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Nummer 117 Femvus «-?«
Montag den 22. Mai 1S33
Fernruf ^78 68. Jahrgang.
As MWe ErMecht
Wiedereinführung des Anerbenrechks
Am 22. Mai tritt für Preußen eine Neuregelung des bäuerlichen Erbrechts in Kraft, die ein Ende macht mit der unseligen Zersplitterung, mit der verkümmernden Zerteilung des bäuerlichen Grundbesitzes, die eine neue Seßhaftigkeit und ein befriedigendes Auskommen für den Bauern begründet. Der Bauernhof soll wieder das werden, was er in frühmittelalterlicher Zeit gewesen ist: das unveräußerliche Erbe des eingestammten Bauerngeschlechts. In einem einzigen Satz ist der Kern des ganzen Gesetzes beschlossen: „Der Bauer hat nur ein Kind, das den Erbhof übernehmen kann." Das bedeutet die Wiedereinsetzung des alten deutschen Anerbenrechts, des Grunderbenrechts, nach dem der Bauernhof ungeteilt an einen einzign Erben, den Anerben, überzugehen hat. Die Miterben, also in erster Linie die Geschwister, werden bis zu ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit vom Anerben versorgt; sie haben auch in späteren Jahren ein Recht der Heimatzuflucht, sie können, falls sie unverschuldet in Not geraten, auf dem Erbhof wieder ihre Versorgung finden. Es ist selbstverständlich, daß nur deutschblütige Menschen Besitzer eines Erbhofs sein können. Außerordentlich wichtig ist die Bestimmung, daß der Hof nur so groß sein darf, daß er eine Familie ernähren kann, und daß kein Bauer mehrere Höfe besitzen dürfe. Damit ist der Großgrundbesitz vom Anevben- recht ausgeschlossen. Aus dieser Einschränkung erwachsen Möglichkeiten zur Gewinnung von Siedlungsland. Vor allen Dingen wird dabei darauf zu sehen sein, daß den „Miterben" W erleichterten Bedingungen Siedlungsland zugewiesen wird, damit neue Erbhöfe entstehen, der Bauernstand also vergrößert wird. Die Eintragung des Erbhofs in eine Anerbenrolle ist dann nur noch eine urkundliche Sicherstellung des Besitzes des einzelnen Bauerngeschlechts.
Für große Teile Deutschlands bestand bisher schon eine Erbsitte, nach der darauf gehalten wird, daß der Hof in der Hand der eingesessenen Familie blieb; andere Teile wieder hatten sich bereits selbständig ein Erb recht geschaffen. So bestehen derartige Höferechte in Hannover, Westfalen, Brandenburg, Schleswig-Holstein und für dis geschlossenen Hofgüter im badischen S-chwarzwald. Nur die westlichen Provinzen Preußens, in denen der auf dem römischen Recht aufgebaute Code Napoleon galt, kannten kein bäuerliches Erbhofrecht. Der Schöpfer des Gesetzes, Ministerialrat Wage- mann, hat nun in einer erläuternden Einführung auf gründliche Untersuchungen des Geheimrats Sehring, der bekannten Autorität für landwirtschaftliche Fragen, hingewiesen, worin festgestellt wird, daß der Bauer an seiner alten Erbgewohnheit trotz Krieg und Inflation im allgemeinen festgehalten habe. Was also bislang vielfach nur schöne Sitte bei den Bauern gewesen ist, soll jetzt verbindliches Recht werben. Jni Bürgerlichen Gesetzbuch ist eine derartige Regelung des bäuerlichen Erbrechts trotz der damals vorgebrachten Wünsche aus bäuerlichen Kreisen unterlassen worden. Durch bas neue Gesetz wird aber diese Versäumnis jetzt nachgeholt. Was in der ganzen Schweiz zum Segen des Bauernstands schon seit einem Menschenaltsr rechtliche Gültigkeit hat, soll setzt auch für die reichsdeutschen Bauerngüter gelten.
Das Wesentlichste an dieser gesetzlichen Neuschöpfung ist aber die bewußte Abkehr von Grundsätzendes r ö m i s ch e n R e cht s. Als mit dem Reichstagsabschied von Worms im Jahr 1495 das Reichskammergericht in Wetzlar angewiesen wurde, nach römischem Recht zu entscheiden, war eine vollkommene Verwirrung des öffentlichen Rschtsbewußt- seins die bittere Folge dieser Verfügung. Die rein individualistisch-kapitalistische Einstellung des römisckien Rechts, die ?^es mr verkäuflichen Ware machte, widersprach dem alten deutschen Rechtsempfinden. Dem alten deutschen Recht er-
wie Karl Lam-precht in seiner „Deutschen Gelunchte klar herausgearbeitet hat — „das Eigentum stets - E -5"^r nur von Rechten und Pflichten, nicht als Sache individualer Willkür und Herrschaft." Die Verdrängung des alten deutschen Volksrechts, wie es etwa Eike von Repgow in feinem Sachsenspiegel zusammengefaßt hatte, durch das volksfremde römische Recht, führte zu einer Verschärfung der Gegensätze. Ein Sprichwort aus jenen Tagen beleuchtet die Stimmung, die damals auf den Gemütern lastete: „Das edle Recht ist worden krank, den Armen kurz, den Reichen lang." Aach mehr als vier Jahrhunderten wacht jetzt in dem neuen Erbhofrecht die Selbstbesinnung auf deutsches Rechtsgut auf.
Reue Nachrichten
Prinz Wlipl SliMäsident non Mn-Rassa»
Berlin, 20. Mai. Die Ernennung des Prinzen PHill p Pv o n H e s s e n zum Oberpräsidenten von Hessen-Nassau loll durch «inen Beschluß in der nächsten Kabinettssitzung bestätigt werden. Der bisherige Oberpräsident, von Hüllen, der Kurator der Universität Marburg war, bat sich dem «taat weiter zur Perfügung gestellt. Er soll mit besonderen Aufgaben betraut werden, um seine wertvolle Kraft dem Staat zu erhalten.
- .Wm OHMw ist bekanntlich Gemahl der iüngstßn ToMer
Tagesspiegkl
Reichskanzler Hitler wird am Dienstag in Begleitung von Vizekanzler v. Papen, des Reichswehrminiskers v. Blomberg, des Reichs- minislers Dr. Göbbels und des preußischen Ministerpräsidenten Göring der Atolle in Siel einen Besuch abskalten.
Reichsminisker Göring hat Sonntag mittag um 11.30 Uhr den Rückflug von Rom nach Berlin angetreten.
Die in Berlin zur Vernichtung von der Polizei gesammelten Bücher. Schriften usw. haben schätzungsweise ein Gewicht von lo voo Zentnern.
Die Sürnlner Aremdenlnduskrie und die damit verbundenen Handels- und Gewerbezweige haben in einer Kundgebung gegen die deutschfeindliche Politik der Regierung Dollfuß Einspruch er- hoben. Der Besuch aus Deutschland sei erschreckend zurückgegangen. Die Bundesregierung hat eine Million Schilling für Werbung für den Fremdenverkehr bewilligt. Wenn der Fremdenverkehr aus
Deutschland vom Reich behindert werden sollte, werde man öster- reichischerseils die deutsche Warenrinfuhr beschränken. Das österreichische Heer wird wieder die alten Rangabzeichen. Regimenls- namen und Aufschläge erhallen.
In der französischen kabinellssitzung kam es zu einer scharfen Aussprache über Frankreichs Haltung aus der Abrüstungskonferenz.
Reichskanzler Hitler ist in Begleitung des Stellvertreters des Führers, Rudolf Heß. am Samstag vormittag mit dem fahrplanmäßigen Schnellzug in München eingeirofsen.
Reichsminister Göring ist am Freitag abend von Mussolini empfangen worden.
Die Aufnahme in die Beamlenabkeilung der RSDAP. ist mit sofortiger Wirkung gesperrt worden.
Die japanische Vorhut rückt von zwei Seiten in der Richtung auf Peking vor. In der Stadt herrscht große V2- sorgnis. lieber Peking und Tientsin erschienen japansiche Bombenflugzeuge, ohne Bomben abzuwerfen.
des Königs von Italien und Nachkomme des aus der Ne- formationszeit bekannten Landgrafen Philipp des Großmütigen.
Die Erklärung Nadolrrys
Genf, 20. Mai. Im Hauptausschuß der Abrüstungskonferenz führte der Vorsitzende Hsnderson u. a. aus, aus der Reichstagsrede des Kanzlers Hitler gehe klar hervor, daß die deutsche Regierung die Gleichberechtigung nicht durch die Ausrüstung Deutschlands, sondern durch die Abrüstung, ohne die eine Sicherheit der Nationen nicht die Vorschläge Roosevelts als geeignetes Mittel zur Ueber- windung der wirtschaftlichen und politischen Krise annehme. Die beiden Kundgebungen bedeuten einen wesentlichen Fortschritt. Die Konferenz entscheide nun möglicherweise über Krieg und Frieden.
Botschafter Nadolny erklärte hierauf, die Kundgebungen Roosevelts und Hitlers seien ein starkes Bekenntnis zu dem Gedanken der Notwendigkeit der allgemeinen Abrüstunug, ohne die eine Sicherheit der Nationen nicht verbürgt werden könne, ein starkes Zeugnis des Willens, mit aller Macht dazu beizutragen, um die Genfer Abrüstungskonferenz noch vor dem Beginn der Londoner Welt Wirtschaftskonferenz zu einem positiven Ergebnis zu bringen. Das deutsche Volk erwarte nach wie vor von dieser Konferenz zwei Ergebnisse: Sicherheit durch Abrüstung der hoch- gerüsteten Staaten und Verwirklichung der deutschen Gleichberechtigung. Die deutsche Regierung sei nunmehr bereit, den britischen Entwurf als Grundlage für das abzuschlie- ßende Abkommen anzunehmen. Soweit deutscherseits Aende- rungen vorgeschlagen worden seien, werden sie der neuen Haltung der deutschen Negierung entsprechen.
Der französische Vertreter Massigli erklärte, der Weg für neue Arbeit sei frei, Frankreich sei zu dieser Arbeit bereit.
Französische Verlegenheit
Berlin, 20. Mai. Die Freitagsitzung in Genf hat nicht nur den französischen Vertreter Mäßigst, sondern auch die französische Presse in große Verlegenheit gebracht. Der Genfer Sonderberichterstatter des „Petit Parisien" erklärt, es wäre vergeblich, die Ueberraschung abzuleugnen, die fast allgemein dadurch verursacht wurde, daß Nadolny ge- schickt eine fast vollständige Zustimmung zum briEM Plan abgab. In den Ausführungen des „Echo de Daris" kommt zum Ausdruck, daß man selbst innerhalb der französischen Regierung nicht einig ist und daß der Plan Mac Donalds in den nächsten Tagen vielleicht gewisse Ueberraschungen von französischer Seite erleben kann.
Wiederaufnahme der Besprechungen über einen Viermächtepakt?
London, 21. Mai. „Daily Mail" erfährt, die Besprechungen über einen Viermächtepakt sollen ohne Zeitverlust wieder ausgenommen werden. Die britische Regierung werde in dieser Sache jede Anstrengung unternehmen. Der Zeitpunkt gelte angesichts der Aenderung der deutschen Haltung in der Abrüstungsfrage als günstig für die Wiederaufnahme der Besprechungen, zumal ja der deutsche Reichskanzler wiederum auf die Notwendigkeit einer Vertragsänderung hingewiesen habe. Die britische Regierunug werde vorschlagen, das abzuschließende Abkommen soll nicht, wie ursprünglich geplant, 5 Jahre, sondern 10 Jahre in Kraft bleiben.
Korruption
Münster i. W., 21. Mai. Ministerpräsident Göring hat den Oberbürgermeister Dr. Zuhorn, den Bürgermeister Schlanstein und den Stadtschulrat Dr. L i n n e- born infolge der schweren Vorwürfe, die gegen den Magistrat von Münster erhoben werden, beurlaubt. Die Ge- i schäftsführung wurde kommissarisch den Nationalsozialisten RA. Querfeld und den Stadträten Aschhof und Glowski i übertragen. _ _ - - -
Der Generaldirektor der Westfälischen Genossenschaft in Münster, Zenker, hat dieses Amt und alle seine anderen Aemter als Aufsichtsratsmitglied verschiedener Gesellschaften niedergelegt. Zenker hatte sich seit Jahren übermäßig hvhr Bezüge gesichert.
Köln, 21. Mai. Der Bericht des Konkursverwalters der GörreshausAG-, der nunmehr bekanntgegeben wurde, erregt das größte Aufsehen. Schon bei der Umgründvng der Görreshaus GmbH, in eine Aktiengesellschaft wurde unsauber verfahren, sofern die ins Handelsregister eingetragen.n angeblichen Gründer reine Strohmänner waren, hinter denen sich die eigentlichen Gründer verbargen. Das frühere Kapital von 21 000 Papiermark wurde bei der Umstellung aus Goldmark in 600 000 Reichsmark in den Büchern umoswr.n- delt, indem man die Häuser usw. ungeheuer überwertete und Schulden abstrich. Wenn die Bilanz nach den gesetzlichen Vorschriften aufgestellt worden wäre, so wären schon am 30. Juni 1930 einem Stammkapital von nominell 400 000 Mark eine Schuldenlast von 3 Millionen gegenübergestanden. Am 28. November 1930, dem Tag der Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister, waren anstatt der angegebenen 6,6 Mill. cR nur noch 63 660 <R vorhanden, am 23. Dezember 1930 war überdies die neue Aktiengesellschaft bereits mit 72 000 -R an die Deutsche Bank verschuldet. Den Vermögenswerten von 467 000 -R (darunter 202 000 -11 nicht ganz sichere Außenstände und 71 000 Forderungen an den Vorstand aus Gehaltsvorschuß) stehen bevorrechtigte Schulden von 418000 -R, aussonderungsberechtigte Gläubiger mit 595 000 und nicht bevorrechtigte Konkursgläulüger mit rund 2 500 000 -R gegenüber.
Aufklärung eines Akkendiebstahls
Osterode (Harz), 20. Mai. Die Ermittlungen nach dem Täter eines Aktendiebstahls, der vor einiger Zeit in dem Landratsamt in Osterode verübt worden war, haben setzt zu einer überraschenden Aufklärung geführt. Der seit einigen Tagen von seinem Amt beurlaubte Landrat Dr. Velthaus hat am Freitag mittag eingestanden, den Einbruch ausgesührt und die Akten selbst gestohlen zu haben.
Gereke-Prozetz
Berlin, 21. Mai. Am zweiten Verhandlungstag gegen den früheren Reichskommissar Dr. Gereke wurde mit der Zeugenvernehmung begonnen, Ministerialrat z. D. Schellen, der im Februar d. I. das ganze Verfahren dadurch in Gang gebracht hat, daß er aus Grund des ihm von Freigang gemachten Geständnisses Anzeige erstattete, sagte aus, er habe festgestellt, daß Dr. Gereke es häufig mit der Wahrheit nicht oenau genommen habe. So babe er als Reichs- kommissar für Arbeitsbeschaffung mitgeteilt, es bestehe eine Liste v, die Gemeinden enthalte, die nicht so leistungsfähig seien, daß sie die Darlehen zurückzahlen könnten. Tatsächlich existierte eine solche Liste nicht. Wiederholt habe Gereke seinen engsten Mitarbeitern von wichtigen Besprechungen erzählt, während er tatsächlich zur Rennbahn ging. Als Leiter des Verbands sei Dr. Gereke glänzend gewesen.
Fremdenverkehrssperre für Oesterreich
Lindau. 21. Mai. Bei der Begrüßung der ausländischen Pressevertreter, die am Freitag auf ihrer Reise du-ch Bayern hier eingetroffen waren, sprach u. a. der bayerische Staatsminister Esser. In seiner Ansprache berührte er auch das Verhältnis Deutschlands zu Oesterreich und sagte: Wir in Deutschland und in Bayern können die gegenwä ngs Entwicklung in Oesterreich ertragen und uns schädigt sie nicht. Sie kann uns nur innerlich wehe tun. Wenn man sagt, daß man auf Besuche von Deutschen verzichten könnte, wenn man sagt, daß man kein Braunhemd sehen wolle, dann werden Sie verstehen, daß dis Negierung das trt, was sie tun muß, daß sie eben auch ihrerseits die nötig ,i Maßnahmen trifft. So haben wir beantragt, daß der Re,s> ström von Deutschland her nach Oesterreich, in ein Land, wo der Deutsche nicht als vollwertig anerkannt wird, abgedämmt werde. -