Nr. 32
Amts- und Arizeigeblatt für den Ob eramt sbezirk Calw.
98. Jahrgang.
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^ Donnerstag, den 7. Fcbrn°r 1821. ^
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Neueste Nachrichten.
Der Auhemntnister der Tschechoslowakei hat erklärt. daß das französisch-lschechoslowakijche Bündnis nicht gegen Drutjchiaud gerichtet sei, da di« Beziehungen zu Deurschland konsolidiert seien. Eine Einigung zwischen Frankreich und Deutschland sei übrigens niiher als manche glaube». Bis jetzt sieht es aber noch nicht danach aus.
Lloyd George hat erklärt. daß er anläßlich der Friedenvverhand- lungen sich gegen die Besetzung des Rheinlandes ausgcsprcchen hohe, dah aber während einer dringenden Reise «ach London Wilson sich von Llemenceau Hab« überreden lassen, und dah auf diese Weise dann die Besetzungskkauset zustandcgeiommen fer. D«s französische Auhennunlstcrium dagegen behauptet, es könne dokumentarisch Nachweisen, dah Lloyd George damals der gleichen Ausfassung gewesen sei wie Llemenceau. Der »Fall- scheint in de, englische» und französische» Presse viel Staub aufzuwirbeln.
Selbst der tote Wilson fcheint uns noch Schwierigkeiten machen zu wollen. Da die deutsche Botschaft in Washington anläßlich seines Todes nicht Halbmast geflaggt hat. wurde wieder ein. mal er»« Entrüstungshetze gegen Deutschland in Amerika ioscenirrt.
Der Borfitzend« der Kommission für Vereinfachung der w 8 rtt. Staatsverwaltung hat erklärt, dah die Regierung die Aufhebung von 12 Oberämtern wünsche.
Enthüllungen Lloyd George's über den Friedensvertrag.
Die Besetzungs- nnd Sicherungssrage.
London, 7. Febr. Reuter meldet: Zn einer der „New- york World" abgegebenen Erklärung verteidigt sich Lloyd George gegen die Angriffe, die gegen ihn im Zusammen- Hang mit den Bedingungen des Friedensvertrags betref- fend die Militärische Besetzung der Rheingrenze durch die Alliierten gerichtet worden sind. Er erklärte, es habe sich nach seiner Rückkehr nach Paris nach einem dringenden Aufenthalt in London während der Friedensverhandlungen gezeigt, dah Wilson in diesem Punkt während seiner Abwesenheit vor den Franzosen kapituliert habe. Er habe erst kürzlich entdeckt, daß Elemenceau und Wilson während seiner Abwesenheit hierüber ein Abkommen unterzeichnet hätten. Er sei gegen die 15jährige militärische Besetzung der Rheingrenze durch die Alliierten gewesen. Er habe vorausgesehen, dah wenn die Franzosen einmal die Grenze besetzt hätten, sie diese nicht wieder verlassen würden. Seine Annahme sei durch die Ereignisse gerechtfertigt worden. Soeben habe er die Dokumente vom Foreign Office erhalten. Die Franzosen wollten das Abkommen zwischen Wilson und Elemenceau veröffentlichen und wünschten, dah er zustimme. Es sei ein wenig spät, ihn um seine Zu- stimmung zu bitten. Er habe niemals zuvor die Dokumente gesehen.
Der Widerhall in Frankreich.
Paris, 7. Febr. Nach einer Note des Auhenministe- riums wird die französische Regierung auf die Behauptun- den Lloyd Georges in der „Newyork World" antworten, wenn sie den genauen Wortlaut besitzt. Jetzt erklärt sie aber bereits, dah ihr Botschafter in London schon am 24. Dezember vorigen Jahres beauftragt worden sei, die Zustimmung der britischen Regierung zur Veröffentlichung des Eelbbuches mit den Schriftstücken über die Ausarbei. tung der Bestimmungen des Friedensvertrages für die Sicherheit Frankreichs zu verlangen. Es gebe kein Geheimabkommen zwischen Elemenceau und Wilson; und dem Inhalt ihrer Unterredungen während seiner Abwesenheit habe Lloyd George nach seiner Rückkehr zugestimmt. — Tardieu, der bekanntlich an der Ausarbeitung des Dersail- Ler Vertrag beteiligt war. erklärte einem Havasvertreter
über die Erklärungen Lloyd Georges, diese seien reine Lüge. Es habe kein Geheimabkommen zwischen Wilson und Elemenceau gegeben. Lloyd George ist von un'ercn Besprechungen nichts unbekannt gewesen.
Englisch« Stimmen.
London» 7. Febr. Dem diplomatischen Berichterstatter des „Eoening Standard" zufolge wurde die Aufmerksamkeit Macdonalds auf die Mitteilungen Lloyd Georges gelenkt und er Hab« um einen sofortigen Bericht über die ganzen Umstünde ersucht. — Der politische Berichterstatter des „Evening Standard" meldet, die französische Regierung wolle ein Dokument von historischem Interesse ver- öffentlichen als Rechtfertigung der Politik Frankreichs gegenüber Deutschland seit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags und als Beweis, dah die französische Regierung für diese Politik die Unterstützung Lloyd Georges gehabt habe. Der Berichterstatter glaubt, dah Lloyd George die genauen Tatsachen widergibt, wenn er erklärt, von Anfang an gegen die Besetzung deutschen Gebiets gewesen zu sein.
Zur internationalen Lage.
Ein neuer separatistischer Angrift auf Pirmasens.
Pirmasens, 8. Febr. Die Separatisten haben sich des Rathauses bemächtigt und dasiclbe besetzt. An der Nacht von vorgestern auf gestern wurden in Pirmasens acht Einbruchsdiebstähle begangen.
Pirmasens, 8. Febr. Die Anarchie In Pirmasens dauert fort. Bon dem separatistischen Vezirkskommlssar ist — um dem Ganzen die Krone aufzusetzen — ein vielfach mit Zuchthaus vorbestrafter Gelegenheitsarbeiter namens Schindelbeck zum Diktator von Pirmasens ernannt worden Bei der Plünderung der Le- bensmittelgrohhondtung wurde der Besitzer, der sich zu verteidigen suchte, indem er auf die Plünderer Essigsäure goß. von den Eindringlingen überwältigt und unter schweren Mißhandlungen und Messerstichen vor das Rathaus geschleppt. Der Schwerverletzte konnte schließlich von der empörlen Menge aus den Händen der Separatisten befreit werden. Während sich die französische Gendarmerie bei diesem skandalösen Austritt völlig passiv verhielt, nahm sie in der Wohnung Klings «ine Haussuchung vor, um festzustellen, mit welchen Waffen er sich verteidigt habe. Bei den in der Stadt unhaltbar gewordenen Zuständen hat General de Metz dem Stadrat den Befehl erteilt, er möge einen Beschluß fassen, daß die von den Separatisten vertriebenen städtischen Beamten sofort zurückzukehren hätten, um di« Arbeit wieder aufzunehmen Die Polizei bleibt nach Anordnung des Generals weiter entwaffnet, sodah die städtischen Beamten keinerlei Schutz gegen die Hebelgriffe der Separatisten haben. Rach einer Mitteilung des französischen Delegierten will General de Metz auf die Freilassung der im Regierung», gebäude in Speyer festgehaltenen Polizeibeamten von Pirmasens keinen Einfluß haben.
Schon wieder ein deutsch-belgischer Zwischenfall?
Brüssel, 6. Febr. (Agence Belge.) Blättermeldungen aus Sterkrade zufolge wurde dort beim Versuch, drei deutsche Sbeinkohlengrubenarbeiter. die mit einem belgischen Soldaten in Streit geraten waren, aus einem Cafö zu entfernen, der Offizier der belgischen Militärpolizei, Beck, von den Deutschen durch Dolchstiche verwundet. Sein Zustand soll ernst sein. Die Angreifer wurden verhaftet.— (Anm. des WTB.: An hiesigen Stellen ist von einem solchen Zwischenfall noch nichts bekannt.)
Der Hauptteil des französischen Ermächtigungsgesetzes angenommen.
Paris, 6. Febr. Die Kammer hat heute Vormittag den ersten Absatz des Art. 1 des Ermächtigungsgesetzes über die geplanten Sparsamkeitsmatznahmen einstimmig angenommen. Dieser Absatz setzt bekanntlich die Mindesthöhe der Abstriche auf eine Milliarde Franks fest, besagt aber noch nichts über die Art der Durchführung. Bier kom- munistische Abänderungsanträge, die auf die Beschneidung der Heeres, und Marineetats abzielen, wurden mit großer
Mehrheit abgelehnt. Der Kommunist Waillant-Lourtu- rier entwickelte im Rahmen des von ihm vertretenen Antrages ein« regelrechte Interpellation, die den Untergang der ,/vixmuiden" zum Gegenstand hat. — Die Fortsetzung der Debatte ist auf heute Nachmittag vertagt worden.
Di« Anhenpolitik der Tschechoslowakei.
Prag, 7. Febr. Gestern Vormittag hielt Autzenminister Dr. B.'nesch im Autzenausschutz des Senats ein ausführ, liches Exposee über die tschechoslovakische Autzenpolitik, indem er u. a. sagte: Da» Verhältnis der Tschechoslovakei zu Deutschland ist konsolidiert (?j. Es war der erste Staat, mit dem die Tschechoslovakei nach dem Waffenstillstand einen Handelsvertrag abgeschlossen hat und zu dem sie in regelmäßigen wirtschaftlichen Beziehungen steht. Die Tschechoslovakei hat freiwillig auf das ihr durch den Versailler Vertrag zuesthende Recht der Liquidation deutschen Vermögens in der Tschechoslovakei verzichtet. Seit fünf Jahren find die Beziehungen zu Deutschland sehr gut, loyal und korrekt. Gegenüber denjenigen, die behaupten, daß der tschechisch-französische Vertrag antideutsch sei, bemerkte Benesch, daß eine Einigung Deutschlands mit Frankreich näher sei, als die Betreffenden glaubten «nd daß der tschechisch-französisch« Vertrag zu dieser Einigung helfen werde. — Namens der deutschen Arbeitsgemeinschaft wurde der Antrag gestellt, der Minister möge sein Exposee in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses vor- tragen, das zu diesem Zweck ehestens einberufen werden solle. Der Antrag wurde mit 9 Stimmen der Deutschen und der Kommunisten gegen k Stimmen angenommen. Unter Berufung aus 8 46 der Geschäftsordnung erteilte der Vorsitzende des Ausschusses dem Minister Dr. Benesch das Wort. Der Vertreter der deutschen bürgerlichen Parteien verwahrten sich gegen diese Außerachtlassung des Ausschutzbeschlusses und verließen den Sitzungssaal.
Brockdorfs Nanhau über den Nachfolger Lenin».
Moskau, 7. Febr. In Beantwortung einer Rundfrage der „Iswestija" an ausländische Diplomaten über die Ernennung Rykows zum Borsitzenden der Volkskommissare schreibt der veut'che Botschafter, Graf Brockdorff-Nantza«: „Rykow ist ein würdiger Nachfolger des großen Menschen, der den Völkern der Sowjetunion neue Wege gewiesen hat. Die Wahl Rykows, des bisherigen Leiters der gesamten Volkswirtschaft der Sowjetrepubliken. liefert einen neuen Beweis dafür, daß die Erkenntnis des Wirt'chaftsaufbaues als Voraussetzung der politischen Stärke in der Sowjetrepublik tiefe Wurzeln gesoßt hat Ich zweifle nicht daran, daß die russisch-deutsche Freundschaft von Rykow dieselbe Unterstützung ersahren wird, wie jeitens seines genialen Vorgängers."
Die deutsche Regierung und der Tod Wilsons.
Berlin, 6. Febr. Auf eine Anfrage des deutschen Bot- schasters in Washington, ob er das Beileid der deutschen Regierung anläßlich des Todes Wilsons offiziell zum Ausdruck bringen solle, hat die deutsche Negierung ihren Standpunkt dahin präzisiert, daß von einer offiziellen Beileidskundgebung der deutschen Negierung abzusehen sei, daß es jedoch dem deutschen Botschafter überlassen bleibe, ob und in welcher Form er persönlich sich an den dortigen nationalen Trauerfeierlichkeiten beteiligen solle. — Die deutsche Botschaft hat anläßlich des Todes Wilsons nicht Halbmast gehißt; weil der Standpunkt vertreten worden war, daß Wilson ein Privatmann sei. Natürlich hat dieses Verhalten bei den Amerikanern, dis jetzt den Größen- Wahnsinn bekommen haben, große Entrüstung hervorge- rufen; man droht mit der Einstellung der Hilfsaktion, wenn die deutsche Flagge nicht sofort gehißt werde. Das Empfinden anderer Menschen und Nationen zu achten, ist eine Eigenschaft, die man eben im Lande des Dollars nicht kennt. Der deutsche Botschafter hat nun eine Erklärung abgeben lassen, daß er, um der Stimmung des amerika- Nischen Volkes entgegenzukommen, während der nationalen Trauerfererlichkeiten Halbmast flaggen lassen werde.