Arnksvlatt unk» AnzetssV für Mtldvak» und dus obeve Lnzkal

Nummer 3V4

Fernruf 179

Samstag, den 28. Dezember 1929

Fernruf 179

64. Jahrgang

Schicksale kommen vom Himmel

Roman von Christine Ruhland

. Fortsetzung. (Nachdruck verboten)

Sie holte ihre Brille aus dem Nähkorb und ging nach der Wrinlaube, die zu ihrem Haus gehörte, um dort junge Schoten auszubeeren. Immer zu den großen Ferien gab es schon seit Jahren Berliner Gäste mit einem gesunden Hunger im Wippersrodaer Windmühlenhaus. Und die Küche wurde zumeist der Mutter überlassen Die Magd hatte in Feld und Garten zu arbeiten.

Frau Ottilie war fleißig beschäftigt. Ein tiefer Seufzer entfloh ihr. Die Schmerzenslinien um ihren Mund ver­schärften sich Vor nunmehr drei Jahren war Friedrich Lautsrbach eines Tages ganz still, fast unbemerkt, schlafen gegangen. Draußen in der Laube, als er zum Feierabend sein Pfeifchen rauchte. Die schneeweißen Fensterbehänge Frau Ottiliens konnten Pfeifenrauch nicht vertragen. Der kleine Ernst, der dem Müller Gesellschaft geleistet, war heim­gekommen, ganz blaß und verschüchtert. Er hatte Frau Ottilie an die Hand genommen, um sie in den Garten zu fuhren.

Liebe Mutter, komm, Großvater ist so seltsam. Die Pfeife hat er aus dem Munde fallen lassen."

So hatte sie ihn gefunden Allein hatte er sie gelassen zu einer Zeit, wo ihr ganzer Frauenstolz, ihre ganze Selbst­gerechtigkeit über ihr zusammengebrochen war Das Schreck­liche. was gleich einem Wettersturz ihren Stolz zerschlagen, hatte wohl auch Friedrich Lauterbachs schnelles Ende her­beigeführt Ja, er hatte seine Ruhe gefunden, aber sie muhte weiterleben mit der tiefen, immer leise blutenden Wunde im Herzen. Anita, die kaum siebzehnjährige, war mit einem jungen Müllerbürsrhen, den sie liebte und den sie nicht nehmen sollte, in die weite Welt gelaufen Nach langer Irr­fahrt war er in einem großen, städtischen Mühienwerk als Knappe eingetreten, und da die Eltern Anitas ihre Einwil­ligung zur Heirat versagten, waren sie unvermählt zuiam- mengeblieben bis zur Zeit, da sie die Einwilligung der Eltern entbehren konnten.

Nein, diele Wunde, die Anita dem Stolze Frau Ottiliens geschlagen, würde nie vernarben In ihres Herzens tiefster Not floh sie fürs erste zu Christine. Sie wollte kein fremdes Men'chenantlitz mehr sehen, niemand sollte die grenzenlose Noi ihres gebrochenen Stolzes ahnen.

Da wurde Rat geschafft

Heinrich Löscher nahm die Talmühle in Pacht, sich das Vorkaufsrecht oorbehaltenb, und Christine wurde Besitzerin der Windmühle Ein alter, tüchtiger Mühlenknappe, der bereits länger als zehn Jahre in Löschers Diensten stand, besorgte als Oberknappe das Mühlenwerk und Anton Werker wurde Verwalter von Christines Besitztum. Das kleine Wohnhaus aber, das zur Mühle gehörte, ging in Frau Lauterbachs Besitz über Sie mußte ein Haus, eine Heimat. für .sich allein haben. Unerträglich war ihr. derGe- däNke, plötzlich allein und heimatlos in einer ihr fremden Welt zu stehen

Zu Christine war sie geflüchtet. Zu dem fremden Kinde, dem sie einst das Heimatrecht in der Talmühle versagte. Zu ihr allein hatte ihre kranke Seele Vertrauen.

Nein, Christine war ihr kein fremdes Kind mehr. Sie war nun auch das Kind ihrer Seele, wie sie einst Mmias und des Talmüllers Kind gewesen. Und Ernst, dieser liebe, herzliche Junge mit seinem altklugen, ernsten und doch so echt kindlichen Wesen, der hatte sich in ihr Herz hinein­geschmeichelt

Ganz anderer Art waren Hannis Kinder. Großstadtkinder," pflegte sie zu sagen, ohne, daß diese Kinder oder Frau Doktor sich etwa beleidigt fühlten. Ach, sie wollten ja gar nicht solch' stille, rückständige Kinder sein wie ihr Vetter, der ewig lauschende Dorfjunge, der niemals eine schlagfertige Antwort fand auf ihre großstädtischen An­rempelungen. Ihnen war es schon unerhört, daß der Junge nicht nach Berlin zu ihnen in Pension gegeben wurde. Er wäre dann doch unter Umständen ein anständiger, feiner Mensch geworden.

Statt dessen lief er täglich auch bei Schneesturm und Winterkälte durch den Wald zur hohen Schule der nächsten Kleinstadt Nicht einmal Wagen und Pferd, die Tante doch hatte, wurden benutzt, die brauchte man doch zur Arbeit Und das ließ sich der Junge gefallen, das fand er selbst­verständlich. Ja, der Ernst Wolfram würde eben ein Dorf- tyrkel bleiben, trotz des Gymnasiums und seines Fleißes. Ein bedeutender Mensch würde er doch niemals werden.

So behaupteten Hans Wolfram, das älteste Kind Hannis und Tina, seine ältere Schwester, die für dieses Mal heim­geblieben war

Nur die blonde Sechsjährige, die man nach Großmutter Lauterbach Otti getauft, und die Ernst Wolfram so ähnlich Mar, hielt auf ihn und hatte ihn lieb. Alljährlich, so lange Christine ihr Waldschlößchen bei Wippersroda bewohnte, verlebte Hanni mit ihren Kindern hier auf dem gesegneten Fleckchen Erde ihre Ferien.

Frau Lauterbach schaute durch eine Oeffnuna der Laube und wartete auf die Rückkehr ihres Jungen. Er war noch nicht zu sehen. Sie beschirmte die Augen mit der Hand, um in die Ferne schauen zu können. Da vernahm sie behutsame Schritte. Anton Merker schaute herein.

Frau Doktor und Frau Wolfram sind heimgekommen!" Ich danke Ihnen, Merker. Rufen Sie mir die Selma aus dem Gemüsegarten Und dann kommen Sie mal rein zu mir, ich habe frischen Kuchen und einen recht wohlschmeckenden Kaffee mit Sahne."

Ueber Merkers Gesicht flog ein Lächeln.

Ich werde es mir gutschmecken lassen, Frau Lauterbach." Selma betrat eiligst Frau Lauterbachs Hausflur. Die Pantoffeln vor der Türe stehenlassend, huschte sie in die Küche, um sich zu säubern, dann nach dem Oberstock, um blitz­sauber, das braune Haar glatt gescheitelt, sonnengebräunt mit lachendem Antlitz wieder herabzukommen.

So. Selma, jetzt wirst du ja den Berliner Herrschaften schmuck genug sein. Die können ja gar nicht begreifen, wie man Köchin, Magd und Feldarbeiterm alles in einer Per­son sein kann. Frau Dr. Wolfram benimmt sich, als sei sie eine geborene Berlinerin. Kaum, daß sie noch Roggen von Weizen unterscheiden kann

Ach, und da kam Hans, der Gymnasiast, schon angestürmt, mit nackten Waden, im bunten Ttrolerkostüm, eine Spiel- hahnfeder auf dem Huh

Halt, Herr Hans Wolfram!" Die Großmutter hielt ihn zurück, als er die Schwelle ihres Hauses überschreiten wollte.

Erst die Füße gesäubert! Dürftest du zu Hause in Berlin eure kostbaren Teppiche betreten mit solch' staubigen Füßen?"

Hans Wolfram, seiner Mutter Ebenbild, war beleidigt.

Herr Gott nochmal. Zu Hause auf dem Parkett, da versteht sich das von selbst. Aber hier, auf eurem Wipper- rodaer, eurem du-," er hielt erschrocken inne. Bei­

nahe wäre ihm ein ungezogenes Wort entflohen.Aus eurem Dorfe, da will man sich doch einmal ungeniert aus­loben/'

Sollt ihr auch. Ihr könnt' mir bitter leid tun, daß ihr in eurem Berlin-W. auch die teppichbelegten Treppen hin-- auffchleichen müßt, wie Füchse, die auf Raub ausgehen. Aber ein Stadtkind, das doch so viel klüger und gebildeter sein will als wir Dorfbewohner, sollte die Gewohnheiten und Wünsche einer Großmutter, auch wenn sie aus dem Dorfe lebt, ganz selbstverständlich berücksichtigen."

Hans Wolfram war dunkelrot geworden.

Er drehte den Tirolerhut in den Händen und sagte ein wenig spöttisch:

Das war eine lange Rede, Großmutter. Aber ich werde sie mir hinter die Ohren und in mein Tagebuch schreiben."

Und ganz energisch benutzte er die Abtretebürst«, die vor der Haustür stand.

So, und nun komm. Junge, und laß dir den Kirsch­kuchen schmecken, den ich ausgeschnitten Habel"

Hans Wolfram hatte die kleine Maßregel bereits ver­gessen und ließ es sich wirklich gut schmecken.

Indessen hatte die geschäftige Selma auf der Terrasse des Waldschlößchens sinnig und geschickt den Kaffeetisch bereitet.

Aber auch Merker hatte das Haus von außen und innen fein säuberlich zurecht gemacht, ohne daß Christine nur einen Wunsch geäußert. Behutsam hatte er die Erkerfenster von den Glyzinienranken, die bereits Knospen trieben, befreit und die sich weit ausbreitenden Kletterrosen beschnitten, so, daß man einen freien Ausblick in die Wälder hatte.

Und während die kleine Otti der bedachtsamen Selma nicht von der Seite ging, um ab und zu etwas für ihr Leckermäul­chen zu erwischen, saßen Christine und Hanni unten in der dicht bewachsenen Laube und gedachten der Zeit, da Anita geboren und sie gemeinsam Hausmagddienst verrichten mußten.

Wir wollen nicht von Anita reden, es tut mir weh," sagte Christine.Wenn ich an sie denke, komme ich nicht wieder davon los. Ich gäbe sonst etwas darum, wenn ich Anita helfen könnte"

Ja, ich kann ihr erst recht nicht helfen, Christine. Das könnte einzig und allein die Mutter."

Christine stöhnte.

Viel weher tut mir die Not dieses Kindes, als meine eigene Not mir wehe getan. Das ist ein ganz anderer Schmerz, der liegt ganz abseits von dem, was ich ertragen."

Sir ülnfatzte..HavNH-ihr. Herz, zitterte .. -

Laß uns darüber schweigen."

Wie kann man nur so intensiv um eine andere leiden, wie Christine es tut," dachte Hanni.

Weißt du, Schwester," sagte sie in einem ganz veränder­ten Ton:Damals, als wir beide Küchenmagd spielen mußten, habe ich mir fest vorgenommen, Hans Wolfram zu heiraten, damit ich für alle Zeit aus dem Landleben heraus­käme. Ach, Mutter wußte nur zu gut, wie schwer sie mich mit dieser Herabsetzung strafte."

Ich habe Arbeit, ganz gleich welcher Art, niemals als Herabsetzung empfinden können Ich arbeite noch ebenso freudig mit meiner Selma zusammen, als damals mit dir."

Das kann ich von mir nicht sagen, Christine. Eure Land­arbeit würde mir eine Qual sein. Ja, ich würde sie wirklich als Herabsetzung empfinden."

Aber Hanni, ich bitte dich. Du bist doch ein Landkind, und dein Vater soll ein hervorragender Landwirt gewesen sein. Meinst du, daß er nicht selbst einmal mit Hand an­legte, wenn es notwendig war? Sollte er dann diese Tätig­keit als Herabsetzung empfunden haben?"

Nein, so meine ich es nicht. Vielleicht hat meinem Bnter die Quälerei im Schweiße seines Angesichts sogar Freude ge­macht, denn er tat es ja freiwillig, war nicht der Arbeiter, sondern der Arbeitgeber. Wir wollen darüber nicht strecken, Christine. Jedenfalls bin ich ganz zufrieden, aus der Land­wirtschaft und dem Staube der Talmühle heraus zu sein."

Christine lächelte ein wenig überlegen.

Und kommst doch so gerne jeden Sommer einmal wieder auf unser stilles Dorf, in unser grünumranktes Haus mit seiner Windmühle."

Ach du, wunderbar schön ist es ja zur Sommerszeit bei dir, und die Kinder freuen sich das ganze Jahr auf ihre großen Ferien und den Aufenthalt in Wipperoda. Ach, ich freue mich natürlich stets herstich auf unser Wiedersehen, auf meine Erholung in euren Wäldern. Aber das muß ich sagen, länger als vier bis sechs Wochen hielt ich es hier in eurer Einsamkeit und Stille wirklich nicht aus Schon diese lichtlosen Nächte fallen mir auf die Rerven. Man ist zu sehr an Beleuchtung gewöhnt Bei uns in Berlin ist ja Tag und Nacht kaum zu unterscheiden. Und dann die tiefe Stille bei euch, wie auf einem Friedhofe. Die ersten Nächte, die ich hier verbringe, vermag ich kaum zu schlafen. Das Leben fehlt mir. Erst nach und nach gewöhn« ich mich wieder daran."

Ja, liebe Hanni, dir ist die Unruhe zur Gewohnheit ge­worden. Ich liebe unsere stillen Nächte, sie sind mir heilig. Und lichtlos sind sie nur, wenn der Himmel mit Wolken ver­hangen ist. Ach, es gibt doch nichts Erhebenderes, nichts, was ein Menschenherz mehr beruhigt und beseligt, als ein Aufblick zum Sternenhimmel Gott mag verhüten, daß mich das Schicksal jemals in die Großstadt in eine Mietswohnung verschlägt. Ich fürchte, ich würde sterben vor Heimweh."

Glaube doch das nicht, Christine. Du solltest dich doch bloß einmal entschließen, uns in Berlin zu besuchen. Deine Helle Freude würdest du haben an unserer Wohnung Diese Bequemlichkeit in allen Dingen. Aber das sage ich dir ja wohl schon zum Hundertstenmal, und du bleibst bei deinem besser wissenden Lächeln, willst mich durchaus nicht verstehen und hast mich doch einstmals so gut verstanden."

Und ich verstehe dich noch immer, Hanni. Es freut mich, daß du dich wohl und heimisch fühlst in deinem Berlin."

Christine lächelte noch immer ein wenig überlegen. Das kränkte die Großstädterin.

^Karm," last« (KM. »Merker meinte Zwar, ich M-

lieber schweigen von dem, was mir heute begegnet. Er meinte, es könnte dich betrüben, aber verboten hat er mir das Reden nicht. Nur drückt es mich, ich möchte es dir er­zählen, denn du bist doch meine Mutter.

Er umfaßte sie.

In maßlosem Staunen drückte Christine den Knaben an sich.

Mein lieber Junge, was könnte dir begegnet sein? War es Schlimmes, da der gute Merker meint, es könnte mich betrüben?"

O nein, nur seltsam war es. Als ich mit Merker zur Schule ging, kam uns in der Nähe der Talmühle von Mar­kendorf drüben ein Wagen entgegen, ein halbverdeckter Kutschwagen Der alte Herr mit dem schneeweißen Haar, den sie den Kammerherrn nennen, und den ich schon öfter gesehen habe, saß darin. Er ließ plötzlich ganz langsam fahren und ließ anhalten, als er uns erreicht hatte, stieg er mit Hilfe seines Dieners aus und kam auf uns zu.

Da habe ich mich verneigt, so wie du es sonst wünschest, und er nahm den Hut ab und begrüßt« uns.

Verzeihen Sie," sagte er ganz demütig und gar nicht wie ein Kammerherr.Verzeihen Sie, Herr Merker und und gestatten Sie, daß Ihr Schützling, der liebe Knabe mir einmal nur einmal im Leben dre Hand reicht. Es ist doch Frau Christine Wolframs Sohn. Man sieht es. Er hat ihre dunkelverbrämten Augen trotz seines aschblonden Haares. Merker sah ganz bleich aus und sagte:

Herr Baron, ich wüßte nicht, was Sie Ernst Wolfram zu sagen hätten. Lassen Sie uns ruhig unseres Weges gehen."

Aber der Baron hielt mein« Hand ganz fest

Grüße deine liebe Mutter und sage ihr, es sei für dich gesorgt. Und sie würde von mir hören. Herr Merker, auch Tie werden von mir hören und auch für Sie ist gesorgt/

Ich muß danken für mich. Meine Seelersichurerzen laste ich mir nicht bezahlen!" sagte Merker

Da stand der alte Herr, ganz aschgrau im Gesicht, und ließ meine Hand los. Ganz rasch und ohne Gruß zog Merker mich fort. Aber ich verneigte mich. Mir tat der alte Kammer­herr bitter leid. Das war alles so seltsam, Mama, und ich werde es gar nicht los. Deshalb mußte ich es dir sagen. Der gute Merker wird mir üoch nicht zürnen?^'

Ganz tief schmiegte sich der Knabe in die Mutterarme.

Kennst du den alten Kammerherrn, Mama, und hast du einmal sein verhärmtes Gesicht gesehen? Er soll doch Reich- tümer besitzen, di« ans Märchenhafte grenzen, erzählen sich einige meiner Mitschüler zuweilen Nein, Mama, wenn reiche Menschen so todunglücklich aussehen, dann will ich nie­mals reich werden. Aber wir sind doch auch reich and wären ganz, ganz glücklich, wenn mein lieber Bater noch auf dieser Welt lebte."

Er hatte sich aus den Armen der Mutter befreit und ihren Hals umfaßt. Glückselig strahlten sie die stillen, treuen Augen Günther Wolframs an So ganz, wie Günther als Knabe, erschien ihr jetzt sein Sohn. Sie vermochte nicht zu reden, da ihr die Tränen hoch stiegen vor Seligkeit -Ja, mein lieber Junge," sagte sie endlich mit beüercker Stimme.Dein Vater lebt in einer anderen Welt, aber er ist allezeit bei uns, wenn wir ihn auch nicht sehen."

Den ewigen Gott sieht man ja auch nicht, Mam«, aber man fürchtet und liebt ihn dennoch. Und man fühlt ihn. Fühlst du ihn nicht auch, Mama?"

Ob ich ihn fühle, mein Herzenskind."

Tief, tief sah sie ihm in die reinen Knabenaugen.

Und nun laß uns schlafen gehen. Me deine Fragen aber über das, was dir heute begegnet, kann ich dir vorläufig noch nicht beantworten. Vielleicht nach Jahren einmal. Und dem guten Merker kannst du sagen, daß es dich getrieben hck, deiner Mama euer Erlebnis zu erzählen. Sie sei aber ganz ruhig geblieben und habe sich gar nicht betrübt"

Bald darauf vernahm Christine die tiefen, ruhigen 8lt«n- 'üge ihres Lieblings, und bet dem bürsten Scheine «irres Kerzenlichtes, erkannt sie, wie ein feines Lackeln sein« Herben Lippen umspielte

Er verneigte sich wohl im Traume noch einmal vor dem weißhaarigen Kammerherrn, der ihm heut« so bitter leid getan.

27.

Eines Tages, um die elfte Vormittagsstunde, hielt ein verdeckter Wagen vor dem Mühlenhofe zu Wipperoda.

Ein Diener sprang vom Rücksitz und öffnet« geschäftig den Schlag

Langsam und bedächtig entstieg dem wappengeschmiirtten Wagen ein schmalschultriger, allerer Herr im schwarzen An­zuge. Er durchschritt eine schmale Pforte, die der Diener ihm geöffnet, und betrat den sauberen, mit Steinplatten belegten Hof

Frau Lauterbach erschien im Rahmen der Haustür. Sie trug ein dunkles Hauskleid mit einem weißen Streifen am Halsausschnitt, und auf dem weißen Scheitel lag ein chwarzes .Spitzenhäubchen. Der herrsiche Zug auf ihrem ^ritlitz verschärfte sich dem Fremden gegenüber. Prüfend überflogen ihre Augen den Schwarzgekleideten, der ihr be­kannt schien

Verzeihen, gnädige Frau, daß ich hier eindringe, jeden­falls bin ich nicht an der rechten Stelle. Ich komm« al« Ab­gesandter des Kammerherrn von Markendorf und möchte Frau Wolfram bitten, mich vorzulasten "

Er bielt demütig den Klapphut in der Hand, sich lies ver­neigend.

Würden gnädige Frau die Güte haben, mich bei Fra« Wolfram zu melden?

Frau Lauterbachs Gesicht, das zuvor verwundert drein- geschaut, verhärtete sich in abweisendem Stolz. Don ihr« Tür aus hielt sie Umschau im Garten, um irgendwer, zu er- spähen.

Herr Merker," rief sie plötzlich, so daß der Fremde er- schreckend seine demütige Haltung verlor. Barhäuptig, da» graue Haar ein wenig zerzaust, kam der Geruftn«, dt« Baumschere in der Hand, eiligst aus einem Seitenwege La« Obstgartens Nach dem üblichen Morgengruß sah er Frau Lauterbach fragend an.

Folgen Sie bitte unserem Verwalter, er wird Sie bei '«einer Tochter melden." sagte sie, sich an den Fremden wendend.Und Sie, lieber Merker, halten sich vielleicht in Nähe von Frau Wolfram auf. E« könnte sei«, da« sie Ihrer bedürft«/

ffmtletzu«« folat.