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Nr. 58

Dienstag, den 11. März 1930

Lahrgang 102

Auf der Suche nach dem Ausweg

Verhandlungen über ein neues Finanzprogramm Eine erweiterte Weimarer Koalition als Ausweg? Der Reichspräsident ermächtigt den Kanzler zur Reichslagsauslösung

TU Berlin, 11. März. Der Reichspräsident empfing gestern vorm'ttag de« Reichskanzler zum Bortrag über die politische Lage. Des weitere« «ahm der Reichspräsident den gemeinsamen Vortrag LeS Netchsautzcuministers Dr. Cnr- tins» des Neichsernährnngsmtnisters Dietrich «nd des deut­schen Gesandten in Pole«, Rauscher, über de« dentsch-pol- nische« Handelsvertrag entgegen.

Wie zu dem Besuch des Reichskanzlers beim Reichspräsi­denten ergänzend verlautet, hat der Reichskanzler dem Reichspräsidenten über die politische Lage Bericht erstattet. Am Verfolg dieser Besprechung hat der Reichskanzler Mül­ler vom Reichspräsidenten dem Vernehmen nach die bedingte Ermächtigung erhalten» de« Reichstag aufzulöse«, falls die­ser nach Annahme der Nounggefetze dem neue« Finanzpro- gramm der Regierung nicht zustimmen sollte. Das Finanz- Programm soll dann unter Umständen vorläufig» «m de« Dermin des S4. März eiuznhalte«, auf Grund des 8 18 der Reichsverfassnng in Kraft gesetzt werden» «m eine Kata­strophe zum Ultimo März z« vermeide«. Wie weit die Er­mächtigung des Reichspräsidenten im einzelnen geht, ist je­doch noch nicht feftzustellen, so Latz noch abzuwarten ist, ob der Reichskanzler Müller von dieser Ermächtigung LeS Reichspräsidenten Gebrauch machen wirb.

Die Weimarer Parteien beraten über ein «e«es Finanzprogramm. ,

Gestern mittag fand die angekünd-igte Besprechung der Vertreter der Demokraten, des Zentrums, der Bayerischen Volkspartei und der Sozialdemokraten statt, in der die Mög­lichkeiten einer Mehrhcitsbildung für ein Finanzprogramm ohne die Deutsche Volkspartei erörtert wurde. Die Verhand­lungen dauerten bis 11.15 Uhr nachts. Über ihr Ergebnis wird aus Grund einer Vereinbarung der Parteien zunächst Stillschweigen bewahrt, doch wird mitgeteilt, daß die Besprechungen eineu befriedigenden Verlaus genommen hätten. Heute vormittag soll die Öffentlichkeit über das Er­gebnis unterrichtet werden.

Wie von bestunterrichteter Seite versichert wird, wurden di« Verhandlungen nicht etwa lediglich mit dem Ziel geführt, eine Art Billigungssormel zwischen den vier Parteien zu ver­einbaren. Sie hatten vielmehr Len positiven Zweck, einend» gültiges Finanzprogramm sertigzustellen, auf dessen Durchführung sich di« unterhandelnden Parteien fest ver­pflichten sollen. Es besteht die Absicht, das «ene Finanz­programm der Dentscheu Volkspartei vorzulegeu «nd von ih« hierzu ein klares Ja oder Nein zu verlangen. Nach Lage oer Dinge kann es aber nicht zweifelhaft sein, daß dt« Deutsche Volkspartei eine einLeutige Absage erteilen dürft«,

woraus sich ohne weiteres die Konsequenz Les sofortigen Rücktritts Molüenhauers ergeben würde.

Die Aussichten für die Einignng der v»er Regierungsparteien über das Finanzprogramm und für das Zustandekommen einer Regierung der Weimarer Koalition werben von den Berliner Blättern sehr verschieden beurteilt. Der »Vor­wärts" sagt über das Ergebnis der Besprechungen am Montag, daß man sich auf dem Weg zur Einigung befinde. Ueber die Grundlage der Besprechungen macht das Blatt folgende Angaben: Die Erhöhung der Viersteuer solle von Leu Länder« burchgeführt werde». Zum Ausgleich für den Ausfall von 15Ü Millionen Mark, der dadurch im Reichsetat entstehe« solle, sollen die Erträge der Miueralwasserstener und des Venz'n- und Benzolzolls in voller Höhe dem Reich zufallcn, ferner solle neben dem Mineralölzoll eine innere Benzin- «nd Benzolsteuer geschaf'e« werbe«. Es bliebe dann immer noch ein ungedeckter Bedarf. Es sei erwogen wor­den, Le» ersten Umsatz von Importwaren zu besteuern und die allgemein« Umsatzsteuer von Ü,7S Proz. auf 0,8g Pr,z. zu erhöhen. Das »Berliner Tageblatt" berichtet weiter, die Idee des einmaligen Zuschlags zur Einkommensteuer, die wieder aufgetaucht sei, habe auch diesmal bet der Mehr­heit keinen Anklang gefunden, lieber die Steuersenkung sei bas letzte Wort noch nicht gesprochen. Ueber die Haltung der Demokraten berichtet der »Börsencourier", daß sich beim Wirtschaftsflügel der Demokraten starker Widerstand gegen eine Beteiligung an einer Weimarer Koalition melde. Gegen eine Beteiligung der Bayerischen Volkspartei an einer Weimarer Koalition bestehen in München beim Hauptvorstand der Partei sehr ernste Bedenken.

Das Sofortprogramm für die Landwirtschaft

TU Berlin» 11. Mürz. Ueber Lie Durchführung -er So- fort-Matznahmen für die Landwirtschaft fand am Montag im Reichstag eine Parteisührerbesprechung statt, in der Reichsernährungsminister Dietrich eingehend über den Stand der Dinge Bericht erstattete. Die Parteiführer be­hielten sich vor, zu den geplanten Maßnahmen zunächst «ine Stellungnahme ihrer Fraktionen herbeizusühren. Erst nach der Stellungnahme der Fraktionen sollen die Besprechungen fortgesetzt werden. W r glauben aber nicht, Latz unter diesen Umständen das Sofort-Programm nun auch wirklich sofort Gesetzeskraft erhält. Bestimmt werden erst alle möglichen Bedenken geltend gemacht, so daß kostbare Wochen ins Land gehen werden, bevor sich überhaupt übersehe« lasten wird, ob die Anregungen des Ernährungsminlsters im Reichstag eine Mehrheit finden werden.

Die zweite Lesung der dounggesetze

Außenminister Curtius

TU. B « rli«»11. Mär» I« Reichstag wurde am Mon­tag die zweite Beratung der Nonuggesetze abgeschlossen. Die Abstimmungen wurde« ans DienStaguachmtttag vertagt.

In der Aussprache meldeten sich nur noch Lie Vertreter der Opposition zum Wort: zwei Kommunisten und zwei Deutschnationale, und zwar der frühere Ernährnngsminister Schiele und Gras zu Eulenbnrg. Während Schiele die Not der Landwirtschaft in sprechenden Zahlen schilderte und gegen die gesamte bisherige Verständigungs- und Handels­politik protestierte, richtete Gras zu Eulenburg eine Art »letzte Warnung" vor dem Polen-Abkommen an Las HauS.

Außenminister Curtius

erwiderte dem Abg. Schiele, daß die Deutschnationalen für die Dawespolitik die halbe Verantwortung zu tragen hätten. (Unruhe und Widerspruch rechts.) Es habe nicht nur ein großer Teil der Fraktion für die Dawesgesetze gestimmt, son­dern die Dentschnationalen seien auf lange Zeit an dieser Pobitik beteiligt gewesen. (Zustimmung bei der Mehrheit.) Im Gegensatz zu den früheren Regierungen habe gerade die fetzige Regierung im Interesse der Landwirtschaft wirklich entscheidende Fortschritte erzielt. (Großer Lärm rechts.) Im übrigen dürfe nicht vergessen werden, daß die Krise in de« Landwirtschaft eine Wclterscheinnng ist. Noch vor wenigen Tagen habe die Reichsrcgierung erneut zur Lage der Landwirtschaft Stellung genommen und entscheidende «in- greifcnde Maßnahmen vorbereitet. Der Minister teilte mit, daß der Handelsvertrag mit Polen demnächst paraphiert werde. Die LanLwirtschast habe keinen Anlaß, sich über die- sen Vertrag zu beklagen, cs seien alle Sicherungen einge­baut, auf die d,e Landwirtschaft Anspruch erheben könne.

Beim Liquibationsabkomme» mit Pole«, so fuhr der Mi-

über den Polenverlrag

nister fort, dürfen die Kritiker nicht außer acht lassen, daß eS sich auch um den Schutz der Minderheiten handelt, der andere Formen erfordert, als sie für das Liqutdationsabkommeu möglich gewesen wären. Die Frage, ob das Polenabkommeu einer verfassungsändernden Mehrheit bedürfe, hat die Reichs» regierung verneint. Der Zusammenhang mit dem Boung- plan ist nicht irgendeine Künstelei der Relchsregierung. Der politisch« Zusammenhang ergibt sich notwendig ans den Empfehlungen der Pariser Sachverständigen. Der Reichs- bankprästdent Dr. Schacht hat diese Ding« in seinem Memo­randum nicht richtig dargestellt, indem er den entscheidenden Nebensatz der Empfehlung der Sachverständigen weggelassen hat. (Hört, hört! bei der Mehrheit.) Die Regierung betrachtet bas Polenabkommeu durchaus nicht als einen besondere« Er­folg. Es mutz aber sestgestellt werde«, daß i» der Frage der Liquidationen «ehr erreicht wurde, als »ach dem Aoung- plan zu erreichen war. In der Frage deS Wiederkanfsrcchts wnrdca nicht alle Wünsche erfüllt. Eine weitestgehende Siche, rnug des deutschen Besitzes in Pole« ist aber gewährleistet. Was noch fehlt» muß zukünftigen Wirtschastsverhandlungcu Vorbehalten bleiben. Durch eine vorsichtige Haltung der deut­schen Minderheit in Polen, die sich nicht feindlicher Akte gegenüber dem polnischen Staat schuldig machen darf, kön­nen diese Dinge wesentlich gefördert werden. (Lärmende Zwischenrufe rechts.) Durch die polnische Agrar-Neform werden die (2 000 deutschen Ansicdlerfamilien nicht berührt. Aber auch bezüglich des Großbesitzes sind entsprechende Zu­sicherungen von der polnischen Regierung gemacht worden. (Abg. Graf Westarp-Dtn.: Uber polnische Zusicherungen lacht man!) Die Agrarreform ist eine polnische Angelegenheit, die sich -er Einmischung einer fremden Negierung entzieht. Trotz­

Tages-Spiegel

Die Partei«« ber Weimarer Koalition bemühten sich gestern b's in dl« späte« Abendstunde« durch Ansstellen eines neue« FtnanzprogrammS einen Ausweg aus der Kris« z« finden. Die Verhandlungen solle« jedoch an dr« von de« Demokraten geforderten Steuersenkungen gescheitert sei«

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Der Reichspräsident hat Reichskanzler Müller ermächtigt, de« Reichstag gegebenenfalls aufznlöscn, wenn keine Eini­gung über dr« Finanzreform herbeigesührt werde« kan«.

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Wenn bis he«te nachmittag keine Eiuignng erfolgt, ist mit einem Rücktritt ber volksparteiliche« Minister CnrtinS und Moldenhauer zu rechnen.

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Die zweite Lesung über das Haager Abkommen wurde gestern im Reichstag beendet. Tie Abstimmung wird erst heut« stattfinde«.

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Reichsantzenminister CnrtinS verteidigte im Reichstag da- Abkomme« mit Polen gegen die Angriffe der Opposition

In München fand gestern nachmittag die Beisetzung des «er­storbene« Großadmirals von T'rpitz unter militärisch«« Ehren statt.

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In Ha«sach im badische« Schwarzwald fand eine Kund- gebnng für de« Ansba« der Elztalbahn statt, bei der auch das württembergische WtrtschastSministerium vertrete« war und sich für diese geplante kürzere Verbindung von Freiburg nach Stuttgart «»»fetzt«.

dem hat der polnische Außenminister erklärt, die polnische Regierung denke nicht daran, die Agrar-Resorm zur Aus­höhlung des Liquidationsabkommens zu benutzen. (Gelächter rechts.)

Die Argumente der Opposition» daß Polen durch Len Ver­trag gestärkt werde und baß man mit Polen überhaupt kei­nen Vertrag schließen dürfe, müssen zurückgew'esen werden. Wir beend'gen durch dieses Abkomme» de» Liqnidations» kampf und sichern die Deutsche« jenseits der Grenze auf ihrer Scholle. Was sonst zwischen uns und Polen steht, wlrL damit nicht aus der Welt geräumt. Wir geben keinerlei na­tionale» Anspruch preis. Wir haben durchaus Verständnis für die wirtschaftliche Not tm Osten. Aus solchen Verstim­mungen heraus darf man aber nicht das Gegenteil dessen tun. was für den Osten nötig ist. Wer unvoreingenommen dieses Abkommen betrachtet, kann es nicht verstehen, daß eS in Ostpreußen Abgeordnete g bt, die nicht für das Abkom­men stimmen. Wenn das Abkommen abgelehnt und dann eine fürchterliche Enttäuschung und Eindeutschung in Pole» rapide einsetzen würde, dann würden Sie (nach rechts) be­lehrt werden. Laß wir auf dem rechte« Wege sind, wenn wir uns für die Verabschiedung LeS Abkommens einfetzen. (Bei­fall bei der Mehrheit,- Zischen rechts!)

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Um die Mehrheit für die Nounggefetze.

Die Frage, welche Mehrheit die Nounggefetze im Reichs­tag erhalten werden, beschäst gt die politischen Parteien auf daS stärkste, da hiervon anscheinend die Stellungnahme des Reichspräsidenten in der Frage -er Unterzeichnung -er Nounggesetze abhängt. Die »Germania" weiß zu berich- tcn, daß der Reichskanzler in den Sonntagsbesprechungen mit den Parte en daraus hingewiesen habe, daß die Reichs» regierung es nicht hinnehmen könne, wen» die Nounggesetze mit einer kleinen Mehrheit von etwa 14 Stimmen angenom­men würden. Die »Germania" betont sodann, daß auch Reichspräsident von Hindenburg aus dem Standpunkt stehe, daß eS n'cht vertretbar sei, wenn Gesetze von solcher Trag, weite diese geringe Mehrheit fänden. Er wolle seine Hal­tung von diesem GesichtSpnnkt abhängig mache«.

Die Aufgaben der Reichsbank

TU, Berlin, 11. März. Das Vorstandsmitglied ber Deut­schen Bank und Diskonto-Gesellschaft, Dr. Solmsscn, sprach am Montag im Berliner Rundfunk über die Aufgab:n der Reichsbank und ihres Präsidenten. Zum Anlaß nahm er die heute erfolgende Neuwahl LeS Netchsbankpräsidruten. Welche Verantwortung ans dem Präsidenten der Deutschen NcichSbank liege, gehe zunächst schon darans hervor, baß Deutschlanb vom Waffenstillstand bis jetzt Sapitalwerte im Betrag von »1 Milliarden Coldmark abgclic'er« «nd um diese» Niesenbetrag seine Volkswirtschaft geschädigt habe. Der Ncichsbank obliege, über diesen geschwächten Körper finanziell zu wachen «nd erstens den Notcunmlauf, zweitens die Diskontpolitik «nb drittens den Währungsfchntz z« regeln. Auf diese dreifache Aufgabe ging der Sachverständige ausführlich ein.