in deutschem Celde ausgedrückt, 135 000 RM. ausmacht. Es gibt viele europäische Staaten, in denen nicht einmal das Staatsoberhaupt eine derartige Summe bezieht. Die Gehälter der übrigen Bundesbeamien überragen bei weitem die Bezüge der englischen Beamten in Indien, die zu den Höchst- bezahlten Staatsbeamten in der Welt gehören. Außerdem sind große Abfindungssummen gezahlt worden. So erhielt Sir Eric Drummond, a's er den Posten des Generalsekretärs des Völkerbundes mit dem des englischen Botschafters in Rom vertauschte, eine Abfindung von 350 000 Schweizer Frauken. Ein Dolmetscher, dem nach siebenjähriger Tätigkeit gekündigt wurde, wurde mit einem vollen Jahresgehalt von 25 000 Schweizer Franken und einer Zahlung von 80 000 Schweizer Franken abgefunden, eine ausscheidende Sekretärin erhielt aus dem gleichen Anlaß 50 000 Schweizer Franken.
Dazu kommen hohe außergewöhnliche sachliche Aufwendungen. So sind 1932 und 1933 je 3 Millionen Schweizer Franken für die Abrüstungskonferenz ausgegeben worden, dce Studienkommlßwnen, die nach China und nach Südamerika entsandt wurden, haben Unsummen gekostet. Im Au- yenblllk ist es absolut unerfindlich, wie der Haushalt des AEerbundes ,n der vorgesehenen Höhe bestritten werden Rückstände an Mrtgliedesbeiträgen sind auf über o0 Millionen Schweizer Franken angewachsen.
.Man hat sich zunächst dadurch zu helfen versucht, daß man einzelne Staaten stärker heranzog. England und Frankreich beispielsweise haben bereits mehrere Jahresbeiträge im voraus bezahlt. Was bei der Höhe der auf diese Staaten entfallenden Veranlagung — England 3,5 Millionen, Frankreich 2,5 Millionen Schweizer Franken — immerhin ms Gewicht fällt. Aber wie lange werden sie geneigt sein, diese Vorschußwirtschaft mitzumachen? In England steht man immerhin dem Bunde schon einigermaßen kritisch gegenüber, und wenn Frankreich auch bisher sein Hauptnutz- rneßer war, so wird es eines Tages angesichts der eigenen linanziellen Etatsschwierigkeiten doch vielleicht auch strei-
Tagesspiegel.
In Berlin Stahnsdorf fand am Mittwoch das Staatsbegräbnis für Generaloberst von Kluck statt.
In einer Kundgebung Dr. Leys an die deutschen Arbeiter und Arbeiterinnen wird das Verhältnis der DAF. zu den früheren Gewerkschaftsführern klargestellt.
Neichsrninister Nust hat Studenten empfangen, die an die Danziger Hochschule gehen und ihnen Geleitworte gegeben.
Vom 1. November wird das Milcheiweihbrol als das deutsche Kraftbrot hergestellt, wodurch Milchüberschüsf« zweckmäßig verwendet werden.
In London verhandeln nun Amerika, England und pan über die Flottenfrage zwecks Vorbereitung de? Kon. ferenz, die für nächstes Jahr geplant ist.
Das holländische Douglasflugzeug liegt an zweiter Sielle im Luftrennen nach Australien.
len. Deutschland, Lessen Beitragspslicht bis zum Ablaus der zweijährigen Kündigungsfrist ja noch besteht, zahlt wie Frankreich jährlich 2,5 Millionen. Doch bestehen dafür zur Zeit erklärlicherweise Transferschwierigkeiten. Die britischen Dominions, die als selbständige Mitglieder der Genfer Institution gelten, sollen insgesamt 5,5 Millionen beisteuern, doch sind auch deren Zahlungen zum Teil schon ins Stocken geraten.
Die katastrophale finanzielle Lage des Völkerbundes wird mit dem Ablauf der Kündigungsfristen und dem Wegfall der deutschen und japanischen Beiträge, die zusammen 14 Prozent der gesamten Solleinnahmen ausmachen, noch schlimmer werden. Rußland soll zwar jährlich mindestens 4 Millionen, also beinahe soviel, wie die beiden ausscheidenden Staaten zusammen, zahlen, aber es ist immerhin möglich, daß Genf auch dabei seine Enttäuschungen erlebt. Was wird dann, wenn das Veitragsmanko immer höher anschwillt? Bankkredite kosten Zinsen, und vielleicht finden diejenigen, die sie jetzt noch geben, eines Tages ein Haar darin. Wenn Herrn Avenol die Abrechnungen des Völkerbundes vorgelegt werden, dann wird er wahrscheinlich ein noch besorgteres Gesicht machen, als vor einem Jahre beim Richtfest des Völkerbundspalastes.
MMWilis sör AllttMech m Mck
Berlin, 24. Okt. Einer der größten Heerführer des Weltkrieges, Generaloberst a. D. Alexander von Kluck, ist auf dem Südwest-Friedhof in Stahnsdorf zur letzten Ruhe gebettet worden. Durch ein feierliches Staatsbegräbnis ist dem verdienten Führer der ersten Armee, die, die deutsche Front bis vor die Tore vor Paris getragen hat, die höchste Ehre zuteil geworden, die einem Monne nach seinem Tode gegeben werden kann. Ein Vertreter des Führers. Mitglieder der Reichsregierung, viele Generäle und Admirale, Tausende von Offizieren und Mannschaften. die unter dem Verstorbenen im Weltkriege fochten, erwiesen ihm die letzten Ehren. Durch eine militärische Trauerfeier brachte das Heer dem Verblichenen seine Huldigung dar.
Unmittelbar an der Kapelle hatten die Spieleute und die Musikkorps Aufstellung genommen. Es folgten ein Bataillon der Wachttruppe Berlin, anschließend das Trompeterkorps und die 1. Eskadron des Reiterregiments Potsdam und eine Batterie des Artillerieregiments 3 der ersten Kavallerie-Division Potsdam. Ihnen schloffen sich bei dem Spalier die einzelnen Verbände an, die Regimentsvereine des Grenadierregiments 3, der Regimenter 49, 55, 66, 43 und 33, sowie ein Füsilierregiment. Zahlreiche Abordnungen des Kysfhäuserbundes, des NSDFB. (Stahlhem), des NSKOV-. des Reichsverbandes deutscher Offiziere und der Neo Germania der Berliner Burschenschaft waren erschienen. Ein Wald von Fahnen leuchtete zwischen den Bäumen. Lautlos verharrte die Menge. Frühzeitig mußte der Friedhof geschloffen werden, so daß eine unübersehbare Menschenmenge draußen vor den Toren verblieb.
Unmittelbar vor dem Rednerpult in der Friedhofkapelle war der schlichte, einfache Sar^, geschmückt mit den Reichsflaggen, einigen Lorbeerzweigen und einem Lilienstrauß aufgestellt worden. Am Kopfende lagen Helm und Degen des verstorbenen Heerführers, zu Füßen des Sarges wunderschöne Kranzspenden und auf ihnen die vier schwarzen Ordenskissen. Zwei Offiziere der Wachttruppe mit gezogenem Degen, zwei Unteroffiziere der gleichen Trupps mit aufgepflanzten Seitengewehren und zwei Unteroffiziere des Artillerieregiments 3 mit gezogenem Säbel hielten am Sarge die Ehrenwache.
Gegen 13.36 Uhr füllte sich allmählich das kleine Gotteshaus. Viele hohe Offiziere der alten Armee und Marine sowie Reichswehr, Vertreter der SA.. SS., der Schupo und der Landespolizei, der PO. und der Hitlerjugend sowie der Regimentsvereine nahmen in den Bänken Platz, unter ihnen der Chef der Heeresleitung, General Freiherr von Fritsch als Vertreter
des Führers, Generalfeldmarschall von Mackensen als Vertreter des Kaisers, General Lieb mann als Vertreter des Reichswehrministers, General v o n K u h l für den Kronprinzen, der letzte Kriegsminister General von Scheuch, sowie der Führer des Reichsverbandes der deutschen Offiziere, Graf von der Goltz. Oberst Reinhard vom Kyfjhäuserbund. Reichsarbeitsminister Seldte, Dr. Schacht, Staatssekretär Milch als Vertreter des Reichsluftfahrtministers Eöring und Generalmajor von Hindenburg. Die Militärattaches von Japan, der Türkei, Ungarn und Oesterreich legten kostbare Kränze am Sarge nieder.
Um 14 Uhr gab der Stadtkommandant, Generalmajor Schaumburg, das Kommando „Stillgestanden". Ein Orgelpräludium leitete über zu der Gedächtnisrede des Hofpredigers D. Doehring, der u. a. ausführte: Wiederum steht die deutsche Nation an der Bahre eines ihrer Heldensöhne. Dem Sieger von Tannenberg ist der Unbesiegte von der Marne gefolgt. Offizier sein hieß für ihn Erzieher sein, und zwar erzogener Erzieher. Der Fähnrich von 1866, der Leutnant von 1876 schrieb als Generaloberst und Führer der ersten Armee un September 1914 seinen Namen ins Buch der Weltgeschichte: „Klucks Reiter streifen vor Paris!" Die Lebenskraft des Greifes war seit dem Tage gebrochen, an dem im letzten Frühjahr sein einziges Enkelkind Molino aus ihrem hoffnungsvollen Künstlerberuf durch den Tod jäh hinweggerissen wurde. Sein Wollen und Wirken galt allein dem deutschen Vaterland.
Nach der Trauerfeier in der Kapelle wurde der schlichte Eichensarg von acht Unteroffizieren auf die mit sechs Rappen bespannte Lafette gesetzt, während die Truppen die Ehrenbezeugung erwiesen. Vier Offiziere mit den Ordenskissen und zehn Unteroffiziere mit den Kranzspenden der offiziellen Persönlichkeiten folgten. Hinter der Geistlichkeit schritten die nächsten Angehörigen des Verstorbenen. Die hochbetagte Witwe wurde vom Vertreter des Führers und Reichskanzlers. General von Fritsch, sowie von Eeneralfeldmarschall von Mackensen geführt. Unmittelbar vor der Kapelle blieb die Trauergemeinde stehen und nun folgte die Trauerparade. Unter gedämpftem Trommelschlag und Choralweisen zogen die Truppenteile am Sarge vorbei. Anschließend setzte sich dann die Lafette mit dem Sarge in Bewegung, gefolgt von den Angehörigen und den übrigen Leidtragenden.
Mit Front zur Grabstätte, das Gewehr präsentiert, erwarteten die Formationen den Trauerzug. Nachdem der Sarg an die Grabstätte herangetragen worden war, sprach Oberhofprediger Dr. Döring Dankgebet und Segen, schließend mit dem „Vaterunser" und dem Nachruf „Bleib Du im ew'gen Leben, Du guter Kamerad". Während die Ehrensalven über das offene Graf hinwegrollten, sank der Sarg in die Tiefe.
In Vertretung des Führers und Reichskanzlers als oberster Befehlshaber der Wehrmacht sprach zunächst der Chef der Heeresleitung, General der Artillerie, Freiherr von Fritsch, Worte des Gedenkens. „In tiefer Trauer", so sagte er, „steht die Wehrmacht, steht Deutschland am Grabe des Heimgegangenen Generalobersten von Kluck, des unvergeßlichen, kühnen und wagemutigen Feldherrn, der als tapferer Soldat in drei Kriegen in Verteidigung seiner Heimat für Deutschland gekämpft und geblutet hat. In Vertretung des Führers und Reichskanzlers bin ich von diesem beauftragt, dem verewigten Generalobersten ' einen letzten Abschiedsgruß und einen letzten Dank zu sagen für all das, was er in einem reich gesegneten Leben, in langen, arbeitsreichen Friedens- und ehrenvollen Kriegsjahren für das Heer und damit für das deutsche Volk getan und geleistet hat. Unvergänglichen Lorbeer hat der Verewigte als Oberbefehlshaber der auf dem entscheidenden Stoßflügel befindlichen ersten Armee an die Fahnen seiner siegreich vorwärts stürmenden Truppen zu heften gewußt. Der letzte Sieg wurde uns durch ein tragisches Geschick verwehrt. Aber der ruhmreiche Name Klucks ist in das Buch der Geschichte eingetragen und wird stets ehrend mit den Ersten genannt werden, wenn das Blatt des Weltkrieges aufgeschlagen wird. Als Mann, als Soldat, als Heerführer war und bleibt er uns allen ein leuchtendes Vorbild in alle Zukunft."
Eeneralfeldmarschall von Mackensen legte dann im Namen des Kaisers einen Kran; nieder. Weiter sprachen am Grobe unter anderem ein Vertreter des Kronprinzen, des -Verbandes deutscher Offiziere, des Neichskriegerbundes Kyi.zäu er und Reichsbischof Müller. Ein Wort des Gedenkens sprach auch Staatssekretär Milch im Namen des Reichsministers Eöring. Auch Münster, die Gebyrtsstadt des Verewigten, ehrte seinen Ehrenbürger mit einem Kranz. Dann defilierten Reichswehrformationen im Parademarsch am Grabe vorbei.
Kundgebung Dr. Leys an die deutschen Arbeiter
Berlin, 24. Okt. Der Stabsleiter der PO., Dr. Robert L e y, erläßt eine Kundgebung, in der es heißt:
Deutscher Arbeiter und Deutsche Arbeiterin!
Nachdem unsere Gegner von der zweiten und dritten Internationale über ein Jahr lang versucht haben, Dir klar zu machen, daß die DAF. ein Instrument des Kapitalismus sei, oder man versuchte, mit allen möglichen Lügenmeldungen die Führer der Arbeitsfront zu schikanieren oder man sprach zuletzt von der Arbeitsfront als von einer romantischen Angelegenheit, die sich selbst der Lächerlichkeit preisgeben würde, versuchen sie heute, nachdem der gewaltige Erfolg der Arbeits- i front hier in jeder Beziehung das Gegenteil bewiesen hat. neu^