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Nummer 3«2
Fernruf 479
Donnerstag den 24. Dezember 1931
Fernruf 479
66. Achr-miß.
„Wir werden den Poungplan nicht zerreißen lassen" — so Ministerpräsident Laval a letzten Sonntag auf einem Bankett in Paris. „Und w Deutsche", fügen wir hinzu, „weiden das auch nicht tun Sondern der Tribut hört ganz von selber auf, aus dem ein fachen Grund, weil wir ihn nicht mehr zusammenbringen Vordringlicher sind unsere Privatschulden, ihre Berzinsun und Tilgung — und d i e wird uns kaum möglich sein.
Mit der „Zerreißung" übrigens ist es keine so einsac' Sache. Erst muß, wie es in der berüchtigten Haager San tionsklausel steht, der Haager Gerichtshof feststelle: „ob die deutsche Regierung Handlungen vollzogen hat, d ihren Willen beweisen, den Neuen Plan zu zerreißen." 8 bejahendem Fall gewinnen die Gläubigerregierungn ihl „volle Handlungsfreiheit" wieder. Diese aber dürfen sie was seinerzeit Ministerpräsident Tardieu aus Anlaß der Kammerverhandlungen über die Sanktionsklausel ausdrück-, lich erklärte, nur im Rahmen der Völkerbundssaßung, also gemäß Artikel 13, wo nichts von einer militärischen Operation steht, d. h. durch „wirtschaftliche und finanzielle Sverr- und Zwangsmahregeln", vornehmen. Also keine Wiederbesetzung des Rheinlands mehr. Aber auch, wie bereits bemerkt, wirtschaftliche Sanktionen nur für den erwiesenen Fall einer schuldhaften „Zerreißung" des Plans. Und auch diese sind sehr zweifelhaft. Denn ein derartiger Beschluß erfordert Einstimmigkeit des Rats — und der ist bei der gegenwärtigen Stellungnahme Englands und Italiens so gut wie ausgeschlossen.
Wie in dieser Frage, so sucht Frankreich auch im Hinblick auf die bevorstehende Abrüstungskonferenz Stimmun.a gegen Deutschland ,zu machen. Es ist geradezu haarsträubend, welche Verleumdungen — leider auch mit Hilfe unserer „edlen" Pazifisten, über angebliche deutsche Rüstungen in ernsthaften Pariser Blättern verbreitet werden. Deutschland könne im Ernstfall mit Herbeiziehung seiner Polizei und seiner Wehrverbände sofort 300 000 Soldaten ins Feld stellen. Es habe mehr als 20 000 Maschinengewehre; es fabriziere im geheimen eine Unmenge von Bomben-Flugzeugen und Tanks. Lauter Schwindel. Erst unlängst hat Reichswehrminister Grönervor aller Welt versichert, daß die von Frankreich so gefürchteten deutschen „Wehrverbände" militärisch gänzlich unbrauchbar seien. Wie steht es aber, fragen wir billigerweise, mit der militärischen Ausbildung der Schuljugend in Frankreich, Italien und Polen? Frankreich ist in des Wortes verwegenster Bedeutung wirklich „ein Volk in Waffen". Aber wir! Die Welt soll glauben, daß Frankreich durch den bösen deutschen Nachbarn aufs schlimmste gefährdet sei und daß es deshalb keinen einzigen Mann in der Linie und in der Reserve entbehren könne. Und die Welt? Sie wird abermals auf den Schwindel hereinfallen, und die Abrüstungskonferenz wird abermals ausgehen wie das Hornberger Schießen.
Und nun zu unserem „guten und getreuen Nachbarn" Oesterreich. Dort sieht eg augenblicklich recht ungemütlich aus. Am letzten Sonntag hat das Grazer Schwurgericht Dr. Pfrimer u. Gen. freigesprochen. Darüber großer Jubel unter den österreichischen Gebirgsbauern, die fast ausnahmslos der Heimwehrbewegung angehören. Zor- nige Wut bei den Gegnern. Ein sozialistischer Abgeordneter rief im Nationalrat: „Glauben Sie, daß die österreichischen Arbeiter sich abschlachten lassen?" Prompt die Gegenseite: „S^e wissen, wie man Bäume zu Galgen macht!" Kurz, in Oesterreich geht es drunter und drüber. „Wir haben bereits die Anarchie" — schrieb ein Regierungsblatt. Der Na- ^ alle Macht repräsentiert, schwankt un- Mussig zwischen Bauerntum und Arbeiterschaft Der ^ u " besrat führt ein S ch a t t e n d a s e i n. Die W i r t- «egt im Argen, noch schlimmer als bei uns, obwohl die Oesterreicher bekanntlich keinen Tribut zu zahlen brauchen, ^on fünf österreichischen Arbeitern und Angestellen sind zwei erwerbslos. Die Beamten, die schon vorher übler daran ihre reichsdsutschen Kollegen, sind durch die in schwere Not geraten. Die können ihre Steuern nicht mehr bezahlen. Dazu dis .S.^"^kmiishalt, schwere Auslandsschulden, der Industrie, zollpolitische Erschwerungen istachbarn, Ueberfluß an landwirschaftlichen Er- ^ Sudosten. Kurz: jede Woche bedeutet für -inen nemn Abstü^ seinem Kulturniveau lebt,
^ besser für Frankreich! Immer enger schmieden ^ unglückliche Volk die goldenen Fesseln seines Gläubigers an der Seme. Erst mußte es den Gedanken einer deutsch-österreichischen Zollunion für Zeit und Ewigkeit feierlich absagen. lind jetzt wieder aufs neue der Finanzkontrolle des Völkerbunds, besten Finanzkommission man mit Recht eine „Sanktion des französischen Finanzministeriums" genannt hat, sich unterstellen. „Oesterreich —
eine französische Kolonie!" Und dagegen eben sträuben iicl, die Alpenbauern. ' /
.. 6" Die Preissenkung marschiert.
An allen Weihnachtsschaufenstern winken die Zahlen von 10 und 15 und mehr Prozent Rabatt. Es ist ein wahres WMausen^wse bei einem Hportfest. Nur tzqhen wir mit-
ragessviegel
Von den Blättern wird festgestellk, daß die Entschließung der Ostpreußischen Landwirkschaftskammer, die zu ihrer Auslösung durch die preußische Regierung führte, von den nativ- nalsozialistischen Mitgliedern der Kammer veranlaßt worden sei.
Die Londoner „Times" berichtet, die britische und die französische Regierung haben sich geeinigt, die andern in Frage kommenden Regierungen einzuladen» die Reparationskonferenz auf ungefähr Mitte Januar nach dem Haag einzuberufen.
Auf eine britische Anfrage wegen etwaiger Vertagung der Abrüstungskonferenz antwortete die japanische Regierung, sie könne keinen Grund für eine Vertagung sehen. Aebrigens befinden sich die japanischen Bevollmächtigten bereits auf der Reise nach Gens.
Der Senat hak das Hoover-Morakorium mit 69 gegen 12 Stimmen bestätigt.
unter ven Einorucr, als ov mancyer vseicyastsmann oiesmar seine letzte Karte ausspielen wolle. S'ist auch etwas daran. Oder wer von uns hätte je geglaubt, daß die 94jährige Riesen- und Weltfirma A. Borsig in Tegel, die allein in Berlin 13 000 Arbeiter beschäftigt und die neben vielem anderen jährlich nicht weniger als 450 Lokomotiven für alle Welt baute, ihre Zahlungen einstellen müßte? Ein Uner- nehmen, das seinesgleichen auf unserem Planeten suchte. So das am grünen Holz geschieht, was soll am dürren werden?
Und „Dürres", sehr viel Dürres grinst uns allüberall an. Vor uns liegt der letzte Vierteljahresbericht des (sonst ziemlich optimistisch eingestellten) „Instituts für Kon- junkturforschun g". Unter dem Druck der Kreditkrisr sei die industrielle Produktion weiter zurückgegangen. Bon den 21 Millionen A: beiskrästen, über dis die deutsche W schaft verfügt, sind nur noch 16 Millionen in Arbeit. Von den 10)4 Millionen Industriearbeitern sind augenblicklich noch 6 bis 7 Millionen beschäftigt. Das Arbeitseinkommen allein ist seit 1929 um ein Fünftel bis ein Bi.rtel gesunken.
Und zu dem Darniederliegen des Jnnenmarktes auch noch der starke Rückgang der A u s fuh r. Wohl hatten wir auch im November noch einen Ausfuhrüberschuß (in den 10 ersten Monaten dieses Jahres zusammen 2382 Millio nen), aber erheblich weniger als im Vormonat, nämlich 13 Millionen RM. Ausfuhr weniger als im Oktober. Und s hat sich der Aktivsaldo von 383 im Oktober auf 256 n November vermindert. Immer weniger setzen wir im Aus land ab. Das kommt von dem Währungsverfall, den Kon tingentierungen, den Hochschutzzöllen, den Einfuhrverboten des Auslands. Und doch sollen wir gerade aus dem Ausfuhrüberschuß unseren Tribut und unsere Auslandsschulden bezahlen! Wie geschieht das?
Dennoch wollen wir den Kopf nicht sinken lassen. „Gott verläßt die Deuschen nicht." Ist.
Die Vrotpreissenkung
Berlin, 23. Dez. Der Reichskommissar für Preisüberwachung hat heute seine Besprechungen mit dem Bäckerhandwerk über die Brotpreissenkung beendet. Das Bäckerhandwerk schätzt die durch die allgemeine Lohn- und Preissenkung usw. auch für die Brotherstellung wirksamen Erleichterungen auf rund 2 Pfennig je Kilogramm Brot. Darüber hinaus hat das Bäckerhandwerk dem Reichskommissar Zugesagt, den Unternehmergewinn um 1,5 Pfennig zu senken. Der „Germania Zentralverband deutscher Bäckerinnungen" empfiehlt deshalb seinen Mitgliedkörperschaften im Reich, die Bruttospanne ab 1. Januar 1932 um mindestens 10 Prozent zu ermäßigen: sie darf nicht höher sein als 14 Pf. je Kilogramm. Der Reichskommissar wird vor einer Entscheidung über das Nachtbackverbot sich mit dem „Germania-Verband" ins Benehmen setzen. Er wird sich ferner mit der Frage beschäftigen, ob und in welcher Weise die Mühlen- und Grobhandelsspanne gesenkt und gefestigt werden kann.
Auch die Brotfabriken empfehlen, die Druttospanne um die Unkostensenkung herabzusetzen. Eine weitere Senkung der Bruttospannen stellten die Fabriken in Aussicht, wenn eine gewisse Lockerung des Nachtbackverbots und Aufhebung des Ausfuhrverbots vor 7 Uhr morgens erreicht werden sollte.
Der Aeichskommissar hat an sämtliche Elektrizitätswerke Deutschlands ein Schreiben gerichtet, in dem er sie bis zum 10. Januar zum Bericht über ihre beabsichtigten Preissenkungsmaßnahmen auffordert. Mer bis zu diesem Termin eine zehnprozentige Preissenkung dürchgeführt hat, ist von diesem Bericht befreit.
Im Einverständnis mit der bayerischen Staatsregierung hat der Aeichskommissar den Präsidenten des Bayerischen Statistischen Landesamts, Dr. Zah n, für Bayern zu sei- M» LMftMfey WM ' - - -
Die neue Notverordnung 1
vom 23. Dezember, die die Lücken der Vierten ausfüllen soA bestimmt u. a.:
Der Sprozentige Zuschlag zur Einkommensteuer von mehr als 8000 Reichsmark, der Ledigenzuschlag und der 10pro- zentige Tantiemenzuschlag der Aufsichtsratsmitglieder werden auch für 1932 erhoben. Die landwirtschaftliche Einheitssteuer für die Einkünfte aus Verpachtung, die in einem landwirtschaftlichen Betriebe anfallen, gilt j : jetzt, dagegen für die Einkünfte aus Verpachtung, die ein chklandwirt bezieht, erst von dem Zeitpunkt ab, in dem e entsprechende, Regelung für das gesamte Grundverm.'.,, n getroffen wird. Verluste aus Landwirtschaft sollen grundsätzlich vom übrigen Einkommen abgezogen oder gegebenenfalls auf da« nächste Jahr vorgetragen werden. Verluste bis 1000 Reichsmark bleiben außer Änsatz. Mit der Freistellung der ersten 6000 Reichsmark des landwirtschaftlichen Einkommens ist grundsätzlich auch der steuerfreie Einkommensteil von 720 Reichsmark abgegolten. Um Härten zu vermeiden, soll der steuerfreie Einkommensteil gewährt werden, wenn der Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes unter 8006 Reichsmark liegt.
Die Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer ist vom 2. Januar 1932 ab auch in Monatsraten zugelassen.
Durch die Verordnung vom 6. Oktober 1931 ist die Hauszinssteuer mit Wirkung vom 1. April 1932 ab um 20 Prozent gesenkt worden.
Senkung der Verdienstspanne im Fleischergewerbe
Der D e uts ch e Fle i sch er v e rb a n d hak sich in den Verhandlungen mit dem Relchskommisfar bereit erklärt, seinen Mitgliedern die Herabsetzung der Bruttospreisspannen zu empfehlen, die bei Schweinefleisch 15 Rpf., bei Rindfleisch 20 Rpf., bei Kalb- und Hammelfleisch 25 Rpf. je Pfund höchstens betragen solle. Die Erhöhung der Umsatzsteuer ustrd vom Gewerbe getragen. Der Reichskommissar hat sich bereit erklärt, zur Zeit von einer amtlichen Festsetzung der Preisspannen abzusehen.
Neue Nachrichten
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Brüning beim Reichspräsidenten
Berlin, 23. Dez. Der Reichspräsident empfing heute vormittag den Reichskanzler Dr. Brüning zum Bortrag. Ferner empfing der Herr Reichspräsident heute den Reichskommissar für Preisüberwachung, Oberbürgermeister Dr. Gördeler, zum Bericht über seine bisherige Arbeit.
^ Die amtliche Prüfung von Bausparkassen
Berlin, 23. Dez. Der Senat beim Reichsausstchtsamt für das Bersicherungsgewerbe hak, nachdem das Amt in der letzten Zeit eine größere Anzahl von Bausparkassen an Ort und Stelle geprüft hatte, entschieden, daß in 5 Fällen Antrag auf Eröffnung des Konkurses zu stellen ist. In 6 Fällen hat der Senat die Betriebs untersaaung ausgesprochen, bei 3 Bausparkassen hat er gleichzeitig die Aufsichteinsetzung eines BermögensverwalterS angeordnet.
Sühne für politische Bluttaten
Bremen, 23. Dez. Das Schnellgericht verurte''tt» st'mf Reichsbannerleute und vier Mitglieder der Sozialdemrl tischen Partei, die am 9. November bei einem Zusammenstoß einen Nationalsozialisten erstochen und mehrere andere schwer verletzt haben. Von den Reichsbannerleuten erhielten einer 2 Jahre Gefängnis, zwei je 1 Jahr und zwei je 6 Monate Gefängnis. Die vier anderen wurden zu je 4 Monaten Gefängnis verurteilt.
In Berlin wurden, wie bereits gemeldet, zwei Nationalsozialisten, die einen Reichsbannermann erschossen hatten, zu je 7 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt.
Der Antrag Shipstead abgelehnt
Washington, 23. Dez, In der elfstündigen Senatsaussprache über das Hoover-Moratorium wurde der Zusatz- antrag des Senators Shipstead abgelehnt, Amerika solle die Behauptung des Versailler Vertrags von Deutschlands Alleinschuld am Krieg feierlichst als falsch verwerfen. Die Ablehnung dieses Antrags bedeutet keine sachliche Stellungnahme des Senats: denn bei einer Aenderung der Erklärung zur Moratorium hätte die ganze Vorlage wieder an das Al geordnetenhaus zurückgehen müssen, was Zeit gekostet hätte Die Senatoren waren von den langen Ausschuß- und Voll sitzungen erschöpft und wollten zum Weihnachtsfest nach Hause fahren.