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Nummer 286

Fernruf 479

Samstag, den 6. Dezember 1936

Fernruf 479

65. Jahrgang.

Re Sedeulimg des Neichsrals steigt

Ein sehr interessanter und folgenreicher Funktionswand:! zwischen Regierung, Reichsrat und Reichstag, ein bedeut­samer Vorgang, der die größte Aufmerksamkeit verdient. Mit geflissentlicher Zurückstellung des Reichstags, des eigentlichen Gesetzgebers der deutschen Republik, schob Reichskanzler Dr. Brüning in den letzten Wochen den Reichsrat in den Vordergrund. Ihm legte er was allerdings verfassungsmäßig einwandfrei ist die 36 Not­gesetze vor. Er stellte den Landesvertretern eine 14tägige Frist zur Bearbeitung des großen Materials, das nicht we­niger als 88 Seiten des Reichsgesetzblatts umfaßt. Und siehe da: die Maschine des deutschen Föderalismus das ist eigentlich die letzte Bedeutng des Reichsrats arbeitete prompt. Der Reichskanzler konnte feststellen, daß das Ge­setzgebungswerk die einstimmige Annahme des Reichs­rats gefunden habe. Und gewissermaßen zur Prämiierung dieser exakten Arbeit hielten Reichskanzler und Reichs­außenminister im Reichsrat die bedeutsamen politischen Re­den, für die eigentlich der Reichstag die Plattform hätte bieten müssen. Der Reichstag wird noch ein paar Tage an­gehört, dann aber nach Hause geschickt, und in dem Vakuum rietet die Regierung das Banner des Artikels 48 auf. Die Reichsboten ober haben das Nachsehen.

Ist dies yerfassungsmäßig zulässig? Bekanntlich bekam der Reichs rat, diese Ländervertretung, in der Weimarer Verfassung eine andere Stellung als sie früher der Bismarcksche Bundesrat hakte. Dieser hatte ein Einspruchsrecht gegen Beschlüsse des Reichstags. Also beide Faktoren mußten zusammenstimmen, wenn eine Vor­lage Gesetzesrecht erhalten sollte. Diese Machwerteilung bat sich 1919 zugunsten des Reichstags verschoben. Wobl steht gegen die vom Reichstag beschlossenen Gesetze dem Reichs- iat ein Einspruch zu. Aber kommt keine Uebereinstimmung zwischen Reichstag und Reichsrat zustande, so kann der Reichspräsident einen Volksentscheid anordnen oder ist eine mit Zweidrittelmehrheit vom Reichstag beschlossene Fassung zu verkünden (Art. 74). Somit hat der Einspruch des Reichsrats nur eine aufschiebende Wirkung.

Ein Parlament im heutigen Sinne ist also der Reichs­rat nicht. Dazu fehlt ihm dis Ministerverantwortlichkeit. Auch liegt der Schwerpunkt in den Ausschüssen. Die Voll­sitzungen, in denen keine ausführlichen Reden gehalten, sondern nur kurze Erklärungen der einzelnen Vertreter ab­gegeben werden, stellen, meist sogar ohne ausdrückliche Ab­stimmungen (Bismarck hat überhaupt nicht abstimmen lassen) den Beschluß fest.

Nun haben sich diese Formen nicht geändert. Das wäre auch ein direkter Verfassungsbruch gewesen. Aber die moralische Bedeutung des Reichsrats hat sich unter Dr. Brüning stark gehoben. Cr und seine Regierung fühlt sich nicht mehr als Ausschuß des Reichstags bezw seiner Mehrheit. Die gibt's überhaupt nicht. Mit der Minder­heit, die hinter der Regierung siebt, läßt sich schlechterdings nicht« anfangen. Die radikalen Flügel des Reichstoas sind erst recht Gegner des Kabinetts. Im Notfall tut die Sozial­demokratie mit. Aber auch das ist nicht unbedingt sicher.

Die Regierung Brüning lehnt sich also an den Reichs­rat an. wo ihr mindestens die Unterstützung durch Preu­ßen sicher ist. Dies dürfte ja wohl auch der Hauptzweck der vielbesprochenen Verhandlungen Brünings mit dem preußischen Ministerpräsidenten Braun gewesen sein. Freilich auch mit dem Reichsrat reicht es nicht, den Reform- plan durchzusetzen. Somit bleibt nur der bekannte Diktatur-Artikel 48. An sich bedeutet seine Anwendung noch keinen Staatsstreich. Der erste Reichspräsident Ebert hat dutzendmal zu diesem Notbehelf gegriffen. Aber aller­dings handelte es sich damals um wirklicheStörungen und Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ord­nung". Solche liegen heute Gott sei Dank nicht vor. Aller­dings könnte es bei zunehmender Arbeitslosigkeit noch zu Unruhen kommen, und man soll bekanntlich den Brunnen nicht erst zudecken, wenn das Kind hineingefallen ist. Jeden­falls steht der Reichsrat in seiner gegenwärtigen Zu­sammensetzung und Mehrheit hinter der Regierung Brü­ning. Wie es sein würde, wenn in Preußen, Baden, Hessen und kn anderen Ländern Landtagswahlen stattgefun­den haben, ist ein« andere Frage. Aber Dr. Brüning will das Eisen schmieden, solange es warm ist. Der Reichs­tag hat versagt, nicht ganz ohne Schuld des Reichskanz­lers, wie man vielfach sagen hört, denn er habe nicht ge­wagt, die parlamentsmäßigen Folgerungen aus den letzten Reichstagswablen zu ziehen. Sei dem wie ihm wolle: sicher ist, daß der Parlamentarismus eine schwere Niederlage er­litten hat. Manche fragen: Wozu ein Reichstag, wenn man mit dem Reichsrat und mit Artikel 48 auskommen kann?

" Neue Nachrichten

Der Rücktritt Bredks genehmigt

Berlin, F. Dez. Der Herr Reichspräsident hat auf Vor­schlag des Reichskanzlers den Reichsminister Dr. Bredk sei- netzl Antrag entsprechend vom Amt des Reichsnünifters der

lagesspiegel

2m österreichischen Rationalrat verlas am Freitag dcr neue Bundeskanzler Dr. Luder die Regierungserklärung, in der u. a. eine Aenderung der bestehenden Wahlordnung angekündigt wird.

Die französische Kammer hat die Forderungen für Heer. Marine und Befestigungen für 1939 31 mit 445 gegen 150 Stimmen bewilligt.

2n dem französischen Oustric-Skandal stehen Enthüllun­gen bevor, durch die weitere amtliche Persönlichkeiten, dar­unter der französische Botschafter in Rom, Lesnard. bloß- gestellt werden sollen.

2m Moskauer 2ndustrieprozeß beantragte Staatsanwalt krylenko gegen alle acht Angeklagte die Todesstrafe.

Justiz entbunden und den Staatssekretär im Äelchsjustiz- ministerium Joel bis auf weiteres mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Reichsjustizministers beauftragt.

Die Grüne Front zur Notverordnung

Berlin, 5. Dez. Die Grüne Front erklärt, daß die in der Notverordnung vom 1. Dezember vorgesehenen Maß­nahmen anzuerkennen seien. Es müsse erwartet werden, daß sie wirklich durchgeführt werden. Mit größtem Be­dauern sei aber festzustellen, daß auch die neuen Maß­nahmen die Interessen der bäuerlichen Veredlungs- wirtschaft fast ganz unberücksichtigt lassen. Sie müssen verhängt werden sowohl auf dem Gebiet der Milchwirtschaft, Vieh- und Schweinehaltung, als auf dem Gebiet des Garten-, Gemüse-, Obst-, Weinbaus und anderer Spezialkulturen. Di« völlig unzulänglichen Preise für die Erzeugnisse der Veredlungswirtschaft hatten zu einer zunehmenden Verschärfung der Lage aller Erzeu­gungsrichtungen geführt.

Bayerische Volkepartei gegen das Skeuervereinheitlkchungs-

geseh

Berlin, 5. Dez. Die Fraktion der Bayerischen Volks­partei erklärte das Steuervereinheitlichungsgesetz für die Landwirtschaft für unannehmbar. Der Reichskanzler hatte gestern eine Besprechung mit Vertretern der Fraktion, worauf diese eine Sitzung abhielt, in der aber wieder die ablehnende Haltung zum Ausdruck kam. Der Reichskanzler besprach sich darauf mit der Zentrumsfraktion. Es erscheint aber noch ungewiß, ob in den weiteren Verhandlungen die Bayerische Volkspartei veranlaßt werden kann, ihre Bedenken aufzuheben.

Zusammenstöße in Kassel

Kassel» 5. Dez. Gestern abend kam es in der Altstadt zu Zusammenstößen zwischen Kommunisten und Reichsbannerleuten. Ein Polizeibeamter wurde durch Messerstiche verletzt.

Strafanzeige gegen einen Reichstagsabgeordnetcn

Dessau. 5. Dez. Der Gesamtvorstand der hiesigen Orts­gruppe der Deutschen Volkspartei faßte einstimmig den Beschluß, über die Berliner Parteileitung unverzüglich eine Anzeige gegen den sozialdemokratischen Reichstagsabgeord- neten Seger aus Dessau wegen Landesverrats zu er­wirken, der in einigen Aeußerungen Segers über die Reichswehr und die Junkerswerke erblickt wird. Der Gesamtvorstand gab seinem starken Befremden dar­über Ausdruck, daß wegen dieser in der Resolution als landesverräterisch" bezeichneten Aeußerungen nicht von amtswsgen gegen Seger eingeschritten worden sei.

Maschinengewehre bei den Kommunisten entdeckt

München, 5. Dez. In Wasserburg (Oberbayern) hat die Polizei Haussuchungen bei Kommunisten vorgenommen und dabei tm Holzschuppen eines Kommunistenführers in einer Kiste verpackt vier schwere Maschinengewehre mit sämtlichem Zubehör beschlagnahmt. Der Kommunist hat sich seiner Ver­haftung durch die Flucht entzogen.

Kabinett Tardieu im Senat gestürzt

Paris, 5. Dez. In der gestrigen Senatssitzung war der Andrang des Publikums so groß, wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Im Hause herrschte große Aufregung. Der radikale Senator Hery griff die Regierung an, die den verschiedenen deutschen Kundgebungen hätte zuoorkommen müssen. Bei Anwendung von Gewaltpolitik wären aber die deutschen Reichstagswahlen noch schlimmer ausgefallen. Die Regierung habe Frankreich nicht über den Geistes­zustand in Deutschland unterrichtet. Die Kaufkraft des fran­zösischen Franken sinke immer mehr. 75 Milliarden Papier­ftanken seien im Umlauf, die Teuerung werde immer arößer. die Svekulationswctt treibe die üppigsten Blüten.

Cs genüge nicht, den gewesenen Justizminister Peret und die beiden Staatssekretäre, die an den wilden Geschäften des Spekulanten Oustric beteiligt waren, zu entfernen; das ganze Kabinett sei schuld, weil es die schwindelho^e Kurstreiberei der Oustric-Aktien gefördert habe. Die Jesuiten seien heute in Frankreich mächtiger als je.

Ministerpräsident Tardieu erwiderte, die außenpoli­tische Lage sei ernst, aber nicht gefährlich. Er und Bri >nd haben sich immer gut verstanden. (Höhnische Zurufe: Seit wann?) Der Erfolg Hitlers sei allerdings eine Ent­täuschung. lieber die Abrüstung wolle er nicht sprechen. Wenn aber der Alleuropaplan nicht innerhalb 10 Jahren durchgeführt werde, möchte er auf die Zukunft Europas nicht mehr viel geben.

Auch auf die Rede des Dr. E u r t i u s im Reichsrat wolle er nicht eingehen, denn ein Redenaustnusch von Tri­büne zu Tribüne sei kein geeignetes Mittel. Slngeleoenh''»n zwischen großen Völkern zu regeln. Er (Tardieu) halte sich an die Verträge.

Bei der Abstimmung über ?0» V-i-krauemorkiäruim btieb die Regierung mit 145 gegen 149 Stimmen in der Minder­heit. Tardieu begab sich sofort zum Staatspräsidenten Doumergue, der das Rncktrittsoesnch des Kabin'Ns annahm und Tardieu ersuchte, die Geschäfte einstweilen fortzuführen.

Verschwörung in Lissabon

Madrid, 5. Dez. In Lissabon wurde eine revolutionäre Verschwörung entdeckt. Drei Unteroffiziere und verschiedene Zivilpersonen wurden verhaftet. Die Polizei beschlagnahmte 350 Bomben. Es wurde festgestellt, daß die Leituna der früheren Demokratischen Partei die Mittel zur Unterstützung des Komplotts beschafft hat.

Aoung zur Schuldenfrage

Reuyork, 5. Dez. Owen Pacing, der soeben von einer Besprechung mit dem Präsidenten der Bank von England und anderen führenden Bankleitern aus London zurück- gekehrt war, erklärte im Neuyorker Lotosklub: Es sei zu hoffen, daß Anregungen für eine Neuregelung der Kriegs schulden von den Vereinigten Staaken nicht wie bisher ohne weiteres abgelehnt werden, sondern daß man mit Ruhe und Sympathie solche Vorschläge erörtern werde. Aus den inter­nationalen Verpflichtungen der Weltwirtschaft könne sich kein Land mehr ohne Nachteil für sich selbst und ohne Schaden für die übrige Welt loslösen. Es sei ein Widerspruch, wenn die Vereinigten Staaten auf der einen Seite ihren Außen­handel mächtig ausbauten, andererseits aber außerordentlich hohe Schutzzölle einführten. Die Amerikaner müßten mehr Verantwortung gefiihl zeigen. Als mächtigster Staat der Welt seien die Vereinigten Staaten zu einer führenden Rolle bestimmt. Zehn Jahre habe es gedauert, bis Amerika sich eine auch nur annähernd richtige Vorstellung von der Natur der internationalen Kriegsschulden zu machen begon­nen habe. Es sei nur natürlich, daß die Schuldner in einer Zeit, in der di« Waren- und Wertpapierpreise sinken, auch eine Neuregelung und Anpassung ihrer Schulden for­dern. Wenn er (Poung) zu entscheiden hätte, würde er mit Freuden den Wünschen der Schuldnerländer «ntgegenkom- men. Amerika müsse sich hüten, in den Ruf der Hartherzig­keit zu kommen. Eine Neuregelung müßte endgültig sein. Di« fürchterlich« Unsicherheit sei schlimmer als die Schulden selber. Es müsse «in besserer Ausgleich zwischen der ameri­kanischen Innenpolitik und den Gesetzen der Weltwirtschaft gesunden werden, sonst müßten die Widersprüche zu einer Katastrophe führen. ,

Der Fehlbetrag im amerikanischen Haushalt

Washington, 5. Dez. Die Bereinigten Staaten haben infolge der geschäftlichen Krise für das lausende Jahr einen Fehlbetrag von 180 Millionen Dollar aufzuweisen. Die Jahresbotschaft des Präsidenten erklärt, daß das Minder­auskommen sowohl auf geringere Steuereingänge wie auf Erhöhte Ausgaben für das Bauprogramm zurückzuführen sei. Der HaushaMoranschlag für das nächste Jahr sieht Ausgaben in Höh« von 4054 Millionen Dollar vor. Präsi­dent Hoover empfiehlt dem Bundesparlament, di« seit dem Jahr 1929 bewilligt« Ermäßigung aus die Einkommensteuer wieder abzuschassen.

Seukscher Reichstag

Aussprach« zu Haushalt und Rotverordnungen

Berlin, 5. Dezember.

Abg. Nippel (Christl.-Soz.): Weite Kreise des Volks begrüßen, daß der Reichskanzler zielbewußt handle. Die Parteiherrschaft auf den Rathäusern habe der Selbstverwal­tung das Grab gegraben. In der Stadt Bochum beschäftigen Stadt und Reichspost je 1200 Personen: während bei der Post auf die 1200 Beamten vier leitende Beamte kommen, habe die Stadt Bochum deren 57. Die Reichspost zahle ihren 1200 Beamten SN Millionen Mark, die Stadt Bochum mehr als SN Millionen. Der Volksdienst lasse sich nickt unter die